Entscheidungsdatum
13.06.2018Norm
AlVG §24Spruch
G312 2187886-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Birgit KLÖCKL und KommR Mag. Heinz ZAVECZ als Beisitzer über den Vorlageantrag von XXXX, SVNR: XXXX, vertreten durch Sachwalter Dr. Franz UNTERASINGER in XXXX, vom 12.01.2018 gegen die Beschwerdevorentscheidung der regionalen Geschäftsstelle XXXX des Arbeitsmarktservice vom 22.12.2017, GZ: XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheiden der regionalen Geschäftsstelle XXXX des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: belangte Behörde) vom 24.03.2011 wurde ausgesprochen, dass der Bezug des Arbeitslosengeldes für die Zeit vom 12.12.2008 bis 11.06.2009, 10.05.2010 bis 31.01.2011 in der Höhe von XXXXsowie der Notstandshilfe für den Zeitraum 12.06.2009 bis 31.10.2009 in der Höhe von XXXX von XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz BF) gemäß § 33 iVm § 38 und § 24 AlVG 1977 widerrufen wird und der BF gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung verpflichtet ist.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass der BF die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu Unrecht bezogen habe, da er bei der Firma XXXX ohne Unterbrechung nach einem vollversicherten Dienstverhältnis ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis begonnen habe, Arbeitslosigkeit sei daher nicht gegeben gewesen.
2. Gegen die genannten Bescheide richtete sich die, verspätet mit 25.10.2017, eingebrachte Beschwerde des Sachwalters des BF und wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF an einer schizoaffektiven Psychose leide und daher nicht in der Lage gewesen sei zu erkennen, dass bei der Gewährung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bestimmte Vorschriften einzuhalten seien. Die Rückforderung sei daher zu Unrecht erfolgt.
3. Mit Bescheid vom 22.12.2017 wurde die Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung als verspätet eingebracht zurückgewiesen und im Wesentlichen damit begründet, dass dem BF die Bescheide am 24.03.2011 ergangen seien, der BF diese erhalten habe und am 05.04.2011 telefonisch über die Möglichkeit der Berufungseinreichung Informationen erhalten habe. Am 06.04.2011 habe der BF ein Ratenansuchen gestellt, diese sei ihm bewilligt worden. Ab 01.02.2013 sei dem BF die Invaliditätspension zuerkannt worden, jedoch erst nach Aufgabe seiner Tätigkeit ab 09.03.2013 angefallen. Am 30.10.2017 habe der Sachwalter, der seine Bestellungsurkunde vom 28.09.2016 vorgelegt habe, eine Beschwerde eingereicht.
4. Mit Schriftsatz vom 12.01.2018 wurde die Vorlage an das BVwG beantragt.
5. Der Vorlageantrag wurden samt Beschwerde, Bescheid und maßgeblichen Verwaltungsakten von der belangten Behörde am 02.03.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung G312 zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF bezog wieder ab 12.12.2008 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, zuletzt Notstandshilfe in der Höhe von €
21,95 täglich.
1.2. Der BF stand bei der Firma XXXX vom 01.05.2008 bis 30.09.2008 in einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis, ab 01.10.2008 in einem geringfügigen Dienstverhältnis bei der Firma XXXX.
1.3. Aufgrund der Aufnahme der geringfügigen Beschäftigung beim gleichen Dienstgeber nach Beendigung einer Vollbeschäftigung ohne Unterbrechung von zumindest einem Monat lag Arbeitslosigkeit ab 01.10.2008 beim BF im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG nicht vor.
1.4. Dem BF wurde ab dem Jahr 2013 - aufgrund seiner psychischen Erkrankung - ein Sachwalter zur Seite gestellt. Vor dem Jahr 2013 bestand keine Besachwalterung des BF.
1.5. Die belangte Behörde hat dem BF den Bescheid vom 24.03.2011 über den Widerruf und die Rückforderung der Leistung aus der Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 12.06.2009 bis 31.10.2009 in der Höhe von XXXX an die von ihm angegebene Adresse zugestellt.
1.6. Der BF hat diesen genannten Bescheid ordnungsgemäß (spätestens am 27.03.2011) zugestellt bekommen und am 04.04.2011 Kontakt mit der belangten Behörde zwecks Aufklärung über die Rückforderung, rechtliche Aufklärung, Rechtsmittelaufklärung sowie Ratenmöglichkeit aufgenommen. Danach wurde mit dem BF eine Ratenzahlung vereinbart.
1.7. Der BF befindet sich seit 09.03.2013 in Berufungsunfähigkeitspension, welche jedoch aufgrund der Aufgabe seiner Tätigkeit erst mit 09.03.2013 angefallen ist.
2. Beweiswürdigung:
Die oben getroffenen Feststellungen resultieren aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zum vollversicherten Dienstverhältnis sowie geringfügigen Beschäftigungsverhältnis bei der Firma XXXX ergeben sich aus dem Akteninhalt (Auszug des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger).
Die Feststellung über die Bestellung einer/eines Sachwalters/in ab 2013 für den BF ergeben sich aus dem Akteninhalt (Beschlüsse XXXX; Schriftsätze vom 18.11.2014 und 25.10.2017).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A): Abweisung der Beschwerde:
3.1.1. Gegenständlich ist strittig, ob die belangte Behörde die Beschwerde des Sachwalters des BF vom 25.10.2017 zu Recht als verspätet zurückgewiesen hat.
3.1.2. Anspruch auf Arbeitslosengeld hat gemäß § 7 Abs. 1 AlVG, wer
1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,
2. die Anwartschaft erfüllt und
3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.
Der Arbeitsvermittlung steht gemäß Abs. 2 leg. cit. zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.
Als arbeitslos im Sinne des § 12 Abs. 1 und 2 gilt gemäß § 12 Abs. 3 litera h AlVG (BGBl I Nr. 82/2008) insbesondere nicht, wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.
3.1.3. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:
Unstrittig ist, dass der BF nach Beendigung seiner vollversicherten Beschäftigung bei der Firma XXXX am 30.09.2008 ohne Unterbrechung mit 01.10.2008 eine geringfügige Beschäftigung beim gleichen Dienstgeber begonnen hat.
Der Sachwalter des BF erachtet den verfahrensgegenständlichen Widerruf und die Rückforderung aufgrund der psychischen Erkrankung des BF als rechtswidrig.
Vermag eine volljährige Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist (behinderte Person), alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, so ist ihr auf ihren Antrag oder von Amts wegen dazu gemäß § 268 Abs. 1 ABGB (BGBl I Nr. 92/2006) ein Sachwalter zu bestellen.
Die Bestellung eines Sachwalters ist gemäß Abs. 2 leg. cit. unzulässig, soweit Angelegenheiten der behinderten Person durch einen anderen gesetzlichen Vertreter oder im Rahmen einer anderen Hilfe, besonders in der Familie, in Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder im Rahmen sozialer oder psychosozialer Dienste, im erforderlichen Ausmaß besorgt werden. Ein Sachwalter darf auch dann nicht bestellt werden, soweit durch eine Vollmacht, besonders eine Vorsorgevollmacht, oder eine verbindliche Patientenverfügung für die Besorgung der Angelegenheiten der behinderten Person im erforderlichen Ausmaß vorgesorgt ist. Ein Sachwalter darf nicht nur deshalb bestellt werden, um einen Dritten vor der Verfolgung eines, wenn auch bloß vermeintlichen, Anspruchs zu schützen.
Je nach Ausmaß der Behinderung sowie Art und Umfang der zu besorgenden Angelegenheiten ist gemäß Abs. 3 leg. cit. der Sachwalter zu betrauen
1. mit der Besorgung einzelner Angelegenheiten, etwa der Durchsetzung oder der Abwehr
eines Anspruchs oder der Eingehung und der Abwicklung eines Rechtsgeschäfts,
2. mit der Besorgung eines bestimmten Kreises von Angelegenheiten, etwa der Verwaltung
eines Teiles oder des gesamten Vermögens, oder,
3. soweit dies unvermeidlich ist, mit der Besorgung aller Angelegenheiten der behinderten Person.
Sofern dadurch nicht das Wohl der behinderten Person gefährdet wird, kann das Gericht gemäß Abs. 4 leg. cit. auch bestimmen, dass die Verfügung oder Verpflichtung hinsichtlich bestimmter Sachen, des Einkommens oder eines bestimmten Teiles davon vom Wirkungsbereich des Sachwalters ausgenommen ist.
Der Sachwalter moniert offensichtlich, dass die erstinstanzlichen Bescheide vom 24.03.2011 mangels Prozessfähigkeit nicht an den Beschwerdeführer zugestellt habe werden können und folglich diesem gegenüber keine Wirkung entfalten. Dazu ist jedoch festzuhalten, dass auch unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Bescheidzustellung bereits psychische Probleme hatte, jedoch zu diesem Zeitpunkt kein/e Sachwalter/in bestellt gewesen ist.
Das Ermittlungsverfahren hat eindeutig erwiesen, dass eine Sachwalterschaft des BF erst ab 2013 bestanden habe. Somit geht die diesbezügliche Argumentation des jetzigen Sachwalters ins Leere. Zudem hat der damals bestellte Sachwalter (Bestellung 2014) von der verfahrensgegenständlichen Entscheidung (Widerruf und Rückforderung) Kenntnis gehabt. Auch hinsichtlich des erstinstanzlichen Bescheides wäre ein - allfälliger - Zustellmangel daher im Sinne des § 9 Abs 3 Zustellgesetz als geheilt anzusehen gewesen.
Zur verspäteten Einbringung der Beschwerde wurden vom Sachwalter keine Angaben gemacht, die verspätete Einbringung (Bescheide vom 24.03.2011, Beschwerdeeinbringung vom 25.10.2017) ist somit unstrittig. Es liegen auch keine Wiederaufnahmegründe vor, da zum Zeitpunkt der Erlassung der Bescheide keine Besachwalterung vorlag, von welcher die belangte Behörde eventuell bei Bescheiderstellung keine Kenntnis gehabt hätte.
Der Beschwerde war daher keine Folge zu geben und die bekämpften Bescheide zu bestätigen.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß Abs 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, GZ 2005/05/0080).
Es hat sich daher aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keine Notwendigkeit ergeben, den als geklärt erscheinenden Sachverhalt mit dem BF näher zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
Zudem wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung auch nicht beantragt.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus uneinheitlich zu beurteilen und es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Rechtsmittelfrist, Sachwalter, Verspätung, Zurückweisung, ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G312.2187886.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.09.2018