Gbk 2018/8/21 GBK I/672/16-M

JUSLINE Allgemeines Dokument

Veröffentlicht am 21.08.2018
beobachten
merken

Diskriminierungsgrund

Mehrfachdiskriminierung

Diskriminierungstatbestand

Beendigung des Arbeitsverhältnisses, mangelnde Abhilfe (Geschlecht, Religion, sexuelle Orientierung)

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 21. August 2018 über den am 13. Jänner 2016 eingelangten Antrag von Frau A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, der sexuellen Orientierung sowie der Religion durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer (sexuellen) Belästigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 iVm § 21 Abs. 1 Z 2 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 107/2013; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) und bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 iVm § 17 Abs. 1 Z 7 GlBG durch X (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/672/16-M, zu folgendem

Prüfungsergebnis:

1.   Frau A ist auf Grund des Geschlechtes, der sexuellen Orientierung und der Religion durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer (sexuellen) Belästigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 iVm § 21 Abs. 1 Z 2 GlBG durch X diskriminiert worden.

2.   Frau A ist nicht auf Grund des Geschlechtes, der sexuellen Orientierung und der Religion bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 iVm § 17 Abs. 1 Z 7 GlBG durch X diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin vom 26. Juni und 21. August 2018 und von Frau Mag.a C (als informierte Vertreterin des Antragsgegners) vom 26. Juni 2018. Als weitere Auskunftspersonen wurden Herr D, Herr Mag. E, Frau F, Frau Mag.a G und Herr H am 26. Juni 2018 sowie Herr I am 21. August 2018 befragt. Herr B wurde schriftlich anhand eines Fragenkataloges befragt; er übermittelte seine Stellungnahmen mit 20. August 2018 an den Senat. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die Korrespondenz (der rechtsfreundlichen Vertretung) des Antragsgegners mit der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW); ein Informationsblatt „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz“ unterfertigt von der Antragstellerin und eine Aktennotiz vom 1. Juli 2015 von Frau J. Weiters lagen dem Senat u.a. die Vereinsstatuten des Antragsgegners; ein MitarbeiterInnenhandbuch des Antragsgegners; eine Stellungnahme von Herrn I vom 28. September 2015; Verlaufsdokumente von Herrn I vom 8. September 2015; ein Bericht über das Beendigungsgespräch vom 14. Juli 2015 von Herrn D; ein Gedächtnisprotokoll von Herrn Mag. E vom 20. Juli 2015; Telefonnotizen von Herrn H vom 5. September 2015; ein Gedächtnisprotokoll von Herrn H vom 1. bis 15. Juli 2015; ein Dienstzeugnis der Antragstellerin, vom Antragsgegner ausgestellt und ein Konvolut an Zeitungsberichten über die Antragstellerin und den Antragsgegner vor.

Vorbringen

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei von 24. Jänner 2015 bis 28. Juli 2015 beim Antragsgegner als Servicekraft beschäftigt gewesen.

Im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsverhältnis liege eine Diskriminierung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes vor. Folgendes habe sich zugetragen:

Im März 2015 sei ein neuer Mitarbeiter im Service des Antragsgegners angestellt worden, Herr B. Dieser habe begonnen die Antragstellerin, zunächst wegen ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Religion, zu belästigen — sie sei lesbisch und Muslimin. Er habe die Antragstellerin immer wieder gefragt, wie sie als Muslima denn lesbisch sein könne und habe in provokantem Ton zu ihr gesagt „ich bin ein Mann, ich habe zwei Kinder gemacht." Ende März 2015 habe er sie auch gestoßen, woraufhin sie ihre Vorgesetzte von den Belästigungen und dem Angriff durch den Kollegen informiert habe. Diese habe der Antragstellerin geraten, in Therapie zu gehen, habe jedoch nichts unternommen, um sie vor weiteren Angriffen des Kollegen zu schützen und sie habe auch weiter mit ihm zusammenarbeiten müssen. Nachdem sich die Situation nach diesem Vorfall zunächst wieder beruhigt habe, sei es am 1. Juli 2015 neuerlich zu Belästigungshandlungen Herrn B gegenüber der Antragstellerin gekommen. Sie habe sich dabei sexuell belästigt gefühlt, da der Kollege auf Arabisch einen Satz mit dem Wort „Schwanz" zu ihr gesagt habe. Die Antragstellerin habe sich auch deshalb dadurch besonders angegriffen gefühlt, da dies im muslimischen Fastenmonat Ramadan stattgefunden habe, in dem sexuelle Themen für sie ein Tabu seien. Nachdem der Kollege sie nicht nur belästigt habe, sondern auch wieder geschubst habe, habe sich die Antragstellerin diesmal gewährt und habe zurückgeschubst. Die Situation sei dann vor Gästen eskaliert und es sei zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen den beiden gekommen.

Danach sei die Antragstellerin und ihr Kollege für 10 Tage dienstfrei gestellt worden und den beiden ein Betrag von 300 Euro für etwaige Beratungskosten angeboten worden. Dann sei sie zu einem Gespräch gebeten worden, wo ihr die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses nahegelegt worden sei. Dies habe die Antragstellerin abgelehnt, da sie auf ihrer Seite kein Fehlverhalten erkennen habe können, sondern sie immer noch Schutz durch ihren Arbeitgeber vor den Angriffen und Beleidigungen ihres Kollegen erwartet habe. Dazu sei es jedoch nicht gekommen, sondern die Antragstellerin habe am 14.7. zum 28.7. die Kündigung erhalten.

Ergänzend möge die Antragstellerin anmerken, dass sie eine jener Mitarbeiter/innen vom Antragsgegner gewesen sei, die für die mediale Präsentation des Hotels häufig fotografiert und interviewt worden seien, bis hin zu internationalen Berichten über das Hotel und die Antragstellerin (so etwa „…", …). Dabei sei viel Biografisches über sie berichtet worden. So sei im …-Artikel — neben den Aufgaben, die sie im Hotel habe — über sie zu lesen, dass sie lesbisch sei, von ihrem Vater körperlich misshandelt worden sei, eine österreichische Lebensgefährtin habe und depressiv sei. Seitens des Antragsgegners sei sie mehrfach auch zu diesen Interviews gedrängt worden und habe diese zuletzt auch unter Druck und ohne eigentlich zu wollen, gegeben. Daher sei sie umso enttäuschter und auch verärgert gewesen, dass man sie nun so rasch habe loswerden wollen, ohne sich den Grund für die Auseinandersetzung —nämlich Belästigungen durch Herrn B der Antragstellerin gegenüber — überhaupt richtig anzuhören.

Die Antragstellerin möge auch ergänzen, dass sie Herr E, der der oberste Vertreter ihres Arbeitgebers sei, und mehrmals das Hotel besucht habe, ihr gegenüber Äußerungen getätigt habe, die für sie verletzend gewesen seien und ihr vor allem gezeigt habe, dass ihr Arbeitgeber selbst eine diskriminierende Einstellung habe. Als Herr E erfahren habe, dass sie lesbisch sei, habe er zur Antragstellerin gesagt: „Es gibt nicht nur Dich, sondern fünf Schwuchteln im Haus." Außerdem habe er sie während des Ramadan zum Essen und Trinken aufgefordert und gemeint, dass Fasten ungesund sei. Er habe die Antragstellerin während des Ramadan auch provokant gefragt: „Was ist Allah?", obwohl er gewusst habe, dass sie praktizierende Muslimin sei.

Nachdem auch ein weiteres Gespräch keine Einigung gebracht habe, habe sie sich an die GAW gewandt; leider habe auch auf diese Weise keine Einigung mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber erzielt werden können.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragsgegners übermittelten Stellungnahme vom 9. Februar 2016 bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

1. Der Antragsgegner sei ein eingetragener gemeinnütziger Verein. Zweck des Vereins sei die Unterstützung der Eingliederung in die Arbeitswelt von Personen, die … und noch nicht oder nicht wieder eine Beschäftigung gefunden habe sowie die Einbindung von arbeitslosen Menschen … in den österreichischen Arbeitsmarkt.

Der Zweck des Vereins solle durch folgende Maßnahmen, die unter der Patronanz der … stehe, erreicht werden:

a) Beratung und Betreuung der zu unterstützenden Personen durch Arbeitsanleiter, Sozialarbeiter, Psychologen, Jobcoaches und sonstige Fachkräfte;

b) Abschluss von Arbeits- bzw. Lehrverträgen zwischen dem Verein und den zu unterstützenden Personen;

c) Führung eines Hotel- und Restaurantbetriebes und anderer … Beschäftigungsbetriebe, um die zu unterstützenden Personen möglichst praxisnah für den Eintritt bzw. Übertritt in den Arbeitsmarkt zu qualifizieren;

d) Anbieten von Qualifizierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in Form von Lehrstellenangeboten und Ausbildungen zu Hilfsberufen.

Das Hotel des Antragsgegners … werde von … unter der Leitung von Tourismusprofis betrieben und befände sich ....

2. Unter den in Punkt 1. genannten Rahmenbedingungen sei das Dienstverhältnis zwischen dem Antragsgegner und der Antragstellerin am 26. Jänner 2015 im … Beschäftigungsbetrieb des Antragsgegners begründet worden. Die Antragstellerin sei vom … Bildungszentrum an den Antragsgegner vermittelt worden. Die Antragstellerin habe als Servicekraft im Frühstücksbereich gearbeitet und sei an der Bar tätig gewesen. Das Dienstverhältnis sei am 14. Juli 2015 zum 28. Juli 2015 durch den Antragsgegner aufgekündigt worden.

Während des Dienstverhältnisses habe Herr D als Hotelmanager und Geschäftsführer im Bereich Logie fungiert. Herr Mag. E sei Vorstandsvorsitzender gewesen. Vorgesetzter und f&b-Leiter sei in diesem Zeitraum Herr H gewesen, er habe als Geschäftsführer in diesem Bereich fungiert. Herr I als Jobcoach und Frau K als Arbeitsanleiterin haben die Antragstellerin während ihrer gesamten Tätigkeit beim Antragsgegner betreut.

Zwecks Vollständigkeit werde vom Antragsgegner mitgeteilt, dass am 21. Jänner 2016 eine Generalversammlung vom Antragsgegner stattgefunden habe, in welcher Frau Mag.a C zur Vorstandsvorsitzenden gewählt worden sei und der Beschluss gefasst worden sei, derzeit keinen aktiven Geschäftsführer zu bestellen. Mag. E sei als weiteres Vorstandsmitglied (Schriftführer) bestellt worden. Die Änderungen seien der Vereinsbehörde bereits bekanntgegeben worden, seien jedoch zum Stichtag 8. Februar 2016 noch nicht im Vereinsregister ersichtlich gemacht worden.

3. Die Antragstellerin sei zu Beginn ihres Dienstverhältnisses das vom Antragsgegner entwickelte Mitarbeiterinnenhandbuch ausführlich erklärt und ausgehändigt worden, sie habe dies auch durch ihre Unterschrift bestätigt.

Bereits in diesem Mitarbeiterinnenhandbuch sei ausdrücklich in Punkt ... über die „Unternehmenskultur" informiert worden. Dort werde unter anderem festgehalten, dass der Antragsgegner eine Kultur der Wertschätzung und Offenheit pflege und um dies im Alltag und zwischen den Kollegen zu wahren von den Mitarbeiterinnen erwartet werde, dass sie einen respektvollen Umgang mit Kolleginnen und Vorgesetzten pflegen, keine Person aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, nationalen oder ethnischen Zugehörigkeit beleidigt werden solle und Probleme direkt anzusprechen seien.

4. Die Antragstellerin sei vor gegenständlicher Antragsstellung durch die GAW vertreten worden und es gebe daher bereits im Vorfeld ab September 2015 ausführliche Korrespondenz zwischen dem Antragsgegner und der GAW zu den im nunmehrigen Antrag wiederholten Themenbereichen. Der Antragsgegner habe bereits in dieser Korrespondenz ausführlich dargelegt, dass sämtliche Anschuldigungen von der Antragstellerin jeglicher Grundlage entbehren und habe die Forderung nach einer Entschädigungszahlung von EUR 20.000,00 (!) abgelehnt.

Bereits in diesem Schriftverkehr sei zum „Themenkomplex der medialen Präsenz von der Antragstellerin" mehrfach betont worden, dass es jeder Mitarbeiterin des Antragsgegners frei stünde und stehe, Interviews zu geben und die Mitarbeiterinnen darüber informiert worden seien, dass sie im Interview nichts erzählen müssen, was sie nicht wollen bzw., dass es nicht sinnvoll sei, sehr persönliche Details zu erörtern. Da bei den Interviews gerade nach Eröffnung des Hauses immer ein Profi aus der Medienabteilung dabei gewesen sei, sei der Antragsgegner seiner Schutzpflicht ausdrücklich nachgekommen und sei die Antragstellerin entgegen ihren Behauptungen zu nichts gezwungen worden sondern haben die Interviews ihrem freien Willen entsprochen.

5. Der für die Antragstellerin zuständige Jobcoach, Herr I, habe am 28. September 2015 eine Stellungnahme anlässlich des Aufforderungsschreibens der Gleichbehandlungsanwältin vom 24. September 2015 verfasst.

Daraus gehe hervor, dass die Antragstellerin einer intensiven Einschulung und Betreuung bedurft habe, welche sie auch erhalten habe.

Herr B habe gleichzeitig mit der Antragstellerin am 26. Jänner 2015 seine Arbeit im Serviceteam vom Antragsgegner begonnen. Tatsächlich dürfte am 20. Februar 2015 Herr B die Antragstellerin geschubst haben. Dieser Vorfall sei aufgearbeitet worden. Bis zur Auseinandersetzung dieser beiden am 1. Juli 2015 habe es weder weitere Zwischenfälle noch irgendwelche Andeutungen von der Antragstellerin gegeben, die in Richtung einer sexuellen Belästigung seitens Herrn B gedeutet haben.

Im Gegenteil schildere der Jobcoach einen Vorfall am 4. Mai 2015, wo die Antragstellerin ihrerseits einen anderen Kollegen von ihr, Herrn L, sexuell belästigt habe. Herr L habe der Fachkraft Frau F und Herrn I berichtet, dass die Antragstellerin zu ihm gesagt habe „Du bist nicht normal", „ich schneid dir den Schwanz ab" und „riech an meinem Parfüm" und ihm daraufhin einen Kuss auf die Wange gegeben habe. Nach Konfrontation der Antragstellerin mit diesem Vorfall habe sich diese dahingehend verantwortet, dass sie nicht wüsste, dass dies eine sexuelle Belästigung darstellen würde und habe versucht den Vorfall als belanglos abzutun. Es sei ihr durch die Personalschefin, Frau G, ausführlich dargelegt worden, was unter sexueller Belästigung zu verstehen sei und ihr das Informationsblatt „Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz" ausgehändigt worden, welches sie am 18. Mai 2015 unterschrieben habe.

6. Am 1. Juli 2015 sei offenbar die Situation zwischen der Antragstellerin und ihrem ehemaligen Arbeitskollegen Herrn B eskaliert.

