TE Vwgh Beschluss 2018/9/3 Ra 2018/04/0145

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2018
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
97 Öffentliches Auftragswesen;

Norm

BVergG 2006;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der Z GmbH in K, vertreten durch die Wohlmuth Rechtsanwalts KG in 8430 Leibnitz, Hauptplatz 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 11. Juni 2018, Zl. LVwG-2018/S2/0241-21, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei:

L GmbH in B, vertreten durch die Hofbauer & Nokaj Rechtsanwalts GmbH in 3250 Wieselburg, Bartensteingasse 8), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Das Land T führte als Auftraggeber ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung betreffend Montageleistungen von Leitschienensystemen auf Landesstraßen.

2 Mit Mail vom 29. Jänner 2018 wurde der Revisionswerberin die Zuschlagsentscheidung zugunsten der mitbeteiligten Partei bekannt gegeben.

3 Die Revisionswerberin stellte den fristgerechten Antrag, die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären und stützte diesen Antrag im Wesentlichen auf das Vorbringen, das Angebot der mitbeteiligten Partei habe den in den Ausschreibungsbedingungen bestandfest festgelegten Formvorschriften widersprochen, weil es nicht den Bedingungen entsprechend gebunden gewesen sei. Aus diesem Grund wäre das Angebot der mitbeteiligten Partei auszuscheiden gewesen.

4 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht den Antrag der Revisionswerberin, die Zuschlagsentscheidung für nichtig zu erklären, ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

5 Das Verwaltungsgericht traf im Wesentlichen die Feststellung, in den Ausschreibungsbedingungen sei festgehalten, "dass die Ausschreibungsunterlagen so zu binden (zB. mittels spiralisieren) sind, dass keine Seiten herausgenommen werden können". Sämtliche eingelangten Angebote seien zu Beginn der Angebotsöffnung von der Auftraggeberin durch die Umschläge hindurch mit einem Papierbohrer gelocht worden. Bei der Öffnung des Angebots der mitbeteiligten Partei habe sich gezeigt, dass dieses in der oberen Hälfte in einem Teil aufgegangen sei. Die Bindung im unteren Bereich sei intakt gewesen. Es seien keine Blätter aus dem Angebot herausgefallen. Die Bindung des Angebots sei eine standardmäßige gewesen. Erst im Zuge der Angebotsprüfung sei das Angebot weiter aufgegangen.

6 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht, dass unter Zugrundelegung dieser auszugsweise wiedergegebenen Feststellungen davon auszugehen sei, dass das Angebot den Ausschreibungsbestimmungen entsprochen habe. Das Angebot der mitbeteiligten Partei habe keine losen Bestandteile aufgewiesen, sodass auch kein Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht des § 107 Abs. 1 oder 3 BVergG 2006 vorgelegen sei.

7 Die Revision sei mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

8 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision, die zur Zulässigkeit vorbringt, es liege keine Rechtsprechung zu der Frage vor, wie streng die Formvorschriften, die in den Ausschreibungsunterlagen festgelegt würden, einzuhalten seien. Die Formvorschriften im gegenständlichen Vergabeverfahren hätten vorgesehen, dass die Angebote so zu binden seien, dass keine Seiten herausgenommen werden könnten. Diese Formvorschrift habe nicht nur für den Zeitpunkt der Angebotsabgabe, sondern für das gesamte Vergabeverfahren gegolten. Der Rechtsfrage, ob bereits gelöste Blätter den Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen widersprechen würden, komme grundsätzliche Bedeutung zu.

9 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Ausgehend davon hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Auslegung von Ausschreibungsbestimmungen bzw. von Angebotsunterlagen bereits festgehalten, dass eine diesbezüglich in vertretbarer Weise vorgenommene, einzelfallbezogene Auslegung nicht revisibel ist (vgl. VwGH 1.2.2017, Ro 2016/04/0054, mwN).

13 Auch im vorliegenden Fall hängt die Lösung des Falles von der Auslegung der Formvorschriften in den Ausschreibungsunterlagen und von der - aufgrund der fallbezogenen Feststellungen zur Form der eingereichten Angebotsunterlagen zu treffenden - rechtlichen Beurteilung ab, ob das Angebot der mitbeteiligten Partei den Ausschreibungsbedingungen widersprochen habe. Dass diese einzelfallbezogene Beurteilung durch das Verwaltungsgericht in einer unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre, zeigt die Revision nicht auf.

14 Insofern sich die Revisionsausführungen auf das Vorhandensein von losen Blättern beim Angebot der mitbeteiligten Partei bezieht, gehen diese schon deshalb ins Leere, weil sie nicht von den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis ausgehen.

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. September 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018040145.L00

Im RIS seit

21.09.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.01.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten