TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/22 LVwG-AV-1169/001-2015

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.08.2018
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Entscheidungsdatum

22.08.2018

Norm

ÄrzteG 1998 §91 Abs1
ÄrzteG 1998 §91 Abs3
ÄrzteG 1998 §91 Abs4
ÄrzteG 1998 §111
UmlagenO ÄrzteK NÖ 2015 ArtIV Abs8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau A, ***, ***, gegen den Bescheid des Präsidenten der Ärztekammer für Niederösterreich vom 5. August 2015, Zl. ***, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

ad 1.:    § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)

ad 2.:    § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG)

         Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)

Entscheidungsgründe:

1.   Maßgeblicher Verfahrensgang:

1.1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin, Frau A, beantragte mit am 30. Jänner 2015 bei der Ärztekammer für Niederösterreich eingelangtem Schreiben die Ermäßigung der „festen Kammerumlage wie im Jahr 2014 auf 50%“.

Begründend führte die Beschwerdeführerin dazu aus, dass sie ihre Wahlarztpraxis weiterhin neben der Betreuung ihrer Kinder (6 und 9 Jahre alt) führe. Auf Grund der beschränkten Ausübung könne sie geringe Umsätze von genau 24.990,-- Euro im ganzen Jahr 2014 bekannt geben. Davon seien noch ihre gesamten Ordinationsausgaben abzuziehen, was zu einer sehr geringen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führe, weil voraussichtlich gerade etwas mehr als ihre Kosten gedeckt würden.

Die Beschwerdeführerin legte in weiterer Folge Einkommensunterlagen für das Jahr 2014 vor.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2015 brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass die vorgeschriebenen Umlagen überdurchschnittlich hoch und die Bearbeitungsdauer viel zu lange sei. Bis zu einer Entscheidung sehe sie sich nicht in der Lage die vorgeschriebenen Umlagen zu bezahlen und sie prüfe gerade eine vollständige Sistierung aus verfassungsrechtlichen Gründen. Die Vorschreibungen der Ärztekammer Niederösterreich würden jene von vergleichbaren Kammern bei geringen Einnahmen um ein Vielfaches übersteigen und es sei jedenfalls auf ihre eingeschränkte Leistungsfähigkeit einzugehen. Als Mutter zweier Kinder in Kindergarten und Volksschule sei es ihr nicht möglich, die Ordination nur ansatzweise so zu führen, dass die Lebenserhaltungskosten gedeckt seien. Die Ärztekammer habe auch für die finanziell schwachen Privatärzte und Mütter mit eigener Kinderbetreuung da zu sein.

1.2. Mit Bescheid des Präsidenten der Ärztekammer für Niederösterreich vom 5. August 2015 wurde der Ermäßigungsantrag der Beschwerdeführerin für den Zeitraum von 1. Jänner 2015 bis 31. Dezember 2015 abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vorgeschriebene Kammerumlage im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (aktuelle Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit in Höhe von 24.990,-- Euro) der Beschwerdeführerin und die Art der Berufsausübung angemessen erscheine und dass keine relevanten Ermäßigungsgründe vorgebracht worden seien.

1.3. In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Sie habe um Ermäßigung der festen Kammerumlage auf 50%, wie in den Jahren 2013 und 2014, ersucht. Erst nach ihrer Urgenz sei überaschenderweise negativ entschieden worden. Die Umlagen würden eine unverhältnismäßige Belastung darstellen und seien in ihrer Situation als Wahlärztin mit Aufbau einer Ordination und Mutter zweier relativ kleiner Kinder in keinster Weise angemessen. Von ihr würden pro Monat insgesamt 52,16 Euro an Umlagen verlangt werden, dazu kämen die Beiträge zum Wohlfahrtsfonds. Alleine die Zahl der Umlagen und Beiträge sei absolut hinterfragenswürdig, zumal unter mehreren Titeln PR und Öffentlichkeitsarbeit finanziert werden müsse, ohne dass sie als Wahlärztin davon profitiere. Besonders hervorzuheben sei, dass sie beim Wohlfahrtsfonds mehr für Hinterbliebene von oft umsatzstarken Kassenärzten zahle als sie selber Pensionsbeiträge habe und dass auch Altlasten von früher finanziert würden. Bei ihren Rentenbeträgen würden die niedrigen Umsätze berücksichtigt werden, sonst nicht. Die Beiträge würden ein Vielfaches über vergleichbaren anderen Kammerbeiträgen liegen, beispielsweise bei Wirtschaftskammermitgliedern ohne Angestellte. Auch andere Landesärztekammern würden auf die angespannte finanzielle Situation bei der Eröffnung bzw. beim Aufbau einer Wahlarztpraxis Rücksicht nehmen und die Vorschreibung nach dem tatsächlichen Umsatz berechnen, z.B. in Wien, wo sie selber vor der Geburt ihrer Kinder eine Ordination gehabt habe. Die Ärztekammer Niederösterreich schreibe hingegen ohne Rücksicht auf ihr geringes Einkommen feste Beitragssätze vor und lehne die bisher gewährte Reduktion trotz fast unverändert geringem Einkommen ab.

So sei ihr bei einem Jahresumsatz von 17.988,-- Euro noch eine Reduktion gewährt worden, beim Umsatz von 24.990,-- Euro aber nunmehr nicht. Nach Abzug aller Ausgaben, insbesondere auch für die Ärztekammer, ergebe sich lediglich ein Jahreseinkommen von 7.640,34 Euro, was weit unter den Mindestlöhnen in Österreich liege. Die Vorschreibungen der Ärztekammer würden fast ein Viertel ihres Nettoeinkommens betragen. Es sei unangemessen, unsachlich und ein rechtswidriger bzw. verfassungswidriger Eingriff in ihre Erwerbsfreiheit, wenn sie als Jungunternehmerin ohne Kassenvertrag und Mutter keine Beitragsreduktion erhalte. Es bestehe auch eine klare Ungleichbehandlung zu Ärzten, die nicht über ein Einkommen unter dem Existenzminimum verfügen würden. Jeder andere Staatsbürger wäre bei einem derart niedrigen Einkommen bereits von Rezeptgebühren, Rundfunkgebühren und ähnlichem befreit, wobei sie nicht einmal eine gänzliche Befreiung, sondern lediglich eine Reduktion erwarte, damit auf ihre besondere Situation als Wahlärztin mit kleiner Praxis und gleichzeitiger Kinderbetreuung Rücksicht genommen werde. Im Übrigen sei der Bescheid auch deshalb aufzuheben, weil jegliche Begründung fehle und nur formelhaft ausgeführt werde, dass die Umlage in Bezug auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angemessen erscheine.

Vorgelegt wurden von der Beschwerdeführerin ihre Einkommenssteuererklärungen für das Jahr 2014, ihr Einkommenssteuerbescheid 2014, sowie Vorschreibungen der Ärztekammerumlagen sowie der Wohlfahrtsfondsbeiträge für August 2015.

1.4. Die Behörde legte dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde samt Verwaltungsakt zur Entscheidung vor, wobei im Vorlageschreiben darauf hingewiesen wurde, dass bereits insofern eine außerordentliche Form der Umlagenreduktion vorliege als die für die Berechnung der Kammerumlage relevante Dauer der ärztlichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin um Zeiten ihrer außerordentlichen Mitgliedschaft reduziert worden sei. Die Beitragsbelastung liege unter der 3%-Grenze, sodass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gewahrt sei und es würden berücksichtigungswürdige Umstände im Hinblick auf die Höhe der Einnahmen nicht vorliegen.

1.5. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich forderte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11. Juli 2018 zur Bekanntgabe ihrer aktuellen Einkommenssituation samt Vorlage von Nachweisen auf. Weiters zur Bekanntgabe, ob bzw. inwiefern in den angegebenen Ermäßigungsgründen seit Beschwerdeerhebung Änderungen eingetreten seien. Das Vorlageschreiben der belangten Behörde wurde zur Kenntnis und allfälliger Abgabe einer Stellungnahme übermittelt. Darüber hinaus wurde die Möglichkeit gewährt, einen allfälligen Verhandlungswunsch bekannt zu geben.

