TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/15 98/10/0364

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.1999
beobachten
merken

Index

L85004 Straßen Oberösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §37;
ForstG 1975 §172 Abs6;
ForstG 1975 §3 Abs1;
LStG OÖ 1991 §19;
LStVwG OÖ 1975 §21;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des H und der T in 4502 St. Marien, vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Fabrikstraße 26, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 27. August 1998, Zl. ForstR-100587/1-1998-I/Bü/Scw, betreffend forstpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (BH) vom 9. Juni 1998 wurde den Beschwerdeführern unter Berufung auf § 17 Abs. 1 iVm § 172 Abs. 6 des Forstgesetzes 1975 (ForstG 1975) aufgetragen, die auf ihrem Waldgrundstück Nr. 87 der KG E. errichtete Werbetafel im Ausmaß von ca. 8 m x 5 m samt dem aus Kanthölzern gebildeten Gerüst bis spätestens 30. Juni 1998 zu entfernen.

Nach der Begründung sei gemäß § 17 Abs. 1 ForstG 1975 die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als der Waldkultur verboten. Die Werbeeinrichtigung sei "im westlichen Teil eines Waldgrundstückes direkt neben dem öffentlichen Weg, Parzelle 1611, situiert. Als Bestockung (sei) im Bereich des Aufstellungsortes der Werbetafel eine 2 - 4 m hohe Fichtenaufforstung vorhanden." Die Aufstellung einer Werbetafel, mit der auf einen Gasthof aufmerksam gemacht werde, diene zweifelsfrei nicht der Waldkultur (Holzzucht). Durch das nicht unerhebliche Ausmaß der Werbetafel sei auch eine nachteilige Auswirkung auf die Forstwirtschaft (Beschattung) zu besorgen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass sich die gegenständliche Tafel nicht im Waldbereich befinde und somit auch nicht auf der Fläche der Parzelle 1611, welche der Bestockung zwecks Fichtenaufforstung diene. Zwischen dem öffentlichen Weg, einer asphaltierten Straße, und der Fichtenaufforstung liege eine Wiesenfläche in einer Breite von mehreren Metern, wobei "exakt am Rand bzw. vor dem Übergang in die Aufforstungsfläche die Tafel situiert" sei. Für die Errichtung der Tafel sei kein einziger Baum gefällt und auch sonst keinerlei Bewuchs gerodet worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der BH mit der Maßgabe bestätigt, dass die Entfernung der Tafel bis spätestens 30. September 1998 zu erfolgen habe. In der Begründung verwies die belangte Behörde zunächst auf die Feststellungen des forstfachlichen Amtssachverständigen, wonach sich die verfahrensgegenständliche Werbetafel auf dem Grundstück Nr. 87 der KG E. befinde. Das gesamte Grundstück mit einer Fläche von 6.267 m2 sei im Grenzkataster mit der Benutzungsart "Wald" ausgewiesen. Wie die Beschwerdeführer in ihrer Berufung selbst ausführten, stehe die fragliche Werbetafel exakt am Rand bzw. im Übergang der Aufforstungsfläche in einem Abstand von mehreren Metern zur öffentlichen Wegparzelle 1611. Nach § 19 Abs. 1 des Oberösterreichischen Straßengesetzes 1991 dürften Bäume, Baumreihen und Sträucher neben öffentlichen Straßen außerhalb des Ortsgebietes nur in einem Abstand von 3 m zum Straßenrand gepflanzt werden. Auf Grund der von den Beschwerdeführern selbst angegebenen Situierung der Werbetafel exakt am Rand der Aufforstungsfläche, der Ausweisung der gesamten Grundfläche des Grundstückes im Grenzkataster als Wald, der zu erwartenden natürlichen Erweiterung der bestockten Fläche durch das Wachstum der Aufforstung sowie der angeführten straßenrechtlichen Bestimmungen sei die belangte Behörde der Auffassung, dass es sich bei dem gesamten Grundstück Nr. 87 der KG E. um Wald im Sinne des Forstgesetzes handle. "Rodung" sei die Umwandlung der Benützung eines Waldgrundstückes für waldfremde Zwecke. Dabei sei es bedeutungslos, ob der Waldgrund zur Ablagerung von Brettern, Anlegung von Rasenflächen oder zur Aufstellung beweglicher Objekte oder zur Errichtung von Häusern oder Wegen verwendet werde. Auch die Verlegung einer Wasserleitung stelle eine Rodung dar. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Fläche vorher "nur lose mit Waldpflanzen besetzt" gewesen sei, die Lagerung der Materialien "zwischen dem gegebenen Bewuchs stattfindet" und dieser "überhaupt nicht beeinträchtigt" werde. Es sei auch denkmöglich, dem Rodungsverbot die Verbauung einer geringen Fläche zu unterstellen, weil das Gesetz die Rodung ausnahmslos jeden Waldgrundes verbiete. Nach § 1 Abs. 2 ForstG 1975 seien ein Wald im Sinne des Abs. 1 auch Grundflächen, deren forstlicher Bewuchs infolge Nutzung oder aus sonstigem Anlass, wie ein gesetzlicher Auftrag im Sinne des § 19 Abs. 1 des Oberösterreichischen Straßengesetzes 1991, vermindert oder beseitigt sei. Aus § 1 ForstG 1975 ergebe sich auch, dass es Waldboden ohne Bewuchs geben könne. Auch eine derartige Grundfläche könne gerodet, nämlich einer dem Forstzwang des Forstgesetzes widersprechenden Verwendung zugeführt werden. Bei der verfahrensgegenständlichen Fläche handle es sich offensichtlich um eine im Grenzkataster als Wald ausgewiesene Fläche, die sich derzeit nach Nutzung in einer Wiederaufforstungsphase befinde und deshalb bzw. auch auf Grund des Oberösterreichischen Straßengesetzes 1991 (noch) nicht auf der gesamten Fläche bestockt sei. Da die Rodung der Waldfläche im Bereich der Werbetafel bzw. des Stützgerüstes konsenslos erfolgt sei, hätte den Beschwerdeführern die Entfernung im Sinne des § 172 Abs. 6 ForstG 1975 aufgetragen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer bringen im Wesentlichen vor, die Parzelle Nr. 87 sei "mit Ausnahme eines Wiesenstreifens von rund 3 Metern zwischen der Werbetafel und der Asphaltstraße bestockt." Die gegenständliche Werbetafel befinde sich "exakt am Rand dieses gesetzlich vorgeschriebenen Streifens von 3 Metern und stehe nicht im Bereich, wo der Wald gemäß

OÖ Straßengesetz noch erlaubterweise sich befindet."

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführern einen forstpolizeilichen Auftrag nach § 172 Abs. 6 ForstG erteilt. Voraussetzung für die Erteilung eines solchen Auftrages ist, dass es sich bei der betroffenen Fläche zum Zeitpunkt der Aufstellung der in Rede stehenden Tafel und zum Zeitpunkt der Erlassung des forstpolizeilichen Auftrages um Wald im Sinne des ForstG gehandelt hat.

Die belangte Behörde stützt die Annahme der Waldeigenschaft der betroffenen Fläche auf § 3 ForstG.

Nach dieser Bestimmung gilt eine Grundfläche (Grundstück oder Grundstücksteil), wenn sie im Grenzkataster oder im Grenzsteuerkataster der Benützungsart Wald zugeordnet ist und eine Rodungsbewilligung für die Grundfläche nicht erteilt wurde, als Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes, solange die Behörde nicht festgestellt hat, dass es sich nicht um Wald handelt.

Bei der Bestimmung des § 3 Abs. 1 ForstG handelt es sich um eine widerlegbare Rechtsvermutung.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. November 1982, 82/07/0037, ausgeführt hat, verpflichtet das Vorbringen einer Partei, welches auf Widerlegung der Vermutung nach § 3 Abs. 1 ForstG abzielt, die Behörde, vor ihrer Entscheidung über ein Rodungsansuchen Feststellungen über die Waldeigenschaft der Rodungsfläche zu treffen. Gleiches gilt auch für ein Verfahren zur Erlassung eines forstpolizeilichen Auftrages.

Die Beschwerdeführer haben im Verwaltungsverfahren bestritten, dass jene Fläche, auf der sich die inkriminierte Tafel befindet, Wald im Sinne des ForstG sei, da es sich dabei um eine mehrere Meter breite Wiesenfläche im Anschluss an eine Straße handle. Dass die Fläche eine Wiese ist, bedeutet zwar noch nicht die Widerlegung der Rechtsvermutung des § 3 Abs. 1 ForstG, weil es auch Waldboden ohne forstlichen Bewuchs gibt; dieser Umstand ist aber geeignet, Zweifel an der Waldeigenschaft zu erwecken; dies umso mehr, als es sich um eine Fläche im Anschluss an eine Straße handelt und sowohl das oberösterreichische Straßengesetz 1991 (§ 19) als auch dessen Vorgänger, das oberösterreichische Landesstraßenverwaltungsgesetz 1975 (§ 21) ein Freihalten von Flächen neben einer Straße von Bäumen vorsehen. Zwar ist die Frage der Waldeigenschaft nicht nach straßenrechtlichen, sondern nach forstrechtlichen Vorschriften zu beurteilen; der Umstand aber, dass die in Rede stehende Fläche, die unbestockt ist, im Bereich einer Straße liegt, ist geeignet, die Zweifel an der allein auf der Katastereintragung beruhenden Vermutung der Waldeigenschaft zu verstärken, ist doch nicht auszuschließen, dass auf dieser Fläche aus Gründen der Straßensicherheit nie das Aufkommen forstlichen Bewuchses zugelassen wurde oder dass vorhandener forstlicher Bewuchs im Einklang mit den Bestimmungen des ForstG (Rodungsbewilligung) beseitigt wurde.

Die belangte Behörde hätte sich daher bei der Beurteilung der Waldeigenschaft der in Rede stehenden Fläche nicht allein auf § 3 Abs. 1 ForstG stützen dürfen, sondern hätte Ermittlungen im Sinne des § 5 ForstG anzustellen gehabt.

Durch das Unterlassen solcher Ermittlungen hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, die gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG zu dessen Aufhebung führt.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998100364.X00

Im RIS seit

18.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten