TE Vfgh Erkenntnis 2017/3/14 G164/2016

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Veröffentlicht am 14.03.2017
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Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw NichtraucherschutzG §1, §2a, §10d
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EMRK 1. ZP Art1
EU-Grundrechte-Charta Art16, Art17

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Verbots des Versandhandels mit E-Zigaretten und Liquids; Abweisung des Individualantrags der Betreiberin eines Onlineshops; keine Verletzung der Erwerbsfreiheit; Versandhandelsverbot im öffentlichen Interesse des Gesundheits-, Konsumenten- und Jugendschutzes gelegen und zur Zielerreichung geeignet und adäquat; kein Verstoß gegen das Eigentumsrecht; keine unsachliche Gleichbehandlung von E-Zigaretten mit Tabakerzeugnissen und anderen verwandten Erzeugnissen; Informationspflichten der Hersteller und Importeure von elektronischen Zigaretten nicht unsachlich und hinreichend bestimmt

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

1.       Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litc B-VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft, der Verfassungsgerichtshof möge "nachstehende[…] Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Herstellen und Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse und den Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutz (Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz – TNRSG), BGBl Nr 431/1995, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 20. Mai 2016, BGBl I Nr 22/2016 als verfassungswidrig [aufheben]:

1. in §1. Z1b die Wortfolge '…..oder nikotinfreien……'

2. in §1. Z1c die Wortfolge '…..oder nikotinfreie…..'

3. in §1. Z1 l die Wortfolge '…….oder sonstige nikotinfreie……'

4. In §2a. die Wortfolge: '… sowie von verwandten Erzeugnissen gemäß §1 Z1 e'

5. In §10d. (1) die Z3 ('Informationen über die Art des Verkaufs der Erzeugnisse,') zur Gänze

6. In §10d. (1) die Z4 ('Zusammenfassung aller diesbezüglich durchgeführten Marktstudien, einschließlich einer englischen Übersetzung.') zur Gänze

7. In §10d. den dritten Absatz ('Die Herstellerinnen bzw. Hersteller, Importeurinnen bzw. Importeuren und Vertreiberinnen bzw. Vertreibern von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern haben ein System zur Erhebung von Informationen über alle vermuteten schädlichen Auswirkungen dieser Erzeugnisse auf die menschliche Gesundheit einzurichten und zu erhalten. Dem Ministerium für Gesundheit und er österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH ist der Zugang zu diesem System zu gewähren.') zur Gänze".

2.       Weiters wurde im Antrag angeregt, einstweiligen Rechtsschutz gemäß §20a VfGG zuzusprechen.

II.      Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Herstellen und Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse und den Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutz (Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetz – TNRSG), BGBl 431/1995 idF BGBl I 22/2016, lauten (die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sind hervorgehoben):

"Begriffsbestimmungen

§1. Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

1. 'Tabakerzeugnis' jedes Erzeugnis, das zum Rauchen, Schnupfen, Lutschen oder Kauen bestimmt ist, sofern es ganz oder teilweise aus Tabak, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Tabak in gentechnisch veränderter oder unveränderter Form handelt, besteht,

1a. 'neuartiges Tabakerzeugnis' jedes Tabakerzeugnis, das nicht in eine der Kategorien Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen, Pfeifentabak, Wasserpfeifentabak, Zigarren, Zigarillos, Kautabak, Schnupftabak und Tabak zum oralen Gebrauch fällt und erstmals nach dem 19. Mai 2014 in Verkehr gebracht wurde,

1b. 'elektronische Zigarette' ein Erzeugnis, das zum Konsum nikotinhältigen oder nikotinfreien Dampfes (Nebels) mittels eines Mundstücks verwendet werden kann, oder jeder Bestandteil dieses Produkts, einschließlich einer Kartusche, eines Tanks, und des Gerätes ohne Kartusche oder Tank. Elektronische Zigaretten können Einwegprodukte oder mittels eines Nachfüllbehälters oder Tanks nachfüllbar sein oder mit Einwegkartuschen nachgeladen werden,

1c. 'Nachfüllbehälter' ein Behältnis, das eine nikotinhältige oder nikotinfreie Flüssigkeit enthält, die zum Nachfüllen einer elektronischen Zigarette verwendet werden kann,

1d. 'pflanzliches Raucherzeugnis' ein Erzeugnis auf der Grundlage von Pflanzen, Kräutern oder Früchten, das keinen Tabak enthält und mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert werden kann,

1e. 'verwandtes Erzeugnis' jedes neuartige Tabakerzeugnis, pflanzliche Raucherzeugnis, die elektronische Zigarette und deren Liquids,

1f. 'Wasserpfeifentabak' ein Tabakerzeugnis, das mit Hilfe einer Wasserpfeife verwendet werden kann. Kann ein Erzeugnis sowohl in Wasserpfeifen als auch als Tabak zum Selbstdrehen verwendet werden, so gilt es als Tabak zum Selbstdrehen,

1g. 'Kautabak' ein rauchloses Tabakerzeugnis, das ausschließlich zum Kauen bestimmt ist,

1h. 'Tabak zum oralen Gebrauch' ein Tabakerzeugnis zum oralen Gebrauch – mit Ausnahme eines Erzeugnisses, das zum Inhalieren oder Kauen bestimmt ist –, das ganz oder teilweise aus Tabak besteht und in Pulver- oder Granulatform oder in einer Kombination aus beiden Formen, insbesondere in Portionsbeuteln oder porösen Beuteln, angeboten wird,

1i. 'Schnupftabak' ein rauchloses Tabakerzeugnis, das über die Nase konsumiert werden kann,

1j. 'Rauchtabakerzeugnis' jedes Tabakerzeugnis mit Ausnahme rauchloser Tabakerzeugnisse,

1k. 'rauchloses Tabakerzeugnis' ein Tabakerzeugnis, das nicht mittels eines Verbrennungsprozesses konsumiert wird, unter anderem Kautabak, Schnupftabak und Tabak zum oralen Gebrauch,

1l. 'Liquid' jede nikontinhältige oder sonstige nikotinfreie Flüssigkeit, die dafür vorgesehen ist, in elektronischen Zigaretten, E-Shishas oder vergleichbaren Erzeugnissen mit derselben Funktions- und Wirkungsweise verdampft zu werden,

2. 'Inverkehrbringen' die entgeltliche oder unentgeltliche Bereitstellung von Produkten – unabhängig vom Ort ihrer Herstellung – für Verbraucherinnen bzw. Verbraucher,

3. 'Nikotin' das beim Konsumieren von Tabakerzeugnissen aufgenommene Hauptalkaloid der Gruppe der Tabakalkaloide,

4. 'Packung' die kleinste Einzelverpackung eines Tabakerzeugnisses oder verwandten Erzeugnisses, die in Verkehr gebracht wird,

4a. 'Außenverpackung' eine Verpackung, in der Tabakerzeugnisse oder verwandte Erzeugnisse in Verkehr gebracht werden und in der sich eine Packung oder mehrere Packungen befinden. Transparente Hüllen gelten nicht als Außenverpackung,

4b. 'Beutel' eine Packung Tabak zum Selbstdrehen, entweder in Form einer rechteckigen Tasche mit einer Klappe, die die Öffnung bedeckt, oder in Form eines Standbeutels,

5. Kondensat (Teer) das wasserfreie (= trockene) nikotinfreie Rauchkondensat,

6. 'Verbraucher' jede natürliche Person, die das Tabakerzeugnis für den Eigenverbrauch oder die Weitergabe an bestimmte Dritte für deren Eigenverbrauch erwirbt,

7. 'Werbung' jede Form der kommerziellen Kommunikation mit dem Ziel oder der direkten oder der indirekten Wirkung, den Verkauf eines Tabakerzeugnisses zu fördern,

7a. 'Sponsoring' jede Form des öffentlichen oder privaten Beitrags zu einer Veranstaltung oder Aktivität oder jede Form der Unterstützung von Einzelpersonen mit dem Ziel oder der direkten oder der indirekten Wirkung, den Verkauf eines Tabakerzeugnisses zu fördern,

8. 'Tabak zum Selbstdrehen' ein Tabak, der von Verbraucherinnen bzw. Verbrauchern oder Verkaufsstellen zum Fertigen von Zigaretten verwendet werden kann,

9. 'Inhaltsstoff' Tabak, ein Zusatzstoff sowie jeder in einem endgültigen Tabakerzeugnis oder verwandten Erzeugnis vorhandene Stoff oder Bestandteil, einschließlich Papier, Filter, Druckerfarben, Kapseln und Kleber,

9a. 'Emission' jeder Stoff, der freigesetzt wird, wenn ein Tabakerzeugnis oder ein verwandtes Erzeugnis bestimmungsgemäß verwendet wird,

9b. 'Höchstwert' oder 'Emissionshöchstwert' der maximale Gehalt oder die maximale Emission (einschließlich 0) eines Stoffs in einem Tabakerzeugnis oder verwandten Erzeugnis, gemessen in Milligramm,

9c. 'Zusatzstoff' ein Stoff mit Ausnahme von Tabak, der einem Tabakerzeugnis oder verwandtem Erzeugnis, einer Packung oder einer Außenverpackung zugesetzt wird,

9d. 'Aromastoff' ein Zusatzstoff, der Geruch und/oder Geschmack verleiht,

9e. 'charakteristisches Aroma' ein von Tabakgeruch bzw. -geschmack unterscheidbarer Geruch oder Geschmack, der durch einen Zusatzstoff oder eine Kombination von Zusatzstoffen erzeugt wird – unter anderem Früchte, Gewürze, Kräuter, Alkohol, Süßigkeiten, Menthol oder Vanille – und der vor oder beim Konsum des Tabakerzeugnisses oder verwandten Erzeugnisses bemerkbar ist,

10. 'vermarkten' die Weitergabe von Tabakerzeugnissen durch die Herstellerin oder den Hersteller bzw. die Importeurin oder den Importeur,

11. 'öffentlicher Ort' jeder Ort, der von einem nicht von vornherein beschränkten Personenkreis ständig oder zu bestimmten Zeiten betreten werden kann einschließlich der nicht ortsfesten Einrichtungen des öffentlichen und privaten Bus-, Schienen-, Flug- und Schiffsverkehrs,

12. 'Versandhandel' (Fernabsatz) Versand und Lieferung von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen insbesondere durch Herstellerinnen bzw. Hersteller, Importeurinnen bzw. Importeure, Händlerinnen bzw. Händler an Verbraucherinnen bzw. Verbraucher."

[…]

Versandhandel mit Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen

§2a. Der Versandhandel mit Tabakerzeugnissen gemäß §1 Z1 sowie von verwandten Erzeugnissen gemäß §1 Z1e ist verboten.

[…]

Kontrollen und Maßnahmen bei elektronischen Zigaretten

§10d. (1) Dem Bundesministerium für Gesundheit sind jährlich spätestens bis zum 31. Mai des Folgejahres von den Herstellerinnen und Herstellern bzw. Importeurinnen und Importeuren von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern folgende Informationen vorzulegen:

1. umfassende Daten über die Verkaufsmengen, aufgeschlüsselt nach Markennamen und Art des Erzeugnisses,

2. Informationen über die Präferenzen verschiedener Verbraucherinnen- bzw. Verbrauchergruppen, einschließlich Jugendlicher, Nichtraucherinnen bzw. Nichtraucher und der wichtigsten Kategorien derzeitiger Nutzerinnen bzw. Nutzer,

3. Informationen über die Art des Verkaufs der Erzeugnisse,

4. Zusammenfassungen aller diesbezüglich durchgeführten Marktstudien, einschließlich einer englischen Übersetzung.

(2) Stellt die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Gesundheit fest, dass bestimmte elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter eine ernsthafte Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen könnten, hat die Bundesministerin bzw. der Bundesminister für Gesundheit geeignete vorläufige Maßnahmen zu ergreifen. Geeignete vorläufige Maßnahmen sind befristete Inverkehrbringungsverbote sowie die Beschlagnahme. Sofern mit gelinderen Maßnahmen der Schutz der menschlichen Gesundheit nicht sichergestellt werden kann, kann der Verfall der Waren ausgesprochen werden. Sowohl die Europäische Kommission als auch die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind im Falle von nikotinhältigen Produkten unverzüglich über die ergriffenen Maßnahmen vom Bundesministerium für Gesundheit zu unterrichten. Werden dem Bundesministerium für Gesundheit von der Europäischen Kommission deren Schlussfolgerungen übermittelt, so sind geeignete Folgemaßnahmen zu treffen.

(3) Die Herstellerinnen bzw. Hersteller, Importeurinnen bzw. Importeure und Vertreiberinnen bzw. Vertreiber von elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern haben ein System zur Erhebung von Informationen über alle vermuteten schädlichen Auswirkungen dieser Erzeugnisse auf die menschliche Gesundheit einzurichten und zu erhalten. Dem Bundesministerium für Gesundheit und der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH ist der Zugang zu diesem System zu gewähren.

(4) Falls eine Herstellerin bzw. ein Hersteller oder die Importeurin bzw. der Importeur der Ansicht ist oder den Grund zur Annahme hat, dass elektronische Zigaretten oder Nachfüllbehälter, die sich in ihrem bzw. seinem Besitz befinden und in Verkehr gebracht werden sollen oder werden, Sicherheits- oder Qualitätsmängel aufweisen oder auf andere Weise nicht diesem Gesetz oder einer auf seiner Grundlage erlassenen Verordnung entsprechen, so hat diese Akteurin bzw. dieser Akteur unverzüglich die erforderlichen Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, um das betreffende Erzeugnis in Einklang mit den dafür maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen zu bringen oder es gegebenenfalls unter Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des Produktsicherheitsgesetzes 2004 (PSG 2004), BGBl I Nr 1/2005, und der Verordnung (EG) Nr 765/2008 über die Vorschriften für die Akkreditierung und Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr 339/93, ABl. L Nr 218 vom 13.08.2008 S. 30 vom Markt zu nehmen oder von den Konsumentinnen bzw. Konsumenten zurückzurufen. In letzterem Fall hat die Akteurin bzw. der Akteur unverzüglich die zuständigen Behörden in jenen Mitgliedstaaten, in denen das Erzeugnis in Verkehr gebracht wurde bzw. werden soll, zu unterrichten und Einzelheiten über die Risiken für die menschliche Gesundheit und Sicherheit sowie über etwaige ergriffene Abhilfemaßnahmen und über die Ergebnisse dieser Abhilfemaßnahmen mitzuteilen.

(5) Über die Beschlagnahme hat das Kontrollorgan des Bundesministeriums für Gesundheit der bzw. dem bisher Verfügungsberechtigten eine Bescheinigung auszuhändigen, in welcher der Ort der Lagerung sowie Art und Menge der beschlagnahmten Waren anzugeben ist.

(6) Im Fall der Beschlagnahme hat das Kontrollorgan das Bundesministerium für Gesundheit unverzüglich zu informieren.

(7) Das Verfügungsrecht über die beschlagnahmte Ware steht dem Bundesministerium für Gesundheit zu.

(8) Die beschlagnahmten Waren sind im Betrieb zu belassen. Sie sind so zu versiegeln oder zu kennzeichnen, dass eine Veränderung ohne Verletzung der Behältnisse, der Verpackung oder der Kennzeichnung nicht möglich ist. Die bzw. der über die Waren bisher Verfügungsberechtigte ist vom Bundesministerium für Gesundheit schriftlich auf die strafrechtlichen Folgen der Verbringung oder Veränderung der beschlagnahmten Waren sowie der Verletzung des Dienstsiegels aufmerksam zu machen.

(9) Die Verwahrung zum Schutz der im Betrieb belassenen Waren vor Schäden obliegt der bzw. dem bisher Verfügungsberechtigten. Sind hierzu besondere Maßnahmen erforderlich, so hat sie bzw. er das Bundesministerium für Gesundheit im Vorhinein zu verständigen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat auf Kosten der bzw. des Betroffenen erforderlichenfalls Anordnungen hinsichtlich des Verbringens, der Lagerung, Versiegelung oder Kennzeichnung zu treffen.

(10) Während der Beschlagnahme dürfen Proben der Waren nur über Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit entnommen werden.

[…]."

III.    Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1.    Die antragstellende Gesellschaft verkauft seit März 2014 über einen eigens aufgebauten Onlineshop (u.a.) elektrische Dampfgeräte samt Zubehör. Dabei handelt es sich um elektronische Zigaretten und elektronische Shishas (kurz: E-Zigaretten) sowie die entsprechenden Liquids. Den Einzelhandel in Verkaufsläden betreibt die antragstellende Gesellschaft nicht. Zu ihren Kunden würden hauptsächlich Privatkunden (63%) sowie Fachhändler (37%) in Österreich und im Ausland zählen. Die antragstellende Gesellschaft beziehe eigenen Angaben zufolge einen Teil der E-Zigaretten aus dem EU-Raum sowie einen Teil aus Drittstaaten und fungiere insofern als Importeur. Bei einem Teil der Produkte sei sie auch an der Herstellung und jedenfalls am Design beteiligt. Sie habe sich die Exklusivvertretung für Produkte einer näher bezeichneten Marke für Österreich gesichert.

1.2.    Die E-Zigaretten und Liquids würden mit 80% des Gesamtumsatzes der antragstellenden Gesellschaft (Jahresumsatz von 600.000,– Euro) einen wesentlichen Bestandteil ihrer gesamten Geschäftstätigkeit darstellen. Den überwiegenden Anteil erwirtschafte die antragstellende Gesellschaft dabei mit dem Verkauf von nikotinfreien E-Zigaretten und Zubehör. Ohne diesen Geschäftszweig könne sie nicht sinnvoll wirtschaften. Im Fall der Aufgabe des Onlineshops müsse sie ihre Geschäftstätigkeit einstellen.

1.3.    Nach der bisher geltenden Rechtslage sei der Verkauf von E-Zigaretten und Liquids in Österreich nicht (gesondert) geregelt gewesen. Die Produkte hätten frei verkauft werden dürfen. Ende 2014 sei der Versuch des Gesetzgebers gescheitert, (Einweg-)E-Zigaretten und Liquids in das Tabakmonopolgesetz aufzunehmen, womit nur mehr Tabaktrafikanten befugt gewesen wären, diese Produkte zu verkaufen. Die Gesetzesbestimmungen seien vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben worden und nie in Kraft getreten (VfGH 3.7.2015, G118/2015 ua.).

1.4.    Der beantragten Aufhebung stünden nach Ansicht der antragstellenden Gesellschaft keine zwingenden unionsrechtlichen Verpflichtungen entgegen:

1.4.1.  E-Zigaretten und Liquids seien zwar in Art20 der Richtlinie 2014/40/EU zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen (im Folgenden: TPD II) geregelt. Der österreichische Gesetzgeber sei seiner diesbezüglichen Umsetzungspflicht bis 20. Mai 2016 mit dem bekämpften TNRSG nachgekommen. Jedoch sei zum einen das Versandhandelsverbot selbst in Bezug auf nikotinhaltige Produkte für die Mitgliedstaaten nur optional in der Richtlinie vorgesehen, zum anderen habe der Unionsgesetzgeber in Bezug auf nikotinfreie E-Zigaretten und Liquids keine Regelungskompetenz in Anspruch genommen. Die Richtlinie enthalte keinen ausdrücklichen Ausgestaltungsvorbehalt im Hinblick auf nikotinfreie Produkte; es gebe dazu keine Regelungen. Vielmehr sei der Bestandteil Nikotin vor dem Hintergrund der Definitionen in Art2 Z16 und Z17 TPD II eine wesentliche Voraussetzung für die Regelung auf Unionsebene gewesen, indem auf einen nikotinhaltigen Dampf und nikotinhaltige Flüssigkeiten abgestellt worden sei. Definitionsgemäß seien daher ausschließlich nikotinhaltige Liquids und E-Zigaretten von der TPD II erfasst. Abweichend von dieser Richtlinienvorgabe habe der österreichische Gesetzgeber jedoch auch nikotinfreie Liquids und E-Zigaretten geregelt.

1.4.2.  An sich würden daher auch nur die Regelungen hinsichtlich nikotinfreier Produkte angefochten. In Bezug auf das Versandhandelsverbot in §2a TNRSG sei jedoch zu differenzieren: Selbst nach Aufhebung der Wortfolge "oder nikotinfreien" in §1 Z1b TNRSG bliebe bei E-Zigaretten das Problem bestehen, dass der überwiegende Teil der E-Zigaretten sowohl den Gebrauch nikotinhaltiger als auch nikotinfreier Liquids ermögliche. Solche Produkte wären alleine aus der Eignung zum Konsum nikotinhaltiger Produkte trotz Aufhebung vom Versandhandel ausgeschlossen. Vom Verbot einzig nicht umfasst wären nikotinfreie Einweg-Produkte unter den elektronischen Zigaretten. Dabei gehe sowohl aus der TPD II als auch aus dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 4. Mai 2016, Rs. C-477/14, Pillbox 38, zweifellos hervor, dass die potentielle Gesundheitsgefährdung nicht vom Gerät, sondern vom Nikotin der jeweiligen Liquids ausgehe. Das Verbot des Versandhandels mit Geräten, die sowohl nikotinhaltige als auch nikotinfreie Liquids unterstützten, sei insofern nicht einmal abstrakt geeignet, das (grundsätzlich legitime) Ziel des Gesundheitsschutzes zu erreichen. Damit vergleichbar sei, dass etwa der Handel von Tabakpfeifen (nicht des Tabaks selbst) vom Tabakgesetz nicht einmal erfasst sei und keine Handelsbeschränkungen existieren würden. Da die TPD II kein zwingendes Verbot des Versandhandels, nicht einmal im Hinblick auf nikotinhaltige Liquids (EuGH 4.5.2016, Rs. C-477/14, Pillbox 38, Rz 117 und 119), verlange, sondern den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffne, solche Verbote in Bezug auf nikotinhaltige Produkte innerstaatlich zu normieren, stünden dem Antrag auch im Hinblick auf die Anfechtung der Wortfolge "sowie von verwandten Erzeugnissen gemäß §1 Z1e" in §2a (Verbot des Versandhandels) keine zwingenden unionsrechtlichen Verpflichtungen entgegen.

1.5.    Ferner macht die antragstellende Gesellschaft mit näherer Begründung die Verletzung des freien Warenverkehrs nach Art34 AEUV geltend.

1.6.    Zudem sei sie durch die angefochtenen Beschränkungen des Handels mit nikotinfreien "Dampfer"-Produkten auch in ihren Rechten gemäß Art16 (Unternehmerische Freiheit) sowie Art17 (Eigentumsrecht) GRC verletzt. Diese würden nach der ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (begründet mit VfGH 14.3.2012, U466/11; vgl. auch VfGH 27.6.2014, G47/2012) nach dem "Äquivalenzgrundsatz" auch für die innerstaatliche Prüfung neben den nationalen Grundrechten gleichberechtigt den materiellen Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren bilden.

1.7.    Die antragstellende Gesellschaft regt an, den unionsrechtlich gebotenen einstweiligen Rechtsschutz gemäß §20a VfGG einzuräumen, da die Warenverkehrsfreiheit die antragstellende Gesellschaft unmittelbar berechtige, freien Handel mit nikotinfreien "Dampfer"-Produkten zu treiben und dabei keinen mit dem Unionsrecht unvereinbaren Einschränkungen unterworfen zu werden. Würden die bekämpften Rechtsnormen jedoch in Kraft treten und der Verfassungsgerichtshof keinen einstweiligen Rechtsschutz gewähren, bestünde die akute Gefahr, dass die antragstellende Gesellschaft in den soeben bezeichneten, unmittelbar anwendbaren Unionsrechten nicht nur verletzt werde, sondern diese Verletzung sie vielmehr dazu zwinge, ihre unternehmerische Tätigkeit diesbezüglich aufzugeben. Der Schaden wäre unumkehrbar.

2.       Zu ihrer Antragslegitimation bringt die antragstellende Gesellschaft im Wesentlichen Folgendes vor:

2.1.    Die angefochtenen Bestimmungen würden in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft aktuell und unmittelbar eingreifen und diese in verfassungswidriger Weise verletzen, da sich ihre aktuelle Rechtsposition gravierend zu ihrem Nachteil verändern würde. Bisher sei die antragstellende Gesellschaft berechtigt gewesen, E-Zigaretten und (nikotinhaltige und nikotinfreie) Liquids im Weg des Versandhandels an Verbraucher in Österreich zu verkaufen. Die bekämpften Bestimmungen würden dies fortan verbieten, sodass die antragstellende Gesellschaft eine wesentliche und gewinnbringende Geschäftsgrundlage verlieren würde und ihr Hauptgeschäft (den Onlinehandel) aufgeben müsste. Zudem sei sie verpflichtet, bestimmte Informationen zu erheben, Marktstudien zu suchen und zu übersetzen sowie ein nicht näher bestimmtes "System zur Erhebung von Informationen über alle vermuteten schädlichen Auswirkungen dieser Erzeugnisse auf die menschliche Gesundheit" einzurichten. Diese in §10d TNRSG normierten Verpflichtungen seien einerseits zu unbestimmt für konkrete Vorbereitungshandlungen, andererseits würden sie umfassende Vorbereitungen für einen rechtmäßigen Handel mit den betroffenen Erzeugnissen erfordern.

2.2.    Aktuell sei die nachteilige Auswirkung der angefochtenen Bestimmungen auf die Rechtsposition der antragstellenden Gesellschaft, da diese mit 20. Mai 2016 in Kraft getreten seien. Jedes Zuwiderhandeln gegen das Verbot des Versandhandels ziehe seit 20. Mai 2016 die Strafbarkeit mit sich. Es bedürfe keiner weiteren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Gerichtes. Die antragstellende Gesellschaft sei daher dazu gezwungen, den größten Teil ihrer Geschäftstätigkeit (den Onlinehandel) aufzugeben. Die betroffenen bestehenden Vertragsbeziehungen (Kauf- und Lieferverträge, Mietverträge für das Lager, Arbeitsverträge mit Mitarbeitern) müssten aufgelöst werden.

2.3.    Weiters sei kein zumutbarer anderer Weg gegeben, da es der antragstellenden Gesellschaft vor dem Hintergrund der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfSlg 17.731/2005, 14.260/1995, 12.379/1990) nicht zumutbar sei, eine strafbare Handlung zu setzen, um ein Verfahren zu provozieren.

2.4.    Im Hinblick auf den Anfechtungsumfang betreffend das Versandhandelsverbot stellt die antragstellende Gesellschaft fest, dass es nicht ausreichend sei, in den Definitionen der elektronischen Zigarette und der Nachfüllbehälter die Wortfolge "und nikotinfreie" aufzuheben, da selbst bei deren Aufhebung das Versandhandelsverbot (abgesehen von der nikotinfreien Einweg-E-Zigarette) bestehen bliebe, weil der überwiegende Teil der "Dampfer"-Geräte sowohl den Gebrauch von nikotinfreien als auch nikotinhaltigen Produkten ermöglichen würde. Durch die potentielle Eignung zum Konsum nikotinhaltiger Liquids wären diese weiterhin vom Versandhandel ausgeschlossen. Mit der Streichung der "verwandten Erzeugnisse" aus dem Versandhandelsverbot in §2a TNRSG würden aber auch weitere verwandte Erzeugnisse aus dem Verbot herausfallen – ein Umstand, der von der antragstellenden Gesellschaft nicht intendiert sei. Der Verfassungsgerichtshof könne für diese sonstigen verwandten Erzeugnisse dem Gesetzgeber einen Reparaturauftrag erteilen.

3.       Die antragstellende Gesellschaft sieht sich durch die angefochtenen Bestimmungen in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und auf unternehmerische Freiheit (Art6 StGG, Art16 GRC), auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK, Art17 GRC) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B-VG, Art2 StGG) verletzt. Weiters behauptet sie die Verfassungswidrigkeit der Regelungen wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (Art18 B-VG). Diese verfassungsmäßigen Bedenken legt die antragstellende Gesellschaft wie folgt dar:

3.1.    Im Zusammenhang mit der Ausführung ihrer Bedenken weist die antragstellende Gesellschaft zunächst auf die ihrer Ansicht nach unzureichende Begründung für die Verhängung des Versandhandelsverbots hin: In den Gesetzesmaterialien (RV 1056 BlgNR 25. GP, 2) werde dazu nur ausgeführt, dass das Verbot des grenzüberschreitenden und nationalen Versandhandels in Anlehnung an §30 Tabaksteuergesetz verankert werde. Mit §30 Tabaksteuergesetz sollte jedoch – nach den damaligen Materialien – ein Versandhandel mit Tabakwaren aus monopolrechtlichen Gründen ausgeschlossen werden (RV 1792 BlgNR 18. GP, 19). Damit könne der Verweis auf §30 Tabaksteuergesetz jedoch keinesfalls als Rechtfertigung oder Begründung des Versandhandelsverbots von nikotinfreien verwandten Erzeugnissen herangezogen werden, zumal der Verfassungsgerichtshof unmissverständlich ausgesprochen habe, dass die verwandten Erzeugnisse nicht in das Tabakmonopol integriert werden dürften. Daher sei eine "monopolrechtliche Begründung" des Versandhandelsverbots für verwandte Erzeugnisse unsachgemäß, unzureichend und völlig verfehlt.

3.2.    Zur Verletzung der Erwerbsfreiheit (bzw. unternehmerischen Freiheit) bringt die antragstellende Gesellschaft folgendes vor:

3.2.1.  Nach Ansicht der antragstellenden Gesellschaft liege ein Eingriff in ihr Recht auf Erwerbsfreiheit vor, da durch §2a iVm §1 Z1b, 1c und 1l TNRSG der Vertrieb von E-Zigaretten und Liquids über den Versandhandel an Verbraucher gänzlich verboten werde. Damit werde die antragstellende Gesellschaft in ihrem Recht beschränkt, eine bereits rechtmäßig ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit weiterhin auszuüben, da die entsprechende Tätigkeit mit 20. Mai 2016 zum Großteil einzustellen sei. Allein mit dem Verkauf an andere Händler könne die antragstellende Gesellschaft ihr Geschäft nicht aufrechterhalten. Die Bestimmung ordne daher weder eine Antritts- noch eine Ausübungsbeschränkung, sondern vielmehr das Ende einer rechtmäßig ausgeübten Tätigkeit an (vgl. VfGH 3.7.2015, G118/2015 ua.). Die Anordnung der Beendigung einer gewerblichen Tätigkeit sei einer Antrittsbeschränkung gleichzuhalten, sodass der Gesetzgeber diesbezüglich am selben strengen Maßstab zu messen sei.

3.2.2.  Der Eingriff in das Grundrecht sei unverhältnismäßig:

3.2.2.1. Die mit der Regelung verfolgten öffentlichen Interessen würden sich nicht aus den Erwägungen zu §2a TNRSG, sondern nur implizit aus den allgemeinen Zielsetzungen der Novelle ergeben. Einzig eine monopolrechtliche Begründung des Versandhandelsverbots sei den Materialien zu §2a TNRSG zu entnehmen, diese sei jedoch unsachlich. Insgesamt sollten mit der Novelle des TNRSG (vgl. die Ziele in der RV 1056 BlgNR 25. GP, 1) die Attraktivität von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen verringert werden, um diese Produkte damit nachhaltig zu reduzieren, eine verbesserte Kontrolle gewährleistet und langfristig eine Entlastung des Gesundheitssystems durch den Rückgang von mit dem Konsum von Tabakerzeugnissen assoziierten Erkrankungen erreicht werden.

3.2.2.2. Zu diesen Zielen sei anzumerken, dass das erste Ziel, wonach die Attraktivität dieser Produkte verringert und damit der Verkauf dieser Produkte nachhaltig reduziert werden solle, hinsichtlich E-Zigaretten und Liquids, aber insbesondere nikotinfreier Produkte, bereits unsachlich sei. Eine derartige Zielsetzung zeige, dass der Gesetzgeber die Händler von E-Zigaretten und Liquids diskriminiere, ihnen die wirtschaftliche Existenzgrundlage entziehe und letztlich ohne hinreichende Begründung die gesamte Berufssparte der Versandfachhändler für E-Zigaretten und Liquids faktisch "eliminie[re]". Dieses Ziel sei hinsichtlich E-Zigaretten und Liquids (als verwandte Erzeugnisse) nicht als im öffentlichen Interesse gelegen zu beurteilen. Das drittgenannte Ziel könnte zudem gerade durch eine Förderung des Produkts E-Zigarette besser erreicht werden. Die zweit- und drittgenannten Ziele seien zwar grundsätzlich im öffentlichen Interesse gelegen. Das dritte Ziel beziehe sich jedoch nur auf Tabakerzeugnisse und nicht auf E-Zigaretten und Liquids.

3.2.2.3. Daneben kämen nach den Überlegungen der antragstellenden Gesellschaft potenziell – auch unter Einbeziehung der offengelegten allgemeinen Ziele – nur noch folgende im öffentliche Interesse gelegenen Ziele in Frage: Gesundheitsschutz, Konsumentenschutz und Jugendschutz. Jedenfalls nicht im öffentlichen Interesse liege das Ziel der "Sicherung der Einkünfte der Tabaktrafikanten", wie der Verfassungsgerichtshof in G118/2015 ua. klargestellt habe.

3.2.2.4. Das Versandhandelsverbot sei jedoch nicht dazu geeignet, diese Ziele zu erreichen:

3.2.2.5. Eine Attraktivitätsreduktion sei einerseits deshalb nicht zu erwarten, da diese Produkte weiterhin in Fachgeschäften, Tabaktrafiken und an anderen Verkaufsstellen sowie insbesondere im Fernabsatz über Onlineshops von Händlern außerhalb der Europäischen Union für jedermann erhältlich seien. Andererseits könne ein Verbot den gegenteiligen Effekt bewirken und ein Produkt interessanter machen als zuvor ("Reiz des Verbotenen"). Das Versandhandelsverbot sei auch nicht dazu geeignet, E-Zigaretten und Liquids per se vom Markt verschwinden zu lassen. Vielmehr fördere ein Versandhandelsverbot den illegalen Verkauf solcher Produkte, insbesondere über den Versandhandel aus dem Ausland. Damit würde wiederum die Kontrolltätigkeit erschwert werden.

3.2.2.6. Es sei zudem nicht ersichtlich, wie ein Versandhandelsverbot die behördliche Kontrolle verbessern könne. Nach §10b TNRSG hätten Hersteller und Importeure E-Zigaretten und Nachfüllbehälter sechs Monate vor dem Inverkehrbringen der Behörde zu melden. Die Behörde könne ihre Kontrolltätigkeit nach §9 TNRSG genauso in Bezug auf Hersteller und Importeure durchführen, die Versandhändler mit Onlineshop seien. Zudem sei die Kontrolle des Onlineshops auf Grund der ausführlichen Darstellung und Beschreibung des angebotenen Produktsortiments in der Praxis leichter zu bewerkstelligen, da das Kontrollorgan dafür nicht einmal vor Ort sei müsse. Stichproben wären durch einen anonymen Testkauf einfach durchzuführen.

3.2.2.7. Auch im Hinblick auf das Ziel der Entlastung des Gesundheitssystems sei das Versandhandelsverbot nicht geeignet, dieses zu erreichen. Denn zum einen könne ein Versandhandelsverbot die Attraktivität der Produkte nicht verringern, wenn das Produkt gleichzeitig überall sonst erhältlich sei. Zum anderen könnten E-Zigaretten gerade dazu beitragen, das genannte Ziel zu erreichen, wenn man Raucher von Tabakzigaretten zum weniger schädlichen Dampfen von E-Zigaretten motivieren könnte (vgl. Royal College of Physicians [Hrsg.], Nicotine without smoke, Tabacco harm reduction, 2016).

3.2.2.8. Im Hinblick auf das potentielle Ziel des Gesundheitsschutzes sei das Versandhandelsverbot nach Ansicht der antragstellenden Gesellschaft untauglich, da es keinen Unterschied machen könne, auf welchem Vertriebsweg die Produkte verkauft würden, da sich dadurch die Produkteigenschaften und die (allfällig damit verbundenen) Gesundheitsrisiken nicht verändern würden. Der Gesundheitsschutz sei zudem bereits durch die Vorgaben der TPD II vorgegeben (maximal zulässiger Nikotingehalt, verpflichtende Angaben von Inhaltsstoffen udgl.) und sichergestellt. Aus diesem Grund spreche auch nichts gegen einen (grenzüberschreitenden) Versandhandel von E-Zigaretten und Liquids, da auch Händler aus anderen EU-Mitgliedstaaten an die vorgegebenen Gesundheitsschutzmaßnahmen gebunden seien und diese einzuhalten hätten – unabhängig davon, ob der Verkauf in einem Geschäftslokal oder über den Versandhandel abgewickelt werde, insbesondere da nicht einmal erwiesen sei, dass die verwandten Erzeugnisse (zumal nikotinfrei) überhaupt gesundheitsgefährdend seien. Es sei nicht ersichtlich, warum der österreichische Gesetzgeber über die Vorgaben der TPD II hinausgehende beschränkende Maßnahmen zu Lasten der Onlinehändler unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes nach dem "Vorsorgeprinzip" treffen dürfe.

3.2.2.9. Auch hinsichtlich des Ziels des Konsumenten- und Jugendschutzes sei das Versandhandelsverbot nicht zur Zielerreichung geeignet. Eine ausreichende Konsumenteninformation sowie Transparenz hinsichtlich der angebotenen Produkte und Vergleichbarkeit der Preise sei auch über den Versandhandel sichergestellt, da Detailangaben zu den Produkten schon auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen verpflichtend vorgesehen seien. Im Onlineshop seien der Zugang zu Informationen und die Vergleichbarkeit sogar besser als im Geschäftslokal. Dem Jugendschutz würde die Bestimmung nur dienen, würde es eine einheitliche Altersbeschränkung für den Verkauf von E-Zigaretten und Liquids in den Jugendschutzgesetzen geben. Das Verbot eines einzelnen Vertriebswegs – unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung anderer Vertriebswege – könne nicht gewährleisten, dass Kinder und Jugendliche die Produkte nicht erwerben könnten. Vielmehr beinhalte gerade der Versandhandel im Unterschied zu anderen Vertriebsformen ein Mindestmaß an Alterskontrolle, da für die Bestellung über Onlineshops in der Regel über ein Bankkonto und/oder eine Kreditkarte verfügt werden müsse, was den Zugang für Kinder bereits ausschließe und den Zugang für Jugendliche deutlich erschweren würde. Demgegenüber würden Jugendliche die gewünschten Produkte in der Tabaktrafik in der Regel auch ohne Vorlage eines Ausweises sofort und direkt ausgehändigt bekommen.

3.2.2.10. Ungeachtet dessen sei das Versandhandelsverbot jedenfalls nicht das gelindeste Mittel zur Zielerreichung: Dem Gesetzgeber wären zahlreiche gelindere Mittel zur Verfügung gestanden. Im Hinblick auf den Konsumentenschutz wäre es beispielsweise möglich gewesen, die Kunden im Rahmen des Vertriebs von E-Zigaretten und Liquids über das Internet gleichwertig vor deren Lieferung zu beraten, beispielsweise durch interaktive Elemente auf der Homepage, die vor dem Kauf der Produkte zwingend verwendet werden müssten (vgl. EuGH 2.12.2010, Rs. C-108/09, Ker-Optika bt, Rz 69). Hinsichtlich des Gesundheitsschutzes wäre es u.a. möglich gewesen, den Verkauf von E-Zigaretten und nikotinfreien Liquids in die Liste der reglementierten Gewerbe (mit entsprechendem Befähigungsnachweis) aufzunehmen, eine Meldepflicht für Versandhändler und Altersüberprüfungssysteme einzuführen und die Rückverfolgbarkeit von Erzeugnissen, wie in der TPD II vorgesehen, sicherzustellen.

3.2.2.11. In diesem Zusammenhang weist die antragstellende Gesellschaft darauf hin, dass der Handel mit Tabakpfeifen (ohne den Tabak) nicht vom TNRSG erfasst sei – und zwar zu Recht, weil bei diesen – genauso wie bei den E-Zigaretten – die Gefahr nicht vom Gerät ausgehe, sondern vielmehr von der nikotinhaltigen Substanz, die damit konsumiert werden könne. Zudem sei paradoxerweise der Versandhandel mit E-Zigaretten und Liquids, die als Medizinprodukte eingestuft seien, weiterhin erlaubt. Hier fände auch keine Kontrolle der Abgabe an den Endverbraucher statt. Vor dem Hintergrund des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rs. C-322/01, demzufolge Versandhandelsverbote für nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel nicht verhältnismäßig seien, sei nicht ersichtlich, auf welcher Basis für E-Zigaretten und Liquids ohne Nikotingehalt, die ein geringeres (und nicht einmal nachgewiesenes) Gefahrenpotential als nichtverschreibungspflichtige Medikamente aufweisen würden, ein Versandhandelsverbot zulässig sein sollte.

3.2.2.12. Eine weitere denkbare Maßnahme im Hinblick auf den Jugendschutz wäre die gesetzliche Verankerung eines Verkaufsverbots an Personen unter 18/16 Jahren, das von der Allgemeinheit einzuhalten sei (wie zB keine Abgabe im Supermarkt). In Oberösterreich gebe es zudem bereits ein Abgabeverbot von E-Zigaretten, E-Shishas und Liquids an Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr. Diese Maßnahme gelte für alle gleichermaßen (ob in der Trafik oder im Onlineshop) und könne als Beispiel für ein angemessenes und gelinderes Mittel zur Sicherung des Jugendschutzes angesehen werden. Der Jugendschutz könne zudem auch beim Versandhandel sichergestellt werden: Bereits die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) würden in §33 lita vorschreiben, dass Pakete nur an erwachsene Personen übergeben werden dürfen. Wenn sich ein Versandhändler daher eines Lieferanten bedienen würde, der sich an die AÖSp zu halten habe, sei bereits sichergestellt, dass die Pakete nicht an Jugendliche übergeben werden. Eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung wäre möglich gewesen. Versandhändler könnten von den Kunden auch verlangen, vorab eine Ausweiskopie zu übermitteln. Der Kunde würde nur dann ein Kundenkonto erhalten und könnte Bestellungen über den Onlineshop aufgeben, wenn er über 18 Jahre alt sei. Weiters gebe es die (kostenpflichtige) Möglichkeit, Lieferanten mit einer Altersverifikation zu beauftragen. Der Lieferant dürfte das Paket dann nur nach erfolgter Ausweiskontrolle und Scan der Ausweisnummer an den Abnehmer übergeben.

3.2.2.13. Spätestens beim letzten Prüfschritt der Verhältnismäßigkeitsprüfung zeige sich, dass bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe, ein unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff vorliege: Durch §2a TNRSG werde eine Vertriebsform hinsichtlich bestimmter Produkte, die seit Jahren frei über den Versandhandel verkauft werden konnten, (ohne Übergangsfrist) verboten, ohne dass es überhaupt gerechtfertigte Gründe für eine derart einschränkende Maßnahme gebe. Der Gesetzgeber habe seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum dabei wohl überschritten und überschießende Regelungen getroffen. In Anbetracht der zahlreichen anderen Möglichkeiten zur Zielerreichung und vor dem Hintergrund, dass durch ein gänzliches Versandhandelsverbot der Kern der Erwerbsausübung entzogen würde, sei die Normierung des Versandhandelsverbots unangemessen und unverhältnismäßig. Die Schwere dieses Grundrechtseingriffes könne weder durch die vom Gesetzgeber unzureichend ausgeführten Gründe (de facto Angleichung an die Monopolisierung), noch durch die (bloß denkbaren) Gründe des Gesundheits-, Konsumenten- oder Jugendschutzes gerechtfertigt werden, da diese Ziele in einer gleich wirksamen, aber die Grundrechte weniger einschränkenden Weise mit gelinderen Mitteln erreicht werden könnten.

3.2.2.14. Auch die jüngste Tendenz, den Fernabsatz hinsichtlich Humanarzneimittel durch "Online-Apotheken" zu erlauben, lasse die Verhängung eines Versandhandelsverbots für weniger gefährliche Produkte nicht zeitgemäß und daher unzulässig erscheinen. Weiters würden pauschal alle erdenklichen verdampfbaren Flüssigkeiten (aromatisiertes Wasser), egal welche Inhaltsstoffe sie enthalten, als gesundheitsgefährdend eingestuft. Nach Ansicht der antragstellenden Gesellschaft seien nikotinfreie E-Zigaretten und Liquids grundsätzlich nicht gesundheitsschädlich. Darüber hinaus gewährleiste ein Verkauf in Tabaktrafiken oder in Einzelhandelsgeschäften noch nicht eine faktische "Beaufsichtigung des Verkaufes" von E-Zigaretten und Liquids, zumindest nicht in einem größeren Ausmaß als in Onlineverkaufsstellen.

