RS Vfgh 2017/3/6 WI13/2016

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Veröffentlicht am 06.03.2017
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Index

L0350 Gemeindewahl, Bürgermeisterwahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Wr GemeindewahlO 1996 §58a, §85, §86, §90
Wr Stadtverfassung §61b
VfGG §12 Abs2 Z1, §67 Abs2, §68 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung der Anfechtung der Wiederholung der Bezirksvertretungswahl im 2. Wiener Gemeindebezirk (Leopoldstadt) vom September 2016 als verspätet wegen Versäumung der vierwöchigen Anfechtungsfrist; unmittelbare Wahlanfechtung zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeiten betreffend Wahlkarten bzw die Abwicklung des Wahlverfahrens vorgesehen; kein Fall der dem Einspruchsverfahren vorbehaltenen Nachprüfung der ziffernmäßigen Ermittlung oder Beurteilung oder Zurechnung von Stimmzetteln durch die Wahlbehörde

Rechtssatz

Die von der anfechtungswerbenden Partei, der Wählergruppe "EU-AUSTRITTSPARTEI (EUAUS)", in ihrer Anfechtungsschrift gerügten Rechtswidrigkeiten betreffen im Wesentlichen die Ausgabe der Wahlkarten, das Verfahren bei der Auszählung, die Beurteilung der Wahlkarten als nichtig, die zugrunde liegenden Rechtsvorschriften sowie sonstige Mängel im Zusammenhang mit der Abwicklung des Wahlverfahrens.

Mit diesen behaupteten Rechtswidrigkeiten strebt die anfechtungswerbende Partei nicht die dem Einspruchsverfahren gemäß §90 Abs1 Wr GemeindewahlO 1996 (in der Folge: Wr GWO 1996) vorbehaltene Nachprüfung der ziffernmäßigen Ermittlung oder der Beurteilung oder Zurechnung von Stimmzetteln durch die Wahlbehörde an, sondern macht sonstige Rechtswidrigkeiten geltend, wofür die unmittelbare Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eröffnet wird.

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die anfechtungswerbende Partei in ihrem Einspruch vom 22.09.2016 die falsche Beurteilung der "Gültigkeit" der Wahlkarten rügte: Wie sich aus der Begründung eindeutig ergibt, betreffen die von der anfechtungswerbenden Partei behaupteten Fehler allein solche, die gemäß §58a Abs3 Wr GWO 1996 zu einer anderen Beurteilung der Nichtigkeit der Wahlkarten - und nicht der Gültigkeit der Stimmzettel - geführt hätten.

Schließlich führt auch die in der Anfechtungsschrift weiters aufgestellte - nicht näher begründete - Behauptung, dass am Tag der Wahl eine Wahlkarte weniger gezählt worden sei als am Tag der Auszählung, angesichts der mangelnden Substantiiertheit dieses Vorbringens zu keinem anderen Ergebnis. Da diese Behauptung auch nicht im Einspruch vom 22.09.2016 vorgebracht wurde, wäre - selbst wenn insofern von einer angestrebten Nachprüfung der ziffernmäßigen Ermittlung ausgegangen werden würde - die (erstmalige) Geltendmachung dieser behaupteten Rechtswidrigkeit im Verfahren vor dem VfGH zudem mangels Erschöpfung der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel in diesem Punkt nicht (mehr) berechtigt und die diesbezügliche Anfechtung auch insofern als unzulässig zurückzuweisen (vgl VfSlg 11257/1987).

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist in diesem Fall somit die Beendigung des Wahlverfahrens; das ist bei der vorliegenden Bezirksvertretungswahl die gemäß §85 Abs6 Wr GWO 1996 der Bezirkswahlbehörde obliegende Kundmachung des Wahlergebnisses in Form der Verlautbarung der Namen der gewählten Bewerber und der Ersatzbewerber durch Anschlag an der Amtstafel.

Diese Verlautbarung fand am 19.09.2016 statt. Die am 21.10.2016 eingebrachte Wahlanfechtung ist daher verspätet und somit unzulässig.

Daran ändert auch der abweisende Abspruch der Stadtwahlbehörde über den Einspruch nichts, weil mit dessen Zustellung die Frist zur Anfechtung beim VfGH nicht neu in Gang gesetzt wurde. Wie der VfGH bereits mehrfach ausgesprochen hat, geht eine "irrige Rechtsauffassung über einen solchen Instanzenzug [...] zu Lasten der anfechtenden Wählergruppe" (vgl VfSlg 16021/2000 mwN).

Auch die von der Stadtwahlbehörde am 26.09.2016 durch Anschlag an der Amtstafel vorgenommene Verlautbarung ist für die Berechnung der Anfechtungsfrist nicht maßgeblich. Unter "Beendigung" des Wahlverfahrens ist der Zeitpunkt zu verstehen, "in dem der letzte der in Betracht kommenden Akte vollzogen ist", was "in der Regel der Tag sein [wird], an dem im Sinne der maßgeblichen Wahlordnung die letzte amtliche Verlautbarung über das Ergebnis der durchgeführten Wahl ergangen ist". Da die Wr GWO 1996 Verlautbarungen der Stadtwahlbehörde lediglich im Falle der Berichtigung des Ergebnisses der Bezirkswahlbehörde vorsieht (vgl §86 Abs1 und §90 Abs3 leg cit) und die in Rede stehende - im Gegensatz zu der dem Verfahren zu VfGH 13.06.2016, WI22/2015, zugrunde liegenden - Verlautbarung das Ergebnis der Bezirkswahlbehörde ohne Berichtigung bloß wiederholend festgestellt hat, handelt es sich dabei um keine fristauslösende Verlautbarung "im Sinne der maßgeblichen Wahlordnung".

Über den Einwand der Befangenheit einzelner Mitglieder des VfGH ist nicht abzusprechen (vgl zur Unzulässigkeit eines Antrages auf Ablehnung eines Mitgliedes des VfGH VfSlg 19893/2014 mwN). Im Übrigen sind die von Amts wegen wahrzunehmenden Voraussetzungen einer Befangenheit gemäß §20 JN, auf den §12 Abs2 Z1 VfGG ausdrücklich verweist, nicht gegeben.

Entscheidungstexte

  • WI13/2016
    Entscheidungstext VfGH Beschluss 06.03.2017 WI13/2016

Schlagworte

Wahlen, Bundeshauptstadt Wien, Bezirksvertretungen, Wahlkarten, Stimmzettel, Briefwahl, VfGH / Wahlanfechtung, VfGH / Ablehnung eines Mitgliedes, Befangenheit, VfGH / Fristen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:WI13.2016

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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