TE Vwgh Beschluss 1999/12/20 99/10/0249

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Veröffentlicht am 20.12.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/01 Rechtsanwälte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art140 Abs1;
DSt Rechtsanwälte 1990 §11 Abs1 impl;
DSt Rechtsanwälte 1990 §12;
DSt Rechtsanwälte 1990 §25 Abs2;
DSt Rechtsanwälte 1990 §27 impl;
DSt Rechtsanwälte 1990 §28 Abs2;
DSt Rechtsanwälte 1990 §28 Abs3;
DSt Rechtsanwälte 1990 §29 Abs3 impl;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde des D, Rechtsanwalt in W, gegen den Beschluss des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien vom 23. Juni 1999, Zl. D 162/96, DV 70/99, betreffend Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Beschluss vom 23. Juni 1999 fasste der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien folgenden Einleitungsbeschluss:

     "Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer Wien hat .... über

die betreffend .... (den Beschwerdeführer) am 13.9.1996 zur

Zl. D 162/96 eingelangte Anzeige der Ö. sowie die am 6.11.1996 und

9.12.1998 eingelangten Nachtragsanzeigen auf Grund der gepflogenen

Erhebungen und nach Anhörung des Kammeranwaltes ....... den

Beschluss gefasst:

     Es ist Grund zur Disziplinarbehandlung ...... (des

Beschwerdeführers), Rechtsanwalt in Wien, hinsichtlich der

angezeigten Vorwürfe vorhanden, er habe in Schriftsätzen folgende

Formulierungen verwendet:

     ......". (Es folgt eine Auflistung der inkriminierten

Formulierungen).

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu deren Zulässigkeit der Beschwerdeführer Folgendes ausführt:

Der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer sei eine Verwaltungsbehörde, der die Qualifikation im Sinne des Artikels 133 Z. 4 B-VG fehle. Nach § 28 Abs. 2 letzter Satz des Disziplinarstatuts 1990 sei gegen den Einleitungsbeschluss ein administratives Rechtsmittel ausgeschlossen. Der Verfassungsgerichtshof habe die Ansicht vertreten, dass der Einleitungsbeschluss nach § 29 Abs. 3 des Disziplinarstatuts 1872 kein anfechtbarer Bescheid sei, sondern lediglich eine Verfahrensanordnung, die in die Rechte des Rechtsanwalts nicht eingreife. Diese Auffassung sei aber nach der nunmehr geltenden Gesetzeslage nach dem Disziplinarstatut 1990 nicht haltbar. Es verändere sich die Stellung des Disziplinarbeschuldigten, weil sowohl er als auch der Kammeranwalt binnen zwei Wochen nach Zustellung des Einleitungsbeschlusses einen Antrag auf Zuweisung zum Disziplinarrat einer anderen Rechtsanwaltskammer einbringen könnten. Möge auch diese Frist bei Vorliegen gewisser an Wiedereinsetzungsgründe erinnernder Sachverhalte ausgedehnt werden können, so sei doch die Frage, welcher Disziplinarrat für die Verfolgung eines vorgeworfenen Disziplinarvergehens zuständig sei, davon abhängig, dass der Einleitungsbeschluss zugestellt sei. Erst die Zustellung des Einleitungsbeschlusses begründe eine bestimmte Zuständigkeit bzw. die Möglichkeit, die vom Gesetz vorgesehene Zuständigkeit durch entsprechenden Antrag zu ändern. Ferner habe sich der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung darauf gestützt, dass nach § 11 des Disziplinarstatuts 1872 die Inhabilität eines Disziplinarratsmitgliedes zur weiteren Ausübung des Amtes schon dann eintrete, wenn ein Disziplinarverfahren "im Zuge" sei. Nach der nunmehrigen Rechtslage seien aber Mitglieder des Disziplinarrats, Kammeranwälte und deren Stellvertreter, gegen die ein gerichtliches Strafverfahren oder ein Disziplinarverfahren anhängig ist, von der Ausübung ihres Amtes bis zur Beendigung des Verfahrens ausgeschlossen. Während man früher von einem "im Zuge befindlichen" Disziplinarverfahren auch dann habe sprechen können, wenn irgendein Vorstadium des Verfahrens erreicht worden sei, so mache nunmehr die Fassung des § 12 des Disziplinarstatutes 1990 klar, dass diesbezüglich eine Parallelität zwischen dem gerichtlichen Strafverfahren und dem Disziplinarverfahren bestehe und dass erst eine förmliche, auch gegenüber dem Disziplinarbeschuldigten ergehende Entscheidung durch die Disziplinarbehörde eine Anhängigkeit begründen könne. Ein gerichtliches Strafverfahren sei nach allgemeiner Auffassung erst dann anhängig, wenn ein Prozessrechtsverhältnis bestehe. Die Vorerhebung stelle noch kein Prozessrechtsverhältnis her und sei daher auch nicht als Anhängigkeit des Strafverfahrens anzusehen. Vielmehr werde "dies erst durch die Voruntersuchung, nämlich durch den darauf zielenden förmlichen gerichtlichen Beschluss, hergestellt, wonach auf Grund des Verdachts gegen eine bestimmte Person die gegen diese erhobene Anschuldigung einer vorläufigen Prüfung zu unterwerfen ist, als es nötig ist, um die Momente festzustellen, die geeignet sind, entweder die Einstellung herbeizuführen oder die Versetzung in den Anklagestand und die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vorzubereiten". Daraus erhelle, dass entgegen der verfassungsgerichtlichen Judikatur zum früheren Disziplinarstatut, die sich auf die unklaren Worte "im Zuge befindlichen Disziplinarverfahrens" gestützt habe, davon auszugehen sei, dass nach der heutigen Fassung des § 11 des Disziplinarstatutes 1990 diese Inhabilität der Disziplinarratsmitglieder und des Kammeranwaltes erst dann ihren Anfang nehme, wenn ein Einleitungsbeschluss gefasst und zugestellt sei. Auch die Notwendigkeit der Beurteilung im Sinne des § 12 zweiter Satz des Disziplinarstatuts 1990 setze voraus, dass überhaupt in einer fassbaren Weise festgelegt sei, wessen man das Mitglied des Disziplinarrates verdächtige. Daraus sei, wie auch der Verwaltungsgerichtshof in vergleichbaren Fällen es getan habe, abzuleiten, dass es sich bei dem Einleitungsbeschluss um einen Bescheid im Sinne des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG handle.

Die Beschwerde erweist sich als unzulässig.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinen Beschlüssen vom 16. Juni 1982, VfSlg 9425 und vom 25. Februar 1988, VfSlg 11.608, unter Hinweis auf seine eigene Rechtsprechung sowie auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Auffassung vertreten, dass es sich bei einem Beschluss nach § 29 Abs. 3 des Disziplinarstatuts 1872 (Einleitungsbeschluss) nicht um einen Bescheid handelt. Begründet wurde dies damit, der Einleitungsbeschluss des Inhalts, dass Grund zur Disziplinarbehandlung vorhanden sei, übe - anders als etwa ein (die dienstrechtliche Stellung des Beschuldigten verändernder) Beschluss auf Einleitung (Durchführung) des Disziplinarverfahrens gegen einen öffentlich Bediensteten - auf die Berufsrechte des betroffenen (Rechtsanwaltes) keine wie immer geartete einschränkende Wirkung aus. Er enthalte insbesondere auch keine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Qualifikation der dem Beschuldigten zur Last gelegten Handlungsweise als Disziplinarvergehen; vielmehr könne darüber mit Rechtskraftwirkung nur im Disziplinarerkenntnis abgesprochen werden. An dieser Beurteilung vermöge auch die Bestimmung des § 11 Abs. 1 des Disziplinarstatuts 1872 nichts zu ändern. Nach dieser Vorschrift dürften Mitglieder und Ersatzmänner des Disziplinarrates sowie Kammeranwälte und Anwaltssubstituten, gegen die ein Disziplinarverfahren im Zuge sei, in der Regel bis zur Beendigung des Verfahrens ihr Amt (beim Disziplinarrat) nicht ausüben, doch könne der Disziplinarrat - wenn im Disziplinarverfahren über die Anzeige noch kein Einleitungsbeschluss ergangen sei - beschließen, dass der Beschuldigte sein Amt weiter auszuüben habe, solange ein Einleitungsbeschluss nicht gefasst sei. Dieses Funktionsausübungsverbot sei nämlich hier nicht an die - überhaupt erst nach Abschluss der Disziplinaruntersuchung mögliche - Erlassung des Einleitungsbeschlusses geknüpft, sondern beginne - vom Einleitungsbeschluss unabhängig - bereits dann, wenn ein Disziplinarverfahren "im Zuge" sei, also mit dem Zeitpunkt des Einschreitens des Disziplinarrates vom Amts wegen, "sobald er durch eigene Wahrnehmung, durch eine Anzeige oder Beschwerde von dem Disziplinarvergehen eines Rechtsanwaltes ...... Kenntnis erlangt". Der Umstand aber, dass die Erlassung eines Beschlusses nach § 29 Abs. 3 des Disziplinarstatuts 1872 den Disziplinarrat an der Fassung eines - das grundsätzliche Funktionsausübungsverbot sistierenden - Beschlusses nach § 11 des Disziplinarstatuts 1872 hindere, könne nicht auf die Rechtsnatur des Einleitungsbeschlusses selbst zurückwirken.

Der Beschwerdeführer meint, diese Rechtsprechung sei im zeitlichen Geltungsbereich des Disziplinarstatuts 1990, BGBl. Nr. 474 i.d.F. BGBl. I Nr. 71/1999 (Disziplinarstatut 1990) nicht aufrecht zu erhalten.

Nach § 12 des Disziplinarstatuts 1990 dürfen Mitglieder des Disziplinarrats, Kammeranwälte und deren Stellvertreter, gegen die ein gerichtliches Strafverfahren oder ein Disziplinarverfahren anhängig ist, bis zur Beendigung des Verfahrens ihr Amt nicht ausüben. Der Disziplinarrat kann jedoch nach Anhörung des Kammeranwalts und des Betroffenen unter Bedachtnahme auf Art und Gewicht des Verdachts beschließen, dass der Betroffene sein Amt weiter ausüben kann, solange im Disziplinarverfahren ein Einleitungsbeschluss nicht gefasst wird. Gegen einen solchen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Der 5. Abschnitt des Disziplinarstatuts 1990 regelt das "Verfahren vor dem Disziplinarrat".

Nach § 20 Abs. 2 des Disziplinarstatuts 1990 schreitet der Disziplinarrat auf Antrag des Kammeranwalts ein und führt sodann das Verfahren von Amts wegen; er fällt seine Entscheidungen nach Anhörung des Kammeranwalts.

Nach § 28 Abs. 1 des Disziplinarstatuts 1990 hat nach Abschluss der - in den vorangehenden Bestimmungen vorgesehenen - Untersuchung der Präsident des Disziplinarrats einen Senat zu bestellen, dem der Untersuchungskommissär als Mitglied anzugehören hat. Der Untersuchungskommissär hat dem Senat einen Bericht über das Ergebnis der Erhebungen und einen Entwurf für den zu fassenden Beschluss vorzulegen. Der Senat hat nach Anhörung des Kammeranwalts durch Beschluss zu erkennen, ob Grund zu einer Disziplinarbehandlung des Beschuldigten in mündlicher Verhandlung vorliegt. Bei der Beratung und Abstimmung des Senats darf der Kammeranwalt nicht anwesend sein.

Nach § 28 Abs. 2 leg. cit. hat der Beschluss, dass Grund zur Disziplinarbehandlung in mündlicher Verhandlung vorliegt (Einleitungsbeschluss) unter Angabe der näheren Umstände die Tathandlungen, deren der Beschuldigte verdächtigt wird, anzuführen. Der Beschluss ist dem Beschuldigten und dem Kammeranwalt zuzustellen. Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.

Nach § 28 Abs. 3 leg. cit. ist der Beschluss, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung vorliegt (Einstellungsbeschluss) dem Beschuldigten, dem Kammeranwalt und der Oberstaatsanwaltschaft zuzustellen. Eine Abschrift dieses Beschlusses ist dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer zu übermitteln. Der Anzeiger ist nach Rechtskraft von dem Ergebnis zu verständigen.

Bereits ein Blick auf § 12 des Disziplinarstatuts 1990 zeigt, dass die Auffassung des Beschwerdeführers, die im zeitlichen Geltungsbereich des Disziplinarstatuts 1872 ergangene Rechtsprechung zur Rechtsnatur des Einleitungsbeschlusses sei im zeitlichen Geltungsbereich des Disziplinarstatuts 1990 nicht mehr aufrecht zu erhalten, weil Anhängigkeit des Disziplinarverfahrens und die damit verbundenen Folgen erst mit dem Einleitungsbeschluss eintreten, nicht zutrifft.

§ 12 erster Satz des Disziplinarstatuts 1990 sieht ein Funktionsausübungsverbot für Mitglieder des Disziplinarrats, Kammeranwälte und deren Stellvertreter vor, gegen die ein gerichtliches Strafverfahren oder ein Disziplinarverfahren anhängig ist.

§ 12 zweiter Satz leg. cit. ermächtigt den Disziplinarrat, zu beschließen, dass der Betroffene sein Amt weiter ausüben kann. Ein solcher Beschluss darf aber nur gefasst werden "solange im Disziplinarverfahren ein Einleitungsbeschluss nicht gefasst wird". Diese Regelung setzt zwingend voraus, dass das Disziplinarverfahren bereits vor dem Einleitungsbeschluss anhängig ist, da sonst die Regelung, dass das automatisch mit dem Anhängigwerden eines Disziplinarverfahrens verbundene Funktionsausübungsverbot durch Beschluss des Disziplinarrates bis längstens zum Einleitungsbeschluss sistiert werden kann, sinnlos wäre. Fielen das Anhängigwerden des Disziplinarverfahrens und der Einleitungsbeschluss zusammen, dann ginge § 12 zweiter Satz des Disziplinarstatuts 1990 völlig ins Leere und hätte keine Anwendungsbereich.

Der Einleitungsbeschluss nach § 28 Abs. 2 des Disziplinarstatuts 1990 ist kein Beschluss, mit dem das Disziplinarverfahren anhängig gemacht wird, sondern der Beschluss, dass Grund zur Disziplinarbehandlung in mündlicher Verhandlung vorliegt. Dass ein Disziplinarverfahren auch bereits vor dem Einleitungsbeschluss vorliegt, zeigt auch § 28 Abs. 3 des Disziplinarstatuts 1990, welcher für den Fall, dass kein Grund zur Disziplinarbehandlung vorliegt, anstelle des Einleitungsbeschlusses den Einstellungsbeschluss vorsieht. Eingestellt werden kann aber nur ein Verfahren, das bereits anhängig ist.

Es zeigt sich somit, dass entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers das Disziplinarstatut 1990 gegenüber dem Disziplinarstatut 1872 keine Änderung in der Richtung gebracht hat, dass nunmehr ein Disziplinarverfahren (erst) mit dem Einleitungsbeschluss anhängig wird und daher die Wirkungen des Anhängigwerdens eines Disziplinarverfahrens mit dem Einleitungsbeschluss eintreten. Vielmehr zählt auch schon das Verfahren, das dem Einleitungsbeschluss vorangeht, zum Disziplinarverfahren und macht dieses "anhängig". Dies kommt deutlich auch im Allgemeinen Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Disziplinarstatut 1990

(1188 Blg. NR. XVII. GP, 15) zum Ausdruck, wo es heißt, dass "der grundsätzliche Verfahrensablauf des erstinstanzlichen Disziplinarverfahrens (Bestellung des Untersuchungskommissärs - Einleitungsbeschluss - mündliche Verhandlung) beibehalten" wird.

Bestätigt wird die Auffassung, dass es sich beim Einleitungsbeschluss nicht um einen Bescheid handelt, durch einen Blick in die Materialien zum Disziplinarstatut 1990.

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage

(1188 Blg. NR. XVII. GP, 25) heißt es zu § 28 Abs. 2:

"Im Übrigen entspricht die Regelung über die Zustellung des Beschlusses und den Rechtsmittelausschluss dem bisherigen § 29 Abs. 4 DSt. Da es sich beim Einleitungsbeschluss nach ständiger Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9425/1982) um eine schlichte Verfahrensanordnung handelt, dessen rechtliche Bedeutung allein darin liegt, dass ein Disziplinarverfahren seinen Fortgang nimmt, müsste der Ausschluss eines selbstständigen Rechtsmittels hier an sich gar nicht ausdrücklich vorgesehen werden, da sich dies ohnedies schon aus der allgemein für prozessleitende Verfügungen geltenden Regelung des § 58 ergibt. Wegen der bisherigen, ausdrücklichen Regelung im § 29 Abs. 4 DSt und der Wichtigkeit dieser Frage soll dies aber dennoch auch hier zweifelsfrei klargestellt werden."

Nach dem Willen des Gesetzgebers handelt es sich also beim Einleitungsbeschluss um eine schlichte Verfahrensanordnung.

Diese Äußerung in den Materialien wäre allerdings bedeutungslos, wenn mit dem Einleitungsbeschluss Eingriffe in Rechte des Disziplinarbeschuldigten verbunden wären, da es der Gesetzgeber nicht in der Hand hat, die Rechtssatzform des Bescheides dort auszuschließen, wo in Rechte des Einzelnen eingegriffen wird. Würde der Einleitungsbeschluss einen solchen Eingriff in Rechte bewirken, dann müsste er entgegen den Materialien verfassungskonform als Bescheid gedeutet werden. Einen Eingriff in Rechte des Disziplinarbeschuldigten bewirkt der Einleitungsbeschluss aber nicht.

Daran ändert auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf § 25 des Disziplinarstatuts 1990 nichts.

Nach § 25 Abs. 1 des Disziplinarstatuts 1990 kann die Durchführung des Disziplinarverfahrens wegen Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrats oder aus anderen wichtigen Gründen auf Antrag des Beschuldigten, des Kammeranwalts oder des Disziplinarrats selbst einem anderen Disziplinarrat übertragen werden. Über den Antrag entscheidet die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission ohne mündliche Verhandlung.

Nach § 25 Abs. 2 leg. cit. müssen der Beschuldigte und der Kammeranwalt einen solchen Antrag spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Einleitungsbeschlusses beim Disziplinarrat einbringen. Wird im Antrag jedoch glaubhaft gemacht, dass die Tatsachen, auf die der Antrag gestützt wird, erst nach Ablauf dieser Frist eingetreten oder dem Antragsteller bekannt geworden sind, so kann der Antrag auch noch nachher, spätestens jedoch innerhalb von vier Wochen ab Bekanntwerden, eingebracht werden. In diesem Fall ist auch der Zeitpunkt des Bekanntwerdens im Antrag glaubhaft zu machen.

Bei der Regelung des § 25 Abs. 2 des Disziplinarstatuts 1990 handelt es sich lediglich um das Anknüpfen einer Frist an die Zustellung des Einleitungsbeschlusses; dadurch wird die Rechtsstellung des Disziplinarbeschuldigten nicht verändert. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine gleichartige Bestimmung auch bereits im Disziplinarstatut 1872 (§ 27) enthalten war, ohne dass dies in der Rechtsprechung zur Qualifizierung des Einleitungsbeschlusses als Bescheid geführt hat.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unzulässig, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 20. Dezember 1999

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999100249.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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