TE Bvwg Beschluss 2018/9/19 W210 2184033-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.09.2018
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Entscheidungsdatum

19.09.2018

Norm

AVG §38
B-VG Art.133 Abs4
BVwGG §9 Abs1
BWG §40 Abs2a Z3
BWG §41 Abs4 Z1
BWG §99d
FMABG §22 Abs2a
FM-GwG §34 Abs1 Z8
FM-GwG §35 Abs3
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §34 Abs1
VwGVG §34 Abs2 Z2
VwGVG §34 Abs3
VwGVG §43

Spruch

W210 2184033-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER als vorsitzender Richterin und die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL sowie den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als beisitzende Richter über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch XXXX RAe GmbH, XXXX , gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 04.12.2017, Zl. FMA-KL23 5128.100/0001-LAW/2017, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

A)

Das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG ausgesetzt, bis der Verwaltungsgerichtshof über die ordentliche Revision im Verfahren zu Ro 2018/02/0023 entschieden hat.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Das zugrundeliegende Verwaltungsstrafverfahren war zuvor nach Durchführung einer Vor-Ort-Prüfung der FMA durch Aufforderung zur Rechtfertigung an die beschwerdeführende juristische Person am 09.05.2017 eingeleitet worden.

2. Mit Schriftsatz vom 11.07.2017 erfolgte die Rechtfertigung der beschwerdeführenden Partei unter Vorlage von Risikoanalysen, Regelwerken sowie Besuchsberichten von Korrespondenzbanken.

3. Das gegenständliche Straferkenntnis datiert vom 04.12.2017 und lautet im Spruch:

"Die XXXX ), ein konzessioniertes Kreditinstitut mit Geschäftsanschrift XXXX , hat, als juristische Person ab 01.01.2014 folgende Verstöße zu verantworten:

Die XXXX hat von 01.01.2008 bis zumindest 25.10.2016 unterlassen risikobasierte und angemessene Maßnahmen mittels interner Strategien, Prozesse und Verfahren festzulegen um Gewähr zu leisten, dass die zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten betreffend Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung erforderlichen jeweiligen Dokumente, Daten oder Informationen stets aktualisiert werden.

Dies dadurch, dass die XXXX es von 01.01.2008 bis zumindest 25.10.2016 unterlassen hat risikobasierte und angemessene Maßnahmen, die die Einhaltung der (schriftlichen) Arbeitsanweisungen betreffend die Aktualisierung von Dokumenten, Daten und Informationen bei Kunden, insbesondere Hochrisikokunden, sicherstellen, festzulegen. Dies insbesondere im Hinblick darauf wer, wann und wie kontrollieren muss bzw. wo die Kontrollhandlung dokumentiert wird. Weiters hat die XXXX unterlassen, wirksame Mängelbehebungsprozesse diesbezüglich festzulegen.

Vom 01.01.2008 bis zumindest 25.10.2016 waren ein Eskalationsprozess, welcher eine fristgerechte Aktualisierung der Unterlagen sicherstellen soll, und ein Kontrollsystem jedenfalls noch nicht eingerichtet.

Erst im Oktober 2016 reagierte das Unternehmen tatsächlich auf die nicht aktualisierten ‚Customer Profile'. Im Rahmen dieses Aufarbeitungsprozesses wurde schlussendlich erst im Februar 2017 mittels ‚Board Resolution' am 21.02.2017 ein Aktualisierungsprozess eingerichtet ‚Escalation Process for Overdue Reviews'). Darüber hinaus wurde beschlossen, dass die Abteilung ‚Compliance' als zweite Kontrollinstanz im Zusammenhang mit KYC Informationen, Aktualisierung und Monitoring von Transaktionen tätig werden muss. Auch wurde erst mit 21.02.2017 ein genau definierter Transaktionsüberwachungsprozess eingeführt sowie ein Kontrollprozess eingerichtet. Der Kontrollprozess bezieht nunmehr den Kundenbetreuer und das AML Department als auch als zweite Kontrollinstanz das Compliance Department mit ein. Das Compliance Department hat quartalsweise zu überprüfen, ob die Prüfmaßnahmen vom Kundenbetreuer und dem AML Department ordnungsgemäß durchgeführt wurden.

