TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/19 96/19/1578

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Veröffentlicht am 19.11.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs1 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/19/1579

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des am 10. Juli 1960 geborenen SD in Wien, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 3. April 1996,

1.) Zl. 102.340/4-III/11/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung, und 2.) Zl. 102.340/5-III/11/95, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, jeweils in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte beim Magistrat der Stadt Wien ein dort am 12. Jänner 1994 eingelangten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. In den Antragsunterlagen war als Adresse des Beschwerdeführers eine Anschrift im 5. Wiener Gemeindebezirk angegeben.

Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag mit Bescheid vom 7. Februar 1994 mangels rechtzeitiger Antragstellung gemäß § 13 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. In der Rechtsmittelbelehrung wurde ausgeführt, gegen den Bescheid sei die binnen zwei Wochen "nach Zustellung" einzubringende Berufung zulässig. Adressiert war der abweisende Bescheid an die in den Antragsunterlagen angegebene Adresse im 5. Wiener Gemeindebezirk. Nach den Angaben des im Verwaltungsakt erliegenden Rückscheines wurde am 23. März 1994 ein Zustellversuch unternommen, eine Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt und das Schriftstück beim Postamt 1050 Wien hinterlegt. Als Beginn der Abholfrist war der 23. März 1994 angegeben.

Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 8. April 1994, eingelangt beim Magistrat der Stadt Wien am 12. April 1994, beantragte der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Versäumung der Berufungsfrist und erhob unter einem gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz Berufung. Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde ausgeführt, der Bescheid der Behörde erster Instanz vom 7. Februar 1994 sei dem Beschwerdeführer am 23. März 1994 "durch Hinterlegung zugestellt" worden. Er habe diesen Bescheid erst am 30. März 1994 behoben und "irrtümlich angenommen, dass die Rechtsmittelfrist erst mit Abholung beginnt, nicht jedoch bereits mit der Hinterlegung". Er verweise darauf, dass die betreffenden Bestimmungen des Zustellgesetzes sogar in weiten Kreisen der österreichischen Bevölkerung nicht bekannt seien und ersuche, dieses sein Versehen als minderen Grad des Verschuldens zu werten und ihm die Wiedereinsetzung in der Versäumung der Berufungsfrist zu bewilligen.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß "§ 71 Abs. 1 lit. a" (gemeint: § 71 Abs. 1 Z. 1) AVG ab. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im Wesentlichen vorgebracht, irrtümlich angenommen zu haben, der Lauf der Rechtsmittelfrist beginne mit dem Zeitpunkt der Abholung eines Schriftstückes, nicht jedoch mit der Hinterlegung. Dazu werde bemerkt, dass laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum nicht als unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu werten seien, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte. Dies ergebe schon die einfache Überlegung, dass die rein subjektive Beurteilung einer bestimmten Rechtslage den Antragsteller niemals hindern könne, sich über die Wirkung eines Bescheides vorsorglich bei Rechtskundigen zu informieren.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer neuerlich vor, er habe angenommen, dass die Rechtsmittelfrist erst mit jenem Tag zu laufen beginne, mit welchen das betreffende Schriftstück übernommen wurde. Die Tatsache, dass das Zustellgesetz die Zustellwirkungen bereits an die Hinterlegung selbst knüpft, sei ihm nicht bekannt gewesen und erscheine ihm auch nicht nachvollziehbar.

Der Bundesminister für Inneres wies diese Berufung mit Bescheid vom 3. April 1996 gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab. Begründend wurde ausgeführt, Kernpunkt und Sinn des § 71 Abs. 1 AVG sei die nachträgliche Sanierung einer Fristversäumung in einem Verwaltungsverfahren. Ein materielles Vorbringen zu dem gegenständlichen Verfahren werde durch dieses vom Antragsteller beantragte Rechtsmittel "in keinster Weise" erfasst. Für die erkennende Behörde bestehe hiebei die Verpflichtung zu überprüfen, ob der Antragsteller im Verwaltungsverfahren eine formelle Fristversäumung, ohne auch nur ursächlich diese bewirkt zu haben, glaubhaft machen könne. Die vom Antragsteller angeführten Gründe der Fristversäumung seien nach der ständigen Judikatur der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts keine ausreichende Grundlage für eine positive Entscheidung der erkennenden Behörde. Die Argumentation ziele nicht auf eine Glaubhaftmachung eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses, sondern stelle "auf die Problematik eines Unverständnisses des Antragstellers zur österreichischen Rechtsordnung, auch auf Grund eines sprachlichen Hemmnisses, ab". Dies sei umso mehr zu erkennen, als sich der Antragstellers auf eine Unkenntnis bezüglich des Zustelldatums berufe, andererseits jedoch es ihm seiner Ansicht nach zuzubilligen sei, dass er die Frist zur Einbringung der Berufung voll in Anspruch nehmen könne. Sein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei daher "für die erkennende Behörde auf Grundlage der angeführten Normen materiell nicht durchdringend".

Mit Bescheid vom selben Tag wies der Bundesminister für Inneres auch die unter einem mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgeholte Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. Februar 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 23. März 1994 erfolgt sei und die Berufung erst am 11. April 1994 und daher verspätet eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Bei den angefochtenen Bescheiden handelt es sich nicht um solche, mit denen als Verlängerungsanträge zu wertende Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen im Sinne des § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 abgewiesen werden. Die angefochtenen Bescheide sind demnach auch nicht mit Inkrafttreten des Fremdengesetzes 1997 am 1. Jänner 1998 außer Kraft getreten.

1. Zur Zurückweisung der Berufung:

Die §§ 63 Abs. 5 und 66 Abs. 4 AVG lauteten in der für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung (auszugsweise):

"§ 63.

...

(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, ... . Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser.

...

§ 66.

...

(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache zu entscheiden ..."

Der oben wiedergegebene, mit 8. April 1994 datierte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wurden offenkundig nicht eventualiter, also (nur) für den Fall gestellt, dass die Berufung als verspätet eingebracht erachtet würde; vielmehr ging der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz selbst klar davon aus, die Berufungsfrist, die, da der Bescheid der Behörde erster Instanz "am 23.3.1994 durch Hinterlegung zugestellt" worden sei, mit Ablauf des 6. April 1994 geendet hätte, versäumt zu haben.

Angesichts dieses Vorbringens im Verwaltungsverfahren durfte die belangte Behörde - ohne dass ein weiterer Vorhalt zur Annahme der Verspätung des Rechtsmittels erforderlich gewesen wäre - davon ausgehen, dass die Berufungsfrist nach wirksamer Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides im Zeitpunkt der Berufungserhebung bereits abgelaufen war. Das nunmehrige Beschwerdevorbringen, der als Marktfahrer tätige Beschwerdeführer sei im "Hinterlegungszeitraum" ortsabwesend gewesen, ist für die Prüfung des angefochtenen Bescheides als unzulässige Neuerung nicht heranzuziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 96/19/0008). Die Zurückweisung der unbestritten erst nach dem 6. April 1994 eingebrachten Berufung als verspätet kann auf der Grundlage des geschilderten Verfahrensablaufes daher nicht als rechtswidrig erkannt werden. Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde in diesem Punkt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Zur Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist:

§ 71 Abs. 1 Z. 1 AVG lautete in der für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung (auszugsweise):

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist ... ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten ... und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

..."

Der Beschwerdeführer begründete seinen Wiedereinsetzungsantrag u. a. damit, er habe den Bescheid der Behörde erster Instanz erst am 30. März 1994 behoben und irrtümlich angenommen, dass die Rechtsmittelfrist erst mit Abholung beginne, nicht aber bereits mit der Hinterlegung (am 23. März 1994). Da nach diesem Vorbringen die Berufungsfrist im Zeitpunkt der Behebung des Schriftstücks durch den Beschwerdeführers noch offen gestanden wäre, so war maßgebliches Ereignis für die Versäumung der Berufungsfrist allein der Rechtsirrtum des Beschwerdeführers über den Beginn des Laufes der Berufungsfrist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum nicht als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG zu werten, was sich schon aus der einfachen Überlegung ergibt, dass die rein subjektive Beurteilung einer bestimmten Rechtslage den Betroffenen nicht hindern kann, sich über die Wirkung eines Bescheides vorsorglich bei Rechtskundigen zu informieren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. November 1980, Slg. Nr. 10.309/A).

Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages durch die belangte Behörde erfolgte daher, ungeachtet der kaum verständlichen Begründung des angefochtenen Bescheides, im Ergebnis zu Recht.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde auch in diesem Punkt gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Zum Ausspruch über den Aufwandersatz:

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 19. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996191578.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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