TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/19 96/19/1161

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Veröffentlicht am 19.11.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des am 4. Mai 1955 geborenen M Z, vertreten durch Dr. H K, Dr. H S und Dr. R K, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. August 1995, Zl. 108.538/3-III/11/94, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 15. Juli 1993 beim Magistrat der Stadt Wien einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Im Verwaltungsakt erliegt eine als Bescheid bezeichnete Erledigung des Landeshauptmannes von Wien vom 26. November 1993, mit der dieser Antrag mangels einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft in Österreich gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes abgewiesen wird. In der Zustellverfügung ist der Beschwerdeführer, als seine Adresse weiters eine Anschrift im 6. Wiener Gemeindebezirk angegeben. Nach den Angaben des im Verwaltungsakt erliegenden Rückscheines wurde am 2. Dezember 1993 ein Zustellversuch unternommen und eine Verständigung über die Hinterlegung an der Eingangstür angebracht. Die Hinterlegung des an die genannte Adresse adressierten RSb-Kuverts ist nach den Angaben des Rückscheines beim Postamt 1062 Wien erfolgt, als Beginn der Abholfrist ist der 3. Dezember 1993 angegeben.

Am 23. Juni 1994 gab der Beschwerdeführer durch einen Vertreter einen an den Magistrat der Stadt Wien gerichteten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. Er beantrage die Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG. Begründend führte er aus, in einem ihm am 22. Juni 1994 zugekommenen Schreiben der Magistratsabteilung 62 habe er erfahren, dass ihm gegenüber, derzeit wohnhaft im

15. Wiener Gemeindebezirk, am 3. Dezember 1993, ein erfolgloser Zustellversuch "eines Bescheides der MA 62" vorgenommen wurde, indem an der Wohnungstüre der Wohnung im 6. Wiener Gemeindebezirk die Nachricht von der Hinterlegung des Schriftstückes angebracht worden sei. Tatsächlich habe er von diesem Zustellversuch nichts erfahren, weil die Verständigung offenbar von fremder Hand entfernt worden sei. Bei dem offenbar zuzustellenden Bescheid handle es sich um ein Schriftstück, das wegen der Bedeutung der Rechtsfolgen für die Partei zu eigenen Handen zuzustellen gewesen wäre. In einem solchen Fall genüge gemäß § 21 Abs. 2 des Zustellgesetzes ein Zustellversuch nicht. Vielmehr wäre vor der Hinterlegung ein zweiter Zustellversuch vorzunehmen gewesen. Er sei daher nach wie vor ohne Information über den Inhalt des genannten Bescheides und faktisch sowie wegen des oben geschilderten formalen Zustellmangels bisher nicht in der Lage, ein Rechtsmittel gegen diesen zu ergreifen. Weiters beantrage er gleichzeitig die Aufschiebung der Rechtsfolgen des allenfalls formal rechtskräftigen Bescheides.

Mit Bescheid vom 12. September 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den als auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "bezüglich der Versäumung der Berufungsfrist" gewerteten Antrag gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab. Begründend wurde ausgeführt, da eine Mangelhaftigkeit des Zustellvorganges nicht hervorgekommen sei, habe davon ausgegangen werden müssen, dass die Zustellung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 26. November 1993 am 3. Dezember 1993 wirksam geworden sei.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer neuerlich vor, es hätte vor der Hinterlegung ein zweiter Zustellversuch unternommen werden müssen. Die Verständigung durch einen an der Tür angebrachten Hinweis auf die Hinterlegung habe mit nach Lage der Dinge unakzeptabler hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu einer Verständigung des Antragstellers führen können. Der Beschwerdeführer habe von einer solchen Verständigung ebenso wenig wie von der Erlassung eines Bescheides innerhalb der Berufungsfrist erfahren. Der genaue Inhalt und die Begründung des fehlzugestellten Bescheides sei ihm nicht bekannt. Er sei daher nicht in der Lage, Einwände gegen diesen Bescheid zu dokumentieren. Eine informelle telefonische Auskunft durch die Magistratsabteilung 62 besage allerdings, dass der Bescheid die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt habe. Dem sei entgegen zu halten, dass auf Grund vorzulegender Beweise alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung vorlägen und daher gegen einen allenfalls ablehnenden Bescheid das Rechtsmittel der Berufung erhoben würde. Aus den Ausführungen ergebe sich zusammenfassend, dass der erwähnte Bescheid vom 26. November 1993 mit formeller Gesetzwidrigkeit bei der Zustellung und damit verbundener Beeinträchtigung verfassungsmäßig gewährleisteter Rechte "nicht rechtskräftig werden konnte" und dass das Vorbringen von Tatsachen und Gesichtspunkten gegen eine allfällige Ablehnung des Antrags auf Aufenthaltsbewilligung im Rahmen eines ordentlichen Rechtsmittels gewährleistet werden müsse.

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 11. August 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 71 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 und Abs. 3 AVG ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen Vorschriften führte der Bundesminister für Inneres aus, hinsichtlich der Zustellung durch Hinterlegung sei festzustellen, dass nach § 16 und § 17 des Zustellgesetzes und durch den festgestellten Sachverhalt für die erkennende Behörde der Bescheid vom 26. November 1993 "als rechtskräftig zustellt durch die bekämpfte Hinterlegung anzusehen" sei. Dies werde einerseits durch die aufrechte Meldung zum Zeitpunkt der Zustellung und andererseits durch die Rechtsansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bewirkt, wonach die Beseitigung oder Beschädigung der Hinterlegungsanzeige nicht die Gültigkeit einer allfälligen Hinterlegung hindere. Weiters sei gemäß § 71 Abs. 3 AVG der Antrag auf Wiedereinsetzung gleichzeitig mit der versäumten Handlung einzubringen. Dementsprechend sei, weil im Falle des Beschwerdeführers die Möglichkeit zur Einbringung einer Berufung als die bereits versäumte Handlung zu qualifizieren sei, als Beginn der Einbringungsfrist für diesen Antrag gemäß § 71 AVG der 3. Februar 1994 (mit Schreiben von diesem Tag hatte sich nach der Aktenlage der Beschwerdeführer erstmals an die Behörde erster Instanz gewendet und zum Ausdruck gebracht, dass "nach mündlichem Vernehmen" ein Bescheid vom 26. November 1993 existiere, der ihm jedoch nicht zugestellt worden sei) festzustellen. Somit sei nach der gesetzlichen Grundlage der 17. Februar 1994 als letzter Tag der möglichen Einbringung für ein derartiges Begehren gewesen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei daher für die erkennende Behörde auf Grundlage der angeführten Normen sowohl materiell nicht schlüssig als auch als verspätet anzusehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluss vom 26. Februar 1996, B 3087/95-6, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 71 Abs. 1 bis 3 AVG lautete in der für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung (auszugsweise):

"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist ...ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten ...und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

...

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Falle der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

..."

Der Beschwerdeführer ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 71 Abs. 3 AVG die von ihm versäumte Handlung, nämlich die Einbringung der Berufung gegen den mehrfach erwähnten Bescheid des Landeshauptmannes von Wien spätestens gleichzeitig mit seinem Wiedereinsetzungsantrag - allenfalls nach erfolgter Akteneinsicht - nachzuholen gewesen wäre. Nach der Aktenlage ist die Einbringung einer Berufung jedoch gänzlich unterblieben. Dies ergibt sich auch aus dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, dem zufolge "auf Grund vorzulegender Beweise alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung vorliegen und ... daher gegen einen allenfalls ablehnenden Bescheid das Rechtsmittel der Berufung erhoben würde".

Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch die belangte Behörde kann vor diesem Hintergrund demnach nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996191161.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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