TE Vwgh Beschluss 2018/9/6 Ra 2018/08/0070

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Veröffentlicht am 06.09.2018
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §4 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/08/0071 Ra 2018/08/0072 Ra 2018/08/0073 Ra 2018/08/0084 Ra 2018/08/0078 Ra 2018/08/0079 Ra 2018/08/0080 Ra 2018/08/0075

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revisionen 1.) der W GmbH in S, vertreten durch die Schuppich Sporn & Winischhofer Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Falkestraße 6, gegen die Teilerkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2018, L510 2127009- 1/336E, und 7. März 2018, L510 2127009-1/349E, L510 2104487- 1/278E, L510 2104487-1/276E, L510 2127009-1/351E, L510 2127009- 1/350E, L510 2127009-1/352E, L 510 2127009-1/353E, sowie das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2018, L510 2139906-1/10E, sowie 2.) des E M W in E, vertreten durch die Stolz Rechtsanwalts-GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen das Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2018, L510 2127009-1/336E, jeweils betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Salzburger Gebietskrankenkasse; mitbeteiligte Parteien 1. S B, 2. A D, 3. E D, 4. C F E, 5. R F,

6. T G, 7. G G, 8. R H, 9. M H, 10. G J, 11. G K, 12. M N, 13. T N, 14. U N, 15. P O, 16. Mag. M P, 17. T P, 18. A P, 19. W R,

20.

W S, 21. R S, 22. C S, 23. R W, 24. G W, 25. M W, 26. P K,

27.

K S, 28. B P, 29. S M, 30. H B, 31. A F, 32. Dkfm. G R,

33.

A R, 34. D G, 35. E S, 36. D S, 37. N T, 38. P P, 39. M P,

40.

S J, 41. H K, 42. R P, 43. B G, 44. D K, 45. H A, 46. M B,

47.

M D, 48. T D, 49. K K, 50. E R, 51. R S, 52. R S, 53. J R,

54.

B S, 55. T S, 56. M S, 57. P M, 58. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 59. Pensionsversicherungsanstalt; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit den angefochtenen Erkenntnissen sprach das Bundesverwaltungsgericht - teilweise aufgrund von Säumnisbeschwerden der erstrevisionswerbenden Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Salzburger Gebietskrankenkasse, teilweise aufgrund von Beschwerden gegen Bescheide der Salzburger Gebietskrankenkasse - aus, dass die mitbeteiligten Parteien 1 bis 43 sowie der Zweitrevisionswerber auf Grund ihrer Tätigkeit für die erstrevisionswerbende Partei als Dienstgeberin in näher bezeichneten Zeiträumen in den Jahren 2007 bis 2018 gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG der Pflichtversicherung in der Kranken- , Unfall-, und Pensionsversicherung und gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Arbeitslosenversicherung unterlegen seien. Hinsichtlich der Feststellung der Pflichtversicherung einer weiteren Person nach dem ASVG und dem AlVG gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde Folge und hob den angefochtenen Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse insoweit gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos auf. Hinsichtlich der Feststellung der Pflichtversicherung der mitbeteiligten Parteien 44 und 45 nach dem ASVG und dem AlVG hob das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide an die Salzburger Gebietskrankenkasse zurück. Hinsichtlich der mitbeteiligten Parteien 46 bis 57 hob das Bundesverwaltungsgericht die Feststellung der Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG mangels (örtlicher) Zuständigkeit der Salzburger Gebietskrankenkasse auf.

5 Durch die mitbeteiligten Parteien 1 bis 28, 33 bis 37 sowie 43 und den Zweitrevisionswerber wurden Produkte der erstrevisionswerbenden Partei (orthopädische Schlafsysteme, wie insbesondere spezielle Matratzen) unter der Berufsbezeichnung "Schlafberater" gegen Provision vertrieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Pflichtversicherung der als "Schlafberater" für die erstrevisionswerbende Partei tätigen Personen bereits mit Erkenntnissen vom 14. Juli 2017, 17. Juli 2017 und 6. September 2017, in Verfahren, in denen belangte Behörden die Burgenländische, Niederösterreichische, Wiener bzw. Vorarlberger Gebietskrankenkassen waren, entschieden. Die gegen diese Erkenntnisse erhobenen Revisionen der erstrevisionswerbenden Partei wurden durch den Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 11. April 2018, Ra 2017/08/0099 bis 0106, sowie Ra 2017/08/0122 und 0123, zurückgewiesen.

6 In den hier angefochtenen Erkenntnissen ist das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des für die Beurteilung, ob die "Schlafberater" in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG tätig geworden sind, relevanten Sachverhaltes bzw. der diesbezüglichen rechtlichen Beurteilung zu mit den genannten Erkenntnissen vom 14. Juli 2017, 17. Juli 2017 und 6. September 2017 inhaltlich übereinstimmenden Ergebnissen gelangt. Die Mitbeteiligten 29 bis 31 vertrieben unter der Bezeichnung "Busschlafberater" im Zuge von der erstrevisionswerbenden Partei organisierter Reisen die Produkte der erstrevisionswerbenden Partei. Im Übrigen entsprach ihre Tätigkeit nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts jener der übrigen "Schlafberater".

7 Das Vorbringen zur Zulässigkeit der Revisionen, mit dem sich die erstrevisionswerbende Partei gegen die Feststellung der Pflichtversicherung der mitbeteiligten Parteien 1 bis 43 sowie des Zweitrevisionswerbers und mit dem sich der Zweitrevisionswerber gegen die Feststellung seiner eigenen Pflichtversicherung wenden, entspricht zunächst - weitgehend wortgleich - dem von der erstrevisionswerbenden Partei in den genannten Vorverfahren erstattete Vorbringen. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm. Abs. 9 VwGG werden die revisionswerbenden Parteien daher insoweit auf die Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. April 2018, Ra 2017/08/0099 bis 0106, verwiesen.

