TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/9 98/11/0140

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Veröffentlicht am 09.11.1999
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E1N;
E3L E06205000;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
59/04 EU - EWR;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

11992E006 EGV Art6;
11994NN15/02 EU-Beitrittsvertrag Anh15 2 Z1;
11997E010 EG Art10;
11997E012 EG Art12;
11997E234 EG Art234;
31978L0687 Zahnarzt-RL;
ÄrzteG 1984 §11a;
ÄrzteG 1984 §17 Abs1 idF 1994/100;
ÄrzteG 1984 §17 Abs2 idF 1994/100;
ÄrzteG 1984 §17 idF 1994/100;
ÄrzteG 1984 §3a;
EURallg;
VwGG §38a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des Dr. AG in M, vertreten durch Dr. Andreas König, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 13/II, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 30. März 1998, Zl. 241.671/0-VIII/D/13/98, betreffend Bewilligung zur freiberuflichen Ausübung des ärztlichen Berufes als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz vom 10. Februar 1995 wurde dem Beschwerdeführer - einem deutschen Staatsangehörigen, der in der Bundesrepublik Deutschland seine zahnärztliche Ausbildung absolviert hat, dem mit Urkunde des Bayrischen Staatsministeriums des Innern vom 23. Juli 1974 die Bestallung als Zahnarzt erteilt wurde und dem laut Promotionsurkunde vom 14. Dezember 1978 die Fakultät für Medizin der Technischen Universität München den Grad eines Doktors der Zahnheilkunde verliehen hat - gemäß § 17

Ärztegesetz 1984 - ÄrzteG (idF BGBl. Nr. 100/1994) die Bewilligung zur freiberuflichen Ausübung des ärztlichen Berufes als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in der Gemeinde S. erteilt.

Mit Schriftsatz vom 30. April 1997 beantragte der Beschwerdeführer, das Bundesministerium möge ihm die genannte Bewilligung ohne räumliche Einschränkung erteilen. Er berief sich zur Begründung seines Antrages darauf, dass die im Bescheid vom 10. Februar 1995 enthaltene räumliche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 52 ff EG-Vertrag widerspreche, weil sie eine unzulässige Diskriminierung aufgrund seiner Staatsangehörigkeit bewirke. Er erfülle alle Voraussetzungen gemäß § 17 Abs. 1 ÄrzteG, weshalb auch die im Rahmen des Beitrittes Österreichs zur Europäischen Union vereinbarten Übergangsfristen unerheblich seien.

Die Österreichische Ärztekammer wies in ihrer Stellungnahme gemäß § 17 Abs. 4 ÄrzteG darauf hin, dass der Beschwerdeführer nicht angegeben habe, an welchem Ort er seine Berufstätigkeit aufnehmen wolle. Die Zuerkennung einer Bewilligung für das ganze Bundesgebiet sei zufolge § 17 Abs. 2 leg. cit. abzulehnen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 30. April 1997 ab und führte begründend aus, aus der im § 17 Abs. 2 ÄrzteG normierten Bedarfsprüfung ergebe sich, dass die im Abs. 1 genannte Bewilligung nur für den vom Antragsteller für den Berufssitz in Aussicht genommenen Ort erteilt werden dürfe. Die Erteilung einer solchen Bewilligung für das gesamte Bundesgebiet sei rechtlich nicht möglich.

Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Niederlassungsfreiheit laut EG-Vertrag berufe, sei er auf den EU-Beitrittsvertrag BGBl. Nr. 45/1995 hinzuweisen, in dessen Anhang XV unter anderem die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr in Österreich für die in den Mitgliedsstaaten diplomierten Zahnärzte so lange aufgeschoben werden, bis die Zahnarztausbildung in Österreich nach den gemäß der Richtlinie 78/687/EWR festgelegten Bedingungen abgeschlossen ist, längstens aber bis 31. Dezember 1998.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verfüge er nicht über ein "in Österreich anerkanntes Diplom". Im Übrigen hätte er, wenn er die Auffassung vertrete, kraft Gemeinschaftsrechtes alle Voraussetzungen für die Ausübung des (fach)ärztlichen Berufes in Österreich zu erfüllen, gemäß § 11a ÄrzteG eine Anmeldung auf Eintragung in die Ärzteliste an die Österreichische Ärztekammer richten müssen. Der auf § 17 ÄrzteG gestützte Antrag sei wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 17 Abs. 1 und 2 des im Beschwerdefall anzuwendenden Ärztegesetzes 1984 - ÄrzteG in der Fassung BGBl. Nr. 100/1994 lauten wie folgt:

"§ 17. (1) Der Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz kann Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind und im Ausland eine Berechtigung zur selbständigen Ausübung des ärztlichen oder zahnärztlichen Berufes erworben haben und nicht gemäß den §§ 3a bis 3c zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigt sind, unter Voraussetzung einer gleichwertigen Qualifikation sowie ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache eine Bewilligung zur freiberuflichen Ausübung des ärztlichen Berufes als Arzt für Allgemeinmedizin oder als Facharzt erteilen.

(2) Voraussetzung ist weiters, dass diese Bewilligung zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden allgemeinärztlichen oder fachärztlichen einschließlich der zahnärztlichen Betreuung der Patienten in dem für den Berufssitz in Aussicht genommenen Ort und dessen Einzugsgebiet erforderlich ist."

Vorauszuschicken ist, dass sich in der Zeit zwischen der Erlassung des eingangs genannten Bescheides vom 10. Februar 1995 bis zum Antrag vom 30. April 1997 und der Erlassung des angefochtenen Bescheides weder die Sach- noch die Rechtslage geändert hat. Der neuerliche Antrag war allerdings deshalb nicht wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen, weil sich der erste Antrag deutlich auf die Bewilligung für den Berufssitz in der Gemeinde S. bezogen hat, sodass in der erteilten Bewilligung laut Bescheid vom 10. Februar 1995 keine Abweisung eines darüber hinausgehenden Begehrens gelegen ist. Der neuerliche auf § 17 ÄrzteG gestützte Antrag strebt hingegen eine Bewilligung für das gesamte Bundesgebiet an und enthält demnach ein anderes Begehren als der mit Bescheid vom 10. Februar 1995 erledigte.

§ 17 ÄrzteG schafft lediglich für jene Nichtösterreicher mit ausländischer Berufsberechtigung, die nicht gemäß den §§ 3a bis 3c zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigt sind, insofern eine Ausnahmeregelung, als ihnen unter bestimmten Voraussetzungen die Bewilligung zur freiberuflichen Ausübung des ärztlichen Berufes erteilt werden kann. Eine der Voraussetzungen ist gemäß § 17 Abs. 2 leg. cit. der dort umschriebene Bedarf in dem für den Berufssitz in Aussicht genommenen Ort und dessen Einzugsgebiet. Daraus folgt, dass eine vom Bundesminister (nun für Arbeit, Gesundheit und Soziales) gemäß § 17 Abs. 1 ÄrzteG erteilte Bewilligung sich auf einen bestimmten Berufssitz beziehen muss, weil nur für diesen Ort und dessen Einzugsgebiet der Bedarf geprüft werden kann. Eine Bewilligung für das gesamte Bundesgebiet, wie sie dem Beschwerdeführer vorschwebt, ist daher nach dem Gesetz nicht möglich.

Wenn der Beschwerdeführer meint, aufgrund des aus Art. 6 EG-Vertrag (nunmehr Art. 12 in der Fassung des Amsterdamer Vertrages) sich ergebenden Verbotes der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zur Berufsausübung in ganz Österreich berechtigt zu sein, ist er darauf hinzuweisen, dass eine solche Diskriminierung nicht besteht, wie die Regelungen der §§ 3a ff ÄrzteG zeigen. Sofern der Beschwerdeführer der Auffassung ist, kraft Gemeinschaftsrechtes die dort genannten Voraussetzungen zu erfüllen, hätte er folgerichtig gemäß § 11a ÄrzteG die Anmeldung zur Eintragung in die Ärzteliste an die Österreichische Ärztekammer richten müssen und nicht um die (Ausnahme-)Bewilligung gemäß § 17 ÄrzteG ansuchen dürfen.

Soweit der Beschwerdeführer behauptet, seine Berechtigung ergebe sich auch aus der im Art. 52 EG-Vertrag (Art. 43 neu) normierten Niederlassungsfreiheit, ist er auch in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass dies - die Richtigkeit seines Standpunktes vorausgesetzt - gleichfalls nur die Eintragung in die Ärzteliste, nicht aber die Bewilligung nach § 17 ÄrzteG rechtfertigen könnte.

Im Übrigen ist seinem Standpunkt Anhang XV II.1. des Beitrittsvertrages entgegenzuhalten, wonach die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr in Österreich für die in den anderen Mitgliedsstaaten diplomierten Zahnärzte so lange aufgeschoben werden, bis die Zahnarztausbildung in Österreich nach den gemäß der Richtlinie 78/687/EWG festgelegten Bedingungen abgeschlossen ist, längstens aber bis zum 31. Dezember 1998. Damit ist aus der Niederlassungsfreiheit für den Beschwerdeführer ausgehend von seiner in Deutschland erworbenen Berufszulassung nichts zu gewinnen. Der klare Inhalt der zitierten vertraglichen Regelung lässt eine Auslegung in dem vom Beschwerdeführer angestrebten Sinne, dass nicht die Niederlassungsfreiheit sondern nur die Anwendung einer Richtlinie aufgeschoben sei, nicht zu. Für ein Ersuchen an den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung gemäß Art. 177 EG-Vertrag (Art. 234 neu) bestand daher kein Grund.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, er verfüge aufgrund der mit Bescheid vom 10. Februar 1995 erteilten Bewilligung über ein in Österreich anerkanntes Diplom, ist er darauf hinzuweisen, dass das dem genannten Bescheid zugrunde liegende Verfahren nicht die Anerkennung von Diplomen zum Gegenstand hatte, sondern die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 17 ÄrzteG. Die dabei als Vorfrage zu beurteilende gleichwertige Qualifikation stellt keine Anerkennung eines ausländischen Diploms dar.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. November 1999

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Gemeinschaftsrecht Richtlinie unmittelbare Anwendung EURallg4/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998110140.X00

Im RIS seit

19.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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