TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/22 97/02/0500

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Veröffentlicht am 22.10.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §2 Abs2;
AuslBG §3 Abs5;
AVG §37;
FrG 1993 §32 Abs2 Z2 litb;
FrG 1993 §32 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der DD in P, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner, Rechtsanwälte in Linz, Landstraße 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. September 1997, Zl. VwSen-420158/8/Gf/Km, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 30. September 1997 wies die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin (einer tschechischen Staatsbürgerin) wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Zurückweisung der Beschwerdeführerin am 22. Juni 1997 an der Grenzkontrollstelle Wullowitz durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Freistadt) unter Berufung auf § 67c Abs. 4 AVG als unbegründet ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat es in der Begründung des angefochtenen Bescheides als erwiesen angenommen, dass die Beschwerdeführerin am 22. Juni 1997 gegen 18.05 Uhr am erwähnten Grenzübergang in das Bundesgebiet habe einreisen wollen. Hiebei habe sie, nach dem Zweck ihres Aufenthaltes in Österreich befragt, angegeben, bei der Fa. P. in Prag - einem Tochterunternehmen der in Linz ansässigen L. & L.-OEG - zu arbeiten und von letzterer zwecks Absolvierung einer in der Zeit vom 22. Juni bis 4. Juli 1997 stattfindenden Fortbildungsveranstaltung in den Fachbereichen Buchhaltung und Deutsche Sprache eingeladen worden zu sein. Sie habe dem Grenzkontrollorgan ein Schreiben der L. & L.-OEG vorgelegt, aus dem hervorgegangen sei, dass für sie für die Zeit vom 22. bis 23. Juni 1997 und vom 27. Juni bis zum 4. Juli 1997 ein Einzelzimmer in einem Linzer Hotel reserviert worden sei. Aus einer Telefax-Nachricht dieses Unternehmens habe sich weiters ergeben, dass für die Beschwerdeführerin im Anschluss an eine abzulegende Prüfung die Teilnahme an einem Deutschkurs in der Zeit vom 30. Juni bis 3. Juli 1997 vorgesehen gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe ca. öS 900,-- und czK 150,-- mit sich geführt. Gegen 19.05 Uhr habe das Grenzkontrollorgan gemäß § 32 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 436/1996 (FrG), die Zurückweisung ausgesprochen. Dies sei damit begründet worden, dass die Beschwerdeführerin der sie treffenden Sichtvermerkspflicht nicht entsprochen habe, weil sie keinen Sichtvermerk und auch keine für die Aufnahme einer Beschäftigung erforderliche Bewilligung habe vorweisen können. Überdies besitze die Beschwerdeführerin im Inland keinen Wohnsitz und habe nicht über die für die Bestreitung der Kosten des Aufenthaltes notwendigen Mittel verfügt. Die Zurückweisung sei durch entsprechende Stempelung im Reisepass der Beschwerdeführerin ersichtlich gemacht worden.

Das Grenzkontrollorgan sei zu keinen Erhebungen verpflichtet gewesen, vielmehr habe der Fremde den maßgeblichen Sachverhalt selbst vorzubringen und glaubhaft zu machen. Die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung hänge davon ab, ob aus der Sicht des Behördenorgans die Annahme, die Beschwerdeführerin werde im Bundesgebiet ohne entsprechende Bewilligung einer Erwerbstätigkeit nachgehen, vertretbar gewesen sei. Gemäß § 5 FrG in Verbindung mit dem Abkommen zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Tschechischen Republik über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 47/1990, dürften tschechische Staatsbürger nur dann sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet einreisen, wenn ihr Aufenthalt keinem Erwerbszweck diene. Der Ausdruck "Erwerbszweck" sei im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 (AuslBG), als eine unter den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallende Beschäftigung zu verstehen. Als derartige Beschäftigung gelte auch die Verwendung in einem Ausbildungsverhältnis. Die Beschwerdeführerin könne auch nicht als Volontärin angesehen werden, weil einerseits ihre Tätigkeit zufolge der durch ihren Dienstgeber getragenen Aufenthaltskosten - dies stelle einen Naturallohn dar - nicht als unentgeltlich gewertet werden könne, und andererseits ihre Ausbildung nicht ausschließlich dem Zweck des Erwerbs von Fertigkeiten, sondern der Erweiterung theoretischer Kenntnisse dienen sollte. Die Beschwerdeführerin hätte daher für ihre Einreise einer Beschäftigungsbewilligung bedurft, woraus sich auch eine Sichtvermerkspflicht ergebe. Da die Beschwerdeführerin bei ihrer beabsichtigten Einreise über keines dieser Dokumente verfügt habe und das Grenzkontrollorgan vertretbar habe davon ausgehen können, dass sie im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nachgehen werde, sei die Zurückweisung der Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht erfolgt.

