TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/17 97/08/0019

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Veröffentlicht am 17.11.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §1091;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §33 Abs2;
AlVG 1977 §38;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des W in V, vertreten durch Dr. Wolfgang Poleschinski, Rechtsanwalt in 8230 Hartberg, R.-Obendrauf-Straße 9, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 3. Dezember 1996, Zl. LGS600/LA2/1218(7022)/1996-Dr. J/Fe, betreffend Neubemessung und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer wurde von der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS antragsgemäß Notstandshilfe vom 16. Dezember 1994 bis 30. Juni 1995 und vom 5. September 1995 bis 29. Februar 1996 gewährt.

Am 7. März 1996 nahm diese regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit Ismail und Maniola P. eine Niederschrift auf, in der Folgendes zu lesen ist:

"Herr P. Ismail, geb. ..., gibt an: Seit 1.9.1992 bis 21.2.1996 war ich auf der Adresse 8223 V. 65 gemeldet und wohnhaft. Vom 1.9.1992 bis 31.8.1992 hatte ich und meine Familie eine Wohnung im oberen Stock (1 Zimmer - Nr. 29) und bezahlte mtl. S 2.000,--. Vom 1.9.1992 bis 18.4.1994 habe ich im Parterre ein größeres Zimmer bewohnt und dafür mtl. S 2.500,-- bezahlt. Ab 19.4.1994 habe ich den Beschwerdeführer um eine größere Wohnung gebeten und habe eine 2-Zimmer-Wohnung mit einer mtl. Miete von S 3.000,-- bewohnt. Die mtl. Miete habe ich dem Beschwerdeführer bar bezahlt (auf die Hand) und habe regelmäßig eine Rechnung erhalten (Belege darüber werde ich versuchen noch zu bringen). Ab Jänner 96 musste ich aufgrund eines Gerichtsbeschlusses die mtl. Miete nicht mehr dem Beschwerdeführer, sondern an den Rechtsanwalt, Herrn Dr. Hans Rainer-P. Kaltschmid in Innsbruck, bezahlen (Kopie liegt bei). Im Feber 96 habe ich an obigen RA S 1.500,-- Miete bezahlt. Regelmäßig mtl. habe ich dem Beschwerdeführer für Betriebskosten S 500,-- bezahlt, die in der Miete nicht enthalten waren. Ab Jänner 96 habe ich dem Beschwerdeführer S 500,-- für Betriebskosten und an den RA S 2.500,-- bezahlt."

Im Akt der regionalen Geschäftsstelle findet sich als nächstfolgendes Stück ein amtlicher Vermerk mit den Datumsangaben 8. März 1996 und 14. März 1996 des Inhaltes:

"Pa. wurde eingeladen am 12.3.1996 zwecks Klärung des Sachverhaltes (Vermietung) vorzusprechen !! Pa. hat bis dato nicht vorgesprochen = daher RF !!"

Die folgende Blattnummer des Aktes der regionalen Geschäftsstelle des AMS besteht aus drei Blättern, wobei eines Kopien von vier Rechnungszetteln darstellt. Die Rechnungszettel haben als Anschrift den vorgedruckten Text "Rechnung Nr. ... für ... in ... am ...". Darunter ist ein Kästchen für Angaben zu Lieferdatum, ihre Bestellung vom, sowie Schilling und Groschen. In zwei dieser "Rechnungen" ist das Adressfeld mit der Nummer 29, in den anderen beiden mit 31 (bei einem mit Zusatz Zimmer) und dem Klammerausdruck 29 angegeben. Im Text ist in einem zu lesen "Dez. 94", in einem anderen "März 95", sowie "Nov. Miete 3000,-

Strom 94, 500,-" und schließlich im Vierten "Strom für zwei Jahre bis 22.1.95 9136,4 a Conto 1200,- 7936,4 3263 KW, 1 KW = 2,8 7936,4". Drei dieser Kopien weisen eine Unterschrift auf und lassen als Namenszug den Familiennamen des Beschwerdeführers erkennen.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des AMS vom 25. März 1996 wurde gemäß § 38 i.V.m. § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug der Notstandshilfe "für den nachstehend angeführten Zeitraum" widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und gemäß § 38 i. V.m. § 25 Abs. 1 AlVG der Beschwerdeführer zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Gesamtbetrag von S 36.481,-- verpflichtet. In der Begründung ist nach Wiedergabe der genannten Gesetzesstelle ausgeführt: "Sie haben die Leistung aus der Arbeitslosenvers. vom 16.12.94 - 30.6.95 u. vom 5.9.95 - 29.2.96 teilweise zu Unrecht bezogen, da Sie uns Ihr Einkommen aus Vermietung verschwiegen haben."

