TE OGH 2018/9/20 6Rs54/18k

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Veröffentlicht am 20.09.2018
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Das Oberlandesgericht Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch den Senatspräsidenten Dr.Bott (Vorsitz) sowie den Richter Dr.Deu und die Richterin Maga.Gassner als weitere Senatsmitglieder in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *****, *****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, per Adresse Landesstelle *****, *****, vertreten durch *****, wegen Pflegegeld (Rekursinteresse EUR 563,47), über den Rekurs der klagenden Partei gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 20.Juni 2018, 32 Cgs 21/18x-10, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Kostenentscheidung wird abgeändert; sie lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 563,47 (darin EUR 93,91 USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 169,75 (darin EUR 28,29 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Ein Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

begründung:

Der Kläger begehrt mit seiner gegen den Bescheid der Beklagten vom 11.Dezember 2017 gerichteten Klage, in welchem diese den Antrag des Klägers vom 21.November 2017 auf Gewährung von Pflegegeld ablehnte, die Zuerkennung von Pflegegeld im gesetzlichen Ausmaß, zumindest in Höhe der Pflegegeldstufe 2.

Die Beklagte beantragt Klagsabweisung unter Aufrechterhaltung ihres im Bescheid eingenommenen Standpunktes, wonach ein für die Gewährung von Pflegegeld ausreichender Pflegebedarf nicht bestehe.

Dem hält der Kläger in seinem Schriftsatz ON 4, mit welchem er auch Urkunden vorlegt, noch entgegen, dass bei ihm ein monatlicher Pflegeaufwand von zumindest 114 Stunden bestehe. Sowohl in der Klage als auch im Schriftsatz ON 4 verzeichnet er für diese Eingaben Kosten.

Mit dem nur hinsichtlich der Kostenentscheidung angefochtenen Urteil verpflichtet das Erstgericht die Beklagte zur Leistung von Pflegegeld der Stufe 1 ab 1.Dezember 2017 „im gesetzlichen Ausmaß“ (ohne Nennung des Betrages) und weist ein Mehrbegehren auf Gewährung von Pflegegeld der Stufe 2 ab.

Eine Kostenentscheidung trifft es unter Hinweis darauf, dass in der Verhandlung (vom 20.Juni 2018) seitens des Klägers keine Kostennote gelegt worden sei, nicht.

Nur gegen die (unterbliebene) Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, ihm in Abänderung der Kostenentscheidung einen Kostenersatzbetrag von EUR 563,47 inklusive USt zuzuerkennen.

Die Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger macht geltend, seine Rechtsvertretung habe zwar an der Verhandlung vom 20.Juni 2016 aufgrund eines Versehens des Substituten des Klagevertreters nicht teilgenommen, jedoch habe er Kosten sowohl für die Klage als auch den vorbereitenden Schriftsatz ON 4 bereits in diesen Eingaben verzeichnet, die überdies in der Tagsatzung vom 20.Juni 2018 vorgetragen worden seien. Damit hätte das Erstgericht für diese Verfahrenshandlungen dem Kläger Kosten zusprechen müssen, zumal § 54 ZPO nur eine schriftliche Kostenverzeichnung verlange, die auch in Schriftsätzen erfolgen könne.

Das Rekursgericht hält diese Argumentation für zutreffend.

Gemäß § 54 Abs 1 ZPO hat die Partei, welche Kostenersatz anspricht, bei sonstigem Verluste des Ersatzanspruches das Verzeichnis der Kosten samt den zur Bescheinigung der Ansätze und Angaben dieses Verzeichnisses etwa erforderlichen Belegen vor Schluss der der Entscheidung über den Kostenersatzanspruch (§ 52) unmittelbar vorangehenden Verhandlung, wenn aber die Beschlussfassung ohne vorgängige Verhandlung erfolgen soll, bei ihrer Einvernehmung oder gleichzeitig mit dem der Beschlussfassung zu unterziehenden Antrage dem Gerichte zu übergeben.

Daraus folgt, dass die Kostenaufstellung also in der Regel schriftlich erfolgen muss. Sowohl Lehre als auch jüngere Rechtsprechung gehen übereinstimmend davon aus, dass § 54 Abs 1 ZPO nur den spätesten Zeitpunkt regelt und jede frühere Verzeichnung wirksam ist und bleibt. Demnach kann sie auch in Schriftsätzen im Anschluss an die Sachausführung enthalten sein. Bei der Kostenentscheidung ist demgemäß nicht nur das - allenfalls unvollständige - zuletzt gelegte Kostenverzeichnis zu berücksichtigen, sondern auch auf schon früher in Schriftsätzen verzeichnete Kosten oder auf ein im ersten Rechtsgang gelegtes Kostenverzeichnis Bedacht zu nehmen (OLG Wien zu 2 R 110/11b; OLG Linz zu 4 R 84/10s; Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³, Rz 2 zu § 54 ZPO; Obermaier, Kostenhandbuch², Rz 47 mwN aus der Rechtsprechung). Auch für das Sozialrechtsverfahren hat etwa das Oberlandesgericht Wien zu 9 Rs 38/05 (veröffentlicht in SVSlg 52.778) ausgesprochen, dass auf zuvor in Schriftsätzen verzeichnete Kosten Bedacht zu nehmen ist. Diese Auffassung wurde auch schon in der älteren Judikatur vertreten (vgl Klauser/Kodek, JN-ZPO17 E 19 zu § 54 ZPO).

Im Normalfall der schriftlichen Geltendmachung hat das Kostenverzeichnis der Partei eine genaue ziffernmäßige Aufstellung aller von der Partei beanspruchten Kostenbeträge zu enthalten, welche Voraussetzung im Fall des Klägers schon deshalb erfüllt ist, da er sowohl für die Klage als auch im Schriftsatz ON 4 detailliert aufgeschlüsselte Kosten geltend macht (AS 3 unten bzw AS 23 unten).

Die Rechtsprechung tendiert beim Zeitpunkt der Verzeichnung der Kosten grundsätzlich dazu, dass nicht allzu streng und formalistisch vorgegangen werden soll, weshalb den dargestellten Grundsätzen folgend im Lauf des Verfahrens vor dem in Abs 1 des § 54 ZPO bezeichneten Zeitpunkt geltend gemachte Kosten jedenfalls in die Kostenentscheidung einzubeziehen sind, wenn sie etwa - wie hier - in einem Schriftsatz den geforderten Voraussetzungen entsprechend verzeichnet wurden (vgl auch hg 2 R 64/18a).

Damit ist davon auszugehen, dass der Kläger mit der Verzeichnung der Kosten in den jeweiligen Schriftsätzen seinen grundsätzlichen Anspruch auf Kostenersatz gegenüber seinem Prozessgegner gewahrt hat. Die Unterlassung der Legung eines gesonderten und abschließenden „Kostenverzeichnisses“ im Sinne des § 54 Abs 1a ZPO führt nach Auffassung des Rekursgerichts zwar einerseits dazu, dass die Beklagte als Prozessgegnerin keine Pflicht zur Erhebung von Einwendungen trifft, auf welche das Gericht Bedacht zu nehmen hätte, löst aber andererseits eine Prüfpflicht des Gerichts in Bezug auf die Zweckmäßigkeit und Angemessenheit der in den jeweiligen Schriftsätzen verzeichneten Kosten aus.

Die hier anwendbare Kostenersatzregelung des § 77 Abs 2 ASGG sieht zu Gunsten des Versicherten eine von den vom Erfolgsprinzip geprägten Normen der §§ 41ff ZPO abweichende Regelung vor, die einen vollen Kostenersatzanspruch auch bei nur teilweisem Obsiegen vorsieht. Diese müssen jedoch, um einen Ersatzanspruch des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger zu begründen, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung) notwendig gewesen sein.

Geht man im Fall des Klägers davon aus, dass die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid seinen Antrag auf Gewährung von Pflegegeld zur Gänze ablehnte, er mit seiner Klage zumindest die Gewährung von Pflegegeld der Stufe 2 anstrebte und ihm mit der ergangenen Entscheidung unangefochten Pflegegeld der Stufe 1 zuerkannt wurde, so hat er im Sinne der dargestellten Kostenersatzregelung einen Prozesserfolg erzielt, der seinen Kostenersatzanspruch begründet. Da sich sowohl die Klage als auch der als Replik auf die Klagebeantwortung erstattete Schriftsatz als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig erweisen, sind dem Kläger die geltend gemachten Kosten im begehrten Umfang zuzuerkennen.

Dem Rekurs ist daher Folge zu geben und die angefochtene Kostenentscheidung wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG und § 11 Abs 1 RATG.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.

Oberlandesgericht Graz, Abteilung 6

Textnummer

EG00152

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0639:2018:0060RS00054.18K.0920.000

Im RIS seit

03.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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