TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/26 99/02/0251

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.1999
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §55 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §32 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 11. Juni 1999, Zl. Senat-NK-99-433, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, (mitbeteiligte Partei: JF in L, vertreten durch Mag. Thomas di Vora, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Lendgasse 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 15. März 1999 war der Mitbeteiligte für schuldig befunden worden, er habe am 14. Jänner 1998 um 14.29 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges im Gemeindegebiet von S. auf der A 2, Südautobahn, nächst dem Strkm. 54,0 (Baustelle) in Fahrtrichtung Graz die auf Grund des angebrachten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten (146 km/h gemessene Geschwindigkeit). Gleichzeitig war über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 in Verbindung mit § 52 lit. a Z 10 a leg. cit. eine Geldstrafe von S 5.000,-- verhängt worden.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juni 1999 wurde der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen behoben und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende, auf Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Behebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses damit begründet, dass innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 leg. cit. gesetzt worden sei. Insbesondere könnten weder das von der Behörde erster Instanz an die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt gerichtete Rechtshilfeersuchen um Einvernahme des Mitbeteiligten noch das von dieser Bezirkshauptmannschaft an die Gemeinde L. gerichtete gleichartige Rechtshilfeersuchen mangels näheren Eingehens auf die dem Mitbeteiligten zur Last gelegte Verwaltungsübertretung als taugliche Verfolgungshandlungen angesehen werden. Da eine Einvernahme des Mitbeteiligten durch die ersuchten Behörden nicht erfolgt, sondern der den Rechtshilfeersuchen angeschlossene Verwaltungsakt erst nach Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist der Behörde erster Instanz zur weiteren Verwendung retourniert worden sei, könne von einer innerhalb der Verjährungsfrist gesetzten Verfolgungshandlung nicht gesprochen werden.

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 VStG) vorgenommen worden ist. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Gemäß § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Nicht der Beschwerdeführer, sondern der Mitbeteiligte selbst verkennt mit seinen Ausführungen in seiner Gegenschrift die Rechtslage:

Gemäß der hg. Judikatur stellt ein innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG abgefertigtes Rechtshilfeersuchen eine taugliche Verfolgungshandlung dar. Dies gilt insbesondere für ein Rechtshilfeersuchen der Behörde erster Instanz um Vernehmung des Beschuldigten (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S 927f zitierte Judikatur sowie das hg. Erkenntnis vom 30. September 1999, Zl. 97/02/0305).

Im Beschwerdefall wurde - entgegen der vom Mitbeteiligten vertretenen Ansicht - in dem an die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt gerichteten Rechtshilfeersuchen der Behörde erster Instanz vom 13. Mai 1998 eine Konkretisierung der dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung dadurch vorgenommen, dass "um niederschriftliche Einvernahme des Beschuldigten hinsichtlich der Anzeigenangaben im Hinblick auf die Einleitung eines ordentlichen Strafverfahrens" ersucht wurde, wobei die im angeschlossen gewesenen Verwaltungsakt enthaltene Anzeige vom 21. Februar 1998 alle wesentlichen Tatumschreibungsmerkmale enthält. Da somit noch innerhalb der Verjährungsfrist - diese hätte am 14. Juli 1998 geendet - eine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde, ist hinsichtlich der dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung Verjährung nicht eingetreten. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, musste der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Wien, am 26. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999020251.X00

Im RIS seit

05.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten