TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/9 98/11/0257

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Veröffentlicht am 09.11.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §38;
StGB §81 Z2;
StVO 1960 §5 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf, Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des FW in O, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 14. September 1998, Zl. VerkR-393.148/1-1998/Kof, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung und Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer mit Wirkung ab Erlassung des Mandatsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 17. Juni 1997 die bis 17. Jänner 1998 befristete Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E, F und G gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, dass ihm für die Dauer von 36 Monaten, gerechnet ab 23. Juni 1997, ohne Einrechnung von Haftzeiten, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Gemäß § 75a Abs. 1 lit. a KFG 1967 wurde ihm für die besagte Dauer das Lenken von Motorfahrrädern verboten.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Anlass für die Erlassung des angefochtenen Bescheides war ein Vorfall vom 15. Juni 1997. Nach den Annahmen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer an diesem Tag um 03.50 Uhr einen PKW auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Atemalkoholgehalt mindestens 0,47 mg/l) gelenkt und damit eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 gesetzt. Außerdem habe er, wie sich aus den Feststellungen des aus Anlass dieses Vorfalles ergangenen rechtskräftigen Urteiles des Oberlandesgerichtes Linz vom 30. April 1998 ergebe, eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 verwirklicht. Diesem Urteil zufolge hat der Beschwerdeführer zur Nachtzeit mit überhöhter Fahrgeschwindigkeit (mehr als 100 km/h) und alkoholisiert fahrend in einer unübersichtlichen Rechtskurve bei bestehender Sichtbehinderung (Straßengefälle), somit unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Z. 1 StGB), einen vor ihm fahrenden PKW zu überholen versucht, was zum Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden PKW geführt habe, bei dem mehrere Personen verletzt worden seien. Die Annahme der Alkoholbeeinträchtigung des Beschwerdeführers begründete die belangte Behörde mit dem Ergebnis einer zwei Stunden nach dem Lenken vorgenommenen Atemalkoholuntersuchung (Alkoholgehalt 0,37 mg/l). Unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Verbrennungswertes des Alkohols von 0,5 mg/l pro Stunde ergebe sich auf den Zeitpunkt des Lenkens/Verkehrsunfalles bezogen ein Atemalkoholgehalt von mindestens 0,47 mg/l.

Bei der Wertung des strafbaren Verhaltens vom 15. Juni 1997 berücksichtigte die belangte Behörde drei weitere vom Beschwerdeführer seit 1993 begangene Verkehrsdelikte, darunter zwei Alkoholdelikte und ein Überholen unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967), weswegen ihm bereits dreimal die Lenkerberechtigung entzogen worden sei. Der Beschwerdeführer sei sowohl hinsichtlich der Begehung von Alkoholdelikten als auch hinsichtlich der Begehung von riskanten Überholmanövern als Wiederholungstäter anzusehen.

Der Beschwerdeführer hält die Annahme einer Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 beim Vorfall vom 15. Juni 1997 für unzulässig. Anders als das Erstgericht, welches noch von einer qualifizierten Tatbegehung gemäß § 81 Z. 2 StGB ausgegangen sei, habe das Oberlandesgericht Linz angenommen, dass der Beschwerdeführer die Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung und der Gefährdung der körperlichen Sicherheit unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Z. 1 StGB), nicht jedoch in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand (§ 81 Z. 2 StGB) zu verantworten habe. An diese rechtliche Qualifikation sei die belangte Behörde gebunden.

Der Beschwerdeführer ist damit nicht im Recht. Der Verwaltungsgerichtshof verneint in ständiger Rechtsprechung (vgl. die Erkenntnisse vom 20. November 1990, Zl. 90/18/0135, und vom 28. September 1993, Zl. 92/11/0239, jeweils mit weiteren Nachweisen) eine solche Bindung der Verwaltungsbehörden an die Urteile von Strafgerichten, wenn diese bei der Beurteilung des Grades der Alkoholisierung von den Trinkangaben des Beschuldigten ausgegangen sind; ein Freispruch von der Qualifikation nach § 81 Z. 2 StGB stellt rechtlich kein Hindernis für die Verwaltungsbehörde dar, das Vorliegen einer Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 anzunehmen. Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Ausgehend von dem zwei Stunden nach der Fahrt festgestellten Atemalkoholgehalt des Beschwerdeführers von 0,37 mg/l und angesichts des Fehlens eines Nachtrunkes (laut Anzeige wurde der Beschwerdeführer in der Zeit zwischen dem Unfall und der Untersuchung der Atemluft von den Gendarmeriebeamten beobachtet) konnte die belangte Behörde unbedenklich eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960, die bereits bei einem Atemalkoholgehalt von 0,4 mg/l gegeben ist, annehmen. Ihre Annahme eines den gesetzlichen Grenzwert übersteigenden Atemalkoholgehaltes von mindestens 0,47 mg/l steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörden unbedenklich davon ausgehen können, dass der durchschnittliche Verbrennungswert des Alkohols im Blut im Laufe einer Stunde ungefähr 0,10 bis 0,12 %o beträgt (vgl. das Erkenntnis vom 18. Juli 1997, Zl. 97/02/0123, mwN); das entspricht auf den Atemalkoholgehalt umgerechnet einem Verbrennungswert von 0,05 bis 0,06 mg/l pro Stunde. Die belangte Behörde ist hiebei von dem für den Beschwerdeführer günstigeren niedrigeren Wert ausgegangen.

Gegen die Annahme einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 wendet der Beschwerdeführer ein, die belangte Behörde habe ausgehend von der gerichtlichen Feststellung betreffend "unübersichtliche Rechtskurve" angenommen, der Beschwerdeführer habe trotz "bei Weitem nicht ausreichender Sichtverhältnisse" zu überholen versucht. Die belangte Behörde habe aber nicht geprüft, ob die Ausführungen des Gerichtes im Zusammenhang mit der Aktenlage die Annahme "besonders schlechter" oder "bei Weitem nicht ausreichender Sichtverhältnisse" rechtfertigten. Tatsächlich sei der Unfall allein auf die unrichtige Einschätzung der Entfernung des entgegenkommenden Fahrzeuges durch den Beschwerdeführer zurückzuführen.

Gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 17. KFG-Novelle) hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 zu gelten, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung der maßgebenden Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat; als Verhalten, das geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, gelten insbesondere erhebliche Überschreitungen der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor Schulen, Kindergärten udgl., auf Schutzwegen oder das Übertreten von Überholverboten bei besonders schlechten oder bei Weitem nicht ausreichenden Sichtverhältnissen.

Während es nach der vor der genannten Novelle geltenden Fassung darauf ankam, dass "unter besonders gefährlichen Verhältnissen" gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen wurde, genügt es nach der oben wiedergegebenen Fassung, dass durch Übertretung der maßgebenden Verkehrsvorschriften ein Verhalten gesetzt wird, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, wobei bestimmte Beispiele dafür genannt werden.

Auf Grund der Bindung an das rechtskräftige Strafurteil hatte die belangte Behörde davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die ihm angelastete Straftat in der im Spruch des Urteiles umschriebenen Weise begangen hat. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob der in § 81 Z. 1 StGB verwendete Begriff "besonders gefährliche Verhältnisse" ident ist mit dem in § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 verwendeten und daher schon deshalb die Eignung des Verhaltens, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, auf Grund der rechtskräftigen Bestrafung angenommen werden müsste. Denn selbst wenn diese gleich lautenden Formulierungen verschiedene Begriffsinhalte haben sollten, gelangte man zu dem Ergebnis, dass das im Spruch des Strafurteiles umschriebene konkrete Verhalten des Beschwerdeführers, nämlich das Überholen zur Nachtzeit an einer unübersichtlichen Straßenstelle und mit überhöhter Geschwindigkeit (mehr als 100 km/h) in alkoholisiertem Zustand, jedenfalls im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 geeignet gewesen ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Dies auch dann, wenn die örtlichen Gegebenheiten für sich nicht die Annahme "bei Weitem nicht ausreichender Sichtverhältnisse" rechtfertigen sollten. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 ausgegangen ist.

Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. November 1999

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 Verfahrensrecht Verhältnis zu anderen Normen und Materien StGB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998110257.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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