1.6. Mit Schreiben vom 8. August 2018 wiederholte die Beschwerdeführerin ihr Beschwerdevorbringen und es wurde darüber hinaus im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

An ihrer aktuellen Einkommenssituation habe sich nichts geändert. Die Ärztekammer nehme darauf aber keine Rücksicht bzw. würden sich die Kammerbeiträge weiter laufend erhöhen und es würde ihr mittlerweile ein monatlicher Betrag von insgesamt 62,11 Euro vorgeschrieben. Dazu kämen die Beiträge zum Wohlfahrtsfonds. Die massive finanzielle Unausgewogenheit habe sich nicht geändert. Ihr Monatseinkommen betrage 741,92 Euro und die Ärztekammer verrechne ihr monatlich 191,31 Euro, wovon ihr nur 45,02 Euro für die Rente angerechnet würden. Zum behördlichen Vorlageschreiben sei festzuhalten, dass es wohl selbstverständlich sei, dass man Zeiten der Karenz bzw. Kinderbetreuung ohne ärztliches Einkommen nicht einbeziehe. Weiters würden die Beiträge an die Ärztekammer 25% des Nettoeinkommens ausmachen und es könne daher von einer Ausgewogenheit keine Rede sein, vielmehr seien die Beiträge für sie als Jungärztin und Mutter zweier Kinder existenzgefährdend. Eine mündliche Verhandlung sei nicht notwendig, weil die Zahlen bzw. Fakten für sich sprechen würden.

Vorgelegt wurden von der Beschwerdeführerin ihre Einkommenssteuerbescheide für 2016 und 2017 sowie Übersichten zu den Vorschreibungen der Ärztekammerumlagen und der Wohlfahrtsfondsbeiträge.

2.   Feststellungen und Beweiswürdigung:

2.1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin, geboren am ***, ist in die Ärzteliste eingetragen und Mitglied der Ärztekammer für Niederösterreich (erstmalige Eintragung im Jahr 1998).

Die Beschwerdeführerin ist verheiratet und Mutter zweier Kinder, die im Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Antragstellung im Jänner 2015 sechs und neun Jahre alt waren. Sie war im Jahr 2012 und in den Jahren davor in Karenz und sie betreibt seit Jänner 2013 eine Wahlarztordination als Ärztin für Allgemeinmedizin in ***. Die Beschwerdeführerin hat gemäß den vorgelegten Einkommenssteuererklärungen im Jahr 2013 Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit in Höhe von 17.988,-- Euro und im Jahr 2014 Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit in Höhe von 24.990,-- Euro erzielt. Gemäß den vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden hat sich für die Beschwerdeführerin im Jahr 2014 ein Einkommen von 7.640,34 Euro ergeben, für das Jahr 2016 ein Einkommen in Höhe von 5.974,53 Euro und im Jahr 2017 ein Einkommen in Höhe von 8.903,08 Euro.

Der Beschwerdeführerin wurde im Jahr 2013 und nach ihrem Vorbringen auch im Jahr 2014 eine Ermäßigung der festen Kammerumlagen auf 50% gewährt.

Der Beschwerdeführerin wurden im Jahr 2015 monatlich Kammerumlagen in Höhe von insgesamt 52,16 Euro vorgeschrieben (feste Kammerumlage: 38,-- Euro; Sonderumlage für Öffentlichkeitsarbeit: 7,26 Euro; Umlage Bundessektion Allgemeinmedizin: 0,21 Euro; Umlage Bundessektion Allgemeinmedizin PR Umlage: 0,09 Euro; Fonds für Öffentlichkeitsarbeit ÖAK: 0,42 Euro; ÖQMed Umlage: 3,34 Euro; ÖAK PR-Umlage niedergelassene Ärzte: 2,84 Euro) sowie Wohlfahrtsfondsbeiträge in Höhe von insgesamt 103,08 Euro (Grundrente: 18,90 Euro; Zusatzleistung: 14,93 Euro; Bestattungsbeihilfe und Hinterbliebenenunterstützung: 36,87; Krankenunterstützung: 28,75 Euro; Solidaritätsfonds: 3,63 Euro).

Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag auf Ermäßigung der festen Kammerumlage auf 50% damit begründet, dass sie ihre Wahlarztpraxis neben der Betreuung ihrer beiden Kinder führe und dass sie nur geringe Umsätze bzw. ein geringes Einkommen erziele.

2.2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen basieren – ebenso wie der dargelegte maßgebliche Verfahrensgang – auf der vorliegenden unbedenklichen Aktenlage. Festzuhalten ist, dass der maßgebliche Sachverhalt nicht strittig ist. Die Feststellungen zur Beschwerdeführerin selbst (Ärzteliste und Kammermitglied; verheiratet; zwei Kinder im Alter von sechs und neun Jahren bei Antragstellung; Karenz; Wahlarztordination) basieren auf den im Verwaltungsakt enthaltenen Daten (s. z.B. die behördlichen Kommunikationseinträge) sowie den Angaben der Beschwerdeführerin selbst. Die Feststellungen zu den Einnahmen bzw. dem Einkommen der Beschwerdeführerin basieren auf den von ihr im Verfahren vorgelegten Unterlagen. Dass der Beschwerdeführerin für die Jahre 2013 und 2014 Ermäßigungen der festen Kammerumlage auf 50% gewährt wurden, wurde von ihr selbst vorgebracht (und es ist dies jedenfalls für das Jahr 2013 auch im Verwaltungsakt dokumentiert). Die Feststellungen zu den Vorschreibungen im Jahr 2015 basieren auf den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen. Zur Begründung des Ermäßigungsantrages ist auf das im Verfahren erstattete Vorbringen zu verweisen.

3.   Maßgebliche Rechtslage:

3.1. § 91 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl. I Nr. 169/1998 idgF BGBl. I Nr. 80/2013, lautet auszugsweise:

„§ 91. (1) Zur Bestreitung des Sachaufwandes, des Aufwandes für die Organe, des Personalaufwandes und der anderen finanziellen Erfordernisse für die Durchführung der den Ärztekammern übertragenen Aufgaben (§ 84), ausgenommen für den Wohlfahrtsfonds, sowie zur Erfüllung der gegenüber der Österreichischen Ärztekammer bestehenden Umlageverpflichtung heben die Ärztekammern von sämtlichen Kammerangehörigen die Kammerumlage ein.

[…]

(3) Die Umlagen sind unter Bedachtnahme auf die

1. wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anhand der Einnahmen (Umsätze) und/oder Einkünfte sowie

2. Art der Berufsausübung

der Kammerangehörigen festzusetzen, wobei die Höhe der Umlagen betragsmäßig oder in Relation zu einer Bemessungsgrundlage festgesetzt werden kann. Bei Beteiligung eines Kammerangehörigen an einer Gruppenpraxis kann bei der Bemessungsgrundlage ein dem Geschäftsanteil an der Gruppenpraxis entsprechender Anteil am Umsatz (Umsatzanteil) oder ein entsprechender Anteil am Bilanzgewinn – unabhängig von dessen Ausschüttung – berücksichtigt werden. Die Höchstgrenze der Kammerumlage beträgt 3 vH der Einnahmen (Einkünfte) aus ärztlicher Tätigkeit einschließlich der Umsatzanteile an Gruppenpraxen. Die Umlagenordnung kann einen Mindestsatz für die Kammerumlage vorsehen. Näheres ist in der Umlagenordnung zu regeln. Für den Fall einer verspäteten Entrichtung der Kammerumlage durch Kammerangehörige kann die Umlagenordnung die Vorschreibung von angemessenen Mahnspesen vorsehen.