Die im Tatzeitraum 01.01.2014 bis 25.10.2016 zur Vertretung nach außen berufenen Mitglieder des Vorstandes der XXXX (siehe dazu den beiliegenden Auszug aus dem Firmenbuch, der einen integrierten Bestandteil dieses Straferkenntnisses bildet) haben selbst gegen die angeführten Verpflichtungen verstoßen beziehungsweise durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle die Begehung der angeführten Verstöße durch eine für die XXXX tätige Person ermöglicht.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 41 Abs. 4 Z 1 BWG, BGBl. Nr. 532/1993 idF BGBl. I Nr. 13/2014 iVm 40 Abs. 2a Z 3 letzter Halbsatz BWG, BGBl. Nr. 532/1993 idF BGBl. I Nr. 184/2013 iVm § 99d BWG, BGBl. Nr. 532/1993 idF BGBl. I Nr. 184/2013 iVm § 35 Abs. 3 erster Strafsatz FM-GwG, BGBl I Nr. 118/2016 iVm § 34 Abs. 1 Z 8 FM-GwG, BGBl I Nr. 118/2016

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von

-Gemäß §§

80.000,- Euro-§ 35 Abs. 3 erster Strafsatz FM-GwG, BGBl I Nr. 118/2016 iVm § 34 Abs. 1 Z 8 FM-GwG, BGBl I Nr. 118/2016

Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

--

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

* 8.000,- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro);

* 0 Euro als Ersatz der Barauslagen für ---.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

88.000,- Euro."-

4. Das Straferkenntnis wurde der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihrer Rechtsvertretung, XXXX , am 14.12.2017 zugestellt. Gegen dieses richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 11.01.2018, einlangend bei der belangten Behörde am gleichen Tag.

5. Aus dem Verwaltungsakt sind keine Ermittlungen zur Verantwortung der zur Vertretung nach außen befugten Personen der beschwerdeführenden Partei ersichtlich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zur Zuständigkeit des Senates:

Gemäß § 22 Abs. 2a FMABG, BGBl I 97/2001 idF BGBl 184/2013, entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der FMA das Bundesverwaltungsgericht durch Senat, ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen, wenn weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 600,-- Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde eine Geldstrafe von €

80.000,-- verhängt. Der Vorschrift des § 22 Abs. 2a FMABG nach liegt somit gegenständlich Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet der Vorsitzende die Geschäfte des Senates und führt das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Nach den Materialien zur Stammfassung des BVwGG bedürfen insbesondere die Entscheidungen über den Antrag auf aufschiebende Wirkung, gegebenenfalls über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers keines Senatsbeschlusses (RV 2008 BlgNR 24. GP, Seite 4). Die erläuternden Bemerkungen (RV 2008 BlgNR 24. GP, Seite 3f) führen weiter aus:

"Diese Bestimmung regelt die Aufgabenverteilung und Verfahrensführung im Senat. Vorbildbestimmungen sind der bisherige § 11 Abs. 1 bis 3 des AsylGHG und die §§ 305 und 306 des Bundesvergabegesetzes 2006 - BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006.

Gemäß Abs. 1 zweiter Satz bedürfen insbesondere die Entscheidungen über den Antrag auf aufschiebende Wirkung, gegebenenfalls über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers keines Senatsbeschlusses."

Zur Vorbildbestimmung des § 11 AsylGHG heißt es im Ausschussbericht (RV 371 BlgNR 23. GP, Seite 3):

"Gemäß Abs. 1 soll in der Person des Vorsitzenden die Verantwortlichkeit für die Führung aller Geschäfte des Zweiersenates, insbesondere des Verfahrens, konzentriert sein. Dementsprechend hat er alle erforderlichen Verfahrensschritte (zB Anordnung einer mündlichen Verhandlung) mit Verfahrensanordnung aus eigenem zu setzen, ohne dass es hierfür des Einvernehmens mit dem Beisitzer des Senates bedürfen würde."

Zum § 306 BVergG führen die Erläuternden Bemerkungen (RV 1171 BlgNR 22. GP, Seite 131) aus:

"Dass der Senatsvorsitzende das Verfahren führt, bedeutet, dass er das Verfahren zu betreiben und alle Verfahrensanordnungen zu erlassen hat. Nur die Erlassung von - materiell- oder verfahrensrechtlichen - Bescheiden ist dem Senat vorbehalten."

Aus dem bis dato einzigen Judikat des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 Abs. 1 BvwGG ergibt sich, dass § 9 Abs. 1 BVwGG nur die der Entscheidung in der Hauptsache vorangehenden Beschlüsse betrifft (VwGH 07.09.2017, Ra 2017/08/0065).

Auch aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ergibt sich, dass Entscheidungen, die den Inhalt der Entscheidung selbst betreffen, vom Senat zu treffen sind (VfGH 28.06.2017, G 114/2017, 17.06.2017, V 67/2016).

Der erkennende Senat verweist dazu zunächst auf die ständige Rechtsprechung, dass es sich bei einem Beschluss, mit dem ein Verfahren ausgesetzt wird, um einen nicht (bloß) verfahrensleitenden Beschluss handelt (vgl. die Entscheidung über einen Aussetzungsbeschluss gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG VwGH, 14.03.2018, Ra 2017/17/0722; weiters zur Aussetzung gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG etwa VwGH 20.05.2015, Ra 2015/10/0023 ua.; 24.03.2015, Ro 2014/05/0089; 28.10.2015, Ra 2015/10/0102).

Die in den parlamentarischen Materialien zu § 9 BVwGG erwähnten Vorbildregelungen zeigen, dass nicht nur "bloß verfahrensleitende", sondern auch bestimmte Arten von anfechtbaren Beschlüssen durch den Vorsitzenden ohne Senatsbeschluss ergehen können, allerdings nur solche Beschlüsse, die das Verfahren absichern, aber die im Hauptverfahren zu treffende Sachentscheidung inhaltlich weitestgehend unberührt lassen (wie: Verfahrenshilfe, aufschiebende Wirkung, einstweilige Verfügungen).

Dabei orientiert sich § 9 BVwGG ausweislich der oben zitierten Gesetzesmaterialien (zB auch) an § 306 BVergG 2006, wonach der Vorsitzende verfahrensrechtliche Bescheide in der Regel (Ausnahme: einstweilige Verfügungen) nicht alleine treffen durfte. Bei einer Aussetzung des Verfahrens handelt es sich - wie erwähnt - um eine nicht bloß verfahrensleitende Entscheidung (siehe dazu auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 38, Rz 46) und die Entscheidung über die Aussetzung setzt eine inhaltliche Einordnung der in der Hauptsache präjudiziellen Rechtsfrage voraus. Wegen dieses bei einer Aussetzung gegebenen Zusammenhangs mit der inhaltlichen Entscheidung im Hauptverfahren ist eine Zuständigkeit des Senats gegeben. Diese Ansicht wird auch durch die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes bestätigt, da ein Beschluss, mit dem eine Aussetzung verfügt wird, letztlich immer auch Auswirkungen auf den Inhalt der Entscheidung hat, zumal die Entscheidung im ausgesetzten Verfahren stets von der abzuwartenden Entscheidung abhängt, was insbesondere bei einer Aussetzung nach § 38 AVG deutlich wird, ist die aussetzende Behörde beziehungsweise das aussetzende Gericht doch an die Entscheidung der Vorfrage wegen derer ausgesetzt wurde gebunden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 38, Rz 21, sowie Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz 306ff).

Doch auch bei einer Aussetzung nach § 34 Abs. 3 VwGVG ist, wenn auch keine rechtliche Bindung vorgesehen ist, doch von zumindest einer faktischen Bindung auszugehen, zumal ansonsten die durch die Aussetzung bezweckte Verfahrensökonomie konterkariert würde (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, § 34 VwGVG, K 19).

Auch handelt es sich bei der Frage der Identifikation der im Verfahren zu lösenden Rechtsfrage gerade um eine Frage in der Hauptsache. Die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bewirkt darüberhinaus gemäß den Materialien zu § 34 Abs. 3 VwGVG (RV 2009 BlgNR 24. GP Seite 8) die Hemmung der Entscheidungsfrist für die Dauer des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 2 Z 2 VwGVG iVm § 34 Abs. 1 VwGVG iVm § 43 VwGVG, somit die Hemmung der Entscheidungsfrist in der Hauptsache.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass für den gegenständlichen Beschluss von einer Senatszuständigkeit auszugehen ist. Zu dessen Zusammensetzung im gegenständlichen Fall ist festzuhalten, dass aufgrund krankheitsbedingter Verhinderung sowohl der ersten beisitzenden Richterin Dr. Birgit Havranek als auch ihrer Vertreter Dr. Stefan Keznickl und Mag. Philipp Cede gemäß § 11 GV 2018 iVm Anlage 3 zu GV 2018 an deren Stelle Dr. Yoko Kuroki-Hasenöhrl als erste Beisitzerin und als regulärer zweiter Beisitzer gemäß der GV 2018 Dr. Clemens Kuzminski dem Senat angehören.

2. Zu A) Aussetzung des Beschwerdeverfahrens

Gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn (1) vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und (2) eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2.1. Zur ersten Voraussetzung des § 34 Abs. 3 VwGVG zur erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren und die darin zu lösende Rechtsfrage bei gleichzeitiger Anhängigkeit einer Revision zur selben Rechtsfrage beim Verwaltungsgerichtshof:

2.1.1. Die Frage der "erheblichen" Fallzahl ist den Materialien zur Stammfassung des VwGVG nach (RV 2009 BlgNR 24. GP Seite 8) vom Verwaltungsgericht den Fallzahlen nach zu beurteilen. Derzeit sind beim Bundesverwaltungsgericht in der Zuweisungsgruppe "Finanzmarktaufsicht" (siehe Anlage 1 zur GV 2018) 40 Beschwerden von juristischen Personen gegen Entscheidungen der belangten Behörde im gegenständlichen Verfahren anhängig, demgegenüber stehen 46 Beschwerden von natürlichen Personen in Verwaltungsstrafverfahren in derselben Zuweisungsgruppe. Beschwerden von juristischen Personen machen somit knapp die Hälfte aller Verfahren in dieser Zuweisungsgruppe aus. Bei 14 dieser Verfahren zu Beschwerden von juristischen Personen, somit mehr als einem Drittel aller Verfahren über Beschwerden juristischer Personen, handelt es sich um Verfahren, in denen sich eine juristische Person gegen ein Straferkenntnis beschwert, das gegen die juristische Person als Beschuldigte ergangen ist. Sämtliche dieser anhängigen Verfahren datieren aus dem Jahr 2018 und der zweiten Jahreshälfte 2017. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der bestehenden Möglichkeit der Bestrafung juristischer Personen auch weiterhin mit einem nicht unerheblichen Eingang an Fällen zu rechnen ist.