Ausschlaggebend für das Schicksal der Beschwerde ist die Frage, ob die bei ihrem Einreiseversuch angegebene beabsichtigte Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet als Erwerbstätigkeit im Sinne des § 32 Abs. 2 lit. b FrG zu werten ist. Gemäß dieser Gesetzesstelle sind Fremde bei der Grenzkontrolle dann zurückzuweisen, wenn sie zwar zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt sind, aber bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie ohne die hiefür erforderliche Bewilligung die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet beabsichtigen, wobei gemäß Abs. 3 dieses Paragrafen das Grenzkontrollorgan nach Befragung des Fremden auf Grund des von ihm glaubhaft gemachten oder sonst bekannten Sachverhaltes zu entscheiden hat.

Gemäß Artikel 1 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (nunmehr Tschechischen Republik) über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 47/1990, dürfen die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die Inhaber eines gültigen gewöhnlichen Reisepasses sind, zu einem nicht Erwerbszwecken dienenden Aufenthalt ohne Sichtvermerk in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates einreisen und sich dort bis zu 30 Tagen aufhalten. Gemäß Abs. 2 dieses Artikels ist für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder für einen 30 Tage übersteigenden Aufenthalt im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates ein Sichtvermerk erforderlich.

Der belangten Behörde ist beizupflichten, wenn sie zur Auslegung des Begriffes Erwerbstätigkeit die Bestimmungen des AuslBG herangezogen hat, weil schon allein die in § 32 Abs. 2 lit. b FrG enthaltene Bezugnahme auf eine für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erforderliche Bewilligung den Schluss, es handle sich hiebei um eine Bewilligung nach dem AuslBG, nahelegt. So hat auch der Verwaltungsgerichtshof den Verdacht, ein Fremder könnte beabsichtigen, in Österreich ohne erforderliche Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz einer Beschäftigung nachzugehen, als Zurückweisungsgrund gemäß § 32 Abs. 2 lit. b FrG gewertet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 1995, Slg. Nr. 14297/A, mit weiteren Nachweisen). Das gegen diese Rechtsauffassung von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1994, Zl. 94/09/0051, steht diesem Ergebnis nicht entgegen, weil der diesem Erkenntnis zugrunde liegende Sachverhalt mit dem im Beschwerdefall maßgeblichen nicht vergleichbar ist und weil aus der in diesem Erkenntnis enthaltenen Aussage, dass die Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz getrennt von den Voraussetzungen für eine Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG zu prüfen seien, nicht abgeleitet werden kann, dass Begriffe des FrG nicht im Sinne des AuslBG verstanden werden dürften.

Nach den sohin heranzuziehenden Bestimmungen des AuslBG gilt gemäß dessen § 2 Abs. 2 als Beschäftigung die Verwendung a) in einem Arbeitsverhältnis, b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird, c) in einem Ausbildungsverhältnis oder d) .........

Gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG bedürfen Ausländer, die ausschließlich zum Zwecke der Erweiterung und Anwendung von Kenntnissen zum Erwerb von Fertigkeiten für die Praxis ohne Arbeitspflicht und ohne Entgeltanspruch (Volontäre) bis drei Monate beschäftigt werden, keiner Beschäftigungsbewilligung.

Sowohl im angefochtenen Bescheid als auch in der Beschwerde wird davon ausgegangen, daß die Tragung der Kosten des Aufenthalts der Beschwerdeführerin durch die L. & L.-OEG als inländisches Unternehmen vorgesehen war. Unbestritten ist auch, dass die Beschwerdeführerin ihren Aufenthalt im Bundesgebiet zu Ausbildungszwecken nutzen wollte. Daraus folgt, dass die hiebei entfaltete Tätigkeit als Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG zu werten war. Allerdings wäre zufolge § 3 Abs. 5 leg. cit. für diese Tätigkeit eine Beschäftigungsbewilligung dann nicht erforderlich gewesen, wenn kein Entgeltanspruch für die Beschwerdeführerin bestanden hätte. Den gegenüber dem Grenzkontrollorgan abgegebenen und durch die Beschwerdeausführungen bestätigten Erklärungen der Beschwerdeführerin ist jedoch zu entnehmen, dass die Kosten ihres Aufenthaltes in Österreich zur Gänze von der L. & L.-OEG bestritten werden sollten und dass seitens dieses Unternehmens auch bereits Hotelzimmer für die Beschwerdeführerin bestellt waren. Gemäß der hg. Judikatur berechtigt aber die kostenlose Zurverfügungstellung von Wohnraum zur Annahme, dass es sich hiebei um einen Naturallohn und somit um ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis - im Beschwerdefall zwischen der Beschwerdeführerin auf Dauer des Aufenthaltes in Österreich und der L. & L.-OEG als Muttergesellschaft ihres tschechischen Dienstgebers - handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. November 1993, Zl. 93/09/0275, mit weiteren Nachweisen). Die Folgerung der belangten Behörde, dass das Grenzkontrollorgan auf Grund der Angaben der Beschwerdeführerin zu Recht den Verdacht hegen konnte, die Beschwerdeführerin beabsichtige, in Österreich ohne erforderliche Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz einer Beschäftigung nachzugehen, und deshalb berechtigt war, die Beschwerdeführerin zurückzuweisen, erweist sich daher als schlüssig. Da somit die Zurückweisung der Beschwerdeführerin zu Recht erfolgte, kann der belangten Behörde nicht mit Aussicht auf Erfolg rechtswidriges Vorgehen vorgeworfen werden.

Soweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, § 32 Abs. 2 lit. b FrG könne im Fall eines zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigten Fremden nicht als Rechtsgrundlage für eine Zurückweisung herangezogen werden, ist ihr entgegenzuhalten, dass durch diese Gesetzesstelle festgelegt wird, unter welchen Umständen ein grundsätzlich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigter Fremder an der Grenze zurückzuweisen ist. Der Verwaltungsgerichtshof vermag - im Gegensatz zu den Beschwerdeausführungen - in der Anwendung dieser Gesetzesstelle auf den Beschwerdefall eine unschlüssige Gesetzesauslegung nicht zu erblicken.

Wenn die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vorwirft, sie habe dadurch, dass sie das Nichtvorliegen eines Sichtvermerks und einer Beschäftigungsbewilligung als Hinderungsgrund für die Einreise der Beschwerdeführerin gewertet habe, von der Beschwerdeführerin nicht nur eine Glaubhaftmachung sondern einen Beweis des für die Einreise maßgeblichen Sachverhaltes verlangt, verkennt sie den normativen Inhalt des § 32 Abs. 3 FrG. Nicht das Vorhandensein eines Sichtvermerks oder einer Beschäftigungsbewilligung ist Gegenstand der in dieser Gesetzesstelle statuierten Glaubhaftmachung, sondern das Vorliegen eines Sachverhalts, der gerade solche Bewilligungen entbehrlich macht. Von dem von der Beschwerdeführerin bei ihrem Einreiseversuch angegebenen Sachverhalt ist die belangte Behörde aber vollinhaltlich ausgegangen.

Die von der Beschwerdeführerin gerügte Bezeichnung der L. & L.-OEG als ihr Dienstgeber beruht darauf, dass die belangte Behörde zufolge der Übernahme der Aufenthaltskosten - wie sich aus obigen Darlegungen ergibt - zu Recht von einer Naturalentlohnung der Beschwerdeführerin durch das zuletzt angeführte Unternehmen ausging, woraus sich insoweit eine dienstgeberähnliche Funktion dieses Unternehmens ergibt. Dass die Beschwerdeführerin durch diese Ausdrucksweise der belangten Behörde in Rechten verletzt sein könnte, kann nicht ersehen werden.

Auch mit der Rüge, die belangte Behörde habe zu Unrecht die Einvernahme des Grenzkontrollorganes unterlassen, gelingt es der Beschwerdeführerin nicht einen wesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen, hat sie doch selbst in der Beschwerde den von diesem Organ der Zurückweisung zugrunde gelegten Sachverhalt bestätigt.

Die sich somit insgesamt als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Oktober 1999

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997020500.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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