(4) Die Umlagenordnung hat nähere Bestimmungen, insbesondere über die Festsetzung und Entrichtung der Kammerumlage und der monatlichen oder vierteljährlichen Vorauszahlungen sowie über die Einbehalte der Kammerumlage und Vorauszahlungen vom Kassenhonorar durch die gesetzlichen Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten bei Vertragsärzten, vorzusehen. Die Umlagenordnung kann vorsehen, daß Kammerangehörige verpflichtet sind, alljährlich bis zu einem in der Umlagenordnung zu bestimmenden Zeitpunkt schriftlich alle für die Errechnung der Kammerumlage erforderlichen Angaben zu machen und auf Verlangen die geforderten Nachweise über die Richtigkeit dieser Erklärung vorzulegen; wenn dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig und vollständig entsprochen wird, erfolgt die Vorschreibung auf Grund einer Schätzung; diese ist unter Berücksichtigung aller für die Errechnung der Kammerumlage bedeutsamen Umstände vorzunehmen. Für diesen Fall kann die Umlagenordnung die Zahlung eines einmaligen Säumniszuschlages, der 10 vH der festzusetzenden Kammerumlage nicht übersteigen darf und bei dessen Festsetzung alle bedeutsamen Umstände, insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kammerangehörigen, zu berücksichtigen sind, vorsehen.

[…]

(7) Die Entscheidung in Verfahren über die Kammerumlage gemäß Abs. 1 obliegt dem Präsidenten.

[…]“

3.2. Zur Umlagenordnung 2015, von der Vollversammlung der Ärztekammer für Niederösterreich in der Sitzung am 3. Dezember 2014 beschlossen, am 5. Dezember 2014 kundgemacht, und mit 1. Jänner 2015 in Kraft getreten:

Die Umlagenordnung 2015 normiert für niedergelassene Kammerangehörige ohne § 2-Kassenvertrag in ihrem Art. I.B.2. eine feste Kammerumlage an die Ärztekammer für Niederösterreich, wobei sich die Höhe nach der Dauer der ärztlichen Tätigkeit richtet und bei 24,-- Euro beginnt, in Art. I.D. eine Sonderumlage für Öffentlichkeitsarbeit „Kampffonds“ in Höhe von 7,26 Euro, in Art. II.2. eine prozentuale Umlage an die Ärztekammer für Niederösterreich in Höhe von 0,75% bezogen auf alle Honorare bei einem Freibetrag von 40.000,-- Euro, in Art. III.B.2. eine prozentuale Umlage an die Österreichische Ärztekammer in Höhe von 0,19% bezogen auf alle Honorare, sowie in Art. III.D. zusätzliche feste Umlagen, nämlich die Umlage Bundessektion niedergelassener Allgemeinmediziner in Höhe von 0,09 Euro, die Umlage niedergelassener Allgemeinmediziner PR-Umlage in Höhe von 0,21 Euro, die Umlage Fonds für Öffentlichkeitsarbeit in Höhe von 0,42 Euro, die Umlage für Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung in Höhe von 3,34 Euro und die PR-Umlage für Mitglieder der Kurie der niedergelassenen Ärzte in Höhe von 2,84 Euro.

Gemäß Art. IV. Abs. 2a der Umlagenordnung 2015 sind als Grundlage der Berechnung von Ermäßigungen gemäß Art. IV.8. sowie der prozentuellen Kammerumlagen für die Umlage gemäß Art. II die in Niederösterreich erzielten Einnahmen und für die Umlage gemäß Art. III alle Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit heranzuziehen. Gemäß Art. IV. Abs. 11 erster Satz sind die Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit des drittvorangegangenen Jahres Bemessungsgrundlage der prozentuellen Umlagen für das laufende Kalenderjahr. Gemäß Art. IV. Abs. 15 und Abs. 16 kann über Antrag bei Vorliegen näher normierter Voraussetzungen Ratenzahlung oder Stundung eines Rückstandes gewährt werden. Gemäß Art. IV. Abs. 17 bedeutet „Dauer der ärztlichen Tätigkeit“ die gesamte Dauer der ärztlichen Tätigkeit seit der ersten Eintragung in die Ärzteliste der Österreichischen Ärztekammer.

Gemäß Art. IV. Abs. 8 erster Satz der Umlagenordnung 2015 kann über Antrag des Kammerangehörigen bei Vorliegen berücksichtigungswürdigender Umstände eine Ermäßigung oder in Härtefällen ein Nachlass der Umlagen erfolgen. Feste Kammerumlagen gemäß Art. I und Art. III können gemäß Art. IV. Abs. 8 zweiter Satz der Umlagenordnung 2015 nicht auf weniger als 50% der jeweils vorgesehenen Umlage ermäßigt werden.

4.   Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:

4.1. Zum Antrag auf Ermäßigung der Kammerumlagen:

4.1.1. Festzuhalten ist zunächst, dass „Sache“ des Beschwerdeverfahrens nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur jene Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl. etwa bereits VwSlg 19.003 A/2014). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist somit ausschließlich die Frage, ob die Kammerumlagen für den Zeitraum von 1. Jänner 2015 bis 31. Dezember 2015 zu ermäßigen sind. Dies hängt ausschließlich vom Vorliegen berücksichtigungswürdigender Umstände ab (vgl. etwa VwGH 26.2.2015, Ro 2014/11/0045). Nicht verfahrensgegenständlich ist hingegen die Bemessung der Kammerumlagen schlechthin bzw. die Bemessung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds (vgl. etwa VwGH 26.1.2017, Ro 2014/11/0052). Darüber wäre auf Begehren des Kammermitgliedes gesondert mit Bescheid abzusprechen (vgl. etwa VwGH 26.11.2002, 2001/11/0057).

4.1.2. Zur Frage des Vorliegens berücksichtigungswürdigender Umstände:

Gemäß Art. IV. Abs. 8 erster Satz der Umlagenordnung 2015 kann über Antrag des Kammerangehörigen bei Vorliegen berücksichtigungswürdigender Umstände eine Ermäßigung oder in Härtefällen ein Nachlass der Umlagen erfolgen, wobei feste Kammerumlagen gemäß Art. I und Art. III gemäß Art. IV. Abs. 8 zweiter Satz der Umlagenordnung 2015 nicht auf weniger als 50% der jeweils vorgesehenen Umlage ermäßigt werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner, insoweit übertragbaren, Judikatur zur Ermäßigung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände (s. § 111 ÄrzteG 1998 und die entsprechenden Satzungsbestimmungen der Ärztekammern in den Bundesländern) wiederholt ausgeführt, dass von einem berücksichtigungswürdigen Umstand nur bei Vorliegen eines außergewöhnlichen Ereignisses gesprochen werden kann. Den Gründen, die eine Ermäßigung oder einen Nachlass der Fondsbeiträge rechtfertigen, liegen überwiegend außergewöhnliche Ereignisse zu Grunde, die außerhalb der Einflusssphäre des Fondsmitglieds liegen und das Fondsmitglied an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit hindern, was einen erheblichen Einkommensverlust zur Folge hat (vgl. etwa VwGH 2.4.2014, 2011/11/0133).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass der Beitragspflichtige seine wirtschaftliche Situation grundsätzlich selbst zu verantworten hat (vgl. etwa VwGH 26.2.2015, Ro 2014/11/0045). Auch im Zusammenkommen relativ hoher Ausgaben mit einem verhältnismäßig niedrigen Einkommen allein wurde kein außergewöhnliches Ereignis erkannt (vgl. VwGH 18.3.2003, 2002/11/0009). Ebenso ist nach der Judikatur kein berücksichtigungswürdiger Umstand darin zu sehen, dass eine Ordination aufgrund der Verluste in mehreren Jahren „unwirtschaftlich“ ist, weil die Gründung einer Ordination auf einer wirtschaftlichen Entscheidung zu treffen und in ihren finanziellen Auswirkungen allein vom Fondsmitglied zu verantworten ist (vgl. VwGH 15.10.2015, Ro 2014/11/0053, mwH).

Das Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Umstandes ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingegen etwa bei einem an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit hindernden Naturereignis zu bejahen (vgl. VwGH 15.10.2015, Ro 2014/11/0053). Weiters liegen berücksichtigungswürdige Umstände etwa dann vor, wenn ein Fondsmitglied durch krankheitsbedingt erheblich zurückgegangene Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit die Kosten der Lebensführung für sich und seine ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht mehr bestreiten kann und sich im Verhältnis von Einkommen und Kosten der Lebensführung eine Deckungslücke von mehreren Tausend Euro ergibt (vgl. VwGH 26.2.2015, Ro 2014/11/0045).