Frau J (Assistentin der Geschäftsführung des Antragsgegners) sei persönlich vor Ort im Salon des Hotels gewesen. Frau J habe versucht die heftige körperliche Auseinandersetzung zwischen den beiden durch Zwischenrufe zu beruhigen. Dies sei ihr allerdings nicht gelungen und habe sie den Rezeptionisten, Herr M, zu Hilfe rufen müssen. Bei der Auseinandersetzung am 1. Juli 2015 habe Frau J ua. folgende Äußerungen von der Antragstellerin wahrnehmen können: „Ich zünde alles an; ich zünde mich an; nächstes Mal gehen wir vor die Tür, dann gibt es nur noch er oder ich" etc.

Herr B habe Frau K in ihrer Funktion als ehemalige Arbeitsleiterin auf ihrem Handy angerufen und habe sie um ihre Unterstützung gebeten. Frau K habe versucht die Situation telefonisch zu entschärfen und habe die Antragstellerin nach Hause schicken wollen, was allerdings nicht funktioniert habe. Herr B habe nach den Handgreiflichkeiten und dem Telefonat mit Frau K das Hotel verlassen. Frau K selbst sei sofort ins Hotel gefahren und habe versucht die Antragstellerin zu beruhigen. Bereits in diesem Gespräch habe die Antragstellerin Drohungen wie „Umbringen", „Verbrennen" und ähnliches geäußert und sei auch gegenüber Frau K aggressiv geworden, weil sie offenbar Angst gehabt habe, dass Frau K nicht auf ihrer Seite wäre.

Der ehemalige Geschäftsführer vom Antragsgegner, Herr H, habe ein Gedächtnisprotokoll der Vorfälle beginnend ab 1. Juli 2015 angefertigt.

Aus diesem gehe hervor, dass trotz der Gewaltbereitschaft der beiden Mitarbeiter und Zerstörung von Hotelinventar nicht die sofortige Kündigung ausgesprochen werden solle. Beide Mitarbeiter seien bei vollen Bezügen für 10 Tage freigestellt worden, um eine „Abkühlphase" zu ermöglichen. Ziel sei es gewesen, in Ruhe über eine gemeinsame Lösung nachzudenken und diverse Hilfestellungen für beide Seiten zu organisieren. Es sei ihnen Unterstützungsleistungen wie Coaching, Supervision und Therapiestunden und die finanzielle Kostenübernahme dafür in Aussicht gestellt worden.

In den persönlichen Gesprächen (dokumentiert insbesondere im Gedächtnisprotokoll H) mit beiden Mitarbeitern sei allerdings deutlich geworden, dass ein gewaltfreies Weiterarbeiten nicht gewährleistet werden könne. Zum Schutz der Kollegen, Mitarbeiter, Gäste und dem ganzen Projekt sei in einem 5er-Kommitee beschlossen worden, sich von beiden Mitarbeitern zu trennen.

7. Am 14. Juli 2015 seien neben der Antragstellerin beim Beendigungsgespräch der damalige Geschäftsführer, Herr D und Herr H anwesend gewesen.

8. Die Antragstellerin habe auf die Kündigung sehr aggressiv reagiert. Sowohl Herr D als auch Herr H haben ihre Reaktion sehr ausführlich in den von ihnen jeweils angefertigten Gedächtnisprotokollen dokumentiert.

Auch in diesem Gespräch habe die Antragstellerin wieder Drohungen, wie „ich will alle fertig machen" geäußert.

Nach dem 14. Juli 2015, nämlich konkret am 15. Juli 2015 habe die Antragstellerin Frau F, die ehemalige f&b-Leiterin vom Antragsgegner, angerufen und ihr damit gedroht, dass „sie mit Männern kommen wird und ihre Wohnung zerlegen wird“.

Mag. E habe in seinem Gedächtnisprotokoll vom 20. Juli 2015 festgehalten, dass Drohungen von der Antragstellerin ihm gegenüber ausgesprochen wurden. Er habe am 17. Juli 2015 die Antragstellerin angerufen, weil sie in den Tagen davor mehrmals im Generalsekretariat der … versucht habe, dort die Geschäftsführer bzw. … zu erreichen. Er habe der Antragstellerin ein Angebot hinsichtlich von Outplacement und Unterstützung bei der Suche nach einem Alternativjob anbieten wollen. Die Antragstellerin habe auch auf diesen Anruf wiederum sehr aggressiv reagiert und gemeint, dass sie alle rechtlichen Schritte über die Arbeiterkammer einleiten würde, „um dem Hotel möglichst großen Schaden zuzufügen". Sie habe gegenüber Mag. E wörtlich erwähnt „Allah ist groß. Allah ist mit mir. Er wird dich strafen, er wird euch alle strafen".

Mag. E habe auf diese Aussagen mit der Verhängung eines Hausverbots reagiert und tatsächlich große Angst wegen dieser Drohungen verspürt. Er habe am 17. Juli 2015 das Kriseninterventionsgespräch bei Frau N gesucht und diese habe ihm empfohlen eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Am 20. Juli 2015 habe Herr Mag. E eine Sachverhaltsdarstellung beim Bezirkspolizeikommissariat … erstattet.