3.3.    Zur Verletzung des Grundrechts auf Unversehrtheit des Eigentums (und der Privatautonomie) führt die antragstellende Gesellschaft u.a. das Folgende aus:

3.3.1.  Das Versandhandelsverbot nikotinfreier Produkte bedeute für die antragstellende Gesellschaft einen erheblichen Eingriff in ihr Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums, da sie ihr bestehendes Geschäft nicht mehr im bisher ausgeübten Umfang betreiben dürfe und gezwungen sei, nicht nur einen wesentlichen Erwerbszweig einzustellen, sondern ihr Geschäft zu schließen. Sie müsse ihr Geschäft jedenfalls um die Hälfte verkleinern; die aufgebaute Infrastruktur (Onlineshop) wäre unbrauchbar. Damit liege ein schwerer Eingriff in das Eigentumsrecht der antragstellenden Gesellschaft vor. Zudem sei sie in ihrer Privatautonomie betroffen, da sie bestehende Verträge lösen müsse – insbesondere den bestehenden Exklusivvertrag –, was zu existenzbedrohlichen Umsatz- und Gewinneinbußen führen werde.

3.3.2.  Auch der Eingriff in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums sei unverhältnismäßig: Das Versandhandelsverbot sei zur Zielerreichung (siehe vorne) nicht geeignet und würde nicht das gelindeste Mittel darstellen (siehe vorne), weshalb ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht vorliege.

3.4.    Zum behaupteten Verstoß des Versandhandelsverbots gegen den Gleichheitsgrundsatz bringt die antragstellende Gesellschaft das Folgende vor:

3.4.1.  Zur unsachlichen Gleichbehandlung von E-Zigaretten sowie (nikotinhaltigen und nikotinfreien) Liquids und Tabakerzeugnissen:

3.4.1.1. Die rechtliche Gleichbehandlung von E-Zigaretten und Liquids mit Tabakerzeugnissen und die Einbeziehung dieser Produkte in das TNRSG würden die tatsächlichen Unterschiede dieser beiden Produktgruppen nicht berücksichtigen. Ähnlichkeiten bestünden optisch nur mehr bei gewissen Einweg-E-Zigaretten. E-Zigaretten für den langfristigen Gebrauch würden sich nicht nur optisch, sondern vor allem auf Grund ihrer Funktionsweise und ihrer Inhaltsstoffe von (Tabak-)Zigaretten unterscheiden: Bei E-Zigaretten finde kein Verbrennungsprozess statt, sondern lediglich das Verdampfen von Flüssigkeiten durch Erhitzen. Der Dampf werde dann vom Benutzer eingeatmet. Das Verdampfen von Liquids lasse kein Kohlenmonoxid entstehen und der Konsument nehme auch keinen Teer auf, sodass viele gesundheitsschädliche Substanzen des Tabaks nicht entstehen würden. Auch die Inhaltsstoffe würden sich grundlegend unterscheiden. Zigaretten würden als Hauptbestandteil Tabak enthalten, der beim Verbrennungsprozess mehr als 3.800 chemische Verbindungen freisetze, von denen über 200 giftig und mindestens 40 krebserregend seien. E-Zigaretten würden hingegen mit Flüssigkeiten (Liquids) befüllt, die in den unterschiedlichsten Variationen und Zusammensetzungen erhältlich seien; einige würden Nikotin, andere bloß Aromastoffe enthalten. Bei E-Zigaretten entstehe auch kein schädlicher "Passiv-Dampf", da der entstehende Wasserdampf im Gegensatz zum Passivrauch einer Zigarette, keine für Dritte schädlichen Substanzen (wie zB Blei, Teer, Arsen udgl.) enthalte. Aus diesen Gründen seien E-Zigaretten grundsätzlich nicht mit (Tabak-)Zigaretten vergleichbar. Ihr wesentlicher Vorteil bestehe gerade darin, dass in diesen Produkten kein Tabak enthalten sei.

3.4.1.2. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Liquids (und Nachfüllbehälter), die kein Nikotin enthalten, und E-Zigaretten, mit denen diese Liquids verdampft werden können, in das TNRSG einbezogen wurden. Bei diesen Produkten bestehe nicht einmal irgendeine denkmögliche Ähnlichkeit zu Tabakprodukten, da sie das in den Tabakprodukten enthaltene Nikotin eben nicht beinhalten. Nach dem Gesetzeswortlaut würden beispielsweise auch Nachfüllbehälter, die reines Wasser mit Himbeeraroma (also Himbeersaft) enthalten, dem TNRSG unterliegen. Dies stelle eine unsachliche Gleichbehandlung dar.

3.4.2.  Zur unsachlichen Ungleichbehandlung von E-Zigaretten und anderer "Hardware" (zB Pfeifen) und zur überschießenden Reglementierung der E-Zigaretten samt allen Bestandteilen:

Selbst wenn E-Zigaretten und Liquids als verwandte Erzeugnisse in das TNRSG einbezogen werden dürften, liege eine unbegründete Diskriminierung der E-Zigarette gegenüber anderer "Hardware" wie beispielsweise Pfeifen vor. Während E-Zigaretten mit allen Bestandteilen (Akku, Watte udgl.) dem TNRSG unterliegen würden, was an sich schon überschießend und sachlich nicht gerechtfertigt sei, seien Pfeifen oder Wasserpfeifen nicht vom TNRSG erfasst, sodass für diese Produkte kein verpflichtendes Anmeldeverfahren mit sechs-monatiger Stillhaltefrist, kein Werbeverbot und kein Versandhandelsverbot gelten würde. Diese Ungleichbehandlung gegenüber der E-Zigarette, die mit Pfeifen und Wasserpfeifen uneingeschränkt vergleichbar seien, da sie ebenso bloß die "Hardware" zur Benutzung des eigentlichen (vermeintlich gefährlichen) Produkts darstellen würden, sei sachlich nicht zu rechtfertigen.

3.4.3.  Zur unsachlichen Ungleichbehandlung von Versandhandel und Nicht-Versandhandel mit E-Zigaretten und Liquids:

Während seit 20. Mai 2016 der Versandhandel mit E-Zigaretten und (auch nikotinfreien) Liquids an Verbraucher verboten sei, sei ein direkter Verkauf an Verbraucher in Geschäftslokalen weiterhin erlaubt. Es seien keine Gründe ersichtlich, die diese Ungleichbehandlung vom Verkauf in Trafik und Geschäftslokal im Vergleich zum Versandhandel sachlich rechtfertigen würden. Wie bereits dargelegt, könne ein Versandhandelsverbot für E-Zigaretten und Liquids an Konsumenten weder dem Gesundheitsschutz noch dem Konsumenten- und Jugendschutz dienen. Darüber hinaus stünden gelindere Mittel für die Erreichung dieser Ziele zur Verfügung. Auch die Kontrollmöglichkeiten könnten durch ein Versandhandelsverbot nicht verbessert werden, da gerade bei einem Verkauf über Onlineshops die angebotenen Produkte auf der Homepage der Versandhändler für jedermann ersichtlich seien, was auch die Kontrollmöglichkeit der Behörden erleichtern würde.

3.4.4.  Zum Vertrauensschutz und zur Übergangsfrist:

3.4.4.1. Darüber hinaus greife das Versandhandelsverbot in die Rechtsposition der antragstellenden Gesellschaft in sachlich nicht gerechtfertigter Weise ein, da diese im Vertrauen auf den Bestand ihrer Rechtsposition erhebliche Investitionen getätigt habe, um ihr Geschäft mit E-Zigaretten und (auch nikotinfreien) Liquids – in der eigens dafür geschaffenen Sparte – in Österreich aufzubauen. Die antragstellende Gesellschaft habe einen langfristigen Mietvertrag für ihre Lagerräume sowie langfristige und bindende Kauf- und Lieferverträge mit Produzenten von E-Zigaretten und (auch nikotinfreien) Liquids abgeschlossen, zusätzliche Mitarbeiter angestellt und teure Aufwendungen für den Aufbau und die Erweiterung ihres Betriebes getätigt (Rechts- und Steuerberatung, Marketing, EDV-Infrastruktur, Lageraufbau udgl.). Diese Investitionen seien nunmehr nutzlos.

3.4.4.2. Trotz der schwerwiegenden Eingriffe durch die angefochtenen Bestimmungen seien diese – unzulässigerweise – ohne Übergangsfrist erlassen worden. Der Gesetzgeber hätte entweder die TPD II früher umsetzen müssen, sodass eine angemessene Übergangsfrist auch bis zur unionsrechtlich vorgesehenen Umsetzungsfrist am 20. Mai 2016 zur Verfügung gestanden hätte oder er hätte eine ausreichend lange Übergangsfrist zur Wahrung des nationalen Verfassungsrechts vorsehen müssen, zumal die Richtlinie das Versandhandelsverbot nicht zwingend vorschreibe.

3.5.    Zu den Bedenken bezüglich §10d Abs1 Z3 und 4 sowie Abs3 TNRSG im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und das Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG:

3.5.1.  Die Verpflichtung in §10d Abs1 Z4 TNRSG sei gleichheitswidrig, da Hersteller oder Importeure von (Tabak-)Zigaretten gemäß §8 Abs8 TNRSG nur Marktstudien vorlegen müssten, die sie selbst anlässlich der Markteinführung angefertigt haben. Fachhändler von E-Zigaretten, wie die antragstellende Gesellschaft, müssten hingegen als Importeure alle verfügbaren Studien suchen, zusammenfassen und eine englische Übersetzung notfalls selbst anfertigen.

3.5.2.  Darüber hinaus verletze diese Bestimmung das Bestimmtheitsgebot, da nicht klar sei, wie ein Normadressat erkennen könne, ob (und wann) er tatsächlich "alle" (international?) verfügbaren Studien zusammengesucht habe und ob ein (wissenschaftlicher) Fachmann hievon eine wissenschaftlich tragfähige Zusammenfassung erstellen könne. Selbiges gelte für §10d Abs1 Z3 sowie Abs3 TNRSG. Es sei völlig unbestimmt, wie das in §10d Abs3 TNRSG geforderte "System zur Erhebung von Informationen über alle vermuteten schädlichen Auswirkungen dieser Erzeugnisse auf die menschliche Gesundheit" auszusehen habe. Zudem bestehe für Zigaretten und Tabak keine vergleichbare Vorschrift, obwohl das Gesundheitsrisiko höher sei. Selbiges gelte auch für §10d Abs1 Z3 TRNSG, da die antragstellende Gesellschaft gar nicht wissen könne, worin ihre Verpflichtung konkret bestehe.

4.       Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge – soweit der Antrag nicht als unzulässig zurückzuweisen sei – aussprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden. Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesregierung den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art140 Abs5 B-VG eine Frist von einem Jahr für das Außerkrafttreten bestimmen.

4.1.    Ziel der TNRSG-Novelle 2016 sei es gewesen, den Nichtraucherschutz (insbesondere in Bezug auf Kinder und Jugendliche) durch die Ausdehnung des Geltungsbereichs des Tabakgesetzes auch auf elektronische Zigaretten einschließlich nikotinfreier Produkte auszuweiten sowie Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse durch die Verringerung ihrer Attraktivität nachhaltig zu reduzieren, verbesserte Kontrollen einzuführen sowie langfristig eine Entlastung des Gesundheitssystems durch den Rückgang von mit dem Konsum von Tabakerzeugnissen assoziierten Erkrankungen zu erreichen (RV 1056 BlgNR 25. GP, Vorblatt, 1). Elektronische Zigaretten, deren Inhaltsstoffe und Risiken seien keinesfalls als harmlos einzustufen.

4.1.1.  Den mit der Novelle 2016 eingeführten (angefochtenen) Bestimmungen des TNRSG würden zum einen völkerrechtliche Verpflichtungen der Republik Österreich zugrunde liegen: Österreich habe das Rahmenübereinkommen der WHO vom 21. Mai 2003 zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (Framework Convention on Tobacco Control – FCTC) im September 2005 ratifiziert. Ziel des FCTC sei es, heutige und zukünftige Generationen vor den verheerenden gesundheitlichen, sozialen und die Umwelt betreffenden Folgen des Tabakkonsums und des Passivrauchens zu schützen, indem ein Rahmen für Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs geschaffen werde, um die Verbreitung des Tabakkonsums und des Passivrauchens stetig und wesentlich zu vermindern (vgl. Art3 FCTC). Am 18. Oktober 2014 habe die Konferenz der Vertragsparteien des FCTC in ihrer sechsten Sitzung einen Beschluss betreffend nikotinhaltige und nikotinfreie elektronische Zigaretten gefasst, mit dem den Vertragsparteien im Hinblick auf ein hohes Niveau des Schutzes der menschlichen Gesundheit ein Verbot oder eine Regulierung dieser Produkte empfohlen werde (vgl. FCTC/COP6(9) Z3).

4.1.2.  Zum anderen seien die angefochtenen Bestimmungen in Umsetzung europarechtlicher Vorgaben erlassen worden, namentlich der Richtlinie 2014/40/EU (Tobacco Products Directive II, TPD II). Ziel dieser Richtlinie sei die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der EU-Mitgliedstaaten u.a. für das Inverkehrbringen und die Kennzeichnung bestimmter Erzeugnisse, die mit Tabakerzeugnissen verwandt seien, nämlich elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter sowie pflanzliche Raucherzeugnisse, damit — ausgehend von einem hohen Schutz der menschlichen Gesundheit, besonders für junge Menschen — das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse erleichtert werde und die Verpflichtungen der Union im Rahmen des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs eingehalten würden (vgl. Art1 TPD II). Über die Vorgaben der TPD II hinaus erfasse in Österreich der Begriff "elektronische Zigarette" auch nikotinfreie Produkte.

4.1.3.  Im Gegensatz zur diesbezüglichen Darstellung der antragstellenden Gesellschaft seien verwandte Erzeugnisse bereits vor dem 14. August 2015 von arzneimittel-, medizinprodukte- und chemikalienrechtlichen bzw. auch teilweise jugendschutzrechtlichen Produktsicherheits- und Qualitätssicherungsregelungen erfasst gewesen (AMG, BGBl 185/1983 idgF; MPG, BGBl 657/1996 idgF; Chem-VerbotsV 2003, BGBl II 477/2003 idgF; Jugendschutzbestimmungen der Länder; PSG 2004, BGBl I 16/2005 idgF). Es habe daher kein rechtsfreier Raum bestanden.

4.2.    Zu den Prozessvoraussetzungen bringt die Bundesregierung vor, dass die antragstellende Gesellschaft den Anfechtungsumfang nicht richtig, nämlich zu weit, abgegrenzt habe.

4.2.1.

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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