TE Vwgh Beschluss 2018/8/2 Ra 2017/05/0076

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Veröffentlicht am 02.08.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §58 Abs2;
VwGG §63 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der E W in L, vertreten durch Dr. Thomas Gratzl, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Pfarrgasse 15a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 7. Dezember 2016, Zl. LVwG-550743/27/Kü/BHu, betreffend Genehmigung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Oberösterreich; mitbeteiligte Partei: H GmbH in  H), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

5 Zur Vorgeschichte ist zunächst auf das Vorerkenntnis VwGH 26.11.2015, 2012/07/0027, zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den Genehmigungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 27. September 2011 auf Grund der damaligen Beschwerde der Revisionswerberin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Aufhebung erfolgte, weil es dann, wenn eine Messung am entscheidenden Immissionspunkt möglich sei, unzulässig sei, die dort zu erwartenden Immissionen aus den Ergebnissen einer Messung an einem anderen Ort zu prognostizieren. Der Durchführung von Messungen, soweit diese möglich seien, sei grundsätzlich der Vorrang vor lärmtechnischen Berechnungen einzuräumen. "Grundsätzlich" bedeute, dass diese Verpflichtung nicht allgemein bestehe, sobald eine Messung (technisch) möglich sei, allerdings könne nur in Ausnahmefällen davon abgesehen werden. Ob ein Ausnahmefall dafür, dass gegenständlich keine Messung durchgeführt worden sei, vorliege, sei auf sachverständiger Grundlage fallbezogen in schlüssiger Weise darzulegen, was der Unabhängige Verwaltungssenat unterlassen habe.

6 Die Beurteilung der Lärmeinwirkung habe auf jenen der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil des Nachbargrundstückes abzustellen, der dem regelmäßigen Aufenthalt des Nachbarn, sei es in einem Gebäude, sei es außerhalb eines Gebäudes, dienen könne. Das schalltechnische Projekt sei außerdem widersprüchlich, weil der dort wörtlich umschriebene Messpunkt nicht mit dem in den Plänen eingezeichneten Messpunkt übereinstimme.

7 Weiters wäre die Einholung eines humanmedizinischen Gutachtens notwendig gewesen, weil ohne ein solches die Genehmigungsvoraussetzungen des § 43 Abs. 1 AWG 2002 nicht beurteilt werden könnten. Entsprechend der hg. Judikatur zur Gewerbeordnung 1994, die auf den gegenständlichen Fall übertragen werden könne, obliege es dem gewerbetechnischen Sachverständigen, sich dazu zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft seien, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kämen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert würden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch wären. Dem ärztlichen Sachverständigen falle, fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen, die Aufgabe zu darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen auszuüben vermöchten.

8 In den Revisionszulässigkeitsgründen wird eingeräumt, dass im fortgesetzten Verfahren Messungen durchgeführt worden seien. Die Voraussetzungen, die einzuhalten der Verwaltungsgerichtshof im genannten Vorerkenntnis verlangt habe, seien aber nicht beachtet worden. So habe sich das Verwaltungsgericht mit einer Messung begnügt, die nicht einmal einen gesamten Betriebstag in der Dauer von 6 bis 19 Uhr umfasst habe, die Messung sei nur von 6 bis 14 Uhr vorgenommen worden. Weiters sei nicht genau erhoben und festgestellt worden, wo in Bezug auf die Liegenschaft der Revisionswerberin die Messung stattgefunden habe. Im angefochtenen Erkenntnis finde sich dazu nur der Hinweis "an der Nachbargrenze". Eine Lokalisierung der Messungen könne nicht exakt vorgenommen werden. Der Verwaltungsgerichtshof habe als Bezugspunkt den "der Lärmquelle am nächsten liegenden Teil des Nachbargrundstückes" genannt. Ob diese Voraussetzungen nun erfüllt seien, sei offen. Es ergebe sich die Frage der inhaltlichen Beachtung von Messvorgaben sowie der Relevanz (genauer) Messungen und des Umfanges derartige Messungen in Bezug auf Aussagekräftigkeit und Verbindlichkeit.

9 Was den Ort der Messung angeht, wird in den Revisionszulässigkeitsgründen nicht dargelegt, dass bzw. warum oder inwieweit die Nachbargrundgrenze den obgenannten Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes nicht entsprochen hätte bzw. wird auch nicht dargelegt, dass diesen Vorgaben nur an einem anderen Ort hätte entsprochen werden können. Betreffend die Zeit der Messungen wurde vom schalltechnischen Amtssachverständigen die durchgeführte Dauer als ausreichend qualifiziert (vgl. S. 13 des angefochtenen Erkenntnisses). In den Revisionszulässigkeitsgründen wird nicht aufgezeigt, dass diese Beurteilung unzutreffend wäre bzw. ein längerer Zeitraum der Messungen zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätte. Die Relevanz der in den Revisionszulässigkeitsgründen aufgezeigten Verfahrensmängel im Zusammenhang mit den Messungen wird somit in den Revisionszulässigkeitsgründen nicht dargelegt (vgl. VwGH 24.1.2017, Ra 2017/05/0005, mwN).

10 In den Revisionszulässigkeitsgründen wird ferner gerügt, dass ohne Begründung kein humanmedizinisches Gutachten eingeholt worden sei. Ein Gutachten aus einem Fachgebiet könne kein Gutachten aus einem anderen Fachgebiet ersetzen. Es stelle sich die Frage, ob von einer Vorgabe des Verwaltungsgerichtshofes ohne Begründung abgegangen werden könne.

11 Das durch § 63 Abs. 1 VwGG anerkannte Interesse einer Partei an der Beachtung der Bindung an die Entscheidungsgründe eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes macht eine hinreichende Begründung für ein Abweichen von der zu der aufgehobenen Entscheidung führenden Verfahrenslinie notwendig. Wenn sich auch die auf § 63 Abs. 1 VwGG beruhende Bindung nur auf die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung, nicht aber auf den Sachverhalt bezieht, so ist die Behörde nicht der Verpflichtung enthoben, die bisherigen Verfahrensergebnisse im Zusammenhalt mit den neu erhobenen Sachverhaltselementen zu würdigen und im Besonderen auch die Gründe für die Änderung der ursprünglich eingeschlagenen Verfahrenslinie darzutun (vgl. VwGH 10.12.1998, 97/07/0148, mwN).

12 Die im vorliegenden Fall nunmehr vorgenommene schalltechnische Feststellung ergab, dass die örtliche Schallsituation auf der Liegenschaft der Revisionswerberin durch die gegenständliche Anlage nicht verändert wird (vgl. die Darlegungen im angefochtenen Erkenntnis auf S. 8, 18 und 19). Das Verwaltungsgericht hat dazu in seiner Begründung auf S. 18 und S. 19 festgehalten, dass es in einem solchen Fall einer medizinischen Beurteilung nicht bedarf.

13 In den Revisionszulässigkeitsgründen wird der Feststellung des Ergebnisses, dass es in schalltechnischer Hinsicht zu keinen Veränderungen der bestehenden örtlichen Verhältnisse auf der Liegenschaft der Revisionswerberin kommt, nicht entgegengetreten. Angesichts dessen war auf Grund des nunmehr ergänzend ermittelten Sachverhaltes ein humanmedizinisches Gutachten im Sinne des oben genannten Vorerkenntnisses entsprechend der Begründung des Verwaltungsgerichtes nicht mehr erforderlich, weil damit eine relevante Einwirkung von Schall, die von einem Humanmediziner zu beurteilen gewesen wäre, ausscheidet.

14 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. 15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung, BGBl. II Nr. 8/2014. Wien, am 2. August 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017050076.L00

Im RIS seit

30.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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