TE Vwgh Beschluss 2018/8/30 Ra 2018/21/0054

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Veröffentlicht am 30.08.2018
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Index

10/07 Verfassungsgerichtshof;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §1332;
BVwG-EVV 2014;
BVwGG 2014 §21 Abs3;
BVwGG 2014 §21 Abs7;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §26 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, 1. in der Revisionssache der M N (alias Z R) in W, vertreten durch Dr. Daniel Stanonik, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 2/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 6. Februar 2018, Zl. G307 1318269-2/12E, betreffend Aufenthaltsverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), und 2. über den Antrag derselben Partei auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Revision gegen das genannte Erkenntnis, den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. März 2018, Ra 2018/21/0054-2, wurde der Revisionswerberin die Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Revision gegen das gegenständliche Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 6. Februar 2018 bewilligt. Hierauf bestellte der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien mit Bescheid vom 10. April 2018 den nunmehr einschreitenden Vertreter der Revisionswerberin zum Verfahrenshelfer, dem der Bestellungsbescheid nach eigenem Vorbringen am 17. April 2018 zugestellt wurde. Damit begann gemäß § 26 Abs. 3 VwGG die Frist zur Erhebung einer Revision (neu) zu laufen.

2 Der Verfahrenshelfer brachte die gegenständliche Revision gemäß dem Ausdruck der von der Bundesrechenzentrum GmbH übermittelten Daten am 29. Mai 2018 - dem letzten Tag der sechswöchigen Revisionsfrist - um 16:46:21 Uhr beim BVwG, somit nach Ablauf der um 15:00 Uhr endenden Amtsstunden, im elektronischen Rechtsverkehr (ERV) ein.

3 Davon ausgehend erweist sich die Revision als verspätet. Dazu kann gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf den grundlegenden Beschluss VwGH 17.11.2015, Ra 2014/01/0198, sowie auf die daran anschließende ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden (vgl. etwa VwGH 3.4.2017, Ra 2016/18/0371, Rn. 9 bis 11, VwGH 23.3.2017, Ra 2016/20/0267, Rn. 7, VwGH 2.3.2017, Ra 2015/08/0175, Rn. 11, und VwGH 3.7.2018, Ra 2018/21/0066, mwN).

4 Nach Einräumung der Möglichkeit zur Äußerung durch den Verwaltungsgerichtshof machte die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 9. Juli 2018 geltend, ihr Rechtsvertreter habe die Revision per Web-ERV noch vor 15:00 Uhr des 29. Mai 2018 beim BVwG "eingebracht". Der (in Rn. 2) genannte (als solcher unbestritten gebliebene) "Einlangungszeitpunkt" beim BVwG sei nicht auf eine verspätete Einbringung, sondern auf technische Probleme bei der Übertragung zurückzuführen.

5 Hilfsweise stellte die Revisionswerberin im erwähnten Schriftsatz den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision.

6 Begründend führte die Revisionswerberin in diesem Schriftsatz aus, dass es am 28. und 29. Mai 2018 "im Zusammenhang mit der IT bzw. dem IT-Netzwerk" der Kanzlei ihres Rechtsvertreters Probleme gegeben habe, die nur von einem externen IT-Betreuer behoben werden konnten. Auf Grund dieser Störung hätten "einzelne Clients nicht auf Netzwerkdienste zugreifen" können. Dies habe schlussendlich am 29. Mai 2018 behoben werden können, obgleich der externe IT-Betreuer bereits am 28. Mai 2018 mitgeteilt habe, dass "keine Probleme mehr mit dem IT-Netzwerk der RA Kanzlei" bestünden. Da die Netzwerkdienste nach dieser Aussage wieder funktionierten und es im vorliegenden Fall bei Versendung der gegenständlichen Revision durch eine Rechtsanwaltsanwärterin (bereits vor 15.00 Uhr) zu keiner Fehlermeldung gekommen sei, habe diese Mitarbeiterin davon ausgehen können, dass die Einbringung erfolgreich noch vor 15.00 Uhr desselben Tages beim BVwG erfolgt sei. Mangels Fehlermeldung sei auch die nicht erfolgte Überprüfung des Eingangs beim BVwG höchstens als leicht fahrlässig zu werten. "Die Problematik" sei erst mit Einlangen der (in Rn. 4) erwähnten Note des Verwaltungsgerichtshofes am 26. Juni 2018 bekannt geworden.

7 An der Verspätung der gegenständlichen Revision ändert es entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nichts, dass es - dem Vorbringen des Verfahrenshelfers in seiner Stellungnahme vom 9. Juli 2018 zufolge - am 29. Mai 2018 bei der Übermittlung der Revision zu technischen Problemen gekommen sei. Maßgeblich ist nämlich nicht der Zeitpunkt der Dateneingabe beim Rechtsanwalt, auf den sich dieser nach dem Zusammenhang seiner Ausführungen bezieht, sondern der Einbringungszeitpunkt beim BVwG (vgl. dazu ausführlich VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0035, Rn. 3 bis 5). Demnach fehlt der unterstellten rechtzeitigen Erhebung der Revision die Basis.

8 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein derartiger Antrag ist gemäß § 46 Abs. 3 VwGG binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

9 Das Verschulden eines Parteienvertreters trifft nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. etwa VwGH 15.12.2015, Ra 2015/01/0061, Pkt. 2.1., mwN).

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich ein beruflicher rechtskundiger Parteienvertreter bei der Übermittlung von Eingaben im elektronischen Weg zu vergewissern, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt wurde. Die dazu in der Rechtsprechung entwickelten Leitlinien, die allgemein dem Umstand Rechnung tragen, dass die Sendung von Eingaben im elektronischen Wege fehleranfällig ist, lassen sich auch auf die Übermittlung von Eingaben im Web-ERV übertragen (vgl. dazu VwGH 13.11.2017, Ra 2017/01/0041, Rn. 16, mwN).

11 Vor diesem Hintergrund begründet im vorliegenden Fall das hier eingeräumte Unterbleiben einer Kontrolle ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden.

Denn dem Rechtsvertreter der Revisionswerberin ist vorzuwerfen, dass er sich nach seinem Vorbringen - zumal ungeachtet ihm bekannter Fehlfunktionen seines Netzwerks am

28. und 29. Mai 2018 - ohne Weiteres auf seine Rechtsanwaltsanwärterin verlassen hatte, die ihrerseits darauf vertraute, dass bei Unterbleiben einer Fehlermeldung "bei Versendung der Revision" eine am 29. Mai 2018 "vor 15:00 Uhr" (präziseres Vorbringen wurde jeweils nicht erstattet) via ERV übermittelte Revision beim BVwG noch vor 15:00 Uhr desselben Tages einlangen werde.

12 Auch zur Frage, ob und inwieweit sonst Kontrollen kanzleiintern veranlasst worden waren bzw. aus welchen Gründen sie fallbezogen (bis zum 26. Juni 2018) versagt haben, wurde kein Vorbringen erstattet. Entsprechende Behauptungen eines Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken allerdings den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. zum Ganzen nochmals VwGH 29.6.2016, Ra 2016/05/0001, Rn. 30, mwN).

13 Mit dem Wiedereinsetzungsantrag wurde daher nicht dargetan, dass der Revisionswerberin an der Versäumung der Revisionsfrist kein ihr zurechenbares Verschulden ihres Rechtsvertreters oder ein lediglich minderer Grad des Versehens anzulasten ist.

14 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher - ohne dass die auch indizierte Verspätung noch näher zu untersuchen gewesen wäre - gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG abzuweisen.

15 Die Revision, welche sich nach dem Gesagten als verspätet erweist, war somit gemäß § 34 Abs. 1 erster Fall VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 30. August 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018210054.L00

Im RIS seit

02.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.10.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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