TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/30 99/18/0394

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Veröffentlicht am 30.11.1999
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des M M, (geboren am 11. August 1960), in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Eichenseder, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Auerspergstraße 2/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. September 1999, Zl. SD 483/99, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 28. September 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 10. März 1990 in das Bundesgebiet gelangt und habe in weiterer Folge Sichtvermerke bis zum 9. Jänner 1994 erteilt erhalten. Einem darauf folgenden Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei rechtskräftig keine Folge gegeben worden. Der diesbezüglich abweisende Berufungsbescheid sei dem damaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nachweislich zugestellt worden. Der Beschwerdeführer habe sich daraufhin an seiner Wohnadresse abgemeldet und - wie er selbst angebe - das Bundesgebiet verlassen. Erst im Jänner 1998 sei der Beschwerdeführer wieder in das Bundesgebiet gelangt, obwohl er zu diesem Zeitpunkt nicht im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels für Österreich gewesen sei. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. Februar 1999 sei er schuldig erkannt worden, in den Jahren 1994 und 1995 Suchtgift in einer großen Menge, nämlich insgesamt etwa 70 Gramm Heroin, in Verkehr gesetzt bzw. an andere Personen verkauft bzw. überlassen zu haben. Deswegen sei er zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden. Bereits zuvor, nämlich mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15. März 1993, sei er wegen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2, § 148 zweiter Fall StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit in erheblichem Ausmaß, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grunde des § 36 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.

Der Beschwerdeführer sei verheiratet und für zwei Kinder sorgepflichtig. Er sei im Bundesgebiet weder aufrecht gemeldet, noch gehe er einer legalen Beschäftigung nach. Angesichts seiner familiären Bindungen sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen gewesen. Dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet eines geregelten Fremdenwesens, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte und der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers lasse seine offenkundige Geringschätzung der für ihn geltenden Rechtsnormen erkennen. Darüber hinaus hafte insbesondere der Suchtgiftkriminalität nicht nur eine besondere Gefährlichkeit, sondern eine überaus hohe Wiederholungsgefahr an. Die vorliegenden Verurteilungen ließen daher eine zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechende "Zukunftsprognose" nicht zu. Es könne sohin kein Zweifel bestehen, dass die gegenständliche Maßnahme zum Schutz der angeführten Rechtsgüter dringend geboten und zulässig iS des § 37 Abs. 1 FrG sei.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Diese erweise sich jedoch angesichts seines (unrechtmäßigen) Aufenthalts seit seiner behaupteten Einreise im Jänner 1998 als keinesfalls ausgeprägt. Die davor liegende Aufenthaltsdauer sei mangels Einheit mit dem jetzigen Aufenthalt nicht zu berücksichtigen. Doch selbst unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer seit 1990 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig wäre, könne die ihm zurechenbare Integration keinesfalls als stark bezeichnet werden. Zum einen ist die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch das mehrfache strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich an Gewicht gemindert, zum anderen verfüge er zumindest seit Jänner 1996 über keinen Aufenthaltstitel mehr. Dem seien die obgenannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen gegenübergestanden. Auch unter Berücksichtigung der zweifelsfrei nicht unerheblichen familiären Bindungen und der Integration der Familienangehörigen des Beschwerdeführers wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf seine Lebenssituation nicht schwerer als das in seinem Gesamt(fehl)verhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes. Darüber hinaus sei auch bei ansonsten völliger Integration eine zu Ungunsten eines Fremden ausfallende Interessenabwägung angesichts der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität nicht rechtswidrig. Im Hinblick darauf könne der Umstand, dass der Beschwerdeführer für seine Kinder unterhaltspflichtig sei, nicht entscheidend zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen. Gleiches gelte für seine Behauptung, er hätte die Möglichkeit, einer Beschäftigung nachzugehen. Die gegenständliche Maßnahme erweise sich daher auch iS des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.

Ein Sachverhalt gemäß § 38 FrG, der die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als unzulässig erscheinen ließe, sei nicht gegeben gewesen.

Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

Der unbefristete Ausspruch dieser Maßnahme sei gerechtfertigt, weil angesichts des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers derzeit nicht abgesehen werden könne, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund, nämlich die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, weggefallen sein werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Rechtsansicht der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und auch die in § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbekämpft. Auf dem Boden der unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen begegnet diese Beurteilung keinem Einwand.

2.1. Die Beschwerde hält indes des angefochtenen Bescheid im Grunde des § 37 FrG für rechtswidrig und vertritt die Meinung, dass die belangte Behörde die Interessenabwägung nicht "ausreichend" vorgenommen habe. Der Beschwerdeführer, der im Jänner 1998 wieder in das Bundesgebiet eingereist sei, habe in Österreich von 1990 bis ins Jahr 1994 als Spengler gearbeitet. Der Grund für die Verweigerung der weiteren Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung sei seine Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Versicherungsbetruges gewesen. Die Tatsache, dass er diesbezüglich nur zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden sei, lasse die Einstellung des Gerichts zur Schwere der ihm vorgeworfenen Tat erkennen, die zu Recht auch nicht zu seiner Ausweisung geführt habe. Des Weiteren spreche für den Beschwerdeführer, dass er ordnungsgemäß das Bundesgebiet verlassen und sich von seinem Wohnort abgemeldet habe. Einzig die Tatsache, dass seine Familie in Österreich verblieben sei, habe ihn dazu verleitet, wieder nach Österreich einzureisen, auch wenn er hiefür keinen gültigen Aufenthaltstitel gehabt habe. Dies müsse unter Abwägung der Tatsachen, dass er sein eigenes Wohl dem seiner Familie hintangestellt habe, positiv berücksichtigt werden. Die für den Beschwerdeführer gestellte negative "Zukunftsprognose" wäre dann korrekt, wenn er rauschgiftsüchtig wäre bzw. gewesen wäre. Aus dem Strafakt ergebe sich jedoch, dass er keine Sucht aufweise und lediglich dreimal gefälligkeitshalber für seinen Bruder, der mit internationalem Haftbefehl gesucht werde, Suchtgift transportiert habe.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf die familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Ehegattin und seinen beiden Kindern zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben iS des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Wenn die belangte Behörde - unter gebührender Beachtung dieser persönlichen Interessen - die maßgeblichen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, am Schutz der Rechte anderer und der Gesundheit sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens für so gewichtig erachtet hat, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei, so kann dieser Wertung, vor allem im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 16. April 1999, Zl. 98/18/0373, mwN), nicht entgegengetreten werden. Diese Notwendigkeit wird im vorliegenden Fall noch dadurch unterstrichen, dass der Beschwerdeführer, obwohl er mit obgenanntem Urteil vom 15. März 1993 zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden war, bereits im folgenden Jahr nach dem Suchtgiftgesetz straffällig wurde, womit er zu erkennen gegeben hat, dass ihn offensichtlich nicht einmal eine strafgerichtliche Verurteilung dazu bewegen kann, in Hinkunft die österreichischen strafrechtlichen Vorschriften einzuhalten. Wenn die Beschwerde vorbringt, dass - wie sich aus dem Strafakt ergebe - der Beschwerdeführer nicht suchtgiftabhängig sei und "lediglich" dreimal gefälligkeitshalber für seinen Bruder Suchtgift transportiert habe, so ist diesem Vorbringen entgegenzuhalten, dass gerade in dem behaupteten Umstand des dreimaligen Suchtgifttransportes, somit in der Mitwirkung an einem Suchtgifthandel, die mit der Suchtgiftkriminalität verbundene besondere Gefahr im vorgenannten Sinn besteht. Die Frage einer Suchtgiftabhängigkeit des Beschwerdeführers ist von daher nur von untergeordneter Bedeutung.

Im Lichte dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Beurteilung als unbedenklich. Die aus den familiären Beziehungen ableitbare Integration des Beschwerdeführers in Österreich hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten (insbesondere durch das von ihm begangene Suchtgiftdelikt) eine ganz erhebliche Minderung erfahren. Abgesehen davon stünde bei Suchtgiftdelikten - wegen deren großer Sozialschädlichkeit - selbst eine ansonsten volle soziale Integration des Fremden der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 1998, Zl. 98/18/0346, mwN). Von daher gesehen hat die belangte Behörde der durch das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkten nachhaltigen Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zutreffend kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation.

3. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen geht die Rüge, die belangte Behörde hätte die Strafakten beischaffen und "diesbezüglich" den Beschwerdeführer genau befragen müssen, der über die Verurteilungen Aufschluss hätte geben können, ins Leere, zumal die Tatbestandsmäßigkeit seines Fehlverhaltens im Sinn der strafrechtlichen Bestimmungen auf Grund seiner unbestritten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung bindend feststeht.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 30. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999180394.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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