8 Auch soweit die revisionswerbenden Parteien unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit ihrer Revisionen - über das in den genannten Vorverfahren erstattete Vorbringen hinaus - ausführen, das Bundesverwaltungsgericht, das hinsichtlich der mitbeteiligten Parteien 1 bis 43 vom Vorliegen jeweils durchgehender und nicht tageweiser Beschäftigungen ausgegangen ist, habe hinsichtlich der "Schlafberater" bzw. "Busschlafberater" die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine Person nur als tageweise versichert gelte, wenn sie "zwar wiederholt, aber zu im Vorhinein nicht festgelegten Zeiten beschäftigt" werde, unberücksichtigt gelassen, zeigen sie nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.

9 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es für die Annahme eines durchgehenden Beschäftigungsverhältnisses primär auf die ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung einer im Voraus bestimmten Arbeitsleistung ankommt, wobei die tatsächlich feststellbare periodisch wiederkehrende Leistung ein Indiz für eine solche schlüssige Vereinbarung ist (vgl. VwGH 11.7.2012, 2011/08/0366, mwN; vgl. näher zur Abgrenzung durchgehender und tageweiser Beschäftigungsverhältnisse VwGH 17.12.2002, 99/08/0008; 25.5.2016, Ro 2014/08/0045). Die Revisionen treten der Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, es habe in den vorliegenden Fällen - schon in Hinblick auf die näher dargestellten Erfordernisse des Betriebes der erstrevisionswerbenden Partei - ausgehend von dem (zumindest schlüssig vereinbarten) Inhalt des Arbeitsvertrages, eine Verpflichtung der "Schlafberater" bzw. "Busschlafberater", die ihnen laufend zugeteilten Kundentermine wahrzunehmen, und eine korrespondierende Verpflichtung der erstrevisionswerbenden Partei, den "Schlafberatern" bzw. "Busschlafberatern" derartige Termine zuzuteilen, bestanden, nicht substantiiert entgegen.

10 In ihrer gegen die Pflichtversicherung der

43. Mitbeteiligten gerichteten Revision bringt die erstrevisionswerbende Partei unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung weiters vor, das Bundesverwaltungsgericht habe die 43. Mitbeteiligte nicht einvernommen, zu ihr auch sonst keine Ermittlungen durchgeführt und zu ihrer Tätigkeit auch "keine relevanten und konkreten Feststellungen" getroffen.

11 Entgegen diesen Ausführungen fehlen zur Tätigkeit der

43. Mitbeteiligten keine Feststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass von allen "Schlafberatern" - so ausdrücklich auch von der

43. Mitbeteiligten - dieselbe detailliert geschilderte Tätigkeit verrichtet wurde. Hinsichtlich der Rüge des Unterbleibens einer Einvernahme der 43. Mitbeteiligten ist festzuhalten, dass die Zulässigkeit der Revision im Fall der Behauptung eines eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfenden Verfahrensmangels voraussetzt, dass die Revision auch von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Davon kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang - im Sinn seiner Eignung, bei einem mängelfreien Verfahren zu einer anderen für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen - dargetan wird. Die Partei hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten; im Fall einer unterbliebenen Vernehmung hat sie darzulegen, was die betreffende Person ausgesagt hätte bzw. welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. zum Ganzen VwGH 15.11.2017, Ra 2016/08/0184, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision, die nicht darlegt, welche Angaben die 43. Mitbeteiligte gemacht hätte bzw. in welcher Hinsicht ihre Tätigkeit sich von derjenigen der anderen "Schlafberater" unterschieden hätte, nicht gerecht.

12 Die von den mitbeteiligten Parteien 32 und 38 bis 42 für die erstrevisionswerbende Partei verrichteten Tätigkeiten bestanden nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts in der laufenden Erledigung diverser im Rahmen der Vertriebsorganisation anfallender Aufgaben; nämlich im Wesentlichen der Organisation der "Reisen" der "Busschlafberater" (Mitbeteiligter 32), der Einschulung bzw. laufenden Schulung und Betreuung der "Schlafberater" (mitbeteiligte Parteien 38 bis 40) bzw. der Übernahme diverser Managementaufgaben als Bindeglied zwischen der Geschäftsführung der erstrevisionswerbenden Partei und den im Vertrieb tätigen "Schlafberatern" und "Busschlafberatern" (Mitbeteiligte 41 und 42).

13 Die Revisionen zeigen nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht bei Abwägung der Kriterien der für bzw. gegen das Vorliegen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse dieser mitbeteiligten Parteien sprechenden Umstände und Merkmale zu unvertretbaren Ergebnissen gekommen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang auf Grundlage der getroffenen Feststellungen insbesondere zurecht eine Einbindung der genannten mitbeteiligten Parteien in die betriebliche Organisation der erstrevisionswerbenden Partei bejaht, die dazu führte, dass (allenfalls fehlende) ausdrückliche persönliche Weisungen und Kontrollen durch die "stille Autorität" des Dienstgebers substituiert wurden und sich die Arbeitserbringung - trotz teilweise eingeräumter Entscheidungsspielräume in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsort - letztlich doch an den Bedürfnissen des Dienstgebers zu orientieren hatte (vgl. zur Bedeutung diesen Kriterien näher etwa VwGH 24.4.2014, 2013/08/0258; 13.11.2013, 2013/08/0150).

14 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

15 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte daher gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG sowie in Hinblick auf die bereits vom Verwaltungsgericht durchgeführte mündliche Verhandlung abgesehen werden. Wien, am 6. September 2018

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Beschäftigung gegen Entgelt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018080070.L00

Im RIS seit

25.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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