TE Vwgh Beschluss 2018/9/6 Ra 2017/17/0680

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Veröffentlicht am 06.09.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
34 Monopole;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §6 Abs1;
B-VG Art133 Abs1 Z3;
GSpG 1989 §50 Abs2;
GSpG 1989 §56a;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §31;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Mag.a Nussbaumer-Hinterauer als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der U s.r.o. in B in der S, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hofgasse 3, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 1. Juni 2017, RM/7100004/2017, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Die Frage, ob diese Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage mittlerweile durch den Verwaltungsgerichtshof geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH vom 14.9.2015, Ra 2014/17/0009 und 0010).

5 Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Bundesfinanzgericht seine Unzuständigkeit hinsichtlich der vorliegenden Maßnahmebeschwerde iVm. § 56a Glücksspielgesetz (GSpG) festgestellt.

6 Zum Zulässigkeitsvorbringen der revisionswerbenden Partei in Hinblick auf eine fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zuständigkeit betreffend Maßnahmenbeschwerden in Verbindung mit § 56a GSpG hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 22. November 2017, Ro 2016/17/0003, bereits ausgesprochen, dass bei einer Kontrolle der Finanzpolizei aus eigenem Antrieb und ohne Auftrag der Behörde gemäß § 50 Abs. 2 GSpG eine Amtshandlung vorliegt, über die das Bundesfinanzgericht zu entscheiden hat. Im gegenständlichen Fall hat nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Beschluss die Finanzpolizei auf Anordnung eines Organs der Bezirkshauptmannschaft gehandelt, daher ist die Maßnahme der Bezirkshauptmannschaft zuzuordnen, was zu einer Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Burgenland führt. Der angefochtene Beschluss steht daher in Einklang mit der hg. Judikatur zur Zuständigkeit zur Entscheidung über Maßnahmenbeschwerden.

7 Weiters wird im Zulässigkeitsvorbringen die Rechtsansicht vertreten, das BFG hätte die Maßnahmebeschwerde nicht zurückweisen dürfen, sondern an das zuständige Verwaltungsgericht weiterleiten müssen. Auch hiezu fehle Rechtsprechung des VwGH.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24. Juni 2015, Ra 2015/04/0035, ausgesprochen, dass ungeachtet der durch die subsidiäre - sinngemäße - Anwendbarkeit des § 6 AVG auch den Verwaltungsgerichten eröffneten Möglichkeit, Anbringen, zu deren Behandlung sie nicht zuständig sind, an die zuständige Stelle - die auch ein anderes sachlich oder örtlich zuständiges Verwaltungsgericht sein kann - durch verfahrensleitenden Beschluss im Sinne des § 31 Abs. 2 VwGVG weiterzuleiten, ist jedenfalls dann, wenn die Unzuständigkeit eines Verwaltungsgerichts - wie im vorliegenden Fall - zweifelhaft und nicht offenkundig ist, eine Entscheidung über die Zuständigkeit in der in den Verfahrensgesetzen vorgesehenen Form (Beschluss über die Zurückweisung wegen Unzuständigkeit oder Erkenntnis in der Sache bzw. Zurückweisung aus anderen Gründen oder Einstellung unter Bejahung der Zuständigkeit) zu treffen (vgl. VwGH 18.2.2015, Ko 2015/03/0001). Während der Behörde in der Konstellation eines Berufungsverfahrens vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 eine Zurückweisung wegen Unzuständigkeit verwehrt war (vgl. das von einem verstärkten Senat beschlossene Erkenntnis vom 30. Mai 1996, 94/05/0370 = VwSlg. 14.475 A/1996, sowie die weiteren Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG I2 (2014) § 6 Rz. 15), stellt die förmliche Ablehnung der Zuständigkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Beschluss vom 18. Februar 2015 bereits festgestellt hat - nunmehr nach Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Voraussetzung für eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über einen Kompetenzkonflikt zwischen Verwaltungsgerichten gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 3 B-VG dar. Da das VwGVG für ein Absprechen über die Nichtzuständigkeit des Verwaltungsgerichts keine gesonderte Form vorsieht, kommt hier nur ein Zurückweisungsbeschluss in Betracht. Wie sich dem zitierten Beschluss Ko 2015/03/0001 entnehmen lässt, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass das Verwaltungsgericht, das den (ersten) förmlichen Zurückweisungsbeschluss zu erlassen hat, auch verpflichtet ist, die Akten des Verfahrens an das für zuständig erachtete Verwaltungsgericht zu übermitteln, um diesem die Möglichkeit zu geben, selbst einen förmlichen Beschluss über seine Unzuständigkeit zu erlassen (Pkt. 9.7.).

9 Im vorliegenden Zulässigkeitsvorbringen wurde allerdings nicht die Form, in welcher das BFG seine Unzuständigkeit aussprach, bemängelt, sondern vielmehr nur die Ansicht vertreten, es wäre nicht über die Unzuständigkeit abzusprechen gewesen, sondern stattdessen mit Weiterleitung gemäß § 6 AVG vorzugehen gewesen. Dies trifft nach der wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu. Eine Rechtsverletzungsmöglichkeit durch die Feststellung der Unzuständigkeit anstelle der Zurückweisung der Maßnahmebeschwerde ist im Übrigen nicht ersichtlich.

10 Die Rechtsansicht, dass über die Unzuständigkeit nicht abzusprechen gewesen wäre, trifft nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls nicht zu. Außerdem erfolgt die Weiterleitung nach § 6 Abs. 1 AVG durch formlose Verfügung und stellt lediglich eine objektive Pflicht der Behörde dar. Es besteht aber kein subjektives Recht der Partei auf Weiterleitung (vgl. VwGH 30.8.2011, 2010/21/0419).

11 In der Revision wurden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher nach § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Wien, am 6. September 2018

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170680.L00

Im RIS seit

27.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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