TE Lvwg Erkenntnis 2018/7/19 VGW-102/013/9819/2017

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Veröffentlicht am 19.07.2018
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Entscheidungsdatum

19.07.2018

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
41/01 Sicherheitsrecht

Norm

B-VG Art. 130 Abs1 Z2
SPG §16
SPG §38a Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Helm über die Beschwerde des Herrn M. H., vertreten durch Rechtsanwalt, gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Verhängung eines Betretungsverbots für die Wohnung ... samt Umgebung am 11.6.2017 in Wien, gegen die Landespolizeidirektion Wien als belangte Behörde, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 11.1.2018 und am 19.7.2018 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat dem Rechtsträger der belangten Behörde (Bund) € 368,80 für Schriftsatzaufwand, € 57,40 für Vorlageaufwand und € 461,00 für Verhandlungsaufwand, insgesamt sohin € 887,20 an Aufwand an Ersatz, binnen 2 Wochen bei sonstigem Zwang zu leisten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

1. Mit Schriftsatz vom 11.7.2017, zur Post gegeben am selben Tag und sohin rechtzeitig, erhob der Einschreiter durch seinen Rechtsfreund Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG, worin er zum Sachverhalt folgendes vorbringt:

„Der Beschwerdeführer ist seit 2007 mit der (nicht) gefährdeten Partei S. H.-K. verheiratet. Frau H.-K. brachte in die Ehe Kinder aus einer früheren Ehe ein. Der Beschwerdeführer und Frau H.-K. führten grundsätzlich eine glückliche Ehe, jedoch kam es schon kurz nach der Hochzeit zu einer rechtswidrigen Wegweisung, welche das belangte Organ rechtsirrig als Begründung heranzog, der Beschwerdeführer sei notorisch gefährlich. Bereits damals „hängte“ die (nicht) gefährdete Partei dem Beschwerdeführer aufgrund erfundener Vorwürfe ein Strafverfahren an. Erst im Rahmen des Strafverfahrens gestand Frau H.-K., dass sie jene Vorwürfe frei erfunden hatte, weshalb der Beschwerdeführer aus diesem Grunde frei gesprochen wurde!

Weiters trübten, um es mehr als vorsichtig auszudrücken, die nicht gemeinsamen Kinder — insbesondere C. Ka. — der (nicht) gefährdeten Partei das familiäre Klima. Der Beschwerdeführer sieht sich frecher Antworten der Kinder ausgesetzt, wenn er diese bittet, in seiner Wohnung ein Mindestmaß an Ordnung zu halten. Weiters rauchen diese — trotz mehrfacher Bitte seitens des Beschwerdeführers dies zu unterlassen — in der Wohnung. Erschwert wird das Zusammenleben durch die Tatsache, dass Frau H.-K. nicht nur nicht ihrem Ehegatten bzw. dem Beschwerdeführer in solchen Situationen zur Seite steht, sondern auch noch die Kinder trotz deren offensichtlich feindseeligen Verhaltens in Schutz nimmt. Der Beschwerdeführer fühlt sich daher nachvollziehbarerweise im Stich gelassen.

Zuletzt ereignete sich folgende Situation: im Zuge einer (auf den ersten Anschein hin reinen Routine-) Kontrolle durch die Waffenbehörde, ob der Beschwerdeführer seine einzige Waffe (Glock 19) ordentlich verwahre, musste dieser feststellen, dass sich die Waffe nicht mehr in dessen Safe befand. Die kontrollierenden Polizisten teilten dem Beschwerdeführer daraufhin mit, dass diese im Zuge einer Wohnungsdurchsuchung eines Drogendealers auf die Waffe des Beschwerdeführers stießen. Jener Drogendealer erklärte dem Polizisten, dass ihm ein gewisser C. Ka. die Waffe verkauft habe.

Der Sohn (C. Ka.) der (nicht) gefährdeten Partei hatte somit die Waffe des Beschwerdeführers heimlich, während der Beschwerdeführer schlief, aus dem Safe gestohlen und anschließend an jenen Drogendealer verkauft, weshalb gegen C. ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls eröffnet wurde. Trotz der Tatsache, dass C. aufgrund dieses strafrechtswidrigen Diebstahls seinen Stiefvater bzw. den Beschwerdeführer einem Waffenpassentzugsverfahren aussetzte, ergriff die (nicht) gefährdete Partei für ihren Sohn Partei und forderte den Beschwerdeführer darüber hinaus auch noch auf, er möge der Polizei wahrheitswidrig mitteilen, dass C. die Waffe gar nicht gestohlen habe. Da sich der Beschwerdeführer zu Recht weigerte eine falsche Zeugenaussage zu liefern, nahm ihm dies die (nicht) gefährdete Partei übel und machte diesem daraufhin „die Hölle heiß“ und bezichtigte diesen nunmehr erneut tatsachenwidrigerweise einer gefährlichen Drohung, worauf noch an anderer Stelle näher einzugehen sein wird. Es sei in diesem Zusammenhang jedoch noch darauf hingewiesen, dass C. bereits aufgrund des Diebstahls rechtskräftig verurteilt wurde.

Am 11.06.2017 entfachte zusätzlich zur bereits aufgrund des Diebstahles ohnehin angespannten Situation im Zuge einer Autofahrt zwischen dem Beschwerdeführer und der (nicht) gefährdeten Partei aufgrund des anderen nicht gemeinsamen Sohnes, P. K., ein weiterer Streit. P. K. brachte einen seiner Hunde — ohne den Beschwerdeführer um Erlaubnis zu fragen — zur (nicht) gefährdeten Partei, damit sich diese um ihn kümmert. In Wahrheit vereinbarte die (nicht) gefährdete Partei mit ihrem Sohn, P. K., dass der Hund permanent in der Wohnung des Beschwerdeführers bleiben solle, da sich die Tochter der (nicht) gefährdeten Partei immer einen eigenen Hund wünschte, obwohl der (nicht) gefährdeten Partei bewusst war, dass sich der Hund P.s überhaupt nicht mit dem Hund des Beschwerdeführers verträgt und es deshalb immer wieder zu Kon?ikten kam. Es sei in diesem Zusammenhang auch angemerkt, dass auch gegen P. K. mehrere Strafverfahren — wegen Betruges — anhängig sind.

Aufgrund dieser Überrumpelung kam es am 11.06.2017 im Zuge der Autofahrt zu besagtem Streit. Es kann jedoch keine Rede davon sein, der Beschwerdeführer habe gedroht den Hund zu erschießen, die (nicht) gefährdete Partei beschimpft bzw. dieser gedroht, sie zu schlagen, bis sie am Boden liege. Der Beschwerdeführer hat sich lediglich lauthals geärgert, dass erneut über seinen Kopf hinweg entschieden wurde (den Hund P.s zu behalten), die (nicht) gefährdete Partei die Interessen des Beschwerdeführers hiebei nicht einmal ansatzweise berücksichtigte und diesen somit erneut im Stich ließ.

Im Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich darüber hinaus — wie bereits erörtert — aufgrund des anderen Sohnes der (nicht) gefährdeten Partei einem Waffenpassentzugsverfahren ausgesetzt sieht und Frau H.-K. dem Beschwerdeführer auch in dieser Hinsicht keinerlei Unterstützung bietet, ist dessen Unmut in jeglicher Hinsicht nachvollziehbar. Dieser äußerte sich jedoch lediglich in Form eines lauteren Streites, der jedoch keine Drohungen zum Inhalte hatte.

Da der Beschwerdeführer hinsichtlich des Strafverfahrens des nicht gemeinsamen Sohnes C. keine Falschaussage lieferte und nunmehr der (nicht) gefährdeten Partei auch mitteilte, dass er keinesfalls den Hund des Sohnes P.s behalten werde, sah sich die (nicht) gefährdete Partei offenbar dazu angehalten, den Beschwerdeführer erneut rechtswidrigerweise fälschlich einer Straftat zu bezichtigen, um eine Wegweisung zu erwirken. Das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer wurde jedoch bereits eingestellt.“

