TE Bvwg Beschluss 2018/8/24 W225 2011189-1

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Veröffentlicht am 24.08.2018
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Entscheidungsdatum

24.08.2018

Norm

AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs1
AVG §45 Abs2
AVG §60
AVG §66 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
MOG 2007 §1
MOG 2007 §6
MOG 2007 §8i
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W225 2011189-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Dr. Barbara Weiß LL.M über die Beschwerde von XXXX und XXXX , BNr. XXXX , vertreten durch Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte OG, 9020 Klagenfurt am Wörthersee gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria vom 03.01.2014, AZ XXXX , betreffend Einheitliche Betriebsprämie 2010, den Beschluss:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer (in Folge: BF) stellten einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2010 und beantragten unter anderem die Gewährung der Einheitlichen Betriebsprämie (EBP) für die in den Beilagen "Flächenbogen" und "Flächennutzung" näher konkretisierten Flächen. Die Beschwerdeführer waren im Jahr 2010 zudem Auftreiber auf die Alm mit der BNr. XXXX für die der zuständige Almbewirtschafter ebenfalls einen Mehrfachantrag-Flächen stellte.

2. Mit Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 30.12.2010 wurde den BF eine EBP in Höhe von EUR 13.829,05 gewährt.

3. Mit Abänderungsbescheid der AMA vom 28.02.2012 wurde ein Betrag in Höhe von EUR 3.340,73 von den BF rückgefordert. Grund für die Rückforderung war eine Verringerung der beihilfefähigen Fläche aufgrund einer rückwirkenden Futterflächenkorrektur durch den Almbewirtschafter der Alm mit der BNr. XXXX .

4. Mit Abänderungsbescheid der AMA vom 26.07.2012 wurde eine Änderung der Zahlungsansprüche erfasst.

5. Mit Abänderungsbescheid der AMA vom 03.01.2014, AZ XXXX wurde den BF für das Antragsjahr 2010 eine EBP in Höhe von EUR 7.253,82 gewährt und zugleich eine Rückforderung in Höhe von EUR 3.23,50 ausgesprochen. Grund für die Rückforderung war die Verringerung der beihilfefähigen Fläche aufgrund einer Vor-Ort-Kontrolle am 06.08.2013 auf der Alm mit der BNr. XXXX . Aufgrund der festgestellten Flächenabweichungen von über 3 % oder über 2 ha kürzte die AMA den Beihilfenbetrag um das doppelte der Differenzfläche (Flächensanktion in Höhe von EUR 2.343,84).

6. Gegen den Bescheid vom 03.01.2014 erhoben die BF mit Schreiben vom 21.01.2014 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit. 29.10.2014 wurden zudem ergänzende Beweisanträge und bereits mit 16.07.2014 Anträge im Rahmen der MOG-Novelle gestellt.

7. Im Akt findet sich ein "Report - Einheitliche Betriebsprämie 2010, Berechnungsstand 09.05.2014". Der Report sei erstellt worden, da sich Änderungen der Zahlungsansprüche ergeben hätten. Weiters findet sich im Akt eine Erklärung gemäß § 8i MOG2007 für die Alm mit der BNr. XXXX .

8. Die AMA legte dem Bundesverwaltungsgericht das eingebrachte Rechtsmittel samt dazugehörigem Verwaltungsakt vor. Mit Schreiben zur Beschwerdevorlage vom 25.08.2014 teilte die AMA ua. mit, dass die Erklärung gemäß § 8i MOG 2007 bei der Bescheiderlassung noch nicht berücksichtigt wurde, diese aber für den Fall, dass die AMA noch zuständig wäre nunmehr berücksichtigt werden würde.

9. Mit Schreiben vom 03.02.2017 und 31.01.2018 ersuchten die BF um Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter I. wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbeanstandeten Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Rechtsgrundlagen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 MOG 2007 können Vorschriften zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen unmittelbar von Bundesbehörden vorgesehen werden. Gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. ist die AMA zuständige Marktordnungs-, Interventions- und Zahlstelle im Sinne dieses Bundesgesetzes. Gemäß § 1 AMA-Gesetz können Angelegenheiten, soweit diese durch Bundesgesetz oder durch Verordnungen, die auf Grund von Bundesgesetzen erlassen werden, an die AMA übertragen werden, von der AMA unmittelbar als Bundesbehörde besorgt werden. Für Entscheidungen über Beschwerden dieser Behörde ist daher das Bundesverwaltungsgericht zuständig. Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG (§ 1 leg. cit.) geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (außer in Verwaltungsstrafsachen) in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Sachverhalt feststeht oder wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte (Winkler in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2015] § 28 Rz 15). Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Gemäß den §§ 37 und 39 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) hat die Behörde - ebenso wie das Gericht, wenn es über eine Beschwerde meritorisch abspricht - den wahren Sachverhalt im Sinn einer Ermittlungspflicht zur Feststellung der materiellen Wahrheit auf Grundlage des Antrages von Amts wegen zu ermitteln (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Sie hat jedes Beweismittel in freier Beweiswürdigung abzuwägen und ihre Schlüsse daraus im Licht der anzuwendenden Rechtsvorschriften nachvollziehbar darzulegen (§ 45 Abs. 1 und 2, § 60 AVG).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

In der Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht führt die AMA sinngemäß aus, dass der vorliegende Sachverhalt unter Berücksichtigung aller nun vorliegenden Umstände zu einer anderen Beurteilung führen würde, wenn sie für diesen Fall noch zuständig wäre.

Daraus ergibt sich, dass der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt unzureichend ermittelt wurde, um darauf aufbauend zu einer rechtskonformen Entscheidung zu gelangen. In Anbetracht der Komplexität der Bezug habenden Beihilferegelung und des technischen Charakters der Entscheidung über die aus dem neuen Sachverhalt erfließenden Berechnungen läge eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit noch wäre diese mit einer Kostenersparnis verbunden. Vielmehr dient die Zurückverweisung der Angelegenheit einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des neuen Sachverhalts.

Auch wenn der VwGH der Zurückverweisung von Rechtssachen durch die Verwaltungsgerichte auf Basis des VwGVG mit seiner Grundsatz-Entscheidung vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, bereits Grenzen gezogen hat, liegt es im vorliegenden Fall weder im Interesse der Raschheit, noch wäre es mit einer Kostenersparnis verbunden, wenn das Bundesverwaltungsgericht versuchen wollte, die Beschwerde im Hinblick auf das Antragsjahr 2013 einer Entscheidung zuzuführen.

Der Bescheid war daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.

Die AMA wird im Rahmen des fortgesetzten Verfahrens u.a. die in Vorlage gebrachte Erklärung des Auftreibers gemäß § 8i MOG 2007 sowie den aktuellen Berechnungsstand zu berücksichtigen und den ermittelten (geänderten) Sachverhalt dem neu zu erlassenden Bescheid zu Grunde zu legen haben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG ebenfalls abgesehen werden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Schlagworte

Antragsänderung, Behebung der Entscheidung, beihilfefähige Fläche,
Bescheidabänderung, Direktzahlung, einheitliche Betriebsprämie,
Ermittlungspflicht, Flächenabweichung, INVEKOS, Kassation,
Kontrolle, Kürzung, mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Mehrfachantrag-Flächen, Prämiengewährung,
Rückforderung, Verschulden, Zahlungsansprüche, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W225.2011189.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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