TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/12 W214 2194515-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.09.2018
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Entscheidungsdatum

12.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs3 Z2
AsylG 2005 §57 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §6 Abs1
AsylG 2005 §6 Abs1 Z3
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
BFA-VG §10 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8 Abs1
EMRK Art.8 Abs2
FPG §46
FPG §46a Abs1 Z2
FPG §46a Abs1 Z3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §53 Abs3 Z6
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
JGG §5
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W214 2194515-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER über die Beschwerde desXXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, vertreten durch den XXXX, gegen die Spruchpunkte I. bis VI., VIII. und IX. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 16.04.2018, Zl. XXXX:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten, III. (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen), IV. (Erlassung einer Rückkehrentscheidung), VIII. (Verlust des Aufenthaltsrechts) und IX. (Einreiseverbot) des angefochtenen Bescheides werden abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser zu lauten hat:

"Ihr Antrag auf internationalen Schutz wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen."

III. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird dieser wie folgt geändert:

"Gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von XXXXnach Syrien nicht zulässig ist.

IV. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird dieser wie folgt geändert:

"Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet und stellte am XXXX05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, syrischer Staatsangehöriger und am XXXX geboren worden zu sein.

1.1. In der polizeilichen Erstbefragung am selben Tag brachte der Beschwerdeführer vor, er hätte bald zum Militär einrücken müssen. Da er an keiner Kriegshandlung teilnehmen wolle, habe er seine Heimat verlassen.

1.2. Am 17.12.2015 wurde der Beschwerdeführer aufgrund einer Anordnung zur Festnahme des Landesgerichts für Strafsachen XXXX wegen Verdachts der Begehung von Straftaten gemäß §§ 278b und 278c StGB inhaftiert und die Untersuchungshaft über ihn verhängt.

1.3. Mit Urteil des LandesgerichtsXXXX (im Folgenden: LG) vom 02.06.2016 wurde der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf § 5 Z 4 JGG gemäß § 278b Abs. 2 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Urteil des OLG XXXX (im Folgenden: OLG) vom 11.10.2016 insofern Folge gegeben, als die verhängte Freiheitsstrafe auf dreieinhalb Jahre herabgesetzt wurde. Einer seiner Brüder (der gemeinsam mit ihm und einem Cousin nach Österreich eingereist war) wurde unter Bezugnahme auf § 5 Z 4 JGG gemäß § 278b Abs. 2 und § 278a StGB verurteilt.

1.4. Am 03.04.2017 wurde der Beschwerdeführer in der Justizanstalt XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) einvernommen. Er führte aus, in XXXX geboren zu sein und zuletzt an der Adresse XXXX in XXXX wohnhaft gewesen zu sein. Zum Fluchtgrund brachte er "den Krieg" vor. Er sei Mitglied einer Gruppe gewesen sei, die sich "Freie Syrische Armee" genannt habe. Er sei nur kurze Zeit (Februar bis Juni oder Juli 2013) bei ihnen gewesen, habe aber nicht gekämpft. Wenn man geblieben wäre, hätte man zur Daesh oder zu den Regierungstruppen (zu Assad) gehen müssen. Als junger Mann wolle er in Syrien nicht kämpfen. Er habe nur gekocht und Teller gewaschen. Es habe auch eine finanzielle Motivation gegeben, an dieser Gruppierung teilzunehmen. Es habe eine Ausbildung an der Waffe gegeben. Auf Vorhalt, dass er wegen der Beteiligung an der terroristischen Vereinigung "Harakat Ahrar al-Sham al-Islamiyya" verurteilt worden sei, meinte der Beschwerdeführer, dass sie auch zu diesen "Freie Syrische Armee" gesagt hätten. Die Vereinigung stehe laut UNO nicht auf der Liste der Terrororganisationen. Bei einer Rückkehr würde er von Daesh getötet werden, da diese mehrmals verlangt habe, dass er sich ihr anschließe. Ebenso würde er von der "Freien Syrischen Armee" getötet werden, weil er nicht bei ihnen geblieben sei. Wenn er sich in Gebiete begeben hätte, die unter der Kontrolle der Assad-Truppen gewesen seien, hätten sie ihn zum Militärdienst eingezogen.

1.5. Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom 19.03.2018 wurde der Beschwerdeführer bedingt aus dem Vollzug einer Freiheitsstrafe entlassen.

2. Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom 16.04.2018 den Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 und § 6 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. (Spruchpunkt II.) ab, erkannte dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg. cit. nicht zu, erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg. cit. fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 leg.cit. nach Syrien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters erklärte die belangte Behörde, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt IV.), erkannte gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF der Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.) und erklärte, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 18.12.2015 verloren habe (Spruchpunkt VIII.). Schließlich erließ die belangte Behörde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IX.).

Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde führte die belangte Behörde begründend aus, dass § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG im gegenständlichen Fall zutreffe, da schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Dem Beschwerdeführer stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Damaskus offen, wo auch einer seiner Brüder studiere, und es drohe ihm daher keine reale und menschenrechtsverletzende Gefahr im Herkunftsstaat.

3. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid vollinhaltlich das Rechtsmittel der Beschwerde. Der Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Syrien vom Militär oder von anderen bewaffneten Gruppen rekrutiert werden. Außerdem hätte aufgrund der Länderfeststellungen und dem in Syrien herrschenden Bürgerkrieg jedenfalls ein Abschiebeschutz, mindestens eine Duldung, gewährt werden müssen. In diesem Zusammenhang werde auch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im angefochtenen Bescheid bekämpft.

4. Die gegenständliche Beschwerde langte samt Verwaltungsakt am 07.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

5. Mit mündlich verkündetem Erkenntnis am 08.05.2018 wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein den Beschwerdeführer betreffender Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt.

6. Mit Teilerkenntnis vom 11.05.2018 wurde vom Bundesverwaltungsgericht Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

7. Eine Anfrage an die Staatendokumentation ergab, dass keine klare Aussage über die Sicherheitssituation in Damaskus getätigt werden könne, da diese sich ständig ändere: Weiters sei nicht klar, ob bzw. inwieweit der syrische Geheimdienst von den wegen terroristischer Handlungen in Österreich verurteilten Syrern Kenntnis habe. Es sei davon auszugehen, dass der Geheimdienst über die Führungskräfte Bescheid wüsste, hinsichtlich des Wissens des Geheimdiensts über einzelne Mitglieder terroristischer Vereinigungen könne jedoch keine Aussage getroffen werden.

8. Am 14.06.2018 fand eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht statt. Der Beschwerdeführer führte aus, am 17.04.2018 aus der Haft entlassen worden zu sein. Danach sei er in Schubhaft genommen worden, jedoch sei der Schubhaftbescheid aufgehoben worden. Sein jüngerer Bruder sei weiterhin in Haft, da er von einem Mithäftling der extremistischen Propaganda für den IS beschuldigt worden und deshalb nochmals strafgerichtlich verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer gab an, nunmehr in XXXXbei seinem Cousin zu leben.

Nach seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er Mitglied der Gruppe "Ahrar al-Sham" gewesen sei. Als er diese Gruppe verlassen habe, habe ihm Gefahr gedroht. Gleichzeitig sei diese Gruppe gegen das Regime gewesen und sein Name stehe auf der Fahndungsliste des Regimes. Falls sie ihn erwischten, würden sie ihn ermorden. Auf Vorhalt, dass er dieses Vorbringen zum ersten Mal tätige, behauptete der Beschwerdeführer, dass er Derartiges "nur anders gesagt" bereits bei der Erstbefragung vorgebracht hätte. Er habe sich der Gruppierung Ahrar al-Sham Ende 2013 angeschlossen und diese Anfang 2014 wieder verlassen. Auf Vorhalt, dass er im Strafverfahren angegeben habe, auch 2014 noch einige Monate mitgekämpft zu haben, führte der Beschwerdeführer aus, dass er sich in einem anderen Ort wieder dieser Gruppierung angeschlossen habe, um gegen den Islamischen Staat (IS) zu kämpfen. Bei Ahrar al-Sham sei er zuständig für Waschen, Kochen und Saubermachen gewesen. Er habe jedoch nicht für diese Vereinigung gekämpft.

Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 27.11.2015 gestanden habe, für die Ahrar al-Sham eine Ausbildung an der Kalaschnikow erhalten und auch für die Gruppierung gekämpft zu haben, er dieses Geständnis auch später bekräftigt und schließlich in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens bestätigt habe, leugnete der Beschwerdeführer erneut, jemals für die genannte Gruppierung gekämpft zu haben. Es gebe auch Sachen im Polizeibericht, die übertrieben seien. Die ganze Einvernahme sei übertrieben gewesen, auch sei seine Strafe nicht so lang gewesen. Er sei unter Druck gestanden und habe die Sache hinter sich bringen wollen. Er habe das Geständnis bei Gericht auf den Rat seines Anwaltes abgegeben, weil er geglaubt habe, dass er freikomme. Die Ahrar al-Sham sei für ihn eine terroristische Vereinigung.

Auf die Frage, warum er (und sein Bruder) sich dann gefreut hätte(n), wenn diese Gruppierung weitere Gebiete erobert habe, leugnete dies der Beschwerdeführer (obwohl er dies laut Protokoll der Hauptverhandlung im Strafverfahren bestätigt hatte). Auf den Vorhalt, dass es auch andere Feststellungen gebe, die er jetzt leugne, meinte der Beschwerdeführer, das sei alles nur Behauptung, es gebe keine Beweise dafür. Auf die Frage, wie er zum Präsidenten Syriens, Assad, stehe, meinte der Beschwerdeführer, dass es Verbesserungen unter dem Assad-Regime gebe. Für ihn persönlich sei es aber gefährlich in Syrien. Dazu führte er aus, dass er zum Militär gehen müsste und nicht zur Armee gehen wolle. Auf Vorhalt, dass die belangte Behörde ihm nicht geglaubt habe, dass er nicht auf die eigene Bevölkerung schießen wolle, da er ja bereits freiwillig an Kampfhandlungen teilgenommen habe, führte der Beschwerdeführer aus, dass er bei der belangten Behörde nicht den Grund angegeben habe, warum er nicht zum Militär gehen wolle. Er wolle nicht zum Militär gehen, weil er nicht getötet werden wolle. Der Beschwerdeführer behauptete (im Gegensatz zu den Angaben bei seiner Erstbefragung) weiters, aus Syrien illegal mithilfe von Schleppern ausgereist zu sein. Auf Vorhalt der Aussage bei seiner Erstbefragung, dass er mit seinem Reisepass legal ausgereist sei, behauptete er, dass er über die Grenze ohne Kontrolle mit seinem abgelaufenen Reisepass gereist sei. Er sei ohne Schlepper ausgereist, erst von der Türkei nach Griechenland sei er mittels Schlepper gereist.

9. Mit am 10.07.2018 übermittelter Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers wurden Kopien von Auszügen aus dem Familienregister und dem Personenregister sowie ein syrisches Schulzeugnis und ein E-Mail-Verkehr vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer eine Bäckerlehre beginnen könne. Zu den Länderberichten werde keine inhaltliche Stellungnahme abgegeben, außer dass darauf hingewiesen werde, dass die Gefährdung des Beschwerdeführers im Falle einer Abschiebung nach Syrien enorm wäre.

10. Dem Bundesverwaltungsgericht wurde von der belangten Behörde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer kurze Zeit nach seiner Entlassung aus der Haft erneut polizeilich in Erscheinung getreten sei. Der kriminalpolizeiliche Aktenindex weise ein Delikt wegen sexueller Belästigung und öffentlichen geschlechtliche Handlungen auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Sicherheitslage

Der im März 2011 begonnene Aufstand gegen das Regime ist in eine komplexe militärische Auseinandersetzung umgeschlagen, die grundsätzlich alle Städte und Regionen betrifft. Nahezu täglich werden landesweit Tote und Verletzte gemeldet. Die staatlichen Strukturen sind in zahlreichen Orten zerfallen und das allgemeine Gewaltrisiko ist sehr hoch (AA 27.12.2017). Grob gesagt stehen auf der Seite der syrischen Regierung Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah und schiitische Milizen, die vom Iran im Irak, in Afghanistan und im Jemen rekrutiert werden. Auf der Seite der diversen Gruppierungen, die zur bewaffneten Opposition bzw. zu den Rebellen gehören, stehen die Türkei, die Golfstaaten, die USA und Jordanien, wobei diese Akteure die Konfliktparteien auf unterschiedliche Arten unterstützen. Zudem sind auch die Kurden in Nordsyrien und der sogenannte Islamische Staat (IS) am Konflikt beteiligt (BBC 7.4.2017). Mitte September des Jahres 2016 wurde von den USA und Russland, nach monatelangen Gesprächen, eine Waffenruhe ausgehandelt. Diese sollte ermöglichen, dass humanitäre Hilfe die Kampfgebiete erreichen kann; außerdem sollte den Luftangriffen des syrischen Regimes auf die Opposition Einhalt geboten werden. Die Waffenruhe sollte sieben Tage bestehen und galt für das syrische Regime und die Rebellen, jedoch nicht für die terroristischen Gruppierungen "Islamischer Staat" (IS) und Jabhat Fatah ash-Sham (CNN 12.9.2016). Es soll in verschiedenen Gebieten mehr als 300 Verstöße gegen die Waffenruhe gegeben haben. Nach ungefähr einer Woche wurde die Waffenruhe von der syrischen Armee bzw. vom syrischen Regime für beendet erklärt. In dieser Zeit konnten keine humanitären Hilfslieferungen die Kampfgebiete erreichen (Zeit 19.9.2016).

Der "Islamische Staat" (IS)

Im November 2017 brachte die syrische Armee Deir ez-Zour, das zuvor vom IS besetzt war, wieder unter seine Kontrolle (BBC 12.12.2017). Der IS verlor 2017 beinahe sein ganzes Territorium in Syrien und im Irak (Reuters 27.12.2017a).

Analysten gehen außerdem davon aus, dass der IS sich bereits auf eine neue Phase vorbereitet und sich zu der Art von Untergrundbewegung zurückentwickelt, die sie in ihren Anfängen war (NYT 17.10.2017).

Die russischen Militäreinsätze

Im Dezember 2017 verkündete das russische Verteidigungsministerium, dass das syrische Territorium "komplett vom IS befreit sei" und somit das Ziel ihres Einsatzes in Syrien, das Zurückdrängen des IS, erfüllt sei (Standard 7.12.2017; vgl. BBC 12.12.2017). Kurze Zeit später gab es jedoch Berichte, dass es dem IS nach Kämpfen mit Hay'at Tahrir ash-Sham gelang mehrere Dörfer in den Provinzen Idlib und Hama zu erobern (Standard 9.12.2017). Der russische Präsident Putin ordnete Mitte Dezember auch den Abzug eines "Großteils der russischen Truppen" aus Syrien an (BBC 13.12.2017; vgl. Standard 21.12.2017). Russland wird jedoch weiterhin zwei Militärbasen in Syrien betreiben, die Luftwaffenbasis Hmeimim und die Marinebasis in Tartus, und somit eine permanente militärische Präsenz in Syrien unterhalten (BBC 13.12.2017; vgl. DS 26.12.2017; vgl. Standard 21.12.2017).

Die achte Runde der UN-geführten Friedensverhandlungen in Genf brachte keine Ergebnisse. Die oppositionelle Verhandlergruppe erklärte, dass Assad nicht Teil einer Übergangslösung in Syrien sein könne, worauf die regierungstreue Delegation der Ansicht war, dass es nichts mehr zu verhandeln gäbe (Standard 15.12.2017).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (27.12.2017): Länderinformationen - Syrien:

Reisewarnung,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/syrien-node/syriensicherheit/204278, Zugriff 27.12.2017

-BBC News (7.4.2017): Syria war: a brief guide to who's fighting whom, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-39528673, Zugriff 17.1.2018

-BBC News (12.12.2017): Syria Profile - Timeline, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-14703995, Zugriff 29.12.2017

-BBC News (13.12.2017): Syria war: Putin's Russian mission accomplished, http://www.bbc.com/news/world-europe-42330551, Zugriff 29.12.2017

-CNN (12.9.2016): Syria ceasefire: Who's in, who's out and will this one hold?,

http://edition.cnn.com/2016/09/12/middleeast/syria-ceasefire-explained/, Zugriff 27.12.2017

-DS - The Daily Star (26.12.2017): Russia establishing permanent Syria presence: RIA,

https://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2017/Dec-26/431477-russia-establishing-permanent-syria-presence-ria.ashx, Zugriff 29.12.2017

-NYT - The New York Times (17.10.2017): Raqqa, ISIS "Capital", Is Captured, U.S.-Backed Forces Say, https://www.nytimes.com/2017/10/17/world/middleeast/isis-syria-raqqa.html, Zugriff 27.12.2017

-NYT - The New York Times (18.11.2017): Marked for ‚De-escalation', Syrian Towns Endure Surge of Attacks, https://www.nytimes.com/2017/11/18/world/middleeast/syria-de-escalation-zones-atarib.html, Zugriff 28.12.2017

-Reuters (27.12.2017b): Turkey's Erdogan calls Syria's Assad a terrorist, says impossible to continue with him, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-turkey/turkeys-erdogan-calls-syrias-assad-a-terrorist-says-impossible-to-continue-with-him-idUSKBN1EL0W5, Zugriff 29.12.2017

-Der Standard (7.12.2017): Moskau verkündet komplette Befreiung Syriens vom IS,

https://derstandard.at/2000069812571/Moskau-Syrien-komplett-vom-IS-befreit?ref=rec, Zugriff 29.12.2017

-Der Standard (9.12.2017): Aktivisten: IS-Miliz wieder zurück in syrischer Provinz Idlib,

https://derstandard.at/2000069923966/Aktivisten-IS-Miliz-wieder-zurueck-in-syrischer-Provinz-Idlib?ref=rec, Zugriff 3.1.2018

-Der Standard (15.12.2017): Syrien-Runde in Genf war ein Schlag ins Wasser,

https://derstandard.at/2000070412731/Achte-Syrien-Gespraechsrunde-in-Genf-endete-mit-Schuldzuweisungen?ref=rec, Zugriff 28.12.2017

-Der Standard (21.12.2017): Russland will Marinebasis im syrischen Tartus ausbauen,

https://derstandard.at/2000070849430/Russland-will-Marinebasis-im-syrischen-Tartus-ausbauen, Zugriff 29.12.2017

-Zeit Online (19.9.2016): Assad erklärt Waffenruhe für beendet, http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-09/syrien-waffenruhe-ende-luftangriffe-usa, Zugriff 27.12.2017

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), vom sogenannten Islamischen Staat (IS) und von anderen Rebellen-Fraktionen kontrollierte Gebiete aufgeteilt (BS 2016; vgl. Reuters 13.4.2016 und USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-BS - Bertelsmann Stiftung (2016): Syria Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Syria.pdf, Zugriff 5.12.2017

-Reuters (13.4.2016): Assad holds parliamentary election as Syrian peace talks resume,

http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idUSKCN0XA2C5, Zugriff 22.12.2017

-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Syria,

https://www.ecoi.net/local_link/337226/479990_de.html, Zugriff 17.8.2017

Gebiete unter der Kontrolle des syrischen Regimes

Das Justizsystem Syriens besteht aus mehreren Gerichten, darunter Zivil-, Straf-, Militär-, Sicherheits- und religiöse Gerichte sowie ein Kassationsgericht. Die religiösen Gerichte behandeln das Familien- und Personenstandsrecht und regeln Angelegenheiten wie Eheschließungen, Scheidungen, Erb- und Sorgerecht. Was religiöse Gerichte betrifft, so sind Scharia-Gerichte für sunnitische und schiitische Muslime zuständig. Drusen, Christen und Juden haben ihre eigenen gerichtlichen Strukturen. Für diese Gerichte gibt es auch eigene Berufungsgerichte (SLJ 5.9.2016 und IA 7.2017). Manche Personenstandsgesetze wenden die Scharia unabhängig von der Religionszugehörigkeit der Beteiligten an (USDOS 3.3.2017).

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Behörden sind in der Praxis jedoch oft politischen Einflüssen ausgesetzt. Die Ergebnisse von Fällen mit politischem Kontext scheinen oft schon vorbestimmt zu sein (USDOS 3.3.2017).

Wenn Personen, von denen angenommen wird, dass sie Regierungsgegner sind, vor Gericht gebracht werden, so ist es wahrscheinlich, dass es sich dabei um ein Anti-Terror-Gericht, welches 2012 eingerichtet wurde, oder ein Militärgericht handelt, obwohl es gegen die internationalen Standards für faire Prozesse verstößt, einen Zivilisten vor einem Militärgericht zu verurteilen. Das Anti-Terror-Gericht hält sich in seiner Arbeitsweise nicht an grundlegende Bedingungen einer fairen Gerichtsverhandlung. Manchmal dauern die Verhandlungen nur wenige Minuten und "Geständnisse", welche unter Folter gemacht wurden, werden als Beweismittel akzeptiert. Außerdem wird das Recht auf Rechtsberatung stark eingeschränkt. In Militärgerichten haben Angeklagte kein Recht auf einen Anwalt. Manchmal werden Angeklagte auch nicht über ihr Urteil informiert (AI 17.8.2016; vgl. HRW 2.8.2017). In den ersten zweieinhalb Jahren seit seiner Errichtung soll das Anti-Terror-Gericht mehr als 80.000 Fälle behandelt haben (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-AI - Amnesty International (17.8.2016): "It breaks the Human":

Torture, disease and death in Syria's prisons, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471499119_mde2445082016english.PDF, Zugriff 25.8.2017

-HRW - Human Rights Watch (2.8.2017): Bassel Pays with His Life for Non-Violent Resistance in Syria, https://www.ecoi.net/local_link/344713/475779_en.html, Zugriff 25.8.2017

-IA - International Alert (7.2017): "Most of the Men want to leave":

Armed groups, displacement and the gendered webs of vulnerability in Syria,

http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Gender_VulnerabilitySyria_EN_2017.pdf, Zugriff 25.8.2017

-SLJ - Syrian Law Journal (5.9.2016): An Overview of the Syrian Court System,

http://www.syrianlawjournal.com/index.php/overview-syrian-court-system/, Zugriff 25.8.2017

-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Syria,

https://www.ecoi.net/local_link/337226/479990_de.html, Zugriff 17.8.2017

Sicherheitsbehörden und regierungstreue Milizen

Die Regierung hält die Kontrolle über die uniformierten Polizei-, Militär- und Staatssicherheitskräfte aufrecht, kann jedoch die Kontrolle über paramilitärische, nicht-uniformierte regierungstreue Milizen, welche oft autonom und ohne Aufsicht oder Führung der Regierung arbeiten, nicht immer gewährleisten (USDOS 3.3.2017).

Straflosigkeit unter den Sicherheitsbehörden bleibt ein weit verbreitetes Problem. Das Generalkommando der Armee und der Streitkräfte kann einen Haftbefehl im Fall von Verbrechen durch Militäroffiziere, Mitglieder der internen Sicherheitskräfte oder Zollpolizeioffiziere im Rahmen ihrer beruflichen Pflichten ausstellen. Solche Fälle müssen vor einem Militärgericht verhandelt werden. In der Praxis gibt es keine bekannte rechtliche Verfolgung oder Verurteilung von Polizei- und Sicherheitskräften hinsichtlich Missbrauchs und Korruption, und die Sicherheitskräfte operieren unabhängig und generell außerhalb des Gesetzes. Es gibt keine Berichte von Aktionen der Regierung zur Reformierung der Sicherheitskräfte oder der Polizei (USDOS 3.3.2017; vgl. GS 11.2.2017). Beispielsweise sind die Shabiha bzw. die NDF und andere paramilitärische Gruppierungen mit Verbindung zum syrischen Regime an Menschenrechtsverletzungen beteiligt, darunter auch Massaker, willkürliche Tötungen, Entführungen von Zivilisten, willkürliche Festnahmen und Vergewaltigung als Kriegstaktik (USDOS 13.4.2016, zu Shabiha und NDF siehe USCIRF 26.4.2016).

Die Einheiten, die auf der Seite der Assad-Regierung kämpfen, sind sehr vielfältig. Manche davon gehören regulären Streitkräften an, andere gehören zu verschiedenen Milizen. Manche bestehen aus nicht mehr als ein paar Dutzend Männern, andere Gruppen bestehen aus tausenden Männern und besitzen ihre eigenen Trainingscamps und Netzwerke (BBC 12.12.2016). Auch Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah und der Irak unterstützen die syrische Regierung, auch mit Einsätzen an der Seite der syrischen Streitkräfte (JT 24.3.2017).

Es ist schwierig Informationen über die Aktivitäten von spezifischen Regierungs- oder regierungstreuen Einheiten zu spezifischen Zeiten oder an spezifischen Orten zu finden, weil die Einheiten seit dem Beginn des Bürgerkrieges oft nach Einsätzen organisiert ("task-organized") sind oder aufgeteilt oder mit anderen Einheiten für spezielle Einsätze zusammengelegt werden. Berichte sprechen so oft von einer speziellen Militäreinheit an einem bestimmten Einsatzort (z.B. eine Brigade) wobei die genannte Einheit eigentlich aus Teilen mehrerer verschiedener Einheiten nur für diesen speziellen Einsatz oder eine gewisse Zeit zusammengesetzt wurde (C. Kozak 28.12.2017).

Quellen:

-BBC News (12.12.2016): Syrian conflict: Assad's fragmenting military, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-38289313, Zugriff 5.12.2017

-Christopher Kozak, Senior Research Analyst, Insitute for the Study of War (28.12.2017): Informationen per e-Mail

-GS - Global Security (11.2.2017): Syria Intelligence & Security Agencies,

http://www.globalsecurity.org/intell/world/syria/intro.htm, Zugriff 25.8.2017

-JT - Jamestown Foundation (24.3.2017): Institutionalized 'Warlordism': Syria's National Defense Force; Terrorism Monitor Volume: 15 Issue: 6,

https://www.ecoi.net/local_link/338196/481168_de.html, Zugriff 11.12.2017

-USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (26.4.2016): United States Commission on International Religious Freedom 2017 Annual Report; 2017 Country Reports: USCIRF Recommended Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494489917_syria-2017.pdf, Zugriff 25.8.2017

-USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria,

http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 22.12.2017

-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Syria,

https://www.ecoi.net/local_link/337226/479990_de.html, Zugriff 11.8.2017

Streitkräfte

Die syrischen Streitkräfte bestehen aus der Armee, der Marine und der Luftwaffe. Sie sind für die Verteidigung des nationalen Territoriums und den Schutz des Staates vor internen Bedrohungen verantwortlich (UK HOME 11.9.2013).

