TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/15 96/10/0259

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Veröffentlicht am 15.11.1999
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Index

L40059 Prostitution Sittlichkeitspolizei Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ProstG Wr 1984 §2 Abs2;
ProstG Wr 1984 §4 Abs2;
ProstG Wr 1984 §8 Abs4 Z1;
VStG §44a Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde der E in Wien, vertreten durch Dr. Johannes Patzak und Dr. Johannes Krauss, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 31. Oktober 1996, Zl. UVS-04/G/20/00251/96, betreffend Übertretung des Wiener Prostitutionsgesetzes (berichtigt durch den Bescheid der belangten Behörde vom 6. Februar 1997), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid in der Fassung des Berichtigungsbescheides wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe am 14. Dezember 1995 um 14.00 Uhr in Wien 18., Sch.-Gasse 43a (Bordell), indem sie in "Arbeitskleidung" (durchsichtigem Bustier, Netzstrümpfe, Tanga) im dort befindlichen Lokal angetroffen wurde, die Prostitution im Gebiet der Stadt Wien angebahnt, obwohl die bezeichnete Örtlichkeit in einem Umkreis von 150 m von Aus- und Eingängen der folgenden genannten Schutzobjekte liege: Kinderspielplatz in Wien 18., Sch.-Park, Jugendzentrum in Wien 18., A.-Gasse 8-10, Schule in Wien 18., Sch.-Straße 44-46. Sie habe dadurch gegen § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Regelung der Prostitution in Wien (Wiener Prostitutionsgesetz) in der Fassung LGBl. Nr. 34/91 verstoßen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 8 Abs. 4 Z. 1 des Wiener Prostitutionsgesetzes, LGBl. Nr. 7/1984 in der Fassung LGBl. Nr. 34/1991, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer (u.a.) der im § 4 Abs. 2 enthaltenen Vorschrift zuwiderhandelt.

Nach § 4 Abs. 2, ist die Anbahnung der Prostitution in religiösen Zwecken gewidmeten Gebäuden, in Schulen, Schüler- und Jugendheimen, Jugendzentren, auf Kinder- und Jugendspielplätzen, in Heil- und Pflegeanstalten und Kasernen sowie in einem Umkreis von 150 m von Aus- und Eingängen aller dieser Örtlichkeiten verboten. Weiters ist die Anbahnung in Bahnhöfen, Stationsgebäuden und Haltestellenbereichen öffentlicher Verkehrsmittel verboten.

Nach § 2 Abs. 2 leg. cit. liegt Anbahnung der Prostitution vor, wenn jemand durch sein Verhalten in der Öffentlichkeit erkennen lässt, Prostitution ausüben zu wollen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur zuletzt zitierten und ähnlichen Vorschriften ist unter "Anbahnung" der Prostitution jedes erkennbare Sich-Anbieten zur Ausführung eines entgeltlichen Geschlechtsverkehrs in der Absicht zu verstehen, sich hiedurch eine Einnahmsquelle zu verschaffen. Sie umfasst auch das Herumstehen in der erkennbaren Absicht, "Kunden" anzulocken, die Kontaktaufnahme oder das Treffen von Preisabsprachen für den Vollzug eines Geschlechtsverkehrs. Die Subsumtion eines konkreten Verhaltens unter den Begriff der "Anbahnung" setzt voraus, dass das jeweilige Verhalten die Absicht, sich gegen Entgelt fremden Personen hinzugeben, allgemein erkennbar zum Ausdruck bringt; es muss allgemein und nicht nur von einem eingeweihten Personenkreis als Anbieten zum entgeltlichen Geschlechtsverkehr verstanden werden (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 26. Jänner 1987, Zl. 86/10/0173, und vom 7. September 1998, Zl. 98/10/0018).

Die Beschwerde macht einen Verstoß gegen § 44a Z. 1 VStG mit der Begründung geltend, im Spruch des angefochtenen Bescheides werde lediglich das Tragen der "Arbeitskleidung "genannt, das jedoch nicht tatbildmäßig für das Anbahnen der Prostitution sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Spruch gemäß § 44a Z. 1 VStG die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten, weshalb es nicht genügt, sich bei der Umschreibung der Tat (abgesehen von der Angabe der Tatzeit und des Tatortes) auf den reinen Gesetzeswortlaut zu beschränken, weil dieses essentielle Erfordernis durch eine entsprechende Bescheidbegründung nicht ersetzt werden kann (vgl. z.B. die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, § 44a, E 9 und 10 referierte hg. Rechtsprechung).

Soweit die oben wiedergegebene Tatumschreibung im Spruch des angefochtenen Bescheides auf die Anbahnung der Prostitution Bezug nimmt, handelt es sich um den Gesetzeswortlaut; ob die Tat im Spruch des angefochtenen Bescheides ausreichend konkret umschrieben wurde, hängt somit - soweit die Anbahnung der Prostitution in Rede steht - davon ab, ob die auf den konkreten Sachverhalt bezogenen Spruchelemente, nämlich der Hinweis auf den Aufenthalt im "dort befindlichen Lokal (Bordell) in Arbeitskleidung (durchsichtigem Bustier, Netzstrümpfe, Tanga)" ein Verhalten umschreibt, das auf die Anbahnung der Prostitution im Sinne des § 2 Abs. 2 Wiener Prostitutionsgesetz gerichtet war.

Durch das Tragen der "Arbeitskleidung" einer Prostituierten alleine wird der Tatbestand der Anbahnung der Prostitution jedoch nicht verwirklicht (zu vergleichbaren Tatumschreibungen siehe die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 1982, Zl. 82/11/0153, vom 12. März 1984, Zl. 83/10/0293, vom 15. April 1985, Zl. 85/10/0017, und vom 27. Jänner 1997, Zl. 96/10/0207). Auch der Umstand, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides der Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin als "Bordell" bezeichnet wird, trägt zur Konkretisierung der Tatumschreibung nicht hinreichend bei, weil nicht umschrieben wird, inwiefern (etwa) im Erscheinungsbild des Lokals die Absicht, die Prostitution ausüben zu wollen, öffentlich erkennbar wurde (vgl. hiezu z.B. die Erkenntnisse vom 26. Jänner 1987, Zl. 86/10/0173, und vom 26. Jänner 1998, Zl. 97/10/0155). Es wird auch nicht dargelegt, auf Grund welcher äußerlich erkennbaren Umstände die Behörde das Lokal als "Bordell" bezeichnete.

Es kann somit nicht gesagt werden, dass das im Spruch umschriebene Verhalten ohne Hinzutreten weiterer Umstände die ausreichend konkrete Umschreibung eines Sachverhaltes darstellte, der den Tatbestand der Anbahnung der Prostitution nach § 2 Abs. 2 des Wiener Prostitutionsgesetzes und somit auch jenen der Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 4 Z. 1 iVm § 4 Abs. 2 des Wiener Prostitutionsgesetzes verwirklicht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. November 1999

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996100259.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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