Ähnliche Wahrnehmungen habe Frau O geschildert. Sie habe diese in ihrem Gedächtnisprotokoll zusammengefasst. Dort sei zu lesen, dass am 5. September 2015 die Antragstellerin mit unterdrückter Telefonnummer angerufen habe und sie mit ihr ein ca. zweistündiges Gespräch geführt habe. Auch diese sei aufgrund der Aggressivität und der Drohungen von der Antragstellerin sehr verunsichert gewesen. Seit diesem Telefonat nehme sie keine Telefonate mit unterdrückter Nummer mehr an, weil sie Angst habe, dass die Antragstellerin anrufen könne. Am 31. Oktober 2015 habe die Antragstellerin sie 19 Mal angerufen, sie habe jedoch kein einziges Mal abgehoben.

Die Antragstellerin habe seit Juli 2015 zahlreiche Mitarbeiterinnen vom Antragsgegner heftigst bedroht und auch wiederholt Brandanschläge gegen das Hotel angekündigt. Einige der Mitarbeiterinnen hätten Angst und würden fürchten, dass die Antragstellerin ihre Drohungen in die Tat umsetzen könnte.

8. Abschließend werde den Vorwürfen von der Antragstellerin gegen Mag. E auf der letzten Seite ihres Antrages entschieden entgegengetreten. Sämtliche Behauptungen entsprächen nicht der Wahrheit. Lediglich aus Rücksichtnahme auf die offenbar schlechte psychische Verfassung von der Antragstellerin werde von einer gerichtlichen Verfolgung diesbezüglich Abstand genommen.

9. Wie aus dem geschilderten Sachverhalt, welcher durch die entsprechenden Urkunden untermauert sei, zweifelsfrei ableitbar sei, habe der Antragsgegner keinerlei Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgesetz begangen.

Rechtliche Überlegungen

Nach Auffassung des Senates war der vorliegende Fall unter dem Aspekt der intersektionellen Diskriminierung zu überprüfen. Diese bezieht sich auf eine Situation, in der mehrere Diskriminierungsgründe – hier die Diskriminierungsgründe des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und der Religion – greifen und gleichzeitig miteinander so interagieren, dass sie nicht voneinander zu trennen sind.2

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch den/die ArbeitgeberIn dadurch diskriminiert wird, indem er/sie schuldhaft unterlässt, im Falle einer Belästigung durch Dritte (Z 3) angemessene Abhilfe zu schaffen.

§ 6 Abs. 1 Z 2 GlBG enthält eine Konkretisierung der allgemeinen Fürsorgepflicht. Danach haben Arbeitgeber/innen auch dafür zu sorgen, dass die Persönlichkeitssphäre der in den Betrieb eingegliederten Arbeitnehmer/innen nicht durch Belästigungen durch Dritte beeinträchtigt wird. Arbeitgeber/innen haben daher dafür zu sorgen, dass die geschlechtliche Selbstbestimmung, sexuelle Integrität und Intimsphäre der Arbeitnehmer/innen nicht gefährdet werden. Arbeitgeber/innen sind zum unverzüglichen Einschreiten verpflichtet, wenn sexuelle Belästigungen hervorkommen, zum einen, um die Betroffenen nicht der Gefahr weiterer Belästigungen auszusetzen, zum anderen aber auch, um sich nicht selbst dem Vorwurf auszusetzen, nicht wirksam für angemessene Abhilfe gesorgt zu haben. „Angemessen“ ist die Abhilfe dann, wenn sie geeignet ist, die belästigte Person vor weiteren Belästigungen zu schützen. Um angemessene Abhilfe zu schaffen, bedarf es der Ermahnung, Verwarnung, Versetzung, Kündigung oder allenfalls Entlassung der belästigenden Person, wobei nach herrschender Rechtsprechung das jeweils gelindeste Mittel zu wählen ist. Es ist eine Handlung des Arbeitgebers/ der Arbeitgeberin gefordert, die weitere Belästigungen mit sofortiger Wirkung und effizient verunmöglicht.

Um ein schuldhaftes Unterlassen annehmen zu können, muss dem/der Arbeitgeber/in das Vorliegen einer Abhilfe gebietenden Situation entweder bekannt oder zumindest erkennbar sein. Der/Die Arbeitgeber/in haftet daher nicht, wenn er/sie von der Belästigung eines Arbeitnehmers/einer Arbeitnehmerin weder wusste noch wissen musste. Für eine Haftung des Arbeitgebers genügt Fahrlässigkeit. Bei „Erkennbarkeit“ kommt es auf eine besondere „Bekanntgabe“ durch die betroffene Person nicht mehr an.3

Gemäß § 21 Abs. 1 Z 2GlBG liegt eine Diskriminierung nach § 17 GlBG analog zu § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG vor, wenn eine Person durch den/die ArbeitgeberIn dadurch diskriminiert wird, indem er/sie schuldhaft unterlässt, im Falle einer Belästigung durch Dritte (Z 3) angemessene Abhilfe zu schaffen. Die Überlegungen zu § 6 Abs. 1 Z 2 GlBG gelten für § 21 Abs. 1 Z 2 GlBG analog.