2.1.2. Beim Verwaltungsgerichtshof ist zur Zahl Ro 2018/02/0023 die ordentliche Revision gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.06.2018 zu W210 2138108-1/22E, anhängig, deren Begründung zur Zulässigkeit der Revision wie folgt lautet:

"Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 99d BWG aF bzw. § 35 Abs. FM-GwG, fehlt. Jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 12.09.2016, Ra 2015/04/0081) zur Frage der Zurechnung von handelnden natürlichen Personen zu juristischen Personen im Rahmen eines vergaberechtlichen Verfahrens bereits auf das VbVG verwiesen, woraus sich für den erkennenden Senat zumindest ergibt, dass das VbVG und die Rechtsprechung dazu zumindest einen Indikator für Fragen der Verantwortlichkeit von juristischen Personen auch im Verwaltungsstrafverfahren darstellt.

So stellt sich insbesondere die Frage, ob das hier anzuwendende System tatsächlich ein zweistufiges Prüfsystem, im Sinne einer ersten Stufe zur Feststellung eines rechtskräftig festgestellten rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens einer der juristischen Person zurechenbaren natürlichen Person und einer zweiten Stufe der Zurechnung dieses Verhaltens zum Verband, zur juristischen Person, sein muss. Zudem fehlt auch jegliche Rechtsprechung dazu, ob der Verwaltungsgerichtshof eine juristische Person als eigenständig schuldfähig erachtet - wovon die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren ausgeht - oder ob diese - wie vom Verfassungsgerichtshof und vom Obersten Gerichtshof zum Verband im Kriminalstrafrecht (VfSlg.20112/2016; OGH 28.02.2017, 11 Os 10/16d; 13.12.2016, 11 Os 104/16b) festgehalten - nur aus dem Zusammenhang von Verband und Führungsebene und dem Umstand, dass der Verband stets nur durch Zurechnung des Handelns der Entscheidungsträger als eines seiner Organe handeln kann, verantwortlich gehalten werden kann. Hierbei ist zu gewärtigen, dass auch die bisherige Vorgehensweise der Zurechnung üb § 9 VStG davon ausging, dass eine juristische Person nicht eigenständig handeln kann, sondern nur durch ihre Organe tätig wird. Zudem muss hier überlegt werden, ob - sollte die eigenständige Schuldfähigkeit eines Verbandes im Verwaltungsstrafverfahren doch gegeben sein - § 5 VstG auch tatsächlich in seiner bisherigen Form weiter verstanden werden kann.

Zudem steht nicht fest, in welcher Form die Feststellung des Verhaltens der zurechenbaren natürlichen Person ergehen muss, wenn gemäß § 99d Abs. 5 BWG aF und nunmehr gemäß § 22 Abs. 6 FMABG unter vom Gesetz definierten Umständen von der Bestrafung einer natürlichen Person bzw. von der Verhängung einer Geldstrafe über diese natürliche Person abgesehen werden kann und somit lediglich ein Schuldspruch gefällt würde. Es ergibt sich aus dem Gesetz kein Hinweis darauf, ob dies in Form einer Ermahnung § 45 Abs. 1 Z 4 VStG zu ergehen hat und ebenso fehlt Rechtsprechung dazu. Auch fehlt aus den Materialien zu § 99d Abs. 5 BWG aF, § 34 Abs. 4 FM-GWG in der Fassung vor BGBl. I 107/2017 und § 22 Abs. 6 FMABG jeglicher Hinweis darauf, ob es über den vom Gesetzestext normierten Anwendungsfall des Absehens von einer Bestrafung bzw. von der Verhängung einer Geldstrafe hinaus, tatsächlich ein Verfolgungsermessen gleich jenem in § 45 Abs. 1 erster Satz erster Fall VStG gibt.

Sollte eine Zweistufigkeit des Verfahrens nicht Voraussetzung sein, so muss geklärt werden, ob die Zurechnung über die mangelnde Überwachung oder Kontrolle des § 35 Abs. 2 FM-GwG ein objektives Tatbestandselement ist oder der subjektiven Verantwortung einer juristischen Person und damit dem Regime des § 5 VStG unterworfen wird, wonach eine Bescheinigungslastumkehr zulasten des Täters gesehen werden kann.

