TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/14 99/11/0041

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Veröffentlicht am 14.12.1999
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Index

L92106 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Steiermark;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §123 Abs1;
ASVG §123 Abs2 Z2;
BehindertenG Stmk 1964 §1 Abs5 litc;
BehindertenG Stmk 1964 §4 lita;
BehindertenG Stmk 1964 §4 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der A (geboren am 21. Juli 1982), vertreten durch ihren Vater P, dieser vertreten durch Dr. Gisela Possnig-Fuchs, Rechtsanwältin in Weiz, Kernstockstraße 1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 16. Dezember 1998, Zl. 9-26-172/98-4, betreffend Behindertenhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im Juli 1982 geborene Beschwerdeführerin leidet an Trisomie 18 (Edwards-Syndrom), einer Anomalie der Chromosomenzahl, die mit schweren Beeinträchtigungen der geistigen und körperlichen Entwicklung verbunden ist.

Mit Antrag vom 1. Februar 1995 begehrte die Beschwerdeführerin (vertreten durch ihren Vater) Hilfe nach dem (Steiermärkischen) Behindertengesetz, LGBl. Nr. 316/1964, insbesondere Eingliederungshilfe nach diesem Gesetz. Sie war ab Jänner 1995 stationär in der neuropsychiatrischen Kinderabteilung des Landessonderkrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie Graz untergebracht. Der Vorstand dieser Abteilung (Prim. Dr. F.) bestätigte am 6. Februar 1995, dass ein Weiterverbleib der Beschwerdeführerin zwecks Therapie geplant sei.

Der Amtsarzt der Erstbehörde vertrat in seinem "Vorgutachten" vom 11. April 1995 die Auffassung, dass aufgrund des klinischen Zustandsbildes die Eingliederungshilfe ärztlicherseits zu befürworten sei.

Das nach § 41 Abs. 4 Behindertengesetz von der Erstbehörde über die zu gewährende Hilfe einzuholende Gutachten eines Sachverständigenteams vom 8. Juni 1995 kam zu dem Ergebnis, dass bei der Beschwerdeführerin eine Behinderung im Sinne des Behindertengesetzes vorliege. Die Beschwerdeführerin sei stationär untergebracht und werde dort verbleiben. Da die Kosten derzeit noch von der zuständigen Krankenkasse übernommen würden, werde der Antrag vorläufig zurückgestellt bzw. zu einem späteren Zeitpunkt ohne Teamsitzung über konkrete Hilfeleistungen entschieden.

Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse vertrat in ihrem Schreiben vom 27. Juni 1996 gegenüber dem Vater der Beschwerdeführerin die Auffassung, die Anstaltspflege sei nicht durch die notwendige ärztliche Behandlung bedingt. Es handle sich um einen Asylierungsfall, weshalb sie ab 21. Juli 1996 Pflegegebühren nicht mehr zur Zahlung übernehme.

Mit Schreiben an die Erstbehörde vom 2. Juli 1996 ersuchte der Vater der Beschwerdeführerin um Erledigung des Antrages auf Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem Behindertengesetz. In einer der Erstbehörde von der genannten Krankenanstalt mit Schreiben vom 15. Juli 1996 übermittelten Pflegeheimanzeige erklärte der Vater der Beschwerdeführerin sein Einverständnis mit der Verlegung der Beschwerdeführerin in ein Pflegeheim.

Nach einer am 9. September 1996 am Gemeindeamt S. mit dem Vater der Beschwerdeführerin aufgenommenen Niederschrift beantragte dieser für die Beschwerdeführerin die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gemäß § 7 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes in Form der Übernahme der Pflegekosten in der oben genannten Krankenanstalt.

Mit Bescheid der Erstbehörde vom 22. April 1997 wurde der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 4, 7 und 13 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes gewährt. Im Rahmen dieser Hilfe wurden gemäß § 33 Abs. 1 leg. cit. die durch Ersatz- oder Beitragsleistungen nicht gedeckten Pflegegebühren vom Sozialhilfeverband der Erstbehörde übernommen.

Anlässlich einer Vorsprache bei der Erstbehörde vom 16. Jänner 1998 ersuchte der Vater der Beschwerdeführerin, den seinerzeitigen Antrag auf Eingliederungshilfe nach dem Behindertengesetz zu bearbeiten bzw. das Verfahren fortzusetzen, weil er nicht bereit sei, den vorgeschriebenen Aufwandersatz nach dem Sozialhilfegesetz zu leisten.

Im Schreiben vom 22. Jänner 1998 an die Erstbehörde nahmen die Eltern der Beschwerdeführerin auf die Vorsprache vom 16. Jänner 1998 Bezug und beantragten erneut Eingliederungshilfe nach dem Steiermärkischen Behindertengesetz.

Auf eine Anfrage der Erstbehörde teilte die genannte Krankenanstalt mit Schreiben vom 12. März 1998 mit, dass sich die Beschwerdeführerin in stationärer Behandlung befinde. Ihre Ernährung erfolge mittels Gastrostomaschlauch. Wegen rezidivierender Harnwegsinfekte sei eine antibiotische Dauertherapie erforderlich. In der Fördergruppe werde vorwiegend basale Stimulation durchgeführt. Die Beschwerdeführerin sei schwerst behindert; von einer weiteren Unterbringung im genannten Krankenhaus sei keine weitere erhebliche Besserung mehr zu erwarten. Die Unterbringung in einer anderen Einrichtung werde ärztlicherseits befürwortet. Mittel und Einrichtungen für die Beschäftigungstherapie würden in der Krankenanstalt nicht zur Verfügung gestellt.

Mit Bescheid vom 9. April 1998 wies die Erstbehörde den Antrag vom 1. Februar 1995 auf Eingliederungshilfe nach dem Behindertengesetz gemäß den §§ 3, 4 und 5 dieses Gesetzes ab. In der Begründung dieses Bescheides vertrat die Erstbehörde die Auffassung, im Hinblick auf die Stellungnahme der genannten Krankenanstalt vom 12. März 1998 seien die Voraussetzungen für die Hilfe zur Heilbehandlung gemäß § 5 Behindertengesetz nicht gegeben, weshalb der Antrag abzuweisen gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine Hilfeleistung im Rahmen der Beschäftigungstherapie seien gleichfalls nicht gegeben, weil diese in der genannten Krankenanstalt nicht zur Verfügung gestellt würde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin (vertreten durch ihren Vater) Berufung, in der ausgeführt wurde, die Voraussetzungen für die Hilfe zur Heilbehandlung seien gegeben, weil eine Linderung des vorhandenen Leidens möglich sei. Die Linderung der Leiden sei auch durch Beschäftigungstherapie möglich.

Die belangte Behörde holte ein ärztliches Sachverständigengutachten ein, in dem nach Hinweis auf die Art der Krankheit und die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin ausgeführt wird, bei ihr komme es regelmäßig zu Soorinfektionen, Irritationen im Harnwegsbereich, Verschleimungen der Atemwege, morgendlichem Erbrechen, Schlaflosigkeit und nächtlicher Unruhe. Ständige urologische Kontrollen bzw. auch Kontrollen des HNO-Bereiches würden durchgeführt. Laut Auskunft einer Ärztin des Krankenhauses hätten bei der Beschwerdeführerin Physiotherapie, basale Stimulation, in letzter Zeit auch heilpädagogische Therapie stattgefunden. Zusammenfassend wird in diesem Gutachten festgehalten, dass in den Jahren 1995 bis 1998 an der Beschwerdeführerin überwiegend Betreuungs- und Pflegeleistungen erbracht worden seien. Die symptomatisch-konservativen medizinischen Behandlungen, die aufgrund des Krankheitsbildes notwendig gewesen seien, seien durchgeführt worden. Durch die beschriebenen therapeutischen Interventionen der letzten Jahre sei es auch nicht zu einer erheblichen Besserung des Leidens oder Gebrechens gekommen. Die ärztlichen und therapeutischen Interventionen seien eher dazu angetan, eine Stabilisierung der Befindlichkeit der Beschwerdeführerin zu gewährleisten bzw. einer Verschlechterung des Zustandes vorzubeugen.

In ihrer Stellungnahme zu diesem Gutachten vertrat die Beschwerdeführerin (vertreten durch ihren Vater) die Auffassung, es sei eine erhebliche Besserung des Leidens eingetreten. Der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin habe sich während ihres Aufenthaltes in der genannten Krankenanstalt wesentlich gebessert. Ihr Körpergewicht habe sich verdoppelt; sie habe auch Fähigkeiten entwickelt, die sie zuvor nicht gehabt habe.