Vor dem Konflikt soll die syrische Armee eine Mannstärke von geschätzten 295.000 Personen gehabt haben (UK HOME 8.2016). Sie kann das gesamte syrische Staatsgebiet nicht mehr unabhängig sichern und sechs Jahre mit Überläufen zu den Regimegegnern, Desertionen und Verlusten durch den Konflikt haben die Mannstärke aus den Vorkriegszeiten stark dezimiert - auf geschätzte 100.000 - 175.000 Mann in 2014 und 2015, großteils bestehend aus mangelhaft ausgerüsteten und trainierten Wehrdienstleistern (ISW 8.3.2017; vgl. FIS 23.8.2016).

Der Aufbau der syrischen Armee basiert auf dem sogenannten Quta'a-System [arab. Sektor, Landstück]. Hierbei wird jeder Division (firqa) ein bestimmtes Gebiet zugeteilt. Dies verbindet jeden Sektor (quta'a) mit einer Division (firqa) und somit Karriere und Leben eines Offiziers mit einer Armee-Division und dem dazugehörigen Gebiet. Mit diesem System wurde in der Vergangenheit verhindert, dass Offiziere überlaufen. Gleichzeitig gab die Armee dem Divisionskommandeur eine Carte blanche über das Gebiet, für das er zuständig ist, wonach er "jeden Vorfall in seiner quta'a selbst regeln kann, ohne die Führung (das Verteidigungsministerium in Damaskus) zu involvieren, wenn keine Kommunikation möglich ist, oder ein Notfall vorliegt". Gleichzeitig kann dadurch der Präsident den Einfluss einzelner Divisionskommandeure einschränken, indem er sie gegeneinander ausspielt (CMEC 14.3.2016). Im Zuge des Konfliktes hat das Regime jedoch loyale Einheiten in größere Einheiten eingebaut, um eine bessere Kontrolle auszuüben und ihre Effektivität im Kampf zu verbessern (ISW 8.3.2017).

Quellen:

-CMEC - Carnegie Middle East Center (14.3.2016): Strengh in Weakness: The Syrian Army's Accidental Resilience, http://carnegie-mec.org/2016/03/14/strength-in-weakness-syrian-army-s-accidental-resilience-pub-62968, Zugriff 11.12.2017

-FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,

https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 11.12.2017

-ISW - Institute for the Study of War (8.3.2017): Iran's Assad Regime,

http://www.understandingwar.org/sites/default/files/Iran%27s%20Assad%20Regime.pdf, Zugriff 11.12.2017

-UK HOME - UK Home Office (11.9.2013): Syrian Arab Republic Country of Origin Information (COI) Report, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1379488369_syr-cr-2013-09-11-ukhomeoffice.pdf, Zugriff 11.12.2017

-UK HOME - UK Home Office (8.2016): Country Information and Guidance Syria: the Syrian Civil War,

https://www.ecoi.net/file_upload/1226_1472706544_cig-syria-security-and-humanitarian.pdf, Zugriff 11.12.2017

Zivile und militärische Sicherheits- und Nachrichtendienste

Die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden arbeiten autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen (USDOS 3.3.2017).

Es gibt vier Hauptzweige der Sicherheits- und Nachrichtendienste. Der Militärische Nachrichtendienst, der Luftwaffennachrichtendienst und das Direktorat für Politische Sicherheit unterstehen dem Innenministerium. Das Allgemeine Nachrichtendienstdirektorat ist eine alleinstehende Organisation und untersteht direkt dem Präsidenten. Diese vier Dienste arbeiten unabhängig voneinander und größtenteils außerhalb des Justizsystems, überwachen einzelne Staatsbürger und unterdrücken oppositionelle Stimmen innerhalb Syriens (USDOS 3.3.2017; vgl. GS 11.2.2017). Die größeren Organisationen haben ihre eigenen Gefängniszellen und Verhörzentren (UK HOME 11.9.2013; vgl. UNHRC 3.2.2016).

Die Sicherheitskräfte nutzen eine Reihen an Techniken, um Syrer einzuschüchtern oder sie dazu zu bringen den Vorstellungen der Sicherheitskräfte entsprechend zu handeln. Diese Techniken beinhalten einerseits Angebote von lukrativen und prestigeträchtigen Positionen oder andere Belohnungen, andererseits jedoch auch Zwangsmaßnahmen wie Reiseverbote, Überwachung, Schikane von Individuen und/oder deren Familienmitgliedern, die Androhung von Inhaftierung (ohne Anklage), Verhör und Haftstrafen nach langen Gerichtsverhandlungen. Die bürgerliche Gesellschaft und die Opposition in Syrien erhalten spezielle Aufmerksamkeit von den Sicherheitskräften aber auch andere Gruppen und Individuen müssen mit dem Druck der Sicherheitsbehörden umgehen (GS 11.2.2017).

Quellen:

-GS - Global Security (11.2.2017): Syria Intelligence & Security Agencies,

http://www.globalsecurity.org/intell/world/syria/intro.htm, Zugriff 25.8.2017

-UK HOME - UK Home Office (11.9.2013): Syrian Arab Republic Country of Origin Information (COI) Report, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1379488369_syr-cr-2013-09-11-ukhomeoffice.pdf, Zugriff 11.12.2017

-UNHRC - United Nations Human Rights Council (3.2.2016): Out of Sight, Out of Mind: Deaths in Detention in de Syrian Arab Republic, http://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A-HRC-31-CRP1_en.pdf, Zugriff 11.12.2017

-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Syria,

https://www.ecoi.net/local_link/337226/479990_de.html, Zugriff 11.8.2017

Volkskomitees und shabiha-Milizen

Die shabiha ("Geister" bzw. "Phantome") sind bewaffnete Milizen, welche die regierende Baath-Partei unterstützen und der Assad-Familie treu sind. Sie kämpfen, um die Opposition zu unterdrücken und sich zu bereichern. Die shabiha wurden in den 1970ern in der Gegend von Latakia gegründet und bestanden aus einem Schmugglernetzwerk. Im Jahr 2000 waren die shabiha von Bashar al-Assad aufgelöst worden, 2011 nahmen sie jedoch ihre Aktivitäten im Zuge des steigenden Konfliktes wieder auf. Sie bestehen aus ca. 10.000 Mitgliedern und gehen skrupellos gegen die Opposition vor (COI Unit Poland 6.2015).

