TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/19 97/19/1613

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Veröffentlicht am 19.11.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des am 29. April 1948 geborenen DC in Wien, vertreten durch Dr. R und Dr. R, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. Juli 1997, Zl. 307.565/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 21. November 1991 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 und 2 Z 7 sowie § 4 des Fremdenpolizeigesetzes ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Der Beschwerdeführer erhob, rechtsfreundlich vertreten, gegen diesen Bescheid Berufung. Mit Schriftsatz vom 7. Mai 1993 gab der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bekannt, das Vollmachtsverhältnis zu diesem gelöst zu haben.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (in weiterer Folge: Sicherheitsdirektion) vom 10. Dezember 1996 wurde der Berufung schließlich insofern stattgegeben, als in Abänderung des Bescheides erster Instanz das Aufenthaltsverbot mit 10 Jahren befristet wurde; im Übrigen wurde die Berufung abgewiesen. Nach Einholung einer Auskunft der Meldebehörde, wonach der Beschwerdeführer am 26. März 1993 nach unbekannt abgemeldet wurde, wurde dieser Bescheid schließlich gemäß § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 des Zustellgesetzes durch Hinterlegung ohne vorherigen Zustellversuch zugestellt; der erste Tag der Hinterlegung war der 14. Jänner 1997.

Zwischenzeitig hatte der Beschwerdeführer, unter Bekanntgabe einer Wiener Adresse, mit Antrag vom 4. November 1996, eingelangt beim Landeshauptmann von Wien am 6. November 1996, um die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ersucht. Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom 7. November 1996 gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z 1 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. Die belangte Behörde stellte fest, gegen den Beschwerdeführer sei am 21. November 1991 ein Aufenthaltsverbot erlassen worden, welches am 14. Jänner 1997 in Rechtskraft erwachsen sei. Damit liege ein Sichtvermerksversagungsgrund vor. Auf die weiteren Einwendungen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - sei nicht näher einzugehen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Beschwerdeführer weder über einen am 1. Juli 1993 gültigen gewöhnlichen Sichtvermerk noch über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, weshalb auf den vorliegenden Beschwerdefall die Bestimmung des § 113 Abs. 6 und 7 des Fremdengesetzes 1997 keine Anwendung findet.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

§ 10 Abs. 1 Z 1 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

....

1. gegen den Sichtvermerkswerber ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot besteht, es sei denn, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinreisebewilligung (§ 23) vorliegen;"

Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerde ausschließlich damit, dass ihm das von der belangten Behörde in ihrer Bescheidbegründung erwähnte Aufenthaltsverbot "niemals zur Kenntnis gebracht worden sei". Die belangte Behörde hätte Recherchen über die tatsächliche Zustellung des Bescheides über dieses Aufenthaltsverbot tätigen müssen, ihm aber jedenfalls eine Möglichkeit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung einräumen müssen. Dadurch sei auch sein Recht auf Parteiengehör verletzt worden.

Dazu ist zu bemerken, dass die belangte Behörde zwar versuchte, mit Schriftsatz vom 2. Juli 1997 dem Beschwerdeführer die wegen des Aufenthaltsverbotes in Aussicht genommene Abweisung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Kenntnis zu bringen. Nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten konnte dieser Schriftsatz jedoch nicht zugestellt werden, weil der Beschwerdeführer an der zuletzt angegebenen Wohnadresse nicht mehr wohnhaft war. Eine Hinterlegung dieses Schriftsatzes gemäß § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 ZustG ist nicht aktenkundig.

Weil die belangte Behörde den Beschwerdeführer trotz Austausch des Versagungsgrundes davon nicht in Kenntnis setzte, unterliegt das zum erstmals herangezogenen Versagungsgrund (des § 10 Abs. 1 Z 1 FrG) erstattete Vorbringen, insbesondere über die nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht erfolgte Zustellung des Berufungsbescheides vom 10. Dezember 1996, nicht dem sonst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

Die belangte Behörde legte dem Verwaltungsgerichtshof den den Beschwerdeführer betreffenden Akt der Bundespolizeidirektion Graz vor und machte geltend, die Sicherheitsdirektion habe den Berufungsbescheid in der Aufenthaltsverbotssache nach ergebnisloser Einholung einer Auskunft des Meldeamtes gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 ZustG rechtens ohne vorhergehenden Zustellversuch hinterlegt.

Wie aus den vorgelegten Akten der Bundespolizeidirektion Graz hervorgeht, kündigte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers während des Berufungsverfahrens betreffend die Verhängung des Aufenthaltsverbotes die Vollmacht, weshalb eine Zustellung des Berufungsbescheides nur an den Beschwerdeführer Rechtswirkungen entfalten könnte. Weiters ist aus den vorgelegten Akten ersichtlich, dass im Zuge eines Ansuchens des Landesgerichtes Graz um Ermittlung des Aufenthalts des Beschwerdeführers durch die Bundespolizeidirektion Wien eine (im Dezember 1994) aktuelle Anschrift des Beschwerdeführers erhoben werden konnte . Diese näher bezeichnete Anschrift des Beschwerdeführers (im 8. Wiener Gemeindebezirk) wurde der Bundespolizeidirektion Graz mit einem am 16. Jänner 1995 eingelangten Schriftsatz mitgeteilt. Es ist daher davon auszugehen, dass der Bundespolizeidirektion Graz die im Dezember 1994 - somit nach dem Zeitpunkt der Abmeldung des Beschwerdeführers aus Graz - aktuelle Adresse des Beschwerdeführers bekannt war.

Gemäß § 8 Abs. 2 ZustG ist dann, wenn es eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, die Abgabestelle ändert, unterlässt, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen, eine Zustellung durch Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Eine Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch ist daher nur dann mit der Wirkung der Zustellung ausgestattet, wenn die Behörde ergebnislos den ihr zumutbaren und ohne Schwierigkeiten zu bewältigenden Versuch unternommen hat, eine (neue, andere) Abgabestelle festzustellen. Ansonsten bewirkt in diesen Fällen die Hinterlegung nicht die Rechtswirksamkeit der Zustellung. Ob eine solche Feststellung ohne Schwierigkeiten möglich ist, muss nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei ist auf den Zweck der Vorschrift, nämlich die Ermöglichung einer ungesäumten Fortführung des Verfahrens Rücksicht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1993, Zl. 91/15/0098, 91/15/0099).

Wäre der Sicherheitsdirektion die Adresse des Beschwerdeführers in Wien bekannt gewesen oder wären ihr Feststellungen über den Aufenthalt des Beschwerdeführers durch Nachforschungen bei der Bundespolizeidirektion Graz ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, erwiese sich - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 ZustG - die von ihr gewählte Art der Zustellung des Bescheides vom 10. Dezember 1996 (ohne vorherigen Zustellversuch) als rechtswidrig. Das Aufenthaltsverbot wäre in diesem Fall nicht als rechtskräftig verhängt anzusehen und die allein auf die Verwirklichung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z 1 FrG gestützte Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung wäre diesfalls nicht rechtmäßig gewesen.

Die belangte Behörde hätte sich daher - wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde mit Erfolg aufzeigt - mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Zustellung des Bescheides der Sicherheitsdirektion vom 10. Dezember 1996 näher befassen und begründen müssen, weshalb die von der Sicherheitsdirektion gewählte Art der Zustellung rechtens gewesen sein sollte. Durch diese Unterlassung, deren Relevanz in der Beschwerde dargetan wird, hat sie ihren Bescheid mit einem Begründungsmangel behaftet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes kann ein Ersatz weiterer Kosten unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zugesprochen werden.

Wien, am 19. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997191613.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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