TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/5 96/21/0836

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Veröffentlicht am 05.11.1999
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §6 Abs1;
AsylG 1991 §6 Abs2;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FlKonv Art33;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des TH in Wien, geboren am 23. Februar 1962, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 12. Juli 1996, Zl. Fr-261/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen irakischen Staatsangehörigen, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich aus.

Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie aus: Der Beschwerdeführer sei am 30. April 1996 unter Umgehung der Grenzkontrolle von Ungarn kommend "illegal" nach Österreich eingereist und unmittelbar danach betreten worden. Die Hintanhaltung der illegalen Einreise einer großen Anzahl von Fremden überwiegend ohne Barmittel und Reisedokumente liege im öffentlichen Interesse und es komme der Einhaltung fremdenpolizeilicher Bestimmungen ein großes Gewicht zu. Der Beschwerdeführer habe die in § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG normierten Tatbestände verwirklicht. Seine Auffassung hinsichtlich des Vorliegens einer direkten Einreise im Sinn des § 6 Asylgesetz 1991 werde nicht geteilt. Die in Rede stehende "Konventions-Bestimmung" stelle nicht auf ein Durchreisen, sondern allein darauf ab, aus welchem Gebiet der Fremde "direkt" (unmittelbar) einreise. Vom Beschwerdeführer sei nie in Abrede gestellt worden, dass er aus Ungarn nach Österreich eingereist sei. Eine Interessenabwägung sei bei einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 FrG nicht vorzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht

auf die Erstattung einer Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass dem angefochtenen Bescheid nach den wiedergegebenen unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen kein Bescheid zugrundeliegt, mit dem die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt oder mit dem der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde; die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 5 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, kommt vorliegend daher nicht zum Tragen.

Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG idF vor der FrG-Novelle 1996 (BGBl. Nr. 436) können Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie innerhalb eines Monats nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen (Z. 4) oder wenn sie unter Missachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen eines Monats betreten werden (Z. 6).

Der Beschwerdeführer lässt die Feststellung im angefochtenen Bescheid unbekämpft, dass er unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist und unmittelbar danach betreten worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof hegt daher gegen die Annahme der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt sei, keine Bedenken.

Dennoch ist der Beschwerde - ungeachtet der Frage, ob auch der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG erfüllt ist - Erfolg beschieden. Der Beschwerdeführer ist zwar nicht direkt aus seinem Heimatstaat eingereist, in dem Verfolgung befürchten zu müssen er behauptet, weshalb ihm ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukommt. Ein vorläufiges Aufenthaltsrecht steht einem Asylwerber jedoch gemäß § 7 Abs. 1 iVm § 6 Abs. 2 leg. cit. dann zu, wenn dieser in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht gewesen ist und daher wegen des Vorliegens der in § 37 Abs. 1 oder 2 FrG genannten Gründe bei seiner Einreise nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1999, Zl. 96/21/0074). Dazu brachte der Beschwerdeführer in seinem in den Verwaltungsakten erliegenden Antrag gemäß § 54 FrG vom 12. Juni 1996 vor, Ungarn habe die Genfer Flüchtlingskonvention lediglich mit regionalem Europavorbehalt unterzeichnet und es seien vielfach Fälle dokumentiert, in denen Ungarn das Refoulement-Verbot im Sinn des Art. 33 GFK nicht geprüft habe. Im Fall einer Abschiebung nach Ungarn habe er jedenfalls eine "Kettenabschiebung" in den Irak zu gewärtigen.

Die belangte Behörde verneinte das Vorliegen einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 allein damit, dass der Beschwerdeführer nicht direkt eingereist sei. Sie verkannte mit ihrer Ansicht, eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 1 leg. cit. stünde nur nach unmittelbarer (direkter) Aus diesem Grund unterließ sie eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei in Ungarn vor einer Rückschiebung in seinen Heimatstaat nicht sicher gewesen.Einreise aus dem Verfolgerstaat nach Österreich zu, die Rechtslage.

Da sich somit der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 5. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996210836.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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