In rechtlicher Hinsicht wird vorgebacht, es seien in dem konkreten Fall lediglich Verdächtigungen vorgelegen, die in keiner Weise objektiviert worden seien. Dies entspreche nicht den bestimmten Tatsachen im Sinne des § 38a SPG, auf welche die Beförderungsprognose zu stützen sei. So führe Bez. Insp. Sc. in ihrem Bericht unter anderem als Hinweis auf eine angebliche Gefährlichkeit des Beschwerdeführers die (vom Beschwerdeführer für rechtswidrig erachtete) Wegweisung des Jahres 2007 an. Hätte sie diesen Akt jedoch tatsächlich zur Gänze studiert, so wäre sie zwangsläufig zur Erkenntnis gelangt, dass der Beschwerdeführer einerseits von jenen Vorwürfen rechtskräftig freigesprochen worden sei und andererseits, dass es sich bei sämtlichen Vorwürfen um freie Erfindungen seitens der (nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht) gefährdeten Partei handle. Diese habe im Rahmen des damaligen Strafverfahrens ein Schreiben an die erkennende Richterin verfasst, welches dem angeführten Akt beiliege, und in welchem sie zugegeben habe, sämtliche Anschuldigungen frei erfunden zu haben.

Zudem sei der Vorwurf des angeblichen schnellen Stimmungswechsels in keinerlei Weise objektiviert worden und entbehre jeglicher Grundlage, zumal Bez. Insp. Sc. im Rahmen ihres Berichtes ausgeführt habe, sie habe den Beschwerdeführer als kooperativ, nicht aggressiv, jedoch nervös wahrgenommen. Auch der Jahre zurückliegende Gebrauch von Antidepressiva oder die bevorstehende Scheidung können nicht als die Gefährlichkeit nahelegende Merkmale gedeutet werden.

Der Beschwerdeführer beantragt daher, den angefochtenen Verwaltungsakt kostenpflichtig für rechtswidrig zu erklären.

Der Beschwerde liegt eine Erklärung vom 17.3.2008 „betreffend Waffenverbot gegen meinen Mann M. H.“ vor, gerichtet an das Administrationsbüro Wien, ..., in der die Gattin des Beschwerdeführers die zweieinhalb Monate zuvor getroffenen Aussagen als jede Grundlage entbehrend zurückzieht; ferner eine Benachrichtigung von der Verfahrenseinstellung wegen § 107 Abs. 1 StGB und der Polizeibericht vom 11.6.2017.

2. Mit Schriftsatz vom 18.9.2017 legte die belangte Behörde den von ihrem Polizeikommissariat ... zu AZ: ... geführten Verwaltungsakt in Ablichtung vor und gab bekannt, dass das Original am 12.6.2017 der Staatsanwaltschaft Wien übermittelt worden sei. Zur Abrundung der Information wurde eine Ablichtung des Akts betreffend Verhängung eines Betretungsverbots zu einem früheren Zeitpunkt, AZ: ... des PK ... übermittelt.

2.1. Unter einem erstattete die belangte Behörde zu ihrer GZ: ... eine Gegenschrift, worin sie zum Sachverhalt auf den Amtsvermerk der Polizeiinspektion ... vom 11.6.2017 verweist. Aus diesem ergibt sich im Wesentlichen, dass Frau H.-K. am 11.6.2017 um 9:30 Uhr in die dortige Polizeiinspektion gekommen sei und angegeben habe, von ihrem Mann an diesem Tag bedroht worden zu sein. Der Beschwerdeführer habe während eines Streites zu ihr gesagt, dass er den Hund ihres Sohnes erschießen würde. Außerdem habe er damit gedroht, die Gattin zu schlagen, bis sie am Boden liege. Sie habe Angst, dass er seine Drohung auch verwirklichen werde, da er „zwei Gesichter“ habe und äußerst schnell die Nerven verliere. Er sei Jäger und habe auch Zugang zu Waffen. Während sich die Beamten in Begleitung der WEGA zur Wohnung begeben haben, sei der Beschwerdeführer vor der Polizeiinspektion angetroffen worden. Er sei vorerst zum Sachverhalt befragt worden und sodann sei eine sofortige Vernehmung durchgeführt worden. Er habe angegeben, seine Frau nie angerührt zu haben und die Drohungen seien erfunden. Sodann haben sie sich im Beisein des Beschwerdeführers mit WEGA-Begleitung zur Wohnung begeben und dabei festgestellt, dass eine auf den Beschwerdeführer ausgewiesene Pistole nicht mehr in seinem Besitz sei.

Um 11:00 Uhr sei unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Gattin äußerst verängstigt und weinerlich in die Polizeiinspektion gekommen sei und angegeben habe, dass ihr Mann äußerst schnell die Nerven verliere, möglicherweise eine Scheidung bevorstehe und es bereits vor einigen Jahren zu einer gefährlichen Drohung gekommen sei, ein Betretungsverbot ausgesprochen worden.

In rechtlicher Hinsicht verweist die belangte Behörde auf § 38a Abs. 1 SPG. Wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung ergebe, habe der Beschwerdeführer seine Gattin laut ihren Angaben nicht nur mit dem Erschießen des Hundes, sondern auch mit dem Versetzen von Schlägen, bis sie am Boden liege, gedroht. Aus dem Gesetz ergebe sich, dass als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 38a Abs. 1 SPG sogar unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffs gelegene Handlungen eines Gefährders anzusehen seien. Umso mehr stelle ein bereits erfolgter gefährlicher Angriff, von dem die Beamten im vorliegenden Fall haben ausgehen müssen (gefährliche Drohung), eine bestimmte Tatsache dar. Solche bestimmte Tatsachen ermächtigen die Sicherheitsorgane in Verbindung mit einer positiven Gefährlichkeitsprognose zur Verhängung eines Betretungsverbots. Dass der Beschwerdeführer nach den glaubhaften Angaben der Gefährdeten dieser massiv Gewalt angedroht hatte, sei schließlich ausschlaggebend für die Gefährlichkeitsprognose durch die Exekutivbeamten gewesen. Die belangte Behörde beantragt daher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

3. Am 11.1.2018 fand die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, zu der der Beschwerdeführer wegen Heilbehandlung nicht erschienen ist, aber durch Herrn Mag. Dr. Sch. vertreten war. Ladungsgemäß erschienen sind die Zeuginnen H.-K., die sich der Aussage entschlug, Rev. Insp. L. und Bez. Insp. Sc. sowie der Zeuge Insp. Ma.. Zur Einvernahme des Beschwerdeführers wurde die Verhandlung vertagt und erst nach Mitteilung dessen Rechtsvertreters, dass sein Mandant verhandlungsfähig sei, am 19.7.2018 fortgesetzt. Im Anschluss daran wurde das Erkenntnis verkündet.

3.1. Aufgrund des Akteninhaltes und der vorgelegten Unterlagen, Einvernahme der genannten Zeugen und Parteienvernehmung hat das Verwaltungsgericht Wien folgenden Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:

Nach einem Streit während einer Autofahrt und der Rückkehr in die eheliche Wohnung am Morgen des 11.6.2017 verließ die Gattin des Beschwerdeführers das Haus, und er selbst begab sich kurz geschäftlich in die Nähe der Wohnung. Als er zurückkam, sah er in der ... WEGA-Beamte aufgestellt. Da ihn seine Frau schon vor einigen Jahren wegen gefährlicher Drohung angezeigt hatte, und es zuvor heftigen Streit gegeben hatte, nahm der Beschwerdeführer an, die Beamten könnten seinetwegen da sein, und sprach sie darauf an. Die Beamten bestätigten ihm, dass sie seinetwegen gekommen seien, und die dort anwesende Beamtin Bez. Insp Sc. gab ihm zusammengefasst die Vorwürfe seiner Gattin bekannt, wie sie ihr von ihrer Kollegin L. – welche die Gattin angehört hatte – mitgeteilt worden waren. Demnach habe der Beschwerdeführer gedroht, den Hund des Sohnes der Gattin zu erschießen, habe ferner gedroht, sie so zu schlagen, dass sie nicht mehr aufstehen könne, und er habe sie schon früher einmal in ähnlicher Weise bedroht, weshalb ein Betretungsverbot verhängt worden sei.

Der Beschwerdeführer bestätigte gegenüber der Beamtin, dass schon früher einmal ein Betretungsverbot verhängt worden sei, gab aber an, dass er seine Frau nie angerührt habe und auch die Drohungen erfunden seien. Er versuchte die Sachlage so darzustellen, dass seine Frau „schon wieder durchgedreht“ habe.

Da sich zwischenzeitlich ergeben hatte, dass der Beschwerdeführer in Besitz nicht nur eines Waffenpasses, sondern auch einer Pistole sei, hielten die Beamten Sc. und Ma. gemeinsam mit ihm und in Begleitung von WEGA-Beamten Nachschau in der Wohnung, wo die Glock nicht vorgefunden werden konnte. Seine zunächst unglaubwürdig klingenden Angaben, wonach sein Stiefsohn ihm diese entwendet habe, konnten erst nach etlichen Telefonaten verifiziert werden; die Munition und der Waffenpass wurden sichergestellt.

Aufgrund der von ihrer Kollegin L. zuvor mitgeteilten Angaben der Ehegattin und der vorangegangenen Befragung des Beschwerdeführers verhängten die Beamten noch in der Wohnung ein Betretungsverbot und eine Wegweisung.

Festgestellt wird weiters, dass bereits Jahre zuvor gegen den Beschwerdeführer aufgrund der Angaben seiner Gattin ein Betretungsverbot verhängt worden war. Zweieinhalb Monate später hat die Gattin vor dem Administrationsbüro der belangten Behörde in der Wasagasse, welches für Waffenrecht zuständig war, ihre seinerzeitigen Angaben zurückgenommen, um dem Beschwerdeführer weiterhin die Jagd und den Umgang zu Waffen zu ermöglichen. Festgestellt wird weiters, dass nach der Organisation der belangten Behörde solche Schreiben aus dem fachspezifischen Bereich nicht hinaus gelangen und daher insbesondere nicht für kriminalpolizeiliche Verhängung von Betretungsverboten zugänglich sind. Letztlich wurde als amtsbekannt festgestellt, dass misshandelte, bedrohte oder gefährdete Ehepartner – vorwiegend Frauen – häufig nach einschlägigen Anzeigen ihre Angaben wieder zurückziehen, um ihrem Partner, bei dem sie verbleiben wollen, keine weiteren Schwierigkeiten zu machen. Dies ist auch den in solchen Fällen einschreitenden Polizisten in der Regel bestens bekannt. Aus derartigen Zurückziehungen von Angaben können keine verlässlichen Schlüsse auf das tatsächliche Geschehen gezogen werden.

3.2. Diese Feststellungen gründen sich auf folgende Beweisergebnisse:

Wie sich aus der nachvollziehbaren Darstellung der Zeugin L. ergibt, hat sich die in Begleitung ihrer Mutter auf der Polizeiinspektion erschienene Ehegattin des Beschwerdeführers in verängstigtem Zustand befunden und persönlich auf sie glaubwürdig gewirkt. Sie hat auch erwähnt, dass ihr Mann manchmal sehr schnell die Nerven verliere und für diese Zustände dann Pulver nehmen müsse. Damit übereinstimmend hat die Leiterin der Amtshandlung, Bez. Insp. Sc., welche von ihrer Kollegin L. bereits über die Angaben der Ehegattin informiert worden war, von den beiden in der Wohnung des Beschwerdeführers angetroffenen Töchtern die Mitteilung erhalten, dass die Stimmungen des Beschwerdeführers rasch ins Bedrohliche umschlagen. Nach ihrer Aussage und der damit übereinstimmenden Aussage des Zeugen Insp. Ma. wurde der Beschwerdeführer zumindest grob über die Angaben seiner Gattin informiert und erhielt dann Gelegenheit, den Hergang aus seiner Sicht zu schildern. Er selbst stellte dies zwar zunächst in Abrede, musste aber bei eingehender Befragung und Vorhalt des Amtsvermerks vom 11.6.2017 stückweise einräumen, doch das eine oder andere dazu gesagt zu haben. Letztlich verfestigte sich der Eindruck, dass er die Gelegenheit, den Vorfall aus seiner Sicht zu schildern, vor allem insofern wahrgenommen hat, indem er versucht hat, das Ganze herunterzuspielen und seine Frau als „durchgedreht“ hinzustellen, was naturgemäß keinen sehr überzeugenden Eindruck auf die einschreitenden Beamten machen konnte. Letztlich ergibt sich auch aus dem Amtsvermerk vom 11.6.2018 eine Chronologie derart, dass zunächst die Gattin des Beschwerdeführers von Frau Rev. Insp. L. angehört worden ist, diese daraufhin mit Frau Bez. Insp. Sc. telefoniert hat, welche dann gemeinsam mit Insp. Ma. den Beschwerdeführer vor der Polizeiinspektion ... angetroffen hat. Auch laut Amtsvermerk wurde der Beschwerdeführer vorerst zum Sachverhalt befragt und sind seine Angaben im Groben in der Folge wiedergegeben. Erst danach seien um 11:00 Uhr das Betretungsverbot und die Wegweisung ausgesprochen worden. Da diesen sowohl schriftlich als im Zeugenstand getätigten Angaben mehr Glaubwürdigkeit zuzumessen ist, als der Bestreitung des Beschwerdeführers, ergibt sich daraus die Feststellung, dass der Beschwerdeführer – wenngleich in knapper Form – über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe informiert worden ist und Gelegenheit erhalten hat, seine Version des Herganges gegenüber den einschreitenden Beamten darzustellen. Dass seine förmliche Einvernahme als Beschuldigter erst nach der Verhängung des Betretungsverbotes erfolgt ist, ergibt sich aus der Datierung des Einvernahmeprotokolls, ist aber in rechtlicher Hinsicht irrelevant.

3.3. in rechtlicher Hinsicht wurde erwogen:

Gemäß § 38a Abs. 1 SPG hat sich die für die Verhängung eines Betretungsverbots maßgebliche Gefährdungsprognose auf bestimmte Tatsachen zu stützen, wobei demonstrativ ein vorangegangener gefährlicher Angriff genannt wird. Diese Tatsachen müssen die Annahme rechtfertigen, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit der mutmaßlich gefährdeten Person bevorstehe. Die von der Gattin des Beschwerdeführers getätigte Aussage, er habe sie bedroht, sie niederzuschlagen, bis sie nicht mehr aufstehen könne, stellt zweifellos eine bestimmte Tatsache dar und ist auch als gefährliche Drohung im Sinne des § 107 StGB und zumindest als gefährlicher Angriff zu werten. Im Hinblick auf die festgestellten Umstände war die Beurteilung dieser von der Ehegattin geäußerten Tatsache als glaubwürdig durch die Beamtin L. und in der Folge die Beamtin Sc. vertretbar und hatte daher zur Verhängung eines Betretungsverbotes zu führen (anzumerken ist hierzu, dass die Beschwerde nur das Betretungsverbot thematisiert, formal aber auch eine Wegweisung ausgesprochen wurde, weil sich zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Beschwerdeführer in seiner Wohnung befunden hat. Abgesehen von dieser letzten Voraussetzung sind die rechtlichen Voraussetzungen für beides jedoch die gleichen).

Was das vor Jahren, ebenfalls aufgrund der Angaben der Ehegattin, gegen den Beschwerdeführer verhängte Betretungsverbot betrifft, so kann schon einmal dessen Rechtswidrigkeit - anders als der Beschwerdeführer insinuiert – nicht als erwiesen gelten, wurde es doch keiner rechtlichen Überprüfung durch den damals zuständigen unabhängigen Verwaltungssenat unterzogen. Da eine nachträgliche Rückziehung ihrer Aussagen durch die mutmaßlich gefährdete Ehegattin nichts Verwertbares über die Richtigkeit der ursprünglich getätigten Angaben aussagt, weil zahlreiche andere Motive dafür maßgeblich sein können, hätten die Beamten auch bei Kenntnis dieses Verlaufs nicht davon ausgehen können, dass das damals verhängte Betretungsverbot inhaltlich zu Unrecht erlassen worden wäre. Abgesehen davon erscheint es dem Verwaltungsgericht Wien rechtlich für die belangte Behörde nicht geboten, derartige Schreiben mit der Zurückziehung von Vorwürfen über den fachspezifischen Bereich hinaus bekannt zu machen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 35 VwGVG iVm der VWG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013.

5. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Betretungsverbot; Wegweisung; Sicherungsmaßnahme; Gefährdungsprognose; bevorstehender gefährlicher Angriff; Präventivcharakter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.102.013.9819.2017

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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