TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/26 99/21/0252

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Veröffentlicht am 26.11.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
FrG 1993 §36 Abs2;
FrG 1997 §56 Abs2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §57;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des A, geboren am 11. September 1978, in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Huber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Hegelgasse 6/4, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. Juni 1999, Zl. IV-883.106 FrB/99, betreffend Abschiebungsaufschub, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. Juni 1999 gerichtet, mit dem der am 7. Dezember 1998 bei der Bundespolizeidirektion Wien eingelangte, mit 2. Dezember 1998 datierte Antrag des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsbürgers, auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes abgewiesen wurde.

Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer angegeben habe, er wäre wegen seiner politischen Tätigkeit als Mitglied der Pakistan Student Federation (PSF) in seinem Heimatland Pakistan mit Verhaftung, Misshandlung und dem Umbringen bedroht. Bei einer Wahlveranstaltung seiner Partei, der PPP, am 18. Jänner 1997 wäre es zu Zusammenstößen mit Mitgliedern der Pakistan Muslim League (der regierenden Partei) gekommen, wobei ein Mitglied der PML getötet worden wäre. In der Folge wäre der Beschwerdeführer wegen Mordes bei der Polizei angezeigt worden. Diese Falschanzeige jedoch wäre lediglich ein Vorwand, ihn wegen seiner politischen Tätigkeit bei der PSF zu verfolgen. Bei seiner Festnahme hätte er keine Möglichkeit, sich gegen die Anschuldigungen in geeigneter Weise zu verteidigen. Wenn es zu einer Gerichtsverhandlung käme, müsste er sich in einem nicht nach internationalem Standard fair abgehaltenen Gerichtsprozess verantworten. Weiters gebe der Beschwerdeführer an, dass die Regierung der Pakistan Muslim League vor einigen Monaten Sondergerichte eingeführt hätte, die vor allem über terroristische Aktivitäten, Mord oder Verdacht auf politische Tätigkeit gegen den Staat entschieden. Auf Grund der ihm drohenden Verfolgung bei Rückkehr in sein Heimatland wäre es ihm nicht mehr möglich, zurückzukehren. Bei einer Rückkehr wäre er mit sofortiger Verhaftung, Misshandlung und mit dem Umbringen bedroht.

Dazu werde festgestellt: Es könne die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, weil er seine Identität zum Einen mit keinerlei Dokument nachweisen könne und zum Anderen nicht in der Lage sei, seine Identität auf andere Art und Weise glaubhaft zu machen. Es könne nicht festgestellt werden, wann er seine Heimat verlassen habe, weil er anfangs angegeben habe, er hätte seine Heimatstadt am 13. Oktober 1997 verlassen. In weiterer Folge habe der Beschwerdeführer behauptet, er hätte bereits am 18. Jänner 1997 seine Heimatstadt verlassen. Auf die diesbezügliche Vorhaltung des Bundesasylamtes habe der Beschwerdeführer lediglich zur Antwort gegeben, dass er alles gesagt hätte, was er wüsste. Seine Rechtfertigung könne daher "in keinster Weise" seine widersprüchlichen Angaben erklären. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auf die von ihm geschilderte Art und Weise von Pakistan nach Österreich gekommen sei, weil er über seine diversen Reisebewegungen keinerlei Nachweise erbringen könne und diese Angaben daher lediglich als Behauptungen gelten könnten. Ferner werde festgestellt, dass eine Verfolgung zumindest der einfachen Mitglieder der Pakistan People Party (PPP) sowie seiner Studentenorganisation, nämlich der Pakistan Student Federation (PSF), in Pakistan nicht stattfinde. Die Pakistan Muslim League als Regierungspartei verfolge einen pragmatisch westlich orientierten Kurs. Seinem Vorbringen mangle es daher an konkreten, detaillierten Schilderungen der behaupteten Geschehnisse, die frei von Widersprüchen seien. Aus diesen Gründen sei "auch das Asylverfahren" negativ entschieden worden. Der Asylantrag des Beschwerdeführers sei am 18. November 1998 vom unabhängigen Bundesasylsenat abgewiesen worden. Die Ergebnisse des Asylverfahrens würden berücksichtigt, zumal der Beschwerdeführer über sein im Asylverfahren erstattetes Vorbringen hinaus nichts Konkretes vorgebracht habe. Es bestünden daher aus der Sicht der belangten Behörde keine stichhaltigen Gründe, dass der Beschwerdeführer in Pakistan gemäß § 57 Abs. 1 und Abs. 2 FrG bedroht sei bzw. bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass seine Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheine.