In einer von der belangten Behörde dazu eingeholten Stellungnahme vom 14. Oktober 1998 vertrat der Sachverständige die Auffassung, bei Wegfall verschiedener therapeutischer Maßnahmen, insbesondere physiotherapeutischer Interventionen zur Bewegung einzelner Gelenke, würde es zu einem Rückschritt in den Fähigkeiten und Fertigkeiten der Beschwerdeführerin kommen. Eine erhebliche Besserung des Leidens sei durch diese Maßnahmen nicht eingetreten und auch von ärztlicher Seite nicht zu erwarten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge und führte begründend im Wesentlichen aus, mit dem Bescheid der Erstbehörde vom 22. April 1997, mit dem die Kosten der Unterbringung der Beschwerdeführerin aus Mitteln der Sozialhilfe gewährt worden seien, sei auch über den ursprünglichen Antrag auf Bezahlung der Unterbringungskosten nach dem Behindertengesetz abgesprochen worden. Schon deshalb wäre der Antrag des Vaters der Beschwerdeführerin vom 22. Jänner 1998 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen. Aus dem ärztlichen Gutachten ergebe sich zudem, dass in der Krankenanstalt vorwiegend pflegerische Leistungen erbracht worden seien. Die Krankenanstalt stelle auch keine Einrichtung der Behindertenhilfe dar und könne daher weder das entsprechende Personal noch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Rechtsvorschriften des (Steiermärkischen) Behindertengesetzes, LGBl. Nr. 316/1964 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung, haben folgenden Inhalt:

"§ 1.

Allgemeines.

(1) Behinderten ist nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes Hilfe zu leisten.

(2) Als Behinderte im Sinne dieses Gesetzes gelten Personen, die infolge eines angeborenen oder erworbenen Leidens oder Gebrechens (Abs. 4) in der Möglichkeit

a) eine dem Leiden oder Gebrechen angemessene Erziehung, Schulbildung oder Berufsausbildung zu erhalten oder

b) eine ihnen aufgrund ihrer Schul- und Berufsausbildung sowie ihres Leidens oder Gebrechens zumutbare Beschäftigung zu erlangen oder beizubehalten oder

c) eine ihrem Leiden oder Gebrechen angemessene Eingliederung in die Gesellschaft zu erreichen, dauernd wesentlich beeinträchtigt sind oder bei Nichteinsetzen von Maßnahmen nach diesem Gesetz dauernd wesentlich beeinträchtigt bleiben würden.

(3) Behinderten gleichgestellt sind Personen, bei denen eine solche Beeinträchtigung nach den Erkenntnissen der Wissenschaft in absehbarer Zeit eintreten wird, insbesondere Kleinkinder.

(4) Als Leiden oder Gebrechen im Sinne dieses Gesetzes gelten alle organischen und psychischen Leiden oder Gebrechen, soweit sie nicht vorwiegend altersbedingt sind, sowie Anfallskrankheiten und Süchte.

(5) Voraussetzung für die Hilfeleistung ist, dass der Behinderte

a) die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Begünstigter ist,

b) in einer Gemeinde des Landes Steiermark seinen Hauptwohnsitz oder im Falle der Minderjährigkeit mangels eines solchen im Inland den Aufenthalt im Land Steiermark hat und

c) keine Ansprüche auf gleichartige oder ähnliche Leistungen nach einem anderen Gesetz oder sonstigen Bestimmungen gegenüber einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes, ausgenommen nach den Bestimmungen über die Sozialhilfe, geltend machen kann.

§ 2.

Arten der Hilfeleistung

(1) Als Hilfeleistung für einen Behinderten kommen in Betracht:

a) Eingliederungshilfe,

b)

geschützte Arbeit,

c)

Beschäftigungstherapie,

d)

persönliche Hilfe,

e)

Mietzinsbeihilfe.

(2) Dem Behinderten steht ein Anspruch auf eine bestimmte Art der im Abs. 1 lit. a bis e genannten Hilfeleistungen nicht zu.

Abschnitt II.

Eingliederungshilfe.

§ 3.

Zweck der Eingliederungshilfe

(1) Zweck der Eingliederungshilfe ist es, den Behinderten durch die im § 4 angeführten Maßnahmen zu befähigen, in die Gesellschaft und das Erwerbsleben eingegliedert zu werden oder seine Stellung in der Gesellschaft und im Erwerbsleben zu erleichtern und zu festigen.

(2) Wenn jedoch eine Eingliederung in das Erwerbsleben nicht oder nicht mehr möglich ist, so ist in Härtefällen Eingliederungshilfe gemäß § 4 lit. a und b zu gewähren.

§ 4.

Maßnahmen der Eingliederungshilfe

Im Rahmen der Eingliederungshilfe werden je nach den Bedürfnissen des einzelnen Falles gewährt:

a) Hilfe zur Heilbehandlung,

b) Hilfe zur Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen Behelfen und anderen Hilfsmitteln,

c)

Hilfe zur Erziehung und Schulbildung,

d)

Hilfe zur beruflichen Eingliederung,

e)

Hilfe zum Lebensunterhalt in Verbindung mit Maßnahmen nach lit. a, c und d.

§ 5.

Hilfe zur Heilbehandlung

Hilfe zur Heilbehandlung wird, soweit dies zur Behebung oder zur erheblichen Besserung des Leidens oder Gebrechens erforderlich ist, für ärztliche Behandlung, Heilmittel und Pflege in Kranken-, Kur- oder sonstigen Anstalten gewährt.

Abschnitt IV.

Beschäftigungstherapie.

§ 24.

Zweck

Zweck der Beschäftigungstherapie ist es, Behinderten, deren körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand einer beruflichen Ausbildung oder einer beruflichen Eingliederung hinderlich ist und die auch den Anforderungen der geschützten Arbeit nicht gewachsen sind, Mittel oder Einrichtungen zur Erhaltung oder Weiterentwicklung der vorhandenen Fähigkeiten oder zur Eingliederung in die Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.

§ 25.

Einstellung der Beschäftigungstherapie

Die Maßnahmen der Beschäftigungstherapie sind einzustellen,

a) wenn sich durch die Beschäftigungstherapie ergibt, dass der Behinderte in der Lage ist, beruflich eingegliedert zu werden oder der geschützten Arbeit gewachsen ist, oder

b) wenn der Zweck nach § 24 nicht mehr erreicht werden kann."

Nach § 4 Abs. 1 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes (und zwar sowohl nach jenem vom 9. November 1976, LGBl. Nr. 1/1977, als auch nach jenem vom 13. Dezember 1997, LGBl. Nr. 29/1998) hat Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, wer diesen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Zum Lebensbedarf gehört nach § 7 Abs. 1 lit. c leg. cit. u.a. die Krankenhilfe. Diese umfasst gemäß § 10 Abs. 1 u.a. die Heilbehandlung (lit. a) und die Untersuchung, Behandlung und Pflege in Krankenanstalten (lit. c).

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde aus der von ihr im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung, es liege entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, keine Konsequenzen gezogen hat, weil sie den dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Antrag der Beschwerdeführerin nicht zurückgewiesen sondern (in Erledigung der gegen den Erstbescheid erhobenen Berufung) meritorisch darüber abgesprochen hat. Die Auffassung der belangten Behörde wird auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, insbesondere im Hinblick darauf, dass Leistungen der Sozialhilfe und Leistungen der Behindertenhilfe auf verschiedenen Rechtsvorschriften beruhen und aus § 1 Abs. 5 lit. c Behindertengesetz sich ein Vorrang der Behindertenhilfe vor der Sozialhilfe ergibt.

Vorauszuschicken ist weiters, dass mit dem angefochtenen Bescheid, mit dem der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt wurde, ausschließlich über die Eingliederungshilfe nach den §§ 3 bis 5 des Behindertengesetzes abgesprochen wurde. Die in der Begründung enthaltenen Ausführungen zur Beschäftigungstherapie (§§ 24 und 25 Behindertengesetz) gehen ins Leere, weil Maßnahmen der Beschäftigungstherapie nicht Gegenstand des (mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten) Spruches des erstinstanzlichen Bescheides gewesen sind.

Im Mittelpunkt der Bescheidbegründung und der Beschwerdeausführungen steht die Frage, ob die Unterbringung der Beschwerdeführerin in der genannten Krankenanstalt im Rahmen der Hilfe zur Heilbehandlung (§ 5 Behindertengesetz) zu gewähren war, weil diese Unterbringung zur Behandlung oder zur erheblichen Besserung des Leidens oder Gebrechens erforderlich war. Die belangte Behörde vertritt dazu die Auffassung, dass dies nicht der Fall war; die Beschwerdeführerin meint, der Aufenthalt in der Krankenanstalt sei als Hilfe zur Heilbehandlung im Rahmen der Eingliederungshilfe zu gewähren gewesen. Eine abschließende Beurteilung dieser Frage ist aus folgenden Erwägungen nicht erforderlich:

Nach § 1 Abs. 5 lit. c Behindertengesetz ist Voraussetzung für die Hilfeleistung, dass der Behinderte keine Ansprüche auf gleichartige oder ähnliche Leistungen nach einem anderen Gesetz oder sonstigen Bestimmungen gegenüber einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes, ausgenommen nach den Bestimmungen über die Sozialhilfe, geltend machen kann. Der Vater der Beschwerdeführerin ist als Dienstnehmer vollversichert gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG. Damit hat die Beschwerdeführerin als Angehörige Anspruch auf Leistungen der Krankenversicherung (§ 123 Abs. 1 und 2 Z. 2 ASVG). Gemäß § 117 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. werden als Leistungen der Krankenversicherung aus dem Versicherungsfall der Krankheit Krankenbehandlung, erforderlichenfalls medizinische Hauskrankenpflege oder Anstaltspflege gewährt. Ist die Anstaltspflege nicht durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt (Asylierung), wird sie zufolge § 144 Abs. 3 ASVG nicht gewährt.

Die Steiermärkische Gebietskrankenkasse hat die Übernahme der Pflegekosten für die Beschwerdeführerin ab 21. Juli 1996 mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei ihr um einen Asylierungsfall handle. Falls dies unzutreffend war, hatte die Beschwerdeführerin einen durchsetzbaren Anspruch gegenüber der Gebietskrankenkasse, der gemäß § 1 Abs. 5 lit. c Behindertengesetz einen gleichartigen Anspruch nach dem Behindertengesetz ausschloss. Wenn aber die Anstaltspflege nicht durch die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung bedingt war, war sie auch nicht als Heilbehandlung zur Behebung oder zur erheblichen Besserung oder Linderung des Leidens oder Gebrechens (im Sinne des § 5 Behindertengesetz) erforderlich. Die aus § 1 Abs. 5 lit. c Behindertengesetz folgende Subsidiarität von Maßnahmen der Eingliederungshilfe gemäß § 4 lit. a und b Behindertengesetz gegenüber gleichartigen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung führt dazu, dass diese Maßnahmen der Eingliederungshilfe nach dem Behindertengesetz nur bei Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren sind. Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach im Ergebnis nicht als rechtswidrig.

Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass die Urgenz der Entscheidung über den Antrag auf Behindertenhilfe durch den Vater der Beschwerdeführerin auf die Geltendmachung des Ersatzes für Aufwendungen der Sozialhilfe zurückgeht, weil die Pflegekosten in der Anstalt durch das der Beschwerdeführerin nach dem Steiermärkischen Pflegegeldgesetz gewährte Pflegegeld der Stufe 7 nicht gedeckt sind. Aufgrund der Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur entschiedenen Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG sieht sich der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang zu dem Hinweis veranlasst, dass die Eltern der Beschwerdeführerin nicht Parteien des Verfahrens zur Gewährung von Sozialhilfe waren, weshalb ihnen gegenüber im Verfahren zur Geltendmachung des Ersatzes für Aufwendungen der Sozialhilfe keine Bindung an den die Sozialhilfe gewährenden Bescheid besteht. Sie können daher Notwendigkeit und Ausmaß der gewährten Sozialhilfe bestreiten und geltend machen, dass in einem Asylierungsfall die Kosten für die Unterbringung in der genannten Krankenanstalt nicht erforderlich waren. Des Weiteren ist ihre Ersatzpflicht durch ihre Unterhaltspflicht nach bürgerlichem Recht begrenzt.

Aus den oben dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Dezember 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999110041.X00

Im RIS seit

01.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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