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 6 oder § 7 GlBG bzw. § 21 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG bzw. § 26 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Es obliegt dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, es sei durch ihren Arbeitskollegen Herrn B zu (sexuellen) Belästigungen gekommen, wobei vom Antragsgegner keine dem GlBG angemessenen Maßnahmen zur Beendigung von bzw. Verhinderung zukünftiger Belästigungen getroffen wurden, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin von 26. Jänner bis 28. Juli 2015 beim Antragsgegner als Servicekraft beschäftigt war. Herr B begann sein Arbeitsverhältnis ebenfalls am 26. Jänner 2015 beim Antragsgegner. Im Zuge der Zusammenarbeit der Antragstellerin mit Herrn B kam es zu mehreren Vorfällen. So wurde die Antragstellerin von ihrem Kollegen geschubst und von diesem wiederholt auf Grund ihrer Religion und der seiner Meinung nach damit nicht vereinbaren sexuellen Orientierung konfrontiert. Dieser tätigte außerdem mehrmals anstößige Aussagen zum Geschlecht der Antragstellerin. Die Antragstellerin meldete diese Vorfälle ihrer Vorgesetzten, der beim Antragsgegner beschäftigten F. Diese meldete die ihr zugetragenen Beschwerden nicht hinreichend an eine höhere bzw. andere Stelle weiter, noch veranlasste sie wirksame Maßnahmen um die Antragstellerin zu schützen.

Als Vorfrage der mangelnden Abhilfe durch den Antragsgegner war vom Senat zu klären, ob die Antragstellerin durch ihren Arbeitskollegen (sexuell) belästigt wurde.

Die Bestimmungen des GlBG zur (sexuellen) Belästigung (hier §§ 6 und 21 GlBG) haben gemeinsam, dass sie greifen, wenn eine Verhaltensweise, die mit einem der Diskriminierungsgründe in Zusammenhang steht, gesetzt wird, die die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin ist verschuldensunabhängig. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.

Die Antragstellerin konnte den Senat überzeugen, dass es zu (sexuellen) Belästigungen durch Herrn B gekommen ist. Die Glaubwürdigkeit der Antragstellerin und ihres Vorbringens ergibt sich für den Senat aufgrund verschiedener Faktoren. Die Antragstellerin wiederholte im mündlichen Vorbringen die erhobenen Vorwürfe gegen Herrn B ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag, konnte diese näher umschreiben und veranschaulichen. Herr B, im Gegensatz dazu, übermittelte lediglich eine E-Mail, in der er auf die Fragen der Vorsitzenden des Senates nur unvollständig einging, die Anschuldigungen verneinte und die Antragstellerin dabei der Lüge bezichtigte. Da sich der Senat kein unmittelbares Bild vom vermeintlichen Belästiger machen konnte, war daher den glaubwürdigen Schilderungen der Antragstellerin und der Auskunftsperson F zu folgen. Diese bestätigte, dass das Frauenbild von Herrn B nicht das Beste war und dieser sich mehrmals, auch ihn ihrer Anwesenheit, abfällig gegenüber der Religion der Antragstellerin geäußert hat und der Antragstellerin, auf Grund seines fehlenden Distanzgefühls, zu nahe kam. Die der Aussage entgegenstehende E-Mail des Kollegen war als Schutzbehauptung zu werten.

Die wiederholt getätigten Aussagen von Herrn B bezüglich des Geschlechtes, der sexuellen Orientierung und der Religion sind als (sexuelle) Belästigung im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 bzw. § 21 Abs 1 Z 3 GlBG zu subsumieren.

Im Verfahren wurde aufbauend darauf überprüft, ob der Antragsgegner von den Vorwürfen der (sexuellen) Belästigung der Antragstellerin durch Herrn B gewusst hat oder wissen hätte müssen. Die Auskunftsperson F bestätigte, dass sie von den Vorfällen mit Herrn B von der Antragstellerin informiert wurde. Es kommt nicht darauf an, ob die Antragstellerin die geschilderten Vorfälle explizit als „sexuelle Belästigung“ betitelte.

Dem Antragsgegner war demgemäß die einer Abhilfe gebietenden Situation bekannt, da die Auskunftsperson F direkte Vorgesetzte der Antragstellerin war und dem Antragsgegner zuzurechnen ist. Die Auskunftsperson schilderte glaubwürdig, dass sie der Information über die (sexuellen) Belästigungen nicht die der Situation angemessene Bedeutung geschenkt hat, diese nur unvollständig weitergeleitet hat und nur unzureichend Maßnahmen gesetzt hat um den Belästigungen wirksam entgegenzutreten. Dies scheint dem Senat nachvollziehbar, deckt sich mit dem Vorbringen der Antragstellerin und den Aussagen der anderen Auskunftspersonen. Die Auskunftsperson schilderte sehr persönliche Eindrücke und verantwortete sich für die Versäumnisse, wobei sie keinen Grund zu lügen gehabt hätte. Den Aussagen von Frau F war daher besondere Glaubwürdigkeit zu schenken. Aus ihrer Befragung erschließt sich dem Senat I der GBK, dass sie die (sexuellen) Belästigungen von Herrn B nicht als solche wahrgenommen und dementsprechend auch nicht als solche weitergeleitet hat. Sie war schlicht mit der Situation überfordert, nicht nur als Vorgesetzte, sondern tatsächlich auch als psychologische Betreuerin fungieren zu müssen, wie sie in ihrer Befragung darlegte. So informierte sie zwar Herrn I und Herrn D, aber nur in einer allgemeinen Weise, dass es Probleme zwischen den beiden gäbe.

