TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/30 LVwG-2018/25/1825-1

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Veröffentlicht am 30.08.2018
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Entscheidungsdatum

30.08.2018

Index

50/01 Gewerbeordnung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

GewO 1994 §52 Abs2
VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geb **.**.****, wohnhaft Adresse 1, Z, vom 30.07.2018, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.07.2018, Zl ****, betreffend eine Übertretung nach der Gewerbeordnung 1994,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Im bekämpften Straferkenntnis wird Herrn AA angelastet, er habe außerhalb von Betriebsräumen einen Selbstbedienungsbauernladen in X, Adresse 2, betrieben und zumindest am 21.03.2017 um 15.45 Uhr neben Honig und anderen Produkten auch Spirituosen angeboten. Die Spirituosenflaschen seien gegen Einwurf von Bargeld zur Entnahme ausgestellt gewesen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z 15 iVm § 52 Abs 2 GewO 1994 begangen, weshalb gemäß § 367 Z 15 leg cit gegen ihn eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 300,00 (im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) ausgesprochen wurde. Seine Beitragspflicht zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens wurde mit Euro 30,00 bestimmt.

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in der Herr AA im Wesentlichen vorbringt, dass er bis heute keine Antwort erhalten habe, ob er Schwedenbitter oder Propolis-Tinktur in 30 ml Flaschen im Bauernladen anbieten darf. Die Frage, ob ein Bauernladen in dieser Form ein Automat oder diesem gesetzlich gleichgestellt ist, sei nicht geklärt worden. Ein Verkaufsautomat wäre ein Apparat, der nach Münzeinwurf oder nach Einstecken einer Geldkarte, eines Geldscheines oder Ähnlichem selbsttätig etwas ab-, herausgibt oder Dienst- oder Bearbeitungsleistungen erbringt. Ein Bauernladen sei also nicht im Entferntesten mit einem Automaten vergleichbar und unterliege daher keinesfalls dem § 52 Abs 2 GewO 1994. Die ihm angelastete Verwaltungsübertretung sei geringfügig, die Jahresumsätze in seinem Bauernladen aus dem Verkauf von Honig und Schwedenbitter lägen nach den durchgeführten Maßnahmen nachweislich weit unter der ihm vorgeschriebenen Strafe. Er erachte die Bestrafung als unverhältnismäßig hoch, weshalb auch eine Herabsetzung der Strafhöhe beantragt werde.

II.      Sachverhalt:

Am 21.03.2017 um 15.15 Uhr bot AA in X, Adresse 2, direkt an der öffentlichen Straße in einem Selbstbedienungs-Bauernladen neben Honig und anderen Produkten auch Spirituosen an. Die Produkte befanden sich in einer Verkaufsvitrine; Preislisten waren vorhanden sowie eine Vorrichtung zum Einwurf des Geldes. Die verglaste unversperrte Vitrinentüre konnte mittels eines Griffes geöffnet werden und konnten auf diese Art die Waren entnommen werden. Es gab keine Vorrichtung, die die Möglichkeit des Öffnens der Vitrinentüre mit dem Geldeinwurf verknüpfte.

AA besaß jedenfalls zur Tatzeit am Standort Adresse 1, sowie in der weiteren Betriebsstätte in X, Adresse 2, das aufrechte Gewerbe zur Erzeugung von Lebensmitteln (Spirituosen).

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Fall ist folgende Bestimmung der Gewerbeordnung maßgeblich:

§ 52 GewO 1994

(1)  Die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die für die Selbstbedienung durch Kunden bestimmt sind, unterliegt nicht dem § 46 Abs. 1 bis 3, jedoch haben die Gewerbetreibenden die Aufstellung derartiger Automaten außerhalb des Standortes und außerhalb einer gemäß § 46 Abs. 3 geführten Betriebsstätte der Bezirksverwaltungs-behörde vorher anzuzeigen. Die Abgabe von Betriebsstoffen an Kraftfahrer im Betrieb von Zapfstellen gemäß § 157, ausgenommen Stromtankstellen, gilt jedenfalls als Betriebsstätte.

(2)  Der Verkauf von Arzneimitteln sowie Heilbehelfen durch Automaten, ferner der Ausschank und der Verkauf von alkoholischen Getränken außerhalb der Betriebsräume durch Automaten ist verboten.

(3)  Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat, soweit es aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, der Volksgesundheit oder des Jugendschutzes erforderlich ist, mit Verordnung zu bestimmen, dass auch andere als die im Abs. 2 genannten gewerblichen Tätigkeiten nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen mittels Automaten ausgeübt, insbesondere dass bestimmte Waren nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen mittels Automaten verkauft oder verabreicht werden dürfen.

(4)  Soweit dies zum Schutz von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben oder vor den Gefahren des Straßenverkehrs erforderlich ist, kann die Gemeinde durch Verordnung die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten, die erfahrungsgemäß besonders auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige ausgerichtet sind,

1.  im näheren Umkreis von Schulen, die von unmündigen Minderjährigen besucht werden,

2.  bei Aufnahmestellen des öffentlichen Verkehrs, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen auf dem Wege zur oder von der Schule benützt werden,

3.       bei Schulbushaltestellen, die von unmündigen Minderjährigen benützt werden,

4.  auf Plätzen oder in Räumen, die erfahrungsgemäß viel von unmündigen Minderjährigen besucht werden, oder

5.       im näheren Umkreis der in Z 4 angeführten Plätze und Räume untersagen.“

V.       Erwägungen:

§ 52 Abs 1 GewO 1994 regelt die Ausübung nicht konzessionspflichtiger Tätigkeiten durch Automaten, die für die Selbstbedienung des Kunden bestimmt sind. Weiters werden in § 52 Abs 2 GewO auch bestimmte Tätigkeiten von der Automatenregelung ausgeschlossen; dabei handelt es sich im Wesentlichen um Tätigkeiten, die mit Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit oder auch Jugendschutz verbunden sind. Der Verkauf von alkoholischen Getränken außerhalb der Betriebsräume durch Automaten ist demnach verboten. § 52 Abs 1 GewO gilt nur für Gewerbetreibende, die eine dem Betrieb des Automaten entsprechende Gewerbeberechtigung besitzen. Sollte sich herausstellen, dass jemand einen Automaten aufgestellt hat, ohne eine entsprechende Gewerbeberechtigung zu besitzen, dann handelt es sich um eine unbefugte Gewerbeausübung, die gemäß § 366 Abs 1 Z 1 GewO strafbar ist.

§ 52 bezieht sich nur auf Automaten, die dazu bestimmt sind, von den Kunden selbst bedient zu werden.

Zu dem Begriff des „Automaten“ im Sinn des § 52 Abs 1 GewO gehört zumindest eine, wenn auch ganz einfache, durch den Kunden auszulösende technische Einrichtung (zB eine Vorrichtung bzw Mechanik, die die betreffende Ware nach Knopfdruck, nach Münzeinwurf oder dergleichen zur Entnahme freigibt). Ein bloßer Verkaufsständer, auf dem eine einfache Tasche zur Entnahme der zu verkaufenden Ware montiert ist und der Kunde den als Preis zu erlegenden Geldbetrag in die an dem Verkaufsständer angebrachte Kasse einwirft, fällt daher nicht unter den Begriff des Automaten im Sinn des § 52 (vgl Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 52 Rn 9) – Stand 01.10.2017, rdb.at).

Da gegenständliche Verkaufsvitrine über eine unversperrte Türe verfügte und keine wie immer geartete durch den Kunden auszulösende technische Einrichtung vorhanden war, waren die darin zum Verkauf angebotenen Waren zur freien Entnahme erhältlich und handelt es sich bei dieser Verkaufsvitrine um keinen Automaten im Sinn des § 52 Abs 1 GewO 1994. Diese Art des Verkaufes ist einem Selbstbedienungsbetrieb gleichzusetzen. Das Vorhandensein eines Kassiers ist in so einem Fall nicht vorgeschrieben.

Da gegenständliche Verkaufsvorrichtung keinen Automaten im Sinn des § 52 Abs 1 GewO darstellte, kann der Zweck der Verhinderung des Verkaufs von alkoholischen Getränken an Jugendliche nicht über die Regelung des § 52 Abs 2 GewO gehandhabt werden. Es war deshalb der Beschwerde Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Dem Verwaltungsgericht ist dabei jedoch nicht entgangen, dass im gegenständlichen Fall die belangte Behörde die Problematik darin erkannt hat, dass auf diese Art Jugendliche im Widerspruch zu den Bestimmungen des Jugendförderungs- und Jugendschutzgesetzes die Möglichkeit haben, verbotenerweise an gebrannte alkoholische Getränke zu gelangen. Das an der Außenseite der Verkaufsvitrine angebrachte Schild mit der Aufschrift: „Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre ist die Entnahme von Alkohol strengstens verboten“ wird erfahrungsgemäß an diesem entlegenen Standort nicht geeignet sein, Jugendliche von diesem Verhalten abzuhalten. Sollte der belangten Behörde der Nachweis gelingen, dass ein Jugendlicher aus dieser Verkaufsvitrine ein gebranntes alkoholisches Getränk entnommen hat, könnte gegen den Beschuldigten wegen Verstoßes gegen § 114 GewO ermittelt werden.

Ohne dass dem Verwaltungsgericht die genauen örtlichen Umstände bekannt sind, könnte eventuell geprüft werden, ob möglicherweise durch diese Verkaufsvitrine eine unbefugte Gewerbeausübung außerhalb der Betriebsstätte (§ 50 GewO) vorliegt.

Da dies jedoch nicht Gegenstand des bekämpften Straferkenntnisses ist, war dazu nicht näher einzugehen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Automat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.25.1825.1

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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