TE Vwgh Erkenntnis 1999/10/27 98/09/0360

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Veröffentlicht am 27.10.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde der M A KEG in W, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in Wien X, Gudrunstrasse 143, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 24. November 1998, Zl. 10/13113/1814762/1998, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 20. Juli 1998 beim Arbeitsmarktservice Persönliche Dienst - Gastgewerbe Wien die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den türkischen Staatsangehörigen B G für die berufliche Tätigkeit als Koch (spezielle Kenntnisse oder Ausbildung "levantinische Küche").

Diesen Antrag wies das Arbeitsmarktservice Persönliche Dienste - Gastgewerbe Wien mit Bescheid vom 28. August 1998 gemäß § 4 Abs. 7 und § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG ab.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und beantragte darin, den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben und die Beschäftigungsbewilligung für die beantragte ausländische Arbeitskraft zu erteilen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. November 1998 wurde "der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, aufgehoben und zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zurückverwiesen".

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, hinsichtlich des Aufenthaltsrechtes der (seit 1989 in Österreich aufhältigen) ausländischen Arbeitskraft sei ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängig. Dieser Umstand genüge nach dem neuen Fremdengesetz 1997, damit ein Ausländer als aufenthaltsberechtigt gelte. Nach dem Integrationskatalog des § 4 b AuslBG sei diese beantragte ausländische Arbeitskraft in die Gruppe mit dem Integrationsgrad 4b einzustufen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die erste Instanz bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Zu diesem Zweck sei das Verfahren von der zuständigen regionalen Geschäftsstelle neu durchzuführen. Der erstinstanzliche Bescheid sei aufzuheben und der Antrag auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung zur neuerlichen Entscheidung an die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zurückzuverweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "gemäß § 66 Abs. 4 und 2 AVG auf Entscheidung in der Sache" verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattet eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 2 AVG (in der Fassung vor der Verwaltungsverfahrensnovelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998) kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, nach Abs. 4 dieser Gesetzesstelle immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihrer Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzten und dem gemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 27. Juni 1995, Zl. 95/04/0037, sowie vom 29. Oktober 1996, Zl. 95/07/0227, und die jeweils darin angegebenen hg. Judikatur), darf die Berufungsbehörde eine kasatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens ermächtigt demnach die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn sich dieser Mangel nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Form von Rede und Gegenrede aller an der Sache beteiligten Personen und aller sonst für seine Ermittlung (Erhebung der Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise) in Betracht kommenden Personen, die daher gleichzeitig am gleichen Ort zu einer mündlichen Verhandlung versammelt werde müssen, beheben lässt. In allen anderen Fällen hat die Berufungsbehörde immer in der Sache selbst zu entscheiden und die dafür notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens unter Heranziehung der Behörde erster Instanz oder selbst vorzunehmen.

Die belangte Behörde hat - nach der Begründung des angefochtenen Bescheides - nicht dargelegt, dass bzw. aus welchen Grund der für die Erledigung der Sache maßgebende Sachverhalt nicht anders als in Form von Rede und Gegenrede in einer mündlichen Verhandlung festgestellt werden kann. Dass das (wegen angeblichen unrichtiger rechtlicher Beurteilung durch die Behörde erster Instanz mangelhaft gebliebene) unterinstanzliche Verfahren "neu durchzuführen ist", bildet für sich allein noch keinen Grund für eine solche Annahme und berechtigte die belangte Behörde daher nicht zu einer kassatorischen Entscheidung im Sinn des § 66 Ab. 2 AVG. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann somit auf die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht gestützt werden.

Die belangte Behörde hat den Spruch ihres Berufungsbescheide auch insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, als sie eine ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG aussprach - dieser Ausspruch hätte zur Folge, dass die Unterbehörde nicht neuerlich entscheiden darf -und zudem (in unlösbaren Widerspruch zu dieser ersatzlosen Behebung) eine Zurückweisung und neuerliche Entscheidung der Unterbehörde anordnete. Der Spruch des angefochtenen Bescheides ist daher - sofern in dieser Hinsicht nicht ein berichtigungsfähiges Versehen der belangten Behörde anzunehmen ist - auch in sich widersprüchlich.

In dem die belangte Behörde die Rechtslage aus den dargelegten Gründen verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Oktober 1999

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998090360.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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