Zu Beginn des Konfliktes 2011 wurden außerdem die sogenannten Volkskomitees spontan gegründet oder wurden von Nachrichtendiensten oder pro-Assad-Geschäftsmännern als Gegenstück zu der Mobilisierung von oppositionellen Demonstranten rekrutiert. Die Volkskomitees, welche anfangs nur ihre Nachbarschaften nach Zeichen des Widerstandes überwachen und Demonstrationen auflösen sollten, entwickelten sich mit der Zeit zu lokalen Autoritäten und später zu bewaffneten Milizen, nachdem der Staat an Macht verlor und die Opposition militarisiert wurde. Diese Milizen wurden von der Opposition häufig als "Shabiha" bezeichnet (CMEC 2.3.2015).

Quellen:

-CMEC - Carnegie Middle East Center (2.3.2015): Who Are the Pro-Assad Militias?, http://carnegie-mec.org/diwan/59215?lang=en, Zugriff 7.12.2017

-COI Unit Poland - Danecki, Janusz; Górak-Sosnowska,Katarzyna; Office for Foreigners (Poland), COI Unit (6.2015): Religious Problems in Syria,

http://wikp.udsc.gov.pl/images/Raporty_ekspertow/SYRIA_-_EN_21.092015.pdf, Zugriff 7.12.2017

Folter und unmenschliche Behandlung

Willkürliche Festnahmen, Misshandlungen, Folter und Verschwindenlassen durch die Einheiten der Regierung sind weit verbreitet und systemisch in Syrien und geschehen zudem in einem Klima der Straflosigkeit (HRW 12.1.2017). Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren (UNHRC 11.8.2016). Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken (AI 17.8.2016). Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weit verbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt (USDOS 3.3.2017). Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder weil sie nicht als ausreichend regimetreu wahrgenommen werden. Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen werden auch Opfer von Folter (UNHRC 11.8.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. AI 22.2.2017). Menschenrechtsgruppen zufolge hat das Regime seit März 2011 zwischen 17.500 und 60.000 Männer, Frauen und Kinder zu Tode gefoltert oder exekutiert. Die Toten werden häufig in Massengräbern begraben oder verbrannt und nur selten ihren Verwandten überstellt (Economist 20.12.2017). Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (USDOS 3.3.2017).

Rebellengruppierungen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von (als solche wahrgenommenen) Andersdenkenden und Rivalen (FH 1.2017). Manche oppositionelle Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie wären Mitglieder von regierungstreuen Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel (USDOS 3.3.2017). Auch der IS begeht Misshandlungen, Folter, Bestrafungen von Individuen, und agiert mit Brutalität. Der IS bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, inklusive Kindern, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-AI - Amnesty International (17.8.2016): "It breaks the human":

Torture, disease and death in Syria's prisons [MDE 24/4508/2016], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471499119_mde2445082016english.PDF, Zugriff 4.12.2017

-AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - Syria,

https://www.amnesty.org/en/countries/middle-east-and-north-africa/syria/report-syria/, Zugriff 5.12.2017

-The Economist (20.12.2017): Assad's torture dungeons - Pit of hell, https://www.economist.com/news/middle-east-and-africa/21712142-dissidents-are-being-exterminated-syrian-jails-assads-torture-dungeons, Zugriff 5.12.2017

-FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/341821/485142_de.html, Zugriff 4.12.2017

-HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/318418/443598_en.html, Zugriff 5.12.2017

-HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/334763/477343_de.html, Zugriff 5.12.2017

-UNHRC - United Nations Human Rights Council (11.8.2016): Report of the Independent International Commission of inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/33/35],

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1474461066_g1617860.pdf, Zugriff 5.12.2017

-USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Syria,

https://www.ecoi.net/local_link/337226/479990_de.html, Zugriff 11.8.2017

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder lokalen bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Militärdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

Die Rekrutierung von männlichen Syrern findet nach wie unvermindert statt (DRC/DIS 8.2017). Für männliche syrischen Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 5.12.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017). Diejenigen männlichen palästinensischen Flüchtlinge, im Alter von 18 bis 42 Jahren, welche vor 1956 bei der General Administration for Palestine Arab Refugees (GAPAR) registriert waren, und deren Nachkommen müssen den verpflichtenden Wehrdienst bei der Palästinensischen Befreiungsarmee (PLA), einer Einheit der syrischen Streitkräfte, ableisten. Für diese Palästinenser gelten die gleichen Voraussetzungen für den Wehrdienst wie für Syrer (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zur Zeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Syria Direct 7.12.2017). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2015).

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (FIS 23.8.2016; vgl. ISW 8.3.2017). Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, und auch nicht aus anderen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017; vgl. PAR 15.11.2017)

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, und wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der im Militär erforderlichen Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden zum Reservedienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt (BFA 8.2017). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2015; vgl. DRC/DIS 8.2017). Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (BFA 8.2017). Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden z.B. mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016).

Das Militärbuch zeigt lediglich Informationen über den verpflichtenden Wehrdienst und nicht, ob eine Person Reservist ist oder nicht. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten würden dies jedoch nur auf informellem Weg tun, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird (BFA 8.2017).

Befreiung und Aufschub

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, die Situation in der Praxis ist jedoch anders. Präsident al-Assad versucht den Druck in Bezug auf den Wehrdienst zu erhöhen, und es gibt nun weniger Befreiungen und Aufschübe beim Wehrdienst. Generell werden die Regelungen nun strenger durchgesetzt, außerdem gibt es Gerüchte, dass Personen trotz einer Befreiung oder eines Aufschubs rekrutiert werden. Was die Regelungen zur Befreiung oder zum Aufschub des Wehrdienstes betrifft, so hat man als einziger Sohn der Familie noch die besten Chancen. Das Risiko der Willkür ist jedoch immer gegeben (BFA 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017).

Unbestätigte Berichte legen nahe, dass der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit über den Wegfall von Aufschubgründen informiert ist, und diese auch digital überprüft werden. Zuvor mussten Studenten den Status ihres Studiums selbst dem Militär melden, in den letzten zwei Jahren wird der Status von Studenten aktiv überprüft. Generell werden Universitäten nun strenger überwacht und von diesen wird nun verlangt, dass sie das Militär über die Anwesenheit bzw. Abwesenheiten der Studenten informieren. Kürzlich gab es eine Änderung bezüglich des Aufschubs aufgrund eines Lehramts-Studiums. Zuvor war es möglich, einen Aufschub des Wehrdienstes zu erwirken, wenn man ein Lehramts-Masterstudium begann, unabhängig davon welches Bachelor-Studium man zuvor absolviert hatte. Dieser Aufschubgrund funktioniert nun nur noch, wenn man auch den Bachelorabschluss im Lehramtsstudium gemacht hat (BFA 8.2017).

Es gibt Beispiele, dass Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann, sondern schlicht Willkür darstellt. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt, im Zuge des aktuellen Konfliktes - manchmal sogar Jahre danach - trotzdem eingezogen zu werden (BFA 8.2017).

Es gibt ein Gesetz, das syrischen Männern, die mehr als fünf Jahre außerhalb des Landes gelebt haben, gegen Zahlung eines Bußgeldes die Befreiung vom Militärdienst ermöglicht. Diese Gebühr wurde von 5.000 USD auf 8.000 USD erhöht (BFA 8.2017).

Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 15.8.2017). Zunehmend zieht die Regierung, wie berichtet wird, zuvor "geschützte" Personen wie Studenten, Beamte und Häftlinge zum Militärdienst ein (BFA 8.2017; vgl. UNHCR 3.11.2017). Von Staatsangestellten wird erwartet, dass sie dem Staat zur Verfügung stehen. Um sich ein "Pool" von potentiell zur Verfügung Stehenden zu sichern, wurde ein Dekret bezüglich Staatsangestellte und Wehrdienst erlassen: Laut Legislativdekret Nr. 33 von 2014 wird das Dienstverhältnis von Staatsangestellten beendet, wenn sie sich der Einberufung zum Wehr- oder Reservedienst entziehen (BFA 8.2017). Hierzu gab es bereits Ende 2016 ein Dekret, welches jedoch nicht umfassend durchgesetzt wurde. Im November 2017 gab es eine erneute Direktive des Premierministers Imad Khamis, laut der "die Anstellung von jenen beendet werden soll, die den verpflichtenden Wehrdienst oder den Reservedienst vermeiden". Dieser Direktive folgten bereits Entlassungen, wobei nicht bekannt ist, in welchem Ausmaß sie stattfinden (Syria Direct 7.12.2017). Gerade auch in alawitischen Gebieten gibt es eine Verbindung zwischen Staatsangestellten und der Notwendigkeit der Erfüllung bürgerlicher Pflichten (BFA 8.2017).

Entlassungen

Es liegen aktuell keine Informationen zu Entlassungen von Soldaten aus dem Militärdienst vor, es ist jedoch möglich, dass dies trotzdem vorkommt. Viele Männer haben Angst, nicht mehr aus dem Dienst entlassen zu werden, wenn sie einmal eingezogen werden. Manche Männer, die den verpflichtenden Wehrdienst bereits abgeleistet haben, werden wieder zum Dienst einberufen, oder der Dienst mancher Männer wird einfach verlängert (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

Amnestien

Seit 2011 hat der syrische Präsident für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstverweigerer und Deserteure eine Serie von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten Frist zum Militärdienst melden. Am 17. Februar 2016 veröffentlichte der Präsident das Gesetzesdekret Nr. 8, mit dem Deserteure innerhalb und außerhalb von Syrien sowie Wehrdienstverweigerer und Reservisten eine Amnestie erhalten. Es gibt keine Informationen darüber, wie viele Personen die Amnestie genutzt haben. In manchen Fällen wurden Personen aus der Haft entlassen, wobei die Regierung jedoch danach eine erneute Welle von Verhaftungen durchführte. In diesem Zusammenhang ist nicht klar, aus welchem Grund bestimmte Personen freigelassen werden und ob die Amnestie jenen hilft, die davon profitieren sollten [also Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren, Anm.], oder anderen Personen. Menschenrechtsorganisationen und Beobachter haben diese Amnestien wiederholt als intransparent und unzureichend kritisiert. Ihrer Ansicht nach profitierten davon nicht die vorgeblich angesprochenen Personengruppen (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016).

Wehrdienstverweigerung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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