Herr I, ein vom Antragsgegner beschäftigter Sozialarbeiter, bestätigte in seiner Befragung, dass es Konflikte zwischen der Antragstellerin und Herrn B gab, war sich aber der Reichweite dieser nicht bewusst. Er war insbesondere in die Konfliktbeseitigung nach dem ersten Vorfall (Schubsen) zwischen der Antragstellerin und dem Kollegen involviert. Sonstige (sexuelle) Belästigungen waren ihm aber nicht bekannt. Auch die anderen Auskunftspersonen legten glaubwürdig dar, nicht über diese informiert worden zu sein. Dies wirkt im Hinblick auf die Aussagen von Frau F schlüssig. Es ergibt sich für den Senat das Bild, dass zwar einige der Vorgesetzten zumindest einen Konflikt der Antragstellerin mit Herrn B wahrgenommen haben, die Dimension aber nicht realisierten. Zum einen, weil sie zu wenig informiert wurden, zum anderen weil ihnen das Bewusstsein für (sexuelle) Belästigungen fehlte.

Die Maßnahmen, die gesetzt wurden, um die Belästigungen von Herrn B zu beseitigen, waren jedenfalls unzureichend. Wie Frau F darlegte, hat sie zwar versucht die beiden bei der Diensteinteilung voneinander zu trennen, setze aber die Maßnahme nicht konsequent genug um. Der Sozialarbeiter Herr I versuchte den Konflikt (Schubsen) zu lösen und gab sich mit einer Entschuldigung des Herrn B bei der Antragstellerin zufrieden. Tatsächlich hätte in erster Linie den Vorwürfen der Antragstellerin von ihrer Vorgesetzten mehr Beachtung geschenkt werden müssen. In einem zweiten Schritt hätte eine abschließende Abklärung der Vorwürfe mit Herrn B erfolgen müssen. Schließlich hätte eine Verwarnung, Kündigung oder Entlassung gegenüber dem Belästiger ausgesprochen werden müssen, um die (sexuellen) Belästigungen zu beenden.

Frau F gab dem erkennenden Senat außerdem eine bezeichnende Darstellung der Situation zu Beginn des Hotelprojekts. So schildert die Auskunftsperson, dass in der Phase der Neueröffnung vieles noch nicht durchdacht war und die vorgesehene Betreuung … nicht ausreichend war, was eine besondere Schwierigkeit darstellte. … In diesem Zusammenhang ist auch die Befragung von Mag.a G zu sehen, die meinte, dass es zu Beginn des Projektes keine standardisierten Prozesse im Fall von Belästigungen gab und es ein „learning-by-doing“ war, da man in der Start-Up Phase gewesen sei. Unter dem Aspekt der Start-Up Phase erklärt sich der Senat auch die unterschiedlich vorgebrachten Daten zum Beschäftigungsbeginn der Antragstellerin und von Herrn B. Zusammenfassend ist zu berücksichtigen, dass es sich um ein schwierig umzusetzendes Sozialprojekt mit Startschwierigkeiten gehandelt hat, wodurch Fehler passiert sind. Dies mindert allerdings nicht die Verantwortung des Antragsgegners angemessen Abhilfe zu schaffen.

Dem Antragsgegner ist zugute zu halten, dass nach den Vorfällen Schlüsse gezogen wurden und klare Vorgehensweisen und Prozessdokumentationen geschaffen wurden, wo und in welcher Situation die Sozialarbeiter wie einzubinden sind. Außerdem wären laut Aussage von Frau Mag.a C Prozesse für den Fall von sexueller Belästigung bereitgestanden, sofern die Führungsspitze von den Vorfällen erfahren hätte.

Die Bemühungen und Schwierigkeiten des Antragsgegners sind zwar zu würdigen, allerdings stehen dem die glaubwürdigen Ausführungen der Antragstellerin gegenüber.

Es liegt somit eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, der sexuellen Orientierung und der Religion durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer (sexuellen) Belästigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 iVm § 21 Abs. 1 Z 2 GlBG vor.

Gemäß § 3 Z 7 GlBG darf aufgrund des Geschlechtes im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Selbiges gilt gemäß § 17 Abs. 1 Z 7 GlBG für die sexuelle Orientierung und die Religion.

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 3 bzw. § 17 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 bzw. § 26 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Dem/Der Beklagten obliegt es zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war (oder das andere Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist) oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 2 bzw. der §§ 19 Abs.2 oder 20 GlBG vorliegt.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, sie sei, ohne schuldbares Fehlverhalten und auf Grund mangelnden Unterstützung vom Antragsgegner vor (sexueller) Belästigungen durch ihren Arbeitskollegen, ungerechtfertigt vom Antragsgegner gekündigt worden, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Antragstellerin und ihr Kollege B seit 26. Jänner 2015 beim Antragsgegner beschäftigt waren. Im Laufe ihrer Zusammenarbeit gerieten die beiden immer wieder aneinander. Am 1. Juli 2015 kam es zur Eskalation zwischen der Antragstellerin und Herrn B. Es gab eine körperliche und verbale Auseinandersetzung der beiden im Hotel, in Anwesenheit von einem Gast, wobei Hotelinventar zerstört wurde. Die beiden MitarbeiterInnen wurden nach diesem Vorfall zehn Tage bei vollen Bezügen freigestellt, um eine „Abkühlungsphase“ zu ermöglichen. Danach wurden Gespräche mit der Antragstellerin geführt, wobei eine Weiterbeschäftigung, auf Grund der Aggressionen der Antragstellerin gegen den Antragsgegner, nicht möglich war. Am 14. Juli 2015 wurde die Antragstellerin zum 28. Juli 2015 gekündigt.

Als Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde vom Antragsgegner der Vorfall am 1. Juli 2015, die Auseinandersetzung von Herrn B und der Antragstellerin, sowie die darauffolgende Gespräche mit dieser genannt.

Die vom Antragsgegner vorgebrachte Darstellung der Rauferei am 1. Juli 2015 wurde zwar von keiner Auskunftsperson persönlich wahrgenommen, allerdings glaubwürdig bestätigt. Eine Angestellte des Antragsgegners, Frau J, beschreibt den Vorfall in einer Aktennotiz vom 1. Juli 2015. Die Antragstellerin bestritt diesen nicht, sondern schrieb in ihrem Vorbringen, dass es zu einer Eskalation zwischen ihr und dem Kollegen vor Gästen gekommen sei. Auch die GAW schreibt in ihrem Schreiben vom 24. September 2015 an den Antragsgegner davon, dass die Antragstellerin, nachdem sie geschubst worden sei, zurückschlug und, dass es zu einer lautstarken Auseinandersetzung gekommen sei.

Die von der Antragstellerin vorgebrachte Argumentation, dass sie kein eigenes Fehlverhalten erkennen könne, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, da es nicht der Lebensrealität im Arbeitsleben entspricht. Eine körperliche und verbale Auseinandersetzung von Angestellten im Hotel vor Gästen stellt in der Gastronomie eine grobe Verfehlung dar, unabhängig davon, ob man damit begonnen hat oder „nur“ zurückgeschlagen hat.

Ein derartiger Vorfall kann eine Entlassung rechtfertigen. Jemanden aus diesem Grund zu kündigen, ist für den Senat deshalb leicht nachvollziehbar. Der Antragsgegner räumte der Antragstellerin nach diesem Vorfall sogar eine zweite Chance ein, welche diese aber nicht nutzte. Laut übereinstimmenden Aussagen der Auskunftspersonen verhielt sich die Antragstellerin nach der Auseinandersetzung sehr aggressiv und verhinderte dadurch eine weitere Zusammenarbeit.

Von der Antragstellerin wurde ergänzend vorgebracht, dass der Antragsgegner (zumindest der diesem zurechenbare Mag. E) eine diskriminierende Einstellung an den Tag lege. Die glaubwürdigen Aussagen der Auskunftsperson D bei seiner Befragung vor dem Senat legten nahe, dass Mag. E dazu neigt, höchst persönliche Umstände zu kommentieren und es ihm dabei teilweise am Bewusstsein für unangebrachte Äußerungen fehlt. Es ist daher nicht auszuschließen, dass dieser auch gegenüber der Antragstellerin Aussagen getätigt hat, die ihre persönliche Grenze überschritten haben. Diese Verhaltensweise kann allerdings nicht in Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses gesehen werden und war somit für das Prüfungsergebnis nicht weiter zu behandeln.

Nach Auffassung des Senates war die festgestellte mangelnde Abhilfe des Antragsgegners nicht ursächlich für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dass es zur Zuspitzung des Konfliktes zwischen der Antragstellerin und Herrn B erst auf Grund von mangelnder Abhilfe durch den Antragsgegner gekommen ist, mag richtig sein, rechtfertigt jedoch keinesfalls ein derartiges Fehlverhalten der beiden MitarbeiterInnen.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 und § 26 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner gelungen ist zu beweisen, dass ausschließlich sachliche Motive, insbesondere die körperliche und verbale Auseinandersetzung der Antragstellerin mit ihrem Kollegen am 1. Juli 2015, ausschlaggebend waren.

Es liegt somit keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, der sexuellen Orientierung und der Religion bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Abs. 1 Z 7 iVm § 17 Abs. 1 Z 7 GlBG vor.

Vorschlag

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, X, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.

Wien, 21. August 2018

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Vgl. Europäische Kommission (2007): Bekämpfung von Mehrfachdiskriminierung – Praktiken, Politikstrategien und Rechtsvorschriften, S. 17.

3  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 13.

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2018
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten