TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/24 VGW-021/035/9701/2018

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Veröffentlicht am 24.08.2018
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Entscheidungsdatum

24.08.2018

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §39
GewO 1994 §74 Abs2 Z2
GewO 1994 §76a
GewO 1994 §81
GewO 1994 §366 Abs1 Z3 2. Fall
GewO 1994 §370 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Lammer über die Beschwerde des Herrn R. G. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 15.12.2017, Zahl: MBA ..., betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs 1 Z 3 zweiter Fall GewO 1994, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG wird dem Beschwerdeführer kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichthof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgende Tatanlastung:

„Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer (§§ 39 und 370 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 idgF) der P. Gesellschaft m.b.H. mit Sitz in Wien, ..., berechtigt zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart eines Restaurants zu verantworten, dass diese Gesellschaft, die mit rechtskräftrechtskräftigen Bescheiden, erstmals vom 10.05.1963, MBA ... und Folgebescheiden, genehmigte Betriebsanlage in Wien, ..., nach Änderung durch Nichteinhaltung der Öffnungszeiten von 08.00 Uhr bis 23.00 Uhr im Schanigarten ohne erforderliche rechtskräftige Genehmigung dieser Änderung gemäß § 81 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994 am 21.06.2016 um 23:25 Uhr betrieben hat, obwohl diese Änderung geeignet ist, die Nachbarn durch Gästelärm zu belästigen (§ 74 Abs.2 Z.2 GewO 1994).“

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 366 Abs 1 Z 3 zweiter Fall iVm § 81 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 idgF, verletzt, weswegen über ihn gemäß § 366 Abs 1 Einleitungssatz GewO 1994 eine Geldstrafe von 260 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Stunden, verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 26 Euro auferlegt wurde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer unter Hinweis darauf, dass ihn keine Schuld treffe, ersucht, von der Strafe abzusehen.

Dem angefochtenen Straferkenntnis liegt eine Anzeige eines Anrainers des Hauses ... vom 23.06.2016 zugrunde, wonach die X. in Wien, ..., die Öffnungszeiten für den Schanigarten gemäß § 76a GewO 1994 nicht einhalte, da am 21.06.2016 die letzten Gäste den Schanigarten erst um 23:25 Uhr verlassen hätten.

Folgender Sachverhalt steht fest:

Die P. Gesellschaft mbH, deren gewerberechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist, ist seit 26.03.1990 in Wien, ..., zur Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart „Restaurant“ berechtigt (GISA-Zahl: ...). Am 21.06.2016 wurde der auf dem Gehsteig in der ... befindliche und somit auf öffentlichem Grund gelegene Gastgarten bis 23:25 Uhr betrieben.

Dieser vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellte Sachverhalt steht auf Grund des Akteninhalts fest.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

§ 76a GewO 1994 (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 60/2014) lautet:

(1) Für Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, ist für die Zeit von 8 bis 23 Uhr keine Genehmigung erforderlich, wenn

1.

sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen,

2.

sie über nicht mehr als 75 Verabreichungsplätze verfügen,

3.

in ihnen lauteres Sprechen als der übliche Gesprächston der Gäste, Singen und Musizieren vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind, und

4.

auf Grund der geplanten Ausführung zu erwarten ist, dass die gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt sind und Belastungen der Umwelt (§ 69a) vermieden werden; eine wesentliche Beeinträchtigung des Verkehrs im Sinne des § 74 Abs 2 Z 4 ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn der Gastgarten gemäß § 82 Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960, in der jeweils geltenden Fassung, bewilligt ist.

(2) Für Gastgärten, die sich weder auf öffentlichem Grund befinden noch an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, ist für die Zeit von 9 bis 22 Uhr keine Genehmigung erforderlich, wenn die Voraussetzungen gemäß Abs 1 Z 1 bis Z 4 sinngemäß erfüllt sind.

(3) Der Betrieb eines Gastgartens im Sinne des Abs 1 oder des Abs. 2 ist der Behörde vorher anzuzeigen. Dieser Anzeige sind Unterlagen im Sinne des § 353 Z 1 lit. a bis lit. c in vierfacher Ausfertigung anzuschließen.

(4) Sind die Voraussetzungen gemäß Abs 1 oder Abs. 2 nicht erfüllt, so hat die Behörde unbeschadet eines Verfahrens nach §§ 366 ff dies festzustellen und den Betrieb des Gastgartens zu untersagen. Die Behörde hat diesen Bescheid spätestens drei Monate nach Einlangen der Anzeige samt Unterlagen zu erlassen.

(5) Wenn die in Abs 1 oder Abs 2 angeführten Voraussetzungen wiederholt nicht eingehalten werden, hat die Behörde den Gastgarteninhaber mit Verfahrensanordnung zur Einhaltung der Voraussetzungen aufzufordern. Kommt der Gewerbetreibende dieser Aufforderung nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die Schließung des Gastgartens zu verfügen. § 360 Abs 4 letzter Satz und Abs 5 sind sinngemäß anzuwenden.

(6) Mit Erteilung einer Genehmigung gemäß § 81 treten Bescheide gemäß Abs 4 oder Abs 5 außer Wirksamkeit.

(7) Gastgärten, die im Sinne des Abs 1 Z 1 bis Z 4, jedoch über die in Abs 1 oder Abs 2 angeführten Zeiten hinaus betrieben werden, bedürfen einer Genehmigung, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

(8) Auf Gastgärten, die im Sinne des Abs 1 oder Abs 2 betrieben werden, sind die §§ 79 und 79a mit der Maßgabe anzuwenden, dass Auflagen und Einschränkungen der Betriebszeit zugunsten von Nachbarn im Sinne des § 75 Abs 2 und 3 nur soweit vorzuschreiben sind, als diese notwendig sind.

(9) Die Gemeinde kann mit Verordnung abweichende Regelungen betreffend die in Abs 1 und Abs 2 festgelegten Zeiten für solche Gebiete festlegen, die insbesondere wegen ihrer Flächenwidmung, ihrer Verbauungsdichte, der in ihnen bestehenden Bedürfnisse im Sinne des § 113 Abs 1 und ihrer öffentlichen Einrichtungen, wie Krankenhäuser, Altersheime, Bahnhöfe, Theater, Sportplätze und Parks, diese Sonderregelung rechtfertigen. Im Besonderen kann in der Verordnung auch in Gebieten mit besonderen touristischen Einrichtungen oder Erwartungshaltungen (Tourismusgebiete) eine Zeit insbesondere bis 24 Uhr als gerechtfertigt angesehen werden.

Gemäß § 336 Abs 3 GewO 1994 haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im selben Umfang an der Vollziehung des § 368 mitzuwirken, sofern es sich um die in § 76a Abs 1 oder Abs 2 geregelten Zeiten oder Voraussetzungen handelt.

Durch die GewRNov 2010 II (BGBl. I Nr. 66/2010) wurden die Ausübungsregelungen des § 112 Abs 3 GewO 1994 betreffend Gastgärten aufgehoben und an deren Stelle mit § 76a GewO 1994 eigenständige Regelungen im Betriebsanlagenrecht geschaffen, und zwar in Form einer Genehmigungsfreistellung für Gastgärten bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (Abs 1 hinsichtlich Gastgärten auf öffentlichem Grund oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzend und Abs 2 hinsichtlich der anderen Gastgärten, zB in Innenhöfen). Vorgesehen wurde die Verpflichtung zur Anzeige des Betriebs solcher Gastgärten bei der Behörde (Abs 3), die Verpflichtung der Behörde zur Untersagung des Betriebs von nicht den Voraussetzungen entsprechenden Gastgärten (Abs 4) sowie zur Schließung von Gastgarten, wenn die in Abs 1 oder 2 angeführten Voraussetzungen wiederholt nicht eingehalten werden (Abs 5). Weiters wurden die §§ 79 und 79a GewO 1994 auf Gastgärten, die iSd Abs 1 oder 2 betrieben werden, für anwendbar erklärt (Abs  8) und die schon in § 112 Abs 3 GewO 1994 seinerzeit vorgesehene Verordnungsermächtigung der Gemeinde zur Festlegung abweichender Regelungen (nunmehr explizit betreffend die in Abs  1 und 2 des § 76a GewO 1994 festgelegten Betriebszeiten) übernommen (Abs 9).

Liegen – wie im vorliegenden Fall – die kumulativen Voraussetzungen des Abs 1 Z 1 – Z 4 vor, dann ist für Gastgärten auf öffentlichem Grund oder Gastgärten, die an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, für die Betriebszeit von 8 Uhr bis 23 Uhr keine Betriebsanlagengenehmigung erforderlich. Gemäß § 336 Abs  3 GewO 1994 haben die in dessen Abs 1 genannten Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im selben Umfang an der Vollziehung des § 368 GewO 1994 mitzuwirken, sofern es sich um die in § 76a Abs 1 oder 2 GewO 1994 geregelten Zeiten oder Voraussetzungen handelt. Aus dieser Neuregelung durch die GewRNov 2010 II ergibt sich auch, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Nichteinhaltung der in § 76a Abs 1 oder Abs 2 GewO 1994 geregelten Zeiten oder Voraussetzungen (beim Betrieb eines „genehmigungsfreien“ Gastgartens) nach § 368 GewO 1994 strafbar ist (Grabler/Stolzlechner/Wendel, Kommentar zur GewO, 3. Auflage, RZ 1 und 5 zu § 76a).

Da die Nichteinhaltung der in § 76a Abs 1 GewO 1994 geregelten Betriebszeit von 8 Uhr bis 23 Uhr beim Betrieb eines „genehmigungsfreien“ Gastgartens wie dem gegenständlichen eine Verwaltungsübertretung nach § 368 GewO 1994 darstellt, war im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den ihm zur Last gelegten geänderten Betrieb der gegenständlichen genehmigten Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung durch Nichteinhaltung der „Öffnungszeiten“ im gegenständlichen Gastgarten und somit die ihm zur Last gelegte Übertretung des § 366 Abs 1 Z 3 zweiter Fall GewO 1994 nicht begangen hat. Es war daher der Beschwerde Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und das diesbezügliche Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

genehmigungsfreier Gastgarten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.021.035.9701.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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