Mit dem am 11. April 1996 bei der regionalen Geschäftsstelle des AMS eingelangten Schreiben vom 7. April 1996 erhob der Beschwerdeführer Berufung. Darin führte er aus, er "habe keine Leistungen zu Unrecht bezogen und somit keine Einkünfte aus Vermietung bezogen". Das teilweise vermietete Objekt sei an seine Kinder verpachtet gewesen.

Daraufhin richtete die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice an den Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die Berufung vom 7. April "1986" (richtig wohl: 1996) ein Schreiben mit folgendem Inhalt:

"In der oben angeführten Berufungsschrift teilen Sie der hiesigen Geschäftsstelle mit, dass die vermietete Wohnung an die Kinder verpachtet war und somit keine Rückforderung bestehe. Sie werden hiermit aufgefordert, bis spätestens 3. Juli 1996 der hiesigen Geschäftsstelle den entsprechenden Pachtvertrag vorzulegen, der dann dem Finanzamt Hartberg zur Überprüfung vorgelegt werden wird. Sollten Sie die geforderte Unterlage bis zu obigem Termin nicht vorgelegt haben, wird angenommen, dass kein diesbezüglicher Vertrag besteht und die Berufung an die Landesgeschäftsstelle weitergeleitet."

Auf dem unter Nr. 120 eingereihten Schreiben findet sich folgender Aktenvermerk vom 24. Juni 1996:

"2 Kopien d. Verpachtung wurden vorgelegt, konnten aber nicht anerkannt werden, da das Original fehlte. Kopien wurden wieder ausgefolgt. Original + Kopien folgen nach, Termin 10. Juli 1996."

Als Blatt Nr. 121 erliegt im Akt der regionalen Geschäftsstelle eine Kopie, die den Vermerk trägt: "Kopie im Amt gemacht", mit folgendem Inhalt:

"Pachtvertrag!

                                             Vockenberg 20. Nov. 95

Ich (der Beschwerdeführer) ... bin Grundbücherlicher Eigentümer der

Liegenschaft, Einlage 58, KG Vockenberg. Die Grundstücke Bfl. 13/2, 13/3 Bfl., 13/5 Bfl., 137/2, 138 und 140, mit neuen Wohnhaus. Die Gesamtgröße beträgt 1,44 ha dazu beträgt der Einheitswert unter Aktenzeichen 430-1-3052 per 1. Jänner 1992 14.441,-

(vierzehntausend). (Der Beschwerdeführer) verpachtet nun per 1. Dez. 1995 an seine beiden Kinder Daniela R. und Werner R. die oben erwähnten Grundstücke je zur Hälfte. Als Pachtschilling werden pauschal 2.000,- (zweitausend) im Jahr als Pachtschilling vereinbart welcher am 31.12. eines jeden Jahres fällig ist.

Vertragsdauer: Ab 1. Dezember 1995 auf unbestimmte Zeit, es kann von jeden Vertragspartner unter Einhaltung einer 3-monatigen Kündigungsfrist gekündigt werden."

Die regionale Geschäftsstelle legte mit der Berufung der belangten Behörde eine weitere Kopie eines Pachtvertrages vom 29. April 1995 vor, womit der Beschwerdeführer die im vorhin zitierten Pachtvertrag genannten Liegenschaften per 1. Mai 1995 an seine Tochter Daniela verpachtet. Als Pachtschilling ist ebenfalls der Betrag von S 2.000,-- genannt. Zur Vertragsdauer ist festgehalten: "ab 1. Mai 1995, bis Sohn ... als zweiter Pächter auftreten kann".

Die regionale Geschäftsstelle legte der belangten Behörde darüber hinaus einen Aktenvermerk vom 21. August 1996 vor, der lautet:

"Lt. tel. Rü. mit Frl. Daniela Rechberger (derzeit im Jaz Mürzzuschlag) weiß sie weder, dass im Haus in Vockenberg 65 Mieter waren bzw. sind, noch hat sie irgendein Einkommen aus Vermietung bis jetzt bezogen!"

Weiters findet sich im Akt eine Niederschrift mit Werner R, geb. 29.11.1977, aufgenommen am 21. August 1996 vom Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg mit folgendem Inhalt:

"Ich gebe an, dass mir bekannt ist, dass in dem Haus, welches meine Schwester u. ich von unserem Vater gepachtet haben, derzeit ein Mieter wohnt. Das Mieteinkommen wird für die Instandhaltung des Hauses verwendet. Die Höhe der Miete ist mir nicht bekannt (ca. S 2.000,--). Die Verwaltung des Hauses erledigt nach wie vor unser Vater, der Beschwerdeführer."

Schließlich wurde noch eine Niederschrift mit dem Beschwerdeführer vom 23. August 1996 der belangten Behörde vorgelegt. In dieser Niederschrift ist festgehalten:

"Ich habe derzeit keine Mieter im Hause Vockenberg 65. Sobald dies der Fall ist, werde ich dies sofort melden. Das gesamte Mieteinkommen wurde für Rückzahlungen bzw. Erhaltung des Hauses Vockenberg 65 verwendet."

Die belangte Behörde erließ ohne weitere Ermittlungsschritte den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid, mit dem der Berufung keine Folge gegeben wurde. In der Begründung ging die belangte Behörde - nach umfangreicher Wiedergabe von gesetzlichen Bestimmungen und einer kurzen Darstellung des Verwaltungsgeschehens - von folgendem Sachverhalt aus:

Seit 16. Dezember 1994 stehe der Beschwerdeführer außer im Zeitraum vom 1. Juli bis 4. September 1995 bei der regionalen Geschäftsstelle im Bezug der Notstandshilfe mit einem Tagesbetrag von S 252,80 (1994), von S 255,20 (Jänner 1995), von S 251,20 (ab Februar 1995), von S 258,30 (ab 5. September 1995), von S 260,50 (Jänner 1996) und von S 239,10 (ab Februar 1996). Nachträglich habe das Arbeitsmarktservice Kenntnis davon erlangt, dass Teile des 3 bis 4 Jahre alten Hauses an der Anschrift Vockenberg 65 vermietet worden seien und dass 1994 und 1995 monatlich S 3.000,--, im Jänner 1996 S 2.500,-- und im Februar 1996 S 1.500,-- dem Beschwerdeführer an Miete zu zahlen gewesen sei. Von einem Pachtverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern sei nicht auszugehen "(Erscheinungsbild der sog. Pachtverträge, keine Vergebührung, von Ihnen abgeschlossener (mündlicher) Mietvertrag trotz bestehenden Pachtvertrages?, von Ihnen unterschriebene Quittungen, ...)". Nach der niederschriftlichen Erklärung vom 23. August 1996 seien die Mieteinnahmen zu Rückzahlungen bzw. Erhaltung des Hauses verwendet worden; diesbezüglich lägen jedoch Nachweise nicht vor und sprächen die aktenkundigen zahlreichen Exekutionen für eine andere Lagerung des Sachverhaltes. Dass der Beschwerdeführer Mieteinkünfte erzielt habe bzw. erziele, sei weder seinen Angaben im Zuge der Beantragung der Notstandshilfe zu entnehmen, noch habe er diese dem Arbeitsmarktservice gemeldet. Einen Anhaltspunkt, dass der Beschwerdeführer mit diesen Mieteinnahmen steuerlich erfasst worden wäre, biete der Akteninhalt nicht. Bei rechtzeitiger und voller Kenntnis des Sachverhaltes hätte dem Beschwerdeführer in der Zeit vom 16. Dezember bis 31. Dezember 1994 Notstandshilfe in der Höhe von S 154,20, im Jänner 1995 solche in der Höhe von S 156,60, ab 1. Februar (bis 30. Juni) solche in der Höhe von S 152,60, ab 5. September 1995 eine solche von S 159,70 und im Jänner 1996 eine solche von S 162,20 und ab Februar 1996 eine solche von S 157,20, jeweils täglich gebührt.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, bei der Beurteilung der Notlage im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c AlVG seien nach den §§ 36 ff AlVG und § 5 der Notstandshilfeverordnung die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen zu berücksichtigen. Die Mieteinnahmen, die dem Beschwerdeführer zuzurechnen seien, stellten ein anzurechnendes Einkommen dar. Notstandshilfe hätte daher nur unter Berücksichtigung dieser Einnahmen, und zwar in der festgestellten Höhe, gebührt. Die Gewährung der Notstandshilfe in unzutreffender Höhe sei dem Beschwerdeführer zur Last zu legen, sodass sich sowohl der Widerruf der Zuerkennung als auch die Rückforderung von Teilbeträgen der tatsächlich gewährten Notstandshilfe in den genannten Zeiträumen als zutreffend erweise.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft die Feststellung der belangten Behörde, von einem Pachtverhältnis zwischen ihm und seinen Kindern könne nicht ausgegangen werden, und wendet sich dementsprechend gegen die Zurechnung von Mieteinkünften dem Grunde nach. Er macht geltend, dass der Inhalt der vorgelegten Pachtverträge und die damit in Einklang stehende Aussage des Zeugen Werner R. völlig unberücksichtigt geblieben seien und rügt in diesem Zusammenhang die Unterlassung seiner Einvernahme und jene der Pächter. Der Beschwerdeführer gesteht zu, die Beträge vom Mieter P. persönlich entgegengenommen und auch mit seiner Unterschrift bestätigt zu haben. Dies sei aber seiner Meinung nach kein Beweis dafür, dass er tatsächlich die Beträge persönlich vereinnahmt habe, ihm also die Beträge tatsächlich zugeflossen seien. Er habe lediglich das Inkasso für die Pächter vorgenommen.

Mit diesen Ausführungen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen, insbesondere keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie u.a. den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Mai 1974, Slg. Nr. 8619/A). Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 1992, Zl. 92/08/0071). Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d. h. ihr mit der Begründung entgegenzutreten, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. das Erkenntnis vom 19. Oktober 1993, Zl. 92/08/0175).

Die Begründung des angefochtenen Bescheides hält einer Prüfung unter diesen Gesichtspunkten nicht stand:

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde erschöpft sich in der Anführung von Schlagworten in einem Klammerausdruck. Soweit die belangte Behörde anführt, "von Ihnen abgeschlossener (mündlicher) Mietvertrag trotz bestehenden Pachtvertrages?", geht sie nicht vom tatsächlichen Akteninhalt aus. Nach der Niederschrift mit Ismail und Maniola P. kam es erstmals mit 1. September 1992 zu einer Wohnungsnahme und in der Folge am 1.9.1993 (in der Niederschrift offenbar irrtümlich 1.9.1992) und am 18. April 1994 zu einer Ausweitung. Die vorliegenden Pachtverträge weisen hingegen das Datum 29. April 1995 bzw. 20. November 1995 auf. Ein Mietvertrag nach Abschluss dieser Pachtverträge ist dem Akt nicht zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer bekämpft zu Recht die Auffassung der belangten Behörde, aus den unterschriebenen "Rechnungen" sei abzuleiten, dass dem Beschwerdeführer Mieteinnahmen zugeflossen seien. Der oben wiedergegebene Inhalt der Rechnungen lässt nicht erkennen, wer an wen und aus welchem Grund Zahlungen geleistet hat.

Schließlich ist dem Beschwerdeführer auch zuzustimmen, dass die belangte Behörde nicht mängelfrei ohne Einvernahme der behaupteten Vertragspartner den Inhalt der vorgelegten Vertragsurkunden als unglaubwürdig abtun konnte. Eine solche Würdigung ist der Sache nach einer unzulässigen vorgreifenden Beweiswürdigung in den Fällen der Abstandnahme von beantragten Beweisaufnahmen gleichzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1995, Zl. 94/08/0152). Wenn die belangte Behörde Bedenken gegen den Inhalt der vorgelegten Verträge hegte, wäre sie zu einer eingehenden Vernehmung der Vertragsparteien über die maßgebenden Umstände gemäß § 39 Abs. 2 AVG verpflichtet gewesen. Der belangten Behörde wurde zwar eine Einvernahme des Beschwerdeführers und seines Sohnes sowie ein Aktenvermerk über ein Telefongespräch mit der Tochter des Beschwerdeführers vorgelegt. Diese Niederschrift bzw. der Aktenvermerk enthält jedoch keine konkreten Fragen und/oder Antworten zur Richtigkeit und Ernstlichkeit der vorgelegten Pachtverträge. Die von der belangten Behörde lediglich in einem Klammerausdruck festgehaltenen Gründe für die Verneinung eines Pachtverhältnisses sind teils aktenwidrig (Abschluss von Mietverträgen trotz bestehender Pachtverträge) teils unzureichend (Quittungen, Erscheinungsbild der Pachtverträge); jedenfalls reicht der erhobene Sachverhalt zu der von der belangten Behörde vorgenommenen Würdigung nicht aus.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Verfahrensmängel zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird vor allem auch zu klären sein, aus welchen Gründen die Pachtverträge - sollten sie sich nicht nur als Scheinverträge erweisen - abgeschlossen wurden. Sollte sich für sie kein anderer wirtschaftlicher Zweck finden lassen, als (allenfalls höhere) Mieteinnahmen des Beschwerdeführers auf dessen Kinder zu verschieben, um mittels niedrigerer Pachteinnahmen einen höheren Bezug an Notstandshilfe sicherzustellen, so wäre eine solche Vereinbarung notstandshilferechtlich unbeachtlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/08/0163). Sollten die Ermittlungen zum Ergebnis führen, dass die Mieteinnahmen unmittelbar dem Beschwerdeführer zuzurechnen sind, wird die belangte Behörde die Abzugsfähigkeit nachgewiesener Aufwendung im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 16. Februar 1999, Zl. 96/08/0092, zu beachten haben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Auch die Stempelgebühren waren nur im erforderlichen Ausmaß (Beschwerde dreifach, Bescheid einfach) zuzuerkennen.

Wien, am 17. November 1999

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997080019.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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