Hierbei darf nicht übersehen werden, ..., dass § 5 VStG nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, beginnend mit VfSlg.13790/1994, gerade nicht bedeutet, dass der Verdächtige seine Unschuld nachzuweisen hat, sondern dass die ‚Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen und bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären' hat (Hilf/[]Urtz/Handstanger, Verbandsverantwortlichkeit aus strafrechtlicher, finanzstrafrechtlicher und verwaltungsstrafrechtlicher Sicht, 20. ÖJT, Band III/1 (2018) Seite 67 mwN). Zudem fehlt es bei diesem Aspekt an Rechtsprechung dazu, ob in einem derartigen Fall die Einvernahme eines Geschäftsleiters oder anderen zur Vertretung nach außen Befugtem vor dem Verwaltungsgericht einen allfälligen Verfahrensmangel der belangten Behörde heilt oder ob der Kognitionsbefugnis im Verwaltungsstrafverfahren im engen Rahmen der zu § 50 VwGVG ergangenen Rechtsprechung im Lichte des Art. 6 EMRK Grenzen zu setzen sind, insbesondere ob darin eine Ausdehnung des Gegenstands des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG 2014 hinaus zu sehen ist (VwGH 27.04.2018, Ra 2018/04/0091; 5.11.2014, Ra 2014/09/0018). Denn mangels im Spruch - wie bereits in der Aufforderung zur Rechtfertigung - näher definierter Sorgfaltsverstöße bzw. Mängel des Kontrollsystems, zu denen im Straferkenntnis auch jede Feststellung und Begründung fehlt, waren im gegenständlichen Fall substantiierte Beschwerdeausführungen nicht möglich. Würde das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz nunmehr diese Feststellungen und Begründungen nachliefern und damit den für den Bereich der Zurechnung geradezu floskelartigen Spruchteil stützen oder gar diesen ergänzen, wäre auch die beschwerdeführende Partei selbst einer Rechtsmittelinstanz bzw. eines effizienten Rechtsmittels beraubt und damit in unzulässiger Weise ihrer Verfahrensgarantien beraubt (vgl. dazu auch Fuchs, Grundrechte im Verwaltungsstrafrecht, in: Raschauer/Wessely, VStG, 2. Auflage (2016), S. 14, Rz 71ff.)."

2.2. Wie unter I.5 festgehalten, sind aus dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt keine Ermittlungen zur Verantwortung der zur Vertretung nach außen befugten Personen ersichtlich. Aus diesem Grund stellen sich auch im gegenständlichen Verfahren dieselben Rechtsfragen wie in dem Revisionsverfahren zu Ro 2018/02/0023.

2.3. Somit liegen alle Voraussetzungen - erhebliche Fallzahl, anhängiges Revisionsverfahren zur selben Rechtsfrage und Fehlen an der Rechtsprechung zur zu lösenden Rechtsfrage - für eine Aussetzung nach § 34 Abs. 3 VwGVG vor, weshalb das Verfahren zu W210 2184033-1 bis zur Entscheidung über die Revision zur Zahl Ro 2018/02/0023 ausgesetzt wird.

3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Entscheidung über die Aussetzung hat mit (nicht bloß verfahrensleitendem) Beschluss (vgl. Entscheidung über einen Aussetzungsbeschluss gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG VwGH, 14.03.2018, Ra 2017/17/0722; weiters zur Aussetzung gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG etwa VwGH 20.05.2015, Ra 2015/10/0023 ua.; 24.03.2015, Ro 2014/05/0089; 28.10.2015, Ra 2015/10/0102) zu ergehen, die Revision ist bei Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jedoch nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, insbesondere sind die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 VwGVG dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zu entnehmen.

Schlagworte

Aussetzung, Bindungswirkung, Finanzmarktaufsicht, ordentliche
Revision, Senatszusammensetzung, Verwaltungsstrafe,
Verwaltungsstrafverfahren, Vorfrage, VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W210.2184033.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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