Als Beschwerdegründe werden inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht zusammengefasst geltend, dass die Ermittlungen der belangten Behörde mangelhaft gewesen seien, weil keine ausreichende Berücksichtigung der von ihm im Verwaltungsverfahren durch Zitieren eines Berichts der "Human Rights Commission of Pakistan" dargestellten bedenklichen menschenrechtlichen Entwicklung in Pakistan erfolgt sei. Einem Bericht von Amnesty International zufolge werde in pakistanischen Gefängnissen routinemäßig und systematisch gefoltert; weiters werde die Konstruktion von falschen Anklagen sehr häufig als Mittel verwendet, um Oppositionelle zum Schweigen zu bringen. Die Ergebnisse des Asylverfahrens hätte die belangte Behörde deswegen nicht verwerten dürfen, weil das Asylverfahren mangelhaft geführt worden sei und der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben habe, der der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. Sowohl in seiner Berufung an den unabhängigen Bundesasylsenat als auch in seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof habe der Beschwerdeführer dargelegt, dass er nach den Ereignissen vom 18. Jänner 1997 von seiner Heimatstadt Jetike im Norden des Landes zunächst nach Karachi, das etwa 1000 km von Jetike entfernt liege, gefahren sei und dort kurzfristig Schutz habe finden können. Als die Flucht aus Pakistan schließlich unumgänglich gewesen sei, sei er am 13. Oktober 1997 nach Lahore gefahren und habe Pakistan verlassen. Der belangten Behörde sei ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen.

Gemäß § 56 Abs. 2 FrG ist die Abschiebung eines Fremden auf Antrag oder von Amts wegen auf bestimmte, jeweils ein Jahr nicht übersteigende Zeit aufzuschieben (Abschiebungsaufschub), wenn sie unzulässig ist (§ 57) oder aus tatsächlichen Gründen unmöglich scheint. Im Verfahren über einen Antrag auf Gewährung eines Abschiebungsaufschubes kann vom Antragsteller zwar nicht verlangt werden, gegen ihn gerichtete Misshandlungen oder Verfolgungen "nachzuweisen"; es trifft ihn aber die Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes durch Erstattung eines mit Beweisanboten untermauerten konkreten Vorbringens zumindest bezüglich jener Umstände beizutragen, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl. zur gleich lautenden Bestimmung des § 36 Abs. 2 des Fremdengesetzes aus 1992 das hg. Erkenntnis vom 24. April 1998, Zl. 98/21/0123, mwN). Der zur Entscheidung über einen Abschiebungsaufschub zuständigen Behörde ist es aufgrund des in § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel auch nicht verwehrt, die Ergebnisse eines denselben Fremden betreffenden Asylverfahrens zu berücksichtigen; davon unberührt bleibt freilich ihre Verpflichtung, im Fall der Abweisung eines solchen Antrages gemäß § 56 Abs. 2 FrG auch zu begründen, aus welchen Erwägungen in Bezug auf den Antragsteller die in § 57 Abs. 1 und 2 FrG genannten Gefahren nicht vorliegen (vgl. auch dazu das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes und das hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 98/21/0491).

Im vorliegenden Fall ist dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 FrG deswegen abgewiesen wurde, weil die belangte Behörde seinen Angaben hinsichtlich der ihm in Pakistan drohenden Gefahren mangels deren Konkretisierung keinen Glauben geschenkt hat. Darin kann im Hinblick auf die genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angesichts des Vorbringens des Beschwerdeführers, das keine konkreten Hinweise bezüglich der näheren Umstände der von ihm behaupteten Vorfälle und der von ihm behaupteten spezifischen Bedrohung oder Verfolgung enthält, keine Rechtswidrigkeit erblickt werden, zumal ihm angesichts der Abweisung seines Asylantrages bewusst sein musste, dass die Glaubhaftmachung einer gemäß § 56 Abs. 2 FrG relevanten Gefahr konkretere Angaben voraussetzt, als jene, die er im Asylverfahren erstattet hatte. Der Umstand, dass die belangte Behörde möglicherweise zu Unrecht nicht berücksichtigt hat, der Beschwerdeführer habe sich vor seiner Ausreise aus Pakistan in Karachi aufgehalten, macht den angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig. Dies würde nämlich nichts an der mangelnden Konkretisierung der Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der von ihm behaupteten Bedrohung oder Verfolgung ändern.

Dass die Abschiebung des Beschwerdeführers im Sinn des § 56 Abs. 2 FrG tatsächlich unmöglich erschienen wäre, wird weder in der Beschwerde geltend gemacht, noch ist dies aus den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens ersichtlich, sodass dem angefochtenen Bescheid auch insofern keine Rechtswidrigkeit anhaftet.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. November 1999

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Grundsatz der Unbeschränktheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999210252.X00

Im RIS seit

30.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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