TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/14 LVwG-S-195/001-2018

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Veröffentlicht am 14.08.2018
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Entscheidungsdatum

14.08.2018

Norm

VStG 1991 §53 Abs1
VStG 1991 §54a Abs1 Z1
VStG 1991 §54b
StVG §3a
StVG §3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Leisser als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 21. Dezember 2017, Zl. ***, mit welchem die gestellten Anträge auf Aufschub des Strafvollzuges abgelehnt worden waren, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision an der Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

In dem wegen Übertretungen des Glücksspielgesetzes gegen die Beschwerdeführerin geführten Verfahren hat die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld aufgrund des vorliegenden rechtskräftigen Straferkenntnisses versucht die verhängten Geldstrafen zu vollstrecken, sowie in der Folge diese wegen Uneinbringlichkeit derselben aufgefordert, die Ersatzfreiheitsstrafen anzutreten.

Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin durch ihren ausgewiesenen Vertreter die Anträge, den Strafvollzug zum Zweck der Erbringung von gemeinnützigen Leistungen aufzuschieben, bzw. in eventu den Strafvollzug zum Zweck des Vollzug der Strafe in Form des elektronischen überwachten Hausarrests aufzuschieben, bzw. in eventu den Strafvollzug wegen der akuten Gefährdung der Erwerbsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin für zwölf Monate aufzuschieben.

Mit der verfahrensgegenständlichen angefochtenen Entscheidung hat die belangte Behörde die gestellten Anträge auf Strafaufschub abgewiesen.

Der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde wird diese aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten und nach Zitat der Gesetzesbestimmungen der §§ 54a, 53d und 53b Verwaltungsstrafgesetz (VStG) sowie der §§ 3a und 156b Strafvollzugsgesetz (StVG) ausgeführt, das VStG sehe vor, dass im Verwaltungsstrafverfahren die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes (StVG) über den Vollzug von Freiheitsstrafen sinngemäß anzuwenden seien. Aufgrund dieser Verweisungsnorm sei im Verwaltungsstrafverfahren auch die Erbringung von gemeinnütziger Leistung statt Haft oder aber auch der elektronisch überwachte Hausarrest zulässig. Dies sei zwar nicht explicit im VStG geregelt, ergebe sich jedoch bei korrekter Interpretation und auch aus dem Willen des Gesetzgebers. Die Verweisungsnorm des § 53d VStG umfasse auch den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen (vgl. Kronister in Raschauer/Wessely, VStG § 53d RZ 1).

Dem Standpunkt, dass es im anzuwendenden VStG keine Regelungen zur gemeinnützigen Leistung bzw. zum elektronische überwachten Hausarrest gebe sei entgegenzuhalten, dass die Verweigerung der Möglichkeit im Verwaltungsstrafverfahren statt der Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Leistungen zu erbringen und/oder statt der Ersatzfreiheitsstrafe den elektronisch überwachten Hausarrest zu wählen ein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz darstellen würde. Eine Überprüfung der Verfassungskonformität dieser Regelung werde deshalb angeregt.

Unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten sei davon auszugehen, dass § 53d VStG nur insoweit besondere Bestimmungen zu den §§ 3 und 3a VStG enthalte, als hier u.a. auch aber nicht nur bzw. ausschließlich der Vollzug in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder Strafvollzugsanstalten geregelt sei. Die Annahme einer gänzlichen Verdrängung der §§ 3 und 3a StVG einschließlich der hier maßgeblichen Regelungen über die Möglichkeit der Abwendung der Strafverbüßung durch § 53d VStG rein aufgrund der Frage ob nun die Ersatzfreiheitsstrafe in einem gerichtlichen Gefangenenhaus/Strafvollzugsanstalt oder im Haftraum der Behörde vollzogen werde, würde nämlich zu einem nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch zwischen dem Vollzug von Freiheitsstrafen im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren einerseits und im gerichtlichen Strafverfahren andererseits führen.

Die beschwerdeführende Partei verkenne nicht, da zwischen gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Strafverfahren wesentliche Unterschiede bestünden, die – etwa aus Gründen der Verwaltungsökonomie – grundsätzlich verschiedenartige Regelungen einer Frage (auch auf dem Gebiet des Strafvollzuges) sachlich rechtfertigen könnten. Es sei jedoch kein sachlicher Grund ersichtlich, welches es rechtfertigen würde, dass das VStG insbesondere § 53d so zu verstehen, dass diejenigen, deren Strafe zufälligerweise in einem Gefangenenhaus vollzogen werde (viele Behörden in Österreich besitzen keinen eigenen Haftraum) in den Genuss der Möglichkeit der Erbringung von z.B. gemeinnütziger Leistung kommen könnte und andere, deren Strafe wieder zufallsabhängig im Haftraum vollzogen werde, dieses Privileg nicht genießen könnten. Eine solche Auslegung würde eine dem Gesetzgeber nicht unterstellbare unsachliche Schlechterstellung eines im verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens Bestraften gegenüber einem im gerichtlichen Strafverfahren Verurteilten bedeuten. Ja mehr noch käme es rein aufgrund der örtlichen Situation (Gefangenenhaus oder Haftraum) innerhalb des VStG so einer unzumutbaren Ungleichbehandlung. Stufe der Gesetzgeber doch die in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden fallenden Vergehen von vorneherein – schon wegen der vergleichsweise geringen Höhe der Strafbeträge – als weniger schwerwiegend ein als gerichtliche Delikte und sehe deshalb für Verwaltungsstrafsachen auch geringere Strafdrohungen vor. Schließlich spreche die Bedachtnahme auf die Intention des Gesetzgebers, mit der Schaffung des § 3a StVG der Sozialschädlichkeit von kurzen Freiheitsstrafen begegnen zu können, ebenfalls für die dargelegte – gleichheitskonforme – Auslegung.

Zusammenfassend sei deshalb festzuhalten, dass die antragstellende Partei ein Recht darauf habe, die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Leistungen zu tilgen. Gleiches gelte wohl sinngemäß für den Hausarrest (elektronisch überwacht). Dies ergebe sich aus den §§ 54a und 53d VStG unter analoger Anwendung der §§ 3a und 156b StVG. Dass die antragstellende Partei in ihrer Erwerbsmöglichkeit gefährdet sei – beim Vollzug – ergebe sich daraus, dass sie ihre Position als Geschäftsführerin verlieren würde, sofern man sie inhaftiere.

Aus den genannten Gründen wurden die von der belangten Behörde abgelehnten Anträge nochmals gestellt, dies nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung in der Sache.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat wie folgt erwogen:

Insoweit die Beschwerdeführerin verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Bestimmungen des § 54b VStG i.V.m. § 53 Abs. 1 VStG und § 3a StVG geltend macht, aufgrund welcher Bestimmungen die belangte Behörde die gestellten Anträge den Strafvollzug zum Zweck der Erbringung von gemeinnützigen Leistungen aufzuschieben, bzw. ihn zum Zweck des Vollzuges der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes aufzuschieben, hat sie bereits die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2013, B628/2013, VFSLG.19.831/2013 hingewiesen, in welchem der Gerichtshof keine Bedenken gegen den Vollzug einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe regelnden Bestimmungen des VStG hatte und festhielt, dass es im rechtspolitischem Gestaltungsspielraum liege, die im StVG BGBl. Nr. 144/1969 eingeräumte Möglichkeit zur Erbringen gemeinnütziger Leistungen anstelle des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe auch im VStG vorzusehen oder in diesem Bereich nicht zu gewährleisten. Von diesem Gestaltungsspielraum habe der Gesetzgeber dahingehend Gebrauch gemacht, dass er die Bestimmungen der §§ 3 und 3a StVG im Verwaltungsstrafverfahren nicht für anwendbar erklärt habe. Nach dem Willen des Gesetzgebers habe der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nur in Ausnahmefällen in einem gerichtlichen Gefangenenhaus zu erfolgen; in der Regel gingen daher insoweit die Bestimmungen des VStG jenen des StVO vor, was mit Blick auf die relativ geringe Höhe der im VStG vorgesehenen maximalen (Ersatz-)Freiheitsstrafen (zwei, nur bei Vorliegen besondere Erschwerungsgründe sechs Wochen - §§ 12 und 16 VStG) sowie vor dem Hintergrund, dass das VStG weitergehende Erleichterungen als das StVG ermögliche (eventueller Aufschub und Unterbrechung des Strafvollzuges § 54a VStG einerseits bzw. §§ 5 und 6 StVG andererseits), nicht zu beanstanden wäre.

Ebenso entspricht es der diesbezüglichen bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass mangels Vorliegen einer echten Gesetzeslücke, die Bestimmungen der §§ 3 und 3a StVG (Erbringung gemeinnütziger Leistungen) nicht analog im Verwaltungsstrafrecht anzuwenden sind (VwGH 19.03.2014, Ro 2014/09/0009, 24.04.2014, Ro 2014/02/0022).

Betreffend weiteres Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass bei einem Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe in einem Gefangenenhaus die Hafterleichterungen sehr wohl zur Anwendung gelangen würden, ist ihr gegenständlichenfalls entgegenzuhalten, dass der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe gegen die Beschwerdeführerin in einem Polizeianhaltezentrum (Polizeianhaltezentrum ***) angeordnet wurde.

Betreffend der behaupteten akuten Gefährdung der Erwerbsmöglichkeiten durch den Strafvollzug im Sinne des § 54a Abs. 1 Z 1 hat die Beschwerdeführerin bereits gegenüber der belangten Behörde nach einer entsprechenden Aufforderung binnen gesetzter Frist diese behauptete akute Gefährdung der Erwerbsmöglichkeit konkret darzulegen, ungenutzt verstreichen lassen, sowie auch die Beschwerde selbst diesbezüglich kein konkretes Vorbringen aufweist und ebenfalls nicht erkennbar ist, dies insbesondere aufgrund der Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe, welche vollzogen werden soll, warum durch diese die Erwerbsmöglichkeit der Beschwerdeführerin eingeschränkt wäre.

Der erhobenen Beschwerde war deshalb der Erfolg zu versagen, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 44 Abs. 3 Z 1 i.V.m. Abs. 4 entfallen konnte, zumal in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde, sowie auch eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht hätte erwarten lassen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil die im Verfahren zu lösende Rechtsfrage keine solche war, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, sowie das Landesverwaltungsgericht auch nicht von der bereits in der Sache bestehenden einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.

Schlagworte

Glücksspielrecht; Verwaltungsstrafe; Verfahrensrecht; Ersatzfreiheitsstrafe; gemeinnützige Leistungen;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.195.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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