Den Antragsteller trifft dabei im Verfahren eine besondere Mitwirkungspflicht (vgl. etwa VwGH 24.5.2011, 2008/11/0182).

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines solchen berücksichtigungswürdigen Umstandes mit dem Vorbringen, dass sie eine Wahlarztpraxis neben der Betreuung ihrer beiden Kinder führe und dass sie nur geringe Umsätze bzw. ein geringes Einkommen erziele, nicht aufgezeigt und es ergibt sich auch aus den von ihr bekannt gegebenen Einkommensdaten keine Unzumutbarkeit der Leistung der vorgeschriebenen Kammerumlagen, bei denen es sich, wie sich aus der dargelegten maßgeblichen Rechtslage ergibt, um die Mindestbeiträge handelt. Insofern die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vorbringt, dass andere Landesärztekammern auf die angespannte finanzielle Situation bei der Eröffnung bzw. beim Aufbau einer Wahlarztpraxis Rücksicht nehmen würde, ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführerin im Jahr 2013 und nach ihrem Vorbringen auch im Jahr 2014 eine Ermäßigung der festen Kammerumlagen auf 50% gewährt wurde.

Zu den von der Beschwerdeführerin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken ist einerseits auf die unter Punkt 4.1.1. dargelegte Beschränkung auf die Sache des Beschwerdeverfahrens und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Präjudizialität der Normen betreffend Bemessung der Kammerumlagen bzw. Bemessung der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds hinzuweisen (vgl. abermals etwa VwGH 26.1.2017, Ro 2014/11/0052). Davon abgesehen ist auf die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach bei der Beitragsleistung kein unmittelbarer Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung gefordert ist (VfSlg. 6947/1972), wonach § 91 Abs. 3 ÄrzteG 1998 eine Kombination von Beiträgen nach Prozenten des Einkommens und Mindestbeiträgen zulässt (VfSlg. 16.205/2001), und wonach ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Gewährleistung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Selbstverwaltungskörpern besteht und eine Gegenüberstellung der Berufsgruppe der Ärzte mit anderen Berufsgruppen rechtlich verfehlt ist (VfSlg. 16.908/2003).

Die Abweisung des Ermäßigungsantrages erfolgte daher zu Recht. Die Beschwerde ist somit als unbegründet abzuweisen und es ist der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

4.1.3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde – obwohl hg. die Möglichkeit zur Bekanntgabe eines Verhandlungswunsches eingeräumt wurde – nicht beantragt (vgl. etwa VwSlg. 19.038 A/2015). Davon abgesehen ist auch – zumal der maßgebliche Sachverhalt nicht strittig ist und der Beschwerdeführerin ausreichend Möglichkeit zur Erstattung von Vorbringen zur Verfügung stand – nicht davon auszugehen, dass eine mündliche Erörterung fallbezogen eine weitere Klärung der Rechtssache erwarten ließe und es stehen einem Entfall der Verhandlung auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen (s. § 24 Abs. 4 VwGVG; vgl. auch etwa EGMR 18.7.2013, Fall Schädler-Eberle, Appl. 56.422/09).

4.2. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall weder vorgebracht worden noch sonst wie im Verfahren hervorgekommen und es folgen die hg. Erwägungen der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur. Darüber hinaus ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Frage des Beitragsnachlasses aus berücksichtigungswürdigen Umständen eine Ermessensentscheidung (vgl. etwa VwGH 26.03.1998, 97/11/0366) und es stellt eine im Sinne des Gesetzes erfolgte Ermessensausübung keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. etwa VwGH 22.2.2018, Ra 2018/01/0032, mwH).

Schlagworte

freie Berufe; Ärzte; Kammerumlage; Ermäßigung; berücksichtigungswürdige Umstände;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1169.001.2015

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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