TE Lvwg Erkenntnis 2018/8/3 VGW-152/071/1825/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2018
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Entscheidungsdatum

03.08.2018

Index

41/02 Staatsbürgerschaft
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

StbG 1985 §27 Abs1
AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Mag. Ivica Kvasina über die Beschwerde der Frau XY. gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 28.12.2017, Zl. MA35/III - ..., mit welchem festgestellt wurde, dass die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz (StbG) verloren hat,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom 17.05.2017 übermittelte laut Aktenlage der AA. dem Bundesministerium für Inneres (BM.I) einen Datenträger mit „XLSX Dateien“ (Excel-Tabellen), auf dem die Namen von mehreren zehntausend Personen verzeichnet sind. In dem dazugehörigen Begleitschreiben wurden diese Datensatz als eine „türkische Wählerevidenzliste“ bezeichnet. Der AB. übermittelte am 18.05.2017 eine Kopie dieser „Wählerevidenzliste“ an die belangte Behörde zu Händen des zuständigen amtsführenden Stadtrates, worauf die belangte Behörde massenhaft Feststellungsverfahren einleitete. Insgesamt umfasst die Liste laut angefochtenem Bescheid die Personendaten von 66.382 Personen.

Jede Zeile dieser 66.382 Datensätze umfassende Tabelle beinhaltet 12 Spalten: eine 11-stellige Identitätsnummer („Kimlik-Nummer“), den Vornamen, den Familiennamen, die Vornamen der Mutter und des Vaters, das Geschlecht, den Geburtsort, das Geburtsdatum, die Stadt und dazugehörige Provinz, den Aufenthaltsstaat und die Zuständigkeit der türkischen Vertretungsbehörde in Wien.

Die Datensätze (zwei XLSX-Dateien) wurden seitens des Abteilungsleiters der Abteilung ... des BM.I im Juni 2017 dem Bundeskriminalamt (BKA) per E-Mail zu einer forensischen Untersuchung weitergeleitet. Laut dem Bericht des BKA vom 30.06.2017 konnte nicht festgestellt werden, wie alt die Daten sind, in welcher Abfolge, und wo, oder wie diese entstanden sind, zumal der Originaldatenträger nicht für eine forensisch korrekte Untersuchung zur Verfügung stand und auf die im E-Mail Wege überlieferten Dateien bereits schreibend zugegriffen wurde.

Zur Klärung der Herkunft und der Qualität des Datensatzes, welcher dem Bundesministerium für Inneres vom AA. am 17.05. 2017 und in weiterer Folge den zuständigen Landesregierungen übermittelt wurde (somit derselbe Datensatz, welcher der belangten Behörde am 18.05. 2017 übermittelt wurde), richtete das Amt der Tiroler Landesregierung am 18. 09.2017 eine Reihe an Fragen an den AA.. Konkret wurde der AA. zu folgenden Themen befragt: die Quelle und Aktualität der Daten, wie er in deren Besitz gelangt ist und ob allenfalls Personen benannt werden können, welche die Herkunft, Echtheit und Richtigkeit der Daten bezeugen können. Weiters wurde der AA. gefragt, aufgrund welcher Umstände es anzunehmen ist, dass es sich dabei um ein Verzeichnis der in Österreich wahlberechtigten Personen mit türkischer Staatsbürgerschaft handelt und ob bekannt ist, für welche Wahl das Verzeichnis erstellt wurde.

Der AA. antwortete mit Schreiben vom 20.09.2017 dahingehend, dass der Datenträger anonym zugespielt wurde und eine detaillierte Beantwortung der Fragen daher nicht möglich ist.

Zur Klärung der für das gegenständliche Feststellungsverfahren relevanten türkischen Rechtslage und des Inhaltes und Erscheinungsbildes von türkischen Wählerevidenzlisten wurde seitens des BM.I und der Bundesländern dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMEIA) ein Fragenkatalog übermittelt. Mit Schreiben vom 23.06.2017 wurde dieser Fragenkatalog - nach Abstimmung mit der Österreichischen Botschaft in Ankara und ihren Vertrauensanwälten - insbesondere damit beantwortet, dass aktuelle und ehemalige türkische Staatsbürger einen Rechtsanspruch auf die Ausstellung eines Personenstandsregisterauszuges mit staatsbürgerschaftsrechtlichen Daten hätten. Der Antrag auf Ausstellung könne in der Türkei, aber auch bei den türkischen Vertretungsbehörden im Ausland sowie online gestellt werden. Die oftmals getätigte Aussage, dass (ehemalige) türkische Staatsangehörige keinen Personenstandsregisterauszug erhalten, sei in keinem Fall nachgewiesen worden. Regelmäßig werde dieser nach entsprechendem Insistieren nachgereicht.

Hinsichtlich der türkischen Wählerevidenzlisten äußerte sich das BMEIA dahingehend, dass das türkische Recht eine elektronisch erstellte Wählerevidenz für im Ausland lebende Wahlberechtigte vorsehe. Die Wählerevidenzlisten enthalten nach türkischem Recht unter anderem folgende Angaben: Personenstandsnummer („Kimlik-Nummer“), Vor- und Nachname, Name des Vaters, Geschlecht und Geburtsdatum. Jeder türkische Staatsbürger könne den eigenen Eintrag in die Wählerevidenz über die Seite der Hohen Wahlkommission online, nach Eintragung der Heimatgemeinde, der Personalausweisnummer (Kimlik-Nummer) und der Personenstandsregistereintragsnummer einsehen, unabhängig davon, ob es sich um Auslands- oder Inlandswähler handele. Die türkischen Vertretungsbehörden im Ausland bekommen die Auslands-Wählerevidenzliste vom türkischen Außenministerium zugeschickt. Auslandswählerinnen können sich über die türkischen Auslandsvertretungsbehörden oder online über die Homepage der Hohen Wahlkommission informieren, ob sie als Wählerinnen registriert seien. Sowohl Inlands- als auch Auslandswählerinnen können Einspruch gegen ihre Eintragung in die Wählerevidenz erheben. Auslandswählerinnen müssten ihren Einspruch bei der „Wahlkommission für Auslandswählerinnen“, welche der Hohen Wahlkommission unterstellt ist, einreichen. Vom Wahlrecht ausgeschlossen seien Personen, die nicht die türkische Staatsbürgerschaft besitzen. Sie dürften auf der Auslandswählerliste nicht aufscheinen. Die Auslandswählerlisten werden elektronisch zur Verfügung gestellt, wobei jeder Bürger nur den eigenen Eintrag einsehen könne. Sie werden lediglich den Zentralen der Parteien in der Türkei zur Verfügung gestellt und dürften nicht weitergegeben werden. Die Weitergabe der Wählerevidenzlisten stelle einen Verstoß gegen das türkische Strafgesetzbuch dar.

Das Verfahren zum Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft werde nach der Äußerung des BMEIA durch einen Wiedererwerbsantrag beim zuständigen Gouverneursamt (nach dem Aufenthaltsort) bzw. der zuständigen türkischen Vertretung im Ausland eingeleitet. Der Antrag müsse persönlich oder durch einen Bevollmächtigten gestellt werden und sei in der Türkei an die Provinzverwaltung des Wohnsitzes und im Ausland an die Auslandsvertretungen zu richten. Nach den Ausführungen des Vertrauensanwaltes der Österreichischen Botschaft in Ankara können personenstandsrelevante Angelegenheiten auch durch die Eltern oder entsprechend bevollmächtigte Vormunde wahrgenommen werden. Ein Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit erfolge aufgrund einer Willenserklärung des Antragstellers. Die Einbürgerung durch behördliche Entscheidung berühre nicht die Staatsbürgerschaft des Ehepartners. Die Kinder des Elternteiles, der zum Zeitpunkt der Einbürgerung Sorgerechtsinhaber ist, erhalten die türkische Staatsbürgerschaft mit, wenn der andere Partner zustimme. Diese Zustimmung kann erforderlichenfalls durch eine richterliche Entscheidung ersetzt werden. Die Kinder von Eltern, die gemeinsam eingebürgert werden, erhalten die türkische Staatsbürgerschaft jedenfalls automatisch, d.h. auch ohne eine eigene Willenserklärung abgegeben zu haben; dies unabhängig davon, ob sie nach österreichischem Recht mündig oder unmündig seien. Dem Antragsteller auf Wiedereinbürgerung werde ein Verleihungsbescheid postalisch eingeschrieben zugestellt. Im Ausland erfolge die Zustellung im Wege der Vertretungsbehörde. Personen, die aus dem türkischen Staatsverband entlassen wurden, bekommen auf Antrag eine Blaue Karte („Mavi-Kart“) ausgestellt, die ihnen bescheinige, dass sie als ehemalige Staatsangehörige in bestimmten Bereichen dieselben Rechte wie türkische Staatsangehörige hätten. Das Wahlrecht sei davon jedoch ausdrücklich ausgenommen. Rechtmäßige Mavi-Karteninhaber sind als ehemalige türkische Staatsbürger vom aktiven und passiven Wahlrecht ausgeschlossen und können daher auch nicht rechtmäßiger Weise auf einer Wählerliste aufscheinen.

Da die Beschwerdeführerin in dieser „Wählerevidenzliste“ mit der Personenstandsnummer ..., ihrem Vor- und Nachnamen, dem Vornamen ihrer Mutter (...) und ihres Vaters (...), ihrem Geschlecht, dem Geburtsort ..., dem Geburtsdatum ...1991 und der Stadt ... in Provinz ... verzeichnet ist, wurde ihr seitens der belangten Behörde mit Schreiben vom 21.09.2017 mitgeteilt, dass der Verdacht der Wiederannahme der türkischen Staatsbürgerschaft besteht und sie wurde gleichzeitig dazu aufgefordert, einen vollständigen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister (vatandaslik agiklamali vukuatli nüfus kayit örnegi) mit allen staatsbürgerschaftsrechtlichen Daten vorzulegen. Die Beschwerdeführerin hat auf dieses Schreiben nicht reagiert und keine dahingehende Äußerung getätigt.

Ebenso wurde das Generalkonsulat der Türkischen Republik in Wien mit Schreiben vom 21.09.2017, per E-Mail übermittelt am 29.09.2017, zur dringenden Mitteilung darüber gebeten, ob die Beschwerdeführerin die türkische Staatsangehörigkeit besitzt bzw. ob sie in den türkischen Evidenzen verzeichnet ist. Bis zur Bescheiderlassung langte keine Stellungnahme des Generalkonsulats ein.

Die österreichische Botschaft in Ankara wurde seitens der belangten Behörde in einem anderen Fall ersucht bezüglich des in der Bestätigung genannten Mavi Kart Gesetzes vom 17.05.2013 Erhebungen durchzuführen. Hierzu hat die österreichische Botschaft in Ankara mit Schreiben vom 16.08.2017 sinngemäß erklärt, dass betreffend dem Mavi-Karten-Gesetz 2013 berichtet werden kann, dass dieses weder der Botschaft noch dem mit der Angelegenheit befassten Vertrauensanwalt der Botschaft bekannt, noch auffindbar ist. Laut Kenntnis der Botschaft hat jeder türkische oder ehemals türkische Staatsangehörige ein Recht auf Ausstellung sowohl eines Nüfus- als auch eines Mavikartenregisterauszuges. Der Botschaft liegen keine Informationen vor, dass ehemaligen türkischen Staatsangehörigen kein Nüfusregister ausgestellt werden kann.

Mit Schreiben vom 04.12.2017 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, dass sie davon ausgeht, dass sie zu einem unbekannten Zeitpunkt, jedoch spätestens mit Wirkung vom 18.05.2017, durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit die österreichische Staatsbürgerschaft verloren hat.

Mit E-Mail vom 27.12.2017 teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde mit, dass sie nach Erhalt des Schreibens vom 04.12.2017 beim türkischen Generalkonsulat angerufen habe. Da sie keine türkische Staatsbürgerschaft besitze, bekomme sie auch keinen Termin beim Generalkonsulat und könne auch keine Bestätigung holen. Sie sei derzeit in der Schweiz und würde am 05.01.2018 nach Wien zurückkommen und sich darum kümmern.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid und stellte von Amts wegen fest, dass die Beschwerdeführerin durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit spätestens mit Wirkung vom 18.05.2017 die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG verloren habe und sie nicht österreichischer Staatsbürger sei. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig eine Beschwerde. Am Tag vor der Erhebung der Beschwerde langte bei der belangten Behörde eine Bestätigung des Generalskonsulats der Republik Türkei in Wien vom 29.01.2018, in welcher das Generalkonsulat bestätigt, dass die Beschwerdeführerin aus dem türkischen Staatsverband ausgebürgert sei und die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen habe. Des Weiteren bestätigte das Generalkonsulat, dass nach der „Mavi-Kart“ Rechtsverordnung der Personenstand der ausgebürgerten Personen nicht mehr im Personenstandsregister, sondern in „Blaue Karten Register“ (Mavi Kartlilar Kütügü) geführt werde. Aus diesem Grund dürfe den ausgebürgerten Personen kein Personenstandsregisterauszug ausgestellt werden.

Der Verwaltungsakt wurde seitens der belangten Behörde am 06.02.2018 (einlangend) an das Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung weitergeleitet.

Das erkennende Gericht nahm Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR), den Versicherungsdatenauszug und forderte die belangte Behörde auf, den Einbürgerungsakt der Beschwerdeführerin zu Zl. MA 61/IV – ... vorzulegen. Es forderte auch die Beschwerdeführerin auf, bis 19.03.2018 eine aktuelle Geburtsurkunde vorzulegen.

Mit Schreiben vom 28.02.2018 ersuchte das erkennende Gericht die Österreichische Botschaft Ankara zwecks Klärung entscheidungsrelevanter Tatsachen in Angelegenheit dieser Beschwerde um Beantwortung folgender Fragen:

1.) Der angeführten Beschwerdeführerin wurde im Jahr 1999 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen, zuvor ist diese nachweislich aus dem türkischen Staatsverband ausgeschieden. Die Beschwerdeführerin verfügt jedoch über eine „Kimlik-Nummer“, welche erst ab dem Jahr 2000 jedem türkischen Staatsbürger vergeben wurde. Konnte die Beschwerdeführerin, welche vor der Einführung der „Kimlik-Nummer“ die türkische Staatsbürgerschaft verloren hat, auch eine „Kimlik-Nummer“ bekommen, obwohl sie fremde Staatsbürgerin war/ist?

2.) Kann aus der Tatsache, dass die Beschwerdeführer, welche zu einem Zeitpunkt aus dem türkischen Staatsverband ausgeschieden sind, wo die „Kimlik-Nummer“ nicht existierten, und nunmehr über eine „Kimlik-Nummer“ verfügen, darauf geschlossen werden, dass sie die türkische Staatsbürgerschaft zu einem späteren Zeitpunkt wiedererworben haben?

3.) Wird eine „Kimlik-Nummer“ ehemaligen türkischen Staatsbürger, welche die türkische Staatsbürgerschaft vor der Einführung der „Kimlik-Nummer“ verloren haben, zugewiesen, falls diese eine „Mavi-Kart“ beantragen?

Mit Schreiben vom 14.03.2018 teilte die ÖB Ankara dem erkennenden Gericht mit, dass im Hinblick auf die 1. Frage keine eindeutige gesetzliche Regelung der nachträglichen Vergabe der Kimlik-Nummer bestehe, wobei die türkische Personenstandsbehörde einräumte, dass eine nachträgliche Vergabe in jenen Fällen denkbar wäre, in welchen der Staat ein Interesse an der Beseitigung einer Rechtsunsicherheit hätte, z.B. offene Fragen zum Grundeigentum. Deshalb müsse in konkreten Fällen stets genau geprüft werden, ob es sich um eine tatsächliche „Kimlik-Nummer“ (für türkische Staatsbürger) oder eine „Mavi-Kart-Nummer (für ehemalige türkische Staatsbürger) handele. Zu der 2. Frage teilte die ÖB Ankara mit, dass von der bloßen nachträglichen Vergabe einer „echten“ Kimlik-Nummer nicht zwangsläufig auf das Vorliegen einer türkischen Staatsangehörigkeit geschlossen werden könne, allerdings könnte es sich dabei um ein starkes Indiz handeln. Im Hinblick auf die 3. Frage verwies die ÖB Ankara auf die mit Schreiben vom 14.03.2018 gemeinsam übermittelte „erläuternden Vorbemerkungen, welchen Folgendes zu entnehmen ist:

„ Erläuternde Vorbemerkungen:

- Nüfus-Register (Register für türkische Staatsangehörige/TR StAng): Register, in welchem alle Personalinformationen aller TR StAng aufscheinen. Die an jeden TR StAng vergebene Identitätsnummer (Kimlik-Nummer) scheint in diesem Register auf.

- Mavi-Kart-Register (Blaue-Karte-Register): Register aller ehemaligen TR StAng.

- Register für ausländische Staatsangehörige (= Fremdenregister): Register aller in der Türkei ansässigen nicht-türkischen Staatsangehörigen. Kinder von ehemaligen TR StAng werden, wenn auch sie in der Türkei ansässig sind, grundsätzlich in diesem Register erfasst. Diese in der Türkei ansässigen Kinder von ehemaligen TR StAng (= die ihrerseits automatisch ins Mavi-Kart Register übernommen werden), können auf Antrag der Eltern ebenfalls in das Mavi-Kart-Register übertragen werden.

- T.C. Identifikationsnummer: 11-stellige Nummer, die seitens der Türkei an jeden, d.h. TR StAng oder in der Türkei lebenden Fremdbürger, vergeben wird.

o Kimlik-Nummer: T.C. Identifikationsnummer eines TR StAng

o Fremden-Nummer: T.C. Identifikationsnummer für in der Türkei lebende Fremdbürger (s. Art. 8 des Gesetzes über das Personenstandswesen, Nr. 5490 vom 25.04.2006) mit „99“ beginnend.

o Mavi-Kart-Nummer:

- aus dem Nüfus-Register übernommene T.C. Identifikationsnummer, sofern diese Person die TR StAng zurückgelegt hat,

- mit „99“ beginnende T.C. Identifikationsnummer, sofern dieser Fremdbürger ein direkter Nachkomme (Kind/Enkelkind) eines Mavi-Kart-Inhabers ist.

Der Vertrauensanwalt führt allgemein aus, dass die T.C. Identifikationsnummer im Jahr 2000 für TR StAng eingeführt wurde.

Anmerkung: gem. Übergangsbestimmung des Gesetzes über das Personenstandswesen, Nr. 5490 vom 25.04.2006, wurde die Nutzung der T.C. ID-Nummer mit 2008 verpflichtend.

Gemäß Art 46 Abs. 2 dieses Gesetzes wird auch Ausländern, deren Eintragungen in der Türkei geführt werden, im Rahmen der durch das Ministerium festzulegenden Richtlinien eine Identifikationsnummer erteilt.

Exkurs:

TR StAng kraft Geburt, die aus dem türkischen Staatsverband entlassen wurden, werden gemäß Art. 28 des Staatsbürgerschaftsgesetzes (Nr. 5901 v. 29.5.2009) in vielen Bereichen TR StAng gleichgestellt, wobei beim zit. Artikel auch auf die Einschränkungen eingegangen wird, z.B. kein aktives oder passives Wahlrecht, keine Wehrpflicht und kein Zugang zum Beamtenstatus.

Art. 28 Abs. 6 bestimmt, dass „Personen im Anwendungsbereich dieser Bestimmungen […] auf Antrag eine Blaue Karte ausgestellt [wird], die ihnen bescheinigt, dass sie diese Rechte ausüben dürfen“, Art. 28 Abs. 8, dass diesen Personen „nach Grundsätzen, die durch das Ministerium bestimmt werden, eine Identifikationsnummer gegeben wird“ (Erläuterung: entweder die Weiterverwendung der Kimlik-Nr. oder die Neuvergabe der Fremdennummer, s. oben), die dort verwendet wird, „wo sonst die Identifikationsnummer der Türkischen Republik verwendet wird“.

Am 16.03.2018 übermittelte die Beschwerdeführerin per E-Mail die Kopie ihrer Geburtsurkunde, ausgestellt am 01.07.1994

Am 19.03.2018 führte das erkennende Gericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die Beschwerdeführerin wurde in der Ladung zur Verhandlung aufgefordert, ihren gültigen Reisepass, alle österreichischen Reisepässe (auch abgelaufene), einen Auszug aus dem Mavi-Kart-Register (Mavi Kart?lar Kütügü) sowie die Mavi–Kart im Original (sofern vorhanden) in der Verhandlung vorzulegen.

Die Beschwerdeführerin gab, als Partei einvernommen, Folgendes an:

„Die alten Reisepässe habe ich nicht mehr, ich hatte nur einen und diesen habe ich weggeschmissen. Ich war Anfang März in Begleitung meines Ehegatten beim türk. GK in Wien vorstellig und habe einen Auszug aus dem Mavikart-Register verlangt. Mir wurde mitgeteilt, dass dies nicht möglich sei und ich bis zum Verhandlungstermin warten soll. Mein Ehegatte hat danach mehrmals beim türk. GK vorgesprochen jedoch erfolglos. Am Freitag wurde ich dann seitens des türk. GK angerufen und mir wurde mitgeteilt, dass mir ein Auszug aus dem Mavikart-Register nicht ausgestellt werden kann. Ich habe auch versucht eine Bestätigung, dass ich den Antrag gestellt habe zu bekommen, jedoch war dies auch erfolglos. Mir wurde nicht erklärt, weshalb ich einen Auszug nicht bekommen kann. Die aktuelle Mavikart habe ich am 05.02.2018 ausgestellt bekommen. Die alten Mavikarten wurden mir seitens des türk. GK abgenommen und vermutlich vernichtet.

Seit meinem Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband im Jahre 1997 haben weder meine Eltern noch ich einen Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft gestellt. Ich habe in der Türkei im Jahre 2012 geheiratet und zwar einen türkischen Staatsbürger. Ich hatte sonst keine Rechtsgeschäfte die ich in der Türkei erledigen musste.“

Anlässlich dieser Verhandlung legte die Beschwerdeführerin ihren österreichischen Reisepass und das Original der „Mavi-Kart“ vom 05.02.2018. Die belangte Behörde legte drei Schreiben des türkischen Generalkonsulats in Wien vom 27.12.2017, 23.02.2018 und 08.03.2018 betreffend verfahrensfremde Personen.

Der Beschwerdeführerin wurde am Schluss der Verhandlung zur Vorlage des vollständigen Personenstandsregisterauszuges samt staatsbürgerschaftsrechtlichen Angaben (NÜFUS KAYIT ÖRNEGI) eine Frist bis zum 02.05.2018 eingeräumt.

Mit Schreiben vom 20.4.2018 übermittelte die belangte Behörde eine Stellungnahme des BMEIA vom 06.04.2018 zur Kenntnisnahme, wonach unter anderem bei der Ausstellung eines Personenstandsregisterauszuges bestimmte Sachverhalte wie. z.B. ein allfälliger Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit auf Wunsch der Partei nicht angeführt werden können.

Mit Schreiben vom 02.05.2018 übermittelte die Beschwerdeführerin die Kopie ihres Mavi-Kart-Registerauszuges (Mavi Kartlilar Nüfus Kayit Örnegi) offenbar vom 31.01.2018 ohne Übersetzung auf Deutsch.

Dieses Schreiben wurde der belangten Behörde mit Schreiben vom 16.05.2018 zur Kenntnis gebracht.

Das Schreiben der ÖB Ankara vom 14.03.2018, sowie die Stellungnahme des BMEIA vom 06.04.2018 wurden der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 16.05.2018 und der belangten Behörde das Schreiben der ÖB Ankara vom 14.03.2018 mit Schreiben vom 18.06.2018 zur Kenntnis gebracht.

Im Hinblick auf das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 02.05.2018 und die übermittelte die Kopie ihr4es Mavi-Kart-Registerauszuges teilte die belangte Behörde mit Stellungnahme vom 24.05.2018 mit, dass „der vorgelegte Auszug schlecht lesbar is. Es kann jedoch ein "Anmeldedatum" (Tescil Tarihi) entnommen werden. Dieses ist der 30. Jänner 2018.  Bei dem vorgelegten Dokument ist ein Ausstellungsdatum nicht ersichtlich. Es kann aber entziffert werden, dass es sich beim Ausstellungsort um das "Viyana Baskongosulu" handelt und er somit in Wien ausgestellt wurde. Frau XY. dürfte somit nicht, wie aufgetragen, in die Türkei gereist sein, bzw. auch niemanden in der Türkei bevollmächtigt haben.“

Zur Unmöglichkeit einen Nüfus zu erhalten wurde ausgeführt, „dass diesbezüglich einerseits auf die bereits aktenkundige Stellungnahme des BMEIA verwiesen wird, wonach auch ehemalige türkische Staatsangehörige das Recht auf Ausstellung eines Nüfusregisterauszuges haben, andrerseits werden beiliegend beispielhaft drei h.a. in Feststellungsverfahren vorgelegte Auszüge übermittelt (GZ: MA 35/III - …, MA 35/III - …, und MA 35/III - … Aus den Auszügen, welche 2017 und 2018 ausgestellt wurden, geht hervor, dass die betreffenden Personen im Zeitpunkt der Ausstellung des Nüfus nicht mehr türkische Staatsangehörige waren.

Aus den genannten Gründen ist es für die MA 35 nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführer bzw. die Beschwerdeführerin keinen Auszug erhalten.“

Diese Stellungnahme wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 18.06.2018 zur Kenntnis gebracht.

Im Hinblick auf Parteiengehör vom 16.05.2018 (betreffend das Schreiben der ÖB Ankara vom 14.03.2018, sowie die Stellungnahme des BMEIA vom 06.04.2018) teilte die Beschwerdeführerin dem erkennenden Gericht mit E-Mail vom 05.06.2018, mit, dass dieses Anliegen an das Innen- und Außenministerium der Republik Türkei weitergeleitet wurde und zur Zeit noch in Bearbeitung sei. Sie ersuche daher um die Verlängerung der Frist.

Die belangte Behörde teilte mit Schreiben vom 26.06.2018, dass sie auf die Abgabe einer weiteren Stellungnahme zu den bis dato übermittelten Unterlagen verzichte.

Mit E-Mail vom 04.07.2018 teilte die Beschwerdeführerin dem Gericht mit, dass sie eine Stellungnahme in Bearbeitung habe. Ihr Vater habe ein Dokument vom Meldeamt aus der Türkei für sie mitgenommen und sie müsse dieses übersetzen.

Mit E-Mail vom 12.07.2018 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme welcher Folgendes zu entnehmen ist:

„Mein Vater war im Mai/Juni 2018 in der Türkei und hat für mich vom Meldeamt ein Dokument abgeholt. Dieses beinhaltet die Antworten auf die drei Fragen vom MA 35. Ich habe es selbst versucht sehr genau zu übersetzen, ich hoffe es ist in Ordnung (leider kann ich nicht so gut türkisch wie Deutsch). Falls erforderlich, kann ich es auch durch eine beglaubigte Übersetzerin übersetzen lassen. Im Folgenden sehen Sie die Antworten:

Zur Frage 1 & 2: Die T.C. Kimlik Nummer bleibt bestehen, auch wenn diese Person durch Austritt, Tod oder Abwesenheit nicht mehr die türkische Staatsbürgerschaft besitzt. Um die Identität dieser Person festsetzen zu können, könnten die ehemaligen Staatbürger eine Kimlik-Nummer (Mavi-Kart-Nummer) bekommen. Allerdings bedeutet das nicht, dass diese Person eine neue Staatsbürgerschaft erworben hat.

Zur Frage 3: Die Kimlik-Nummer ist mit der Mavi-Kart-Nummer identisch, da diese Person bei der Geburt türkische Staatsbürger war und durch Austritt eine andere Staatsbürgerschaft erworben hat. Nach Erwerb der Mavi-Kart bekommt diese Person die Kimlik-Nummer auf die Mavi-Kart, da diese Person schon einmal türkische Staatbürger war.“

Daraufhin forderte das erkennende Gericht mit E-Mail vom 13.07.2018 die Beschwerdeführerin auf, das Original des Dokumentes welches sie von der türkischen Behörden bekommen hat, samt einer Übersetzung auf Deutsch durch einen gerichtlich beeideten Dolmetscher, bis 30.07.2018 vorzulegen.

Mit E-Mail vom 30.07.2018 übermittelte die Beschwerdeführerin das aufgeforderte „Originaldokument“, wobei anzumerken ist, dass es sich hierbei um eine „PDF“ Datei handelt, welche nur einen Text in türkischer Sprache enthält, ohne Angaben von Aussteller, Datum oder einer Unterschrift.

Mit E-Mail vom 01.08.2018 übermittelte die Beschwerdeführerin eine - offenbar seitens von Fr. AC., einer gerichtlich beeideter Dolmetscherin für türkische Sprache, angefertigte – Übersetzung dieses Textes vor, welcher Folgendes zu entnehmen ist:

„Frage 1:

Im Falle dessen, dass Personen mit Bewilligung aus der türkischen Staatsbürgerschaft austreten und im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft sind und diesen Personen nach dem Jahre 2000 eine T.R. ID-Nr. zugeteilt wurde; ob jene Personen, die aus der türkischen Staatsbürgerschaft austreten und die „fremde Staatsbürgerschaft“ besitzen, die vergebene Nummer zugewiesen bekommen oder nicht?

Antwort 1:

Auch vor Einführung der Vergabe der T.R. ID-Nr. kann, um Tod oder Verschollenheit der im Familienstandsregister vorhandenen Personen vermerken zu können, türkischen Staatsbürgern - offen/geschlossen eingetragen - eine T.R. ID-Nr. erteilt werden.

Frage 2:

Im Falle dessen, dass die Person aus der türkischen Staatsbürgerschaft austritt und ihr keine T.R. ID-Nr. vergeben wurde ; ob im Falle der Innehabung einer solchen Nummer, die Situation des Erwerbs der türkischen Staatsbürgerschaft eintritt oder nicht?

Antwort 2: Da allen, die die türkische Staatsbürgerschaft erworben haben oder türkische Staatsbürger sind, Personen bei denen ein Vermerk hinsichtlich Tod und Verschollenheit eine T.R.-ID-Nr. erteilt wird, gelten nicht alle, die eine T.R.-ID-Nr. besitzen, als türkische Staatsbürger.

Frage 3: Ob Personen, die, vor Einführung der Vergabe der T.R.-ID-Nr., aus der türkischen Staatsbürgerschaft ausgetreten sind, im Zuge des Antrages auf eine Blaue Karte eine andere Nr. erhalten oder nicht?

Antwort 3: Jemandem, der durch Geburt türkischer Staatsbürger ist und mit Bewilligung aus der Staatsbürgerschaft austritt, wird auf Grund der Eintragungen mit der bestehenden T.R.-ID-Nr. direkt eine Blaue Karte angelegt. Daher wird keine neue Nummer zugewiesen und mit den bestehenden Nummern eine Blaue Kartei zugeteilt.“

Weitere Beweise oder Stellungnahme wurden seitens der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt.

 

II. Sachverhalt

Aus dem die Beschwerdeführerin betreffenden Administrativakt der belangten Behörde zur Zl. MA35/III - ..., den eingeholten Einbürgerungsakt der Beschwerdeführerin zur Zl. MA 61/IV – ..., den von der Beschwerdeführerin und von der belangten Behörde im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Dokumenten und Unterlagen, sowie den vom Verwaltungsgericht Wien getätigten Anfragen ergibt sich folgender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin wurde am ...1991 in ..., Republik Türkei, geboren und lebt seit ihrer Kindheit in Österreich. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.11.1996, GZ: MA 61/IV - ..., wurde ihr und ihren Eltern die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 20 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 für den Fall zugesichert, dass sie binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband nachweist. Am 12.02. 1998 langte bei der belangten Behörde die Bewilligungsurkunde zur Entlassung aus dem türkischen Staatsverband entsprechend dem Ministerratsbeschluss zur Zl. ... vom 10.11.1997, ausgestellt am 10.02.1998, ein. Mit Wirkung vom 10.04.1998 wurde der Beschwerdeführerin zur GZ: MA61/IV - ..., die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 des Staatsbürgerschaftsgesetztes 1985 durch Erstreckung verliehen. Mit Entlassungsurkunde entsprechend dem Ministerratsbeschluss zur Zahl ... vom 10.11.1997, ausgestellt am 07.09.1999, bei der belangten Behörde eingelangt am 09.09.1999, wurde die Beschwerdeführerin endgültig aus dem türkischen Staatsverband entlassen. Einen Antrag auf Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall des Erwerbs einer fremden Staatsbürgerschaft hat die Beschwerdeführerin laut Aktenlage nie gestellt.

Sie verfügt über einen österreichischen Reisepass mit der Nummer ..., gültig bis 15.09.2025, sowie eine „Mavi-Kart“ („Blaue Karte“) mit der Nummer ..., ausgestellt am 05.02.2018 vom Generalkonsulat der Republik Türkei in Wien. Die „Mavi-Kart“ wird an ehemalige türkische Staatsbürger zwecks leichterer Einreise und Bewahrung gewisser Rechte in der Türkei ausgestellt, berechtigt jedoch nicht zur Teilnahme an türkischen Wahlen.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens legte sie einen Mavi-Kart-Registerauszug (Mavi Kartlilar Nüfus Kayit Örnegi), ausgestellt offenbar am 30.01.2018 seitens des Generalskonsulats der Republik Türkei in Wien, sowie eine Bestätigung desselben Generalskonsulats vom 29.01.2018, in welcher das Generalkonsulat bestätigt, dass die Beschwerdeführerin aus dem türkischen Staatsverband ausgebürgert sei und die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen habe. Des Weiteren bestätigte das Generalkonsulat, dass nach der „Mavi-Kart“ Rechtsverordnung der Personenstand der ausgebürgerten Personen nicht mehr im Personenstandsregister, sondern in „Blaue Karten Register“ (Mavi Kartlilar Kütügü) geführt werde. Aus diesem Grund dürfe den ausgebürgerten Personen kein Personenstandsregisterauszug ausgestellt werden.

Trotz Aufforderung des erkennenden Gerichtes konnte die Beschwerdeführerin ihre bereits abgelaufenen österreichischen Reisepässe nicht vorlegen, zumal sie diese laut eigener Angabe bereits weggeschmissen habe.

Ebenso konnte die Beschwerdeführerin trotz Aufforderung der belangten Behörde und des erkennenden Gerichtes keinen Personenstandsregisterauszug mit staatsbürgerschaftlichen Eintragungen (Nüfus Kayit Örnegi) vorlegen. Nachweise darüber, dass ihr Vater – wie selbst behauptet – in die Türkei gereist ist, um die aufgeforderten Dokumente bei der zuständigen Behörden zu beschaffen, konnte die Beschwerdeführerin auch nicht vorlegen. Selbst eine Negativbescheinigung in der Form, dass keine Auskunft seitens der Behörden in der Türkei erteilt wird, wurde nicht nachgewiesen.

Die Beschwerdeführerin ist in der vom AA. überreichten „Wählerevidenzliste“ mit der Personenstandsnummer („Kimlik-Nummer“) ..., ihrem Vor- und Nachnamen, dem Vornamen ihrer Mutter (...) und ihres Vaters (...), ihrem Geschlecht, dem Geburtsort ..., dem Geburtsdatum ...1991 und der Stadt ... in Provinz ... verzeichnet. Diese Angaben sind identisch mit den Angaben in der von ihm vorgelegten „Mavi-Kart“ sowie den Angaben in dem Mavi-Kart-Registerauszug (Mavi Kartlilar Nüfus Kayit Örnegi) vom 31.01.2018.

Das Verwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG Z 1 erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

§ 28 Abs. 1 und 2 VwGVG lauten:

„(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.“

Im Streit, ob eine Person die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder nicht, ist schon auf Grund der sich aus dem Besitz der Staatsbürgerschaft ergebenden Rechte und Pflichten offenkundig ein öffentliches Interesse an der Feststellung zu erkennen und daher die Berechtigung zur amtswegigen Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 42 Abs. 3 StbG 1985 gegeben (VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0338). Daher erfolgte die Erlassung eines amtswegigen Bescheides in vorliegenden Fall zu Recht.

Gemäß § 27 Abs. 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

Das türkische Staatsangehörigkeitsgesetz regelt in seinen Art. 1 bis 18 den Erwerb der Staatsangehörigkeit und beinhaltet ua. den Sonderfall des "Rückerwerbs" der türkischen Staatsangehörigkeit gemäß Art 8. Nach dieser Bestimmung (Türkisches Staatsangehörigkeitsgesetz Nr. 403 vom 11.2.1964 in der Fassung vor 2003) können Personen, die die türkische Staatsangehörigkeit nach diesem Gesetz verloren haben, ohne das Erfordernis eines Aufenthaltes (in der Türkei) erneut in den türkischen Staatsverband aufgenommen werden; dies gemäß Art. 11 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes (in der Fassung vor 2003) allerdings nur über einen entsprechenden Antrag. Der erneute Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit ohne das Erfordernis des Aufenthaltes in der Türkei kann daher nach der türkischen Rechtsordnung nur freiwillig und nicht aufgrund gesetzlicher Automatismen ohne Wissen des Betroffenen erfolgen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete „positive Willenserklärung“ abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt. Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen („Antrag“, „Erklärung“, „ausdrückliche Zustimmung“) anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, im Falle deren Erwerbs den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2018/01/0045, Rn. 16, mwN). In Bezug auf ausländisches Recht gilt der Grundsatz „iura novit curia“ nicht, sodass dieses in einem - grundsätzlich amtswegigen – Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei aber auch hier die Mitwirkung der Beteiligten erforderlich ist, soweit eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht (vgl. VwGH 22.3.2018, Ra 2018/01/0045, Rn. 17, mwN).

Die belangte Behörde hat in der vorliegenden Rechtssache beweiswürdigend angenommen, dass die Beschwerdeführerin spätestens mit Wirkung vom 18.05.2017 (Tag der Übermittlung der „Wählerevidenzliste“ an das BM.I) die türkische Staatsbürgerschaft wiedererworben hätte. Dies stützt die Behörde auf die ihr vom AB. übermittelten Kopie einer „Wählerevidenzliste“, welche die Personendaten (eine 11-stellige Identitätsnummer, den Vornamen, den Familiennamen, die Vornamen der Mutter und des Vaters, das Geschlecht, den Geburtsort, das Geburtsdatum, die Stadt und dazugehörige Provinz, den Aufenthaltsstaat und die Zuständigkeit der türkischen Vertretungsbehörde in Wien) von 66.382 Personen welche für die Teilnahme an den türkischen Wahlen für den Zuständigkeitsbereich des Generalkonsulats der Republik Türkei berechtigt sein sollen – darunter auch die der Beschwerdeführerin – enthält. Im Hinblick auf die Tatsache, dass nur türkische Staatsbürger aktives Wahlrecht besitzen, und die Beschwerdeführerin im Jahre 1999 aus dem türkischen Staatsverband entlassen wurde, nahm die belangte Behörde an, die Beschwerdeführerin habe zu einem unbestimmten Zeitpunkt die türkische Staatsangehörigkeit wiederangenommen, zumal sie auf einer türkischen Wählerevidenzliste aufscheine.

Im Hinblick auf diese „Wählerevidenzliste“, welche seitens des BKA forensisch untersucht wurde, lassen sich keine Schlüsse auf ihre Authentizität, Herkunft, Zeitpunkt der Entstehung, sowie die Richtigkeit der darin enthaltenen Daten schließen.

Sämtliche – die Beschwerdeführerin betreffende – Personendaten in dieser Liste (insbesondere die „Kimlik-Nummer“) sind jedoch identisch mit den Personendaten welche auf der „Mavi-Kart“ der Beschwerdeführerin (ein offizieller türkischer Ausweis für ehemalige türkische Staatsbürger) aufscheinen. Die Richtigkeit der Personendaten der Beschwerdeführerin auf der Liste ist daher gegeben und wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

Die belangte Behörde stellte im Rahmen des Feststellungsverfahrens fest, dass die persönlichen Daten auf der Liste mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vollumfanglich korrekt sind, zumal in den bis dato eingeleiteten 3.880 Feststellungsverfahren der Verfahrenseinleitung in jedem Einzelfall eine Identitätsprüfung in der Form vorausging, dass die in der übermittelten Aufstellung angeführten persönlichen Daten (insbesondere Geburtsdatum und -ort) mit den vorhandenen Datenapplikationen ZSR/ZPR abgeglichen wurden. Diese Daten stimmten nahezu in sämtlichen Fallen überein. Im Zuge des Feststellungsverfahrens bei der belangten Behörde wurden ebenfalls die übrigen Daten - insbesondere die Namen der Eltern - mit dem Einbürgerungsakt verglichen. Auch dieser Abgleich hat bislang in nahezu allen Fällen eine Übereinstimmung ergeben. Da die wesentlichen Angaben in den ca. 3.800 Fallen, welche bis zur Bescheiderlassung geprüft wurden, richtig sind, nahm die belangte Behörde an, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass auch die übrigen ca. 62.500 Personen mit den korrekten Personendaten widergegeben werden. Dieser Schluss wurde überdies in den sechs Fällen, in denen bereits negative Feststellungsbescheide seitens der belangten Behörde erlassen wurden, bestätigt (Geschäftszahlen MA 35/lll-…). Als der Datensatz vom AA. am 18. Mai 2017 übermittelt wurde, waren zu diesen Personen bereits Feststellungsverfahren anhängig, weil ein Verdacht auf Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft bestand. Die vorgelegten türkischen Personenstandsregister in diesen Fällen bestätigten diesen Verdacht schließlich. Auf diesem Dokument findet sich die „Kimlik-Nummer“, welche in allen sechs Fallen jener auf dem übermittelten Datensatz entspricht. Auch die übrigen persönlichen Daten entsprachen der Angabe auf der Liste.

Obwohl die Authentizität dieser Liste (im Hinblick auf die Annahme es handelt sich hierbei um eine Wählerevidenzliste für den Amtsbereich des türkischen Generalkonsulats in Wien) nicht festgestellt werden konnte, ist der Annahme der belangten Behörde zu folgen, wenn sie meint, dass es sich hierbei um Aufzeichnung einer türkischen Behörde handelt, zumal eine – wie im diesen Fall - inhaltlich richtige Personendatensammlung von derartigem Ausmaß eine behördliche, mit staatlichem Imperium ausgestattete, Strukturen voraussetzt, sodass es geradezu ausgeschlossen ist, dass der Datensatz von einer privaten Person(engruppe) herrührt.

Ein weiteres Indiz für die Annahme, die Beschwerdeführerin habe die türkische Staatsangehörigkeit wiederangenommen, stellt die Tatsache dar, dass die Beschwerdeführerin über die „Kimlik-Nummer“ (Türkiye Cumhuriyeti Kimlik Numaras) ... verfügt. Dabei handelt es sich um eine 11-stellige Nummer, die seitens der türkischen Behörden an jeden türkischen Staatsbürger (oder in der Türkei lebenden Fremdbürger) seit dem Jahr 2000 vergeben wird. Dabei wird die bestehende „Kimlik-Nummer“, sofern einem ehemaligen türkischen Staatsbürger eine „Mavi-Kart“ ausgestellt wird, vom Personenstandsregister in die „Mavi-Kart“ übernommen. Sofern es sich um Fremde welche in der Türkei leben oder direkte Nachkommen (Kind/Enkelkind) eines Mavi-Kart-Inhabers handelt, beginnt die „Kimlik-Nummer“ mit „99“.

Die „Kimlik-Nummer“ der Beschwerdeführerin, welche nicht mit „99“ beginnt, und welche auch auf ihrer „Mavi-Kart“ aufscheint, spricht dafür, dass diese aus dem Personenstandsregister übernommen wurde. Dafür spricht auch, dass dieselbe „Kimlik-Nummer“ im Mavi-Kart-Registerauszug (Mavi Kartlilar Nüfus Kayit Örnegi) aufscheint. Diesbezüglich stellt sich die Frage, wie die Beschwerdeführerin zu einer „Kimlik-Nummer“ gekommen ist, zumal sie die türkische Staatsbürgerschaft im Jahre 1999 (also vor der Einführung der „Kimlik-Nummer“) zurückgelegt hat. Die Beschwerdeführerin behauptete selbst in der Verhandlung am 19.03.2018, sie hätte, abgesehen von der Heirat in der Türkei im Jahre 2012, sonst keine Amts- oder Rechtsgeschäfte in der Türkei zu erledigen.

Auf Anfrage des erkennenden Gerichtes teilte die ÖB Ankara mit, dass eine nachträgliche Vergabe in jenen Fällen denkbar wäre, in welchen der Staat ein Interesse an der Beseitigung einer Rechtsunsicherheit hätte, z.B. offene Fragen zum Grundeigentum. Im Falle der Beschwerdeführerin kam daher eine nachträgliche Vergabe der „Kimlik-Nummer“ (ab dem Jahr 2000) nicht in Frage, zumal sie laut eigener Angabe keine Amts- oder Rechtsgeschäfte in der Türkei zu erledigen hatte.

Vielmehr spricht die Aktenlage dafür, dass die Beschwerdeführerin nach dem Austritt aus dem türkischen Staatsverband im Jahre 1999 die türkische Staatsbürgerschaft wiedererworben hat und ihr eine „Kimlik-Nummer“ (nicht mit „99“ beginnend), welche nur an türkische Staatsbürger vergeben wird, erteilt wurde, welche in der Folge auch auf ihre „Mavi-Kart“ übertragen wurde.

Die Angaben der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 12.07.2018 vermögen an der Ansicht des erkennenden Gerichtes keine Änderung herbeizuführen, zumal die Beschwerdeführerin nicht substantiell nachweisen konnte, dass ihr die „Kimlik-Nummer“ – ohne eine Wiederannahme der türkischen Staatsbürgerschaft – nachträglich vergeben wurde.

Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin nunmehr über eine „Mavi-Kart“ verfügt, und sie diese nur als ehemalige türkische Staatsbürgerin erteilt bekommen kann, bedeutet nicht, dass sie durchgehend seit der Entlassung aus dem türkischen Staatsverband im Jahre 1999 die türkische Staatsbürgerschaft nicht innehatte, da es ihr möglich war, auch nach erfolgten Wiederannahme der Staatsbürgerschaft diese wieder aufzugeben und somit zu einer „Mavi-Kart“ zu gelangen. Dafür spricht auch, dass ihr die „Mavi-Kart“ erst am 05.02.2018 ausgestellt wurde und sie nicht nachweisen konnte, dass ihr auch zuvor „Mavi-Karten“ erteilt wurden.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach die Vorlage eines Auszuges aus dem türkischen Personenstandsregister (Nüfüs Kayit Örnegi) für ehemalige türkische Staatsbürger nicht möglich ist, kann Folgendes festgehalten werden:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Parteien eines (ihnen bekannten) Verwaltungsverfahrens - ungeachtet der behördlichen Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung des Sachverhaltes - verpflichtet, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Eine solche Mitwirkungspflicht ist dann anzunehmen, wenn der behördlichen Ermittlung faktische Grenzen gesetzt sind, die Behörde also nicht in der Lage ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden bzw. sich relevante Daten amtswegig zu verschaffen. Soweit einzelne Sachverhaltselemente ihre Wurzel im Ausland haben, ist die Mitwirkungspflicht der Partei in dem Maß höher, als die Pflicht der Behörde zu amtswegigen Erhebungen wegen des Fehlens entsprechender Möglichkeiten geringer ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 39 Rz 10 [Stand 1.7,2005, rdb.at] mN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits auf die offenkundige Unmöglichkeit, von Amts wegen personenbezogene Auskünfte von den türkischen Behörden zu erhalten, hingewiesen (vgl. VwGH 15.3.2010, 2008/01/0590, mit Verweis auf VwGH 19.3.2009, 2007/01/0633). In dieser Entscheidung führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die Türkei das Übereinkommen über den Austausch von Einbürgerungsmitteilungen (ICCS-Konvention Nr. 8) mit Wirksamkeit vom 30.09.2010 gekündigt habe und nach Mitteilung der türkischen Behörden Informationen zur Staatsbürgerschaft im Rahmen des Geheimhaltungsprinzips nur durch den Betroffenen beantragt werden können. Daher stünden einer amtswegigen Ermittlung faktische (und rechtliche) Hindernisse entgegen.

Die Beschwerdeführerin wurde sowohl von der belangten Behörde wie auch vom erkennenden Gericht aufgefordert, einen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister (Nüfüs Kayit Örnegi) betreffend ihre Person vorzulegen. Die Vorlage dieses Auszuges, dessen Einholung im Amtswege für das erkennende Gericht unmöglich ist, ist für das Beschwerdeverfahren insofern unumgänglich, zumal dieser Auszug sämtliche relevante staatsbürgerschaftsrechtlichen Eintragungen wie Aufgabe und die Wiederannahme der türkischen Staatsbürgerschaft enthält. Nachweise darüber, dass ihr Vater – wie selbst behauptet – in die Türkei gereist ist, um die aufgeforderten Dokumente bei der zuständigen Behörden zu beschaffen, konnte die Beschwerdeführerin auch nicht vorlegen. Selbst eine Negativbescheinigung in der Form, dass keine Auskunft seitens der Behörden in der Türkei erteilt wird, wurde nicht nachgewiesen.

 

Angesichts der auch im vorliegenden Beschwerdefall offenkundigen Unmöglichkeit von Amts wegen personenbezogene Auskünfte von den türkischen Behörden zu erhalten hätte die Beschwerdeführerin ua. den entsprechenden Auszug aus dem Personenstandsregister (Nüfüs Kayit Örnegi) verlangen und vorlegen müssen. Dies hat die Beschwerdeführerin jedoch unterlassen und dem Gericht keinerlei Beweise geliefert, dass sie sich um die Ausstellung dieses Dokumentes bemüht hat.

Die Angaben in den Bestätigungen des Generalskonsulats der Republik Türkei in Wien vom 29.01.2018, in welchen das Generalkonsulat bestätigt, dass den ausgebürgerten Personen kein Personenstandsregisterauszug ausgestellt werden könne, ist für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar angesichts der aktenkundigen Äußerung des BMEIA vom 23.06.2017, wonach ein Rechtsanspruch von aktuellen und ehemaligen türkischen Staatsangehörigen auf Ausstellung eines Personenstandsregisterauszug gemäß Gesetz Nr. 5490 zum Personenstandswesen existiert.

Abgesehen davon, dass die Angabe des türkischen Generalkonsulats der geltenden türkischen Rechtslage widerspricht, erscheint das Vorbringen der Beschwerdeführerin als bloße Schutzbehauptung, zumal das erkennende Gericht in anderen Feststellungsverfahren Personenstandsregisterauszüge von ehemaligen türkischen Staatsbürgern vorgelegt bekam (z.B. Beschwerdeverfahren zu VGW-... und VGW-...) und auch die belangte Behörde mit Vorbringen vom 24.05.2018 die Möglichkeit der Vorlage der Personenstandsregisterauszüge durch ehemalige türkische Staatsbürger nachweisen konnte.

Für die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Beschwerdeführerin spricht auch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin zunächst behauptete, die Ausstellung eines „Mavi-Kart Registerauszuges“ wurde ihr verweigert und sie mit Schreiben vom 02.05.2018 diesen dem Gericht doch vorlegte.

Das erkennende Gericht, welches im Rahmen der freien Beweiswürdigung davon ausgeht, dass es sich bei der „Wählerevidenzliste“ um eine offizielle Aufzeichnung einer türkischen Behörde handelt, zumal nur eine türkische Behörde über derartiges Fakten- und Zahlenmaterial verfügen kann, jemand nur dann wieder türkischer Staatsbürger wird, wenn er nach Entlassung aus dem türkischen Staatsverband einen entsprechenden Antrag stellt, keine Anhaltspunkte im Verfahren hervorgekommen sind, dass sich die Vollzugspraxis der türkischen Behörden über die eindeutige Rechtslage hinweggesetzt habe und ein Wiedereinbürgerungsantrag des Beschwerdeführers fingiert worden sei, sowie der Beschwerdeführerin als türkischen Staatsbürgerin eine „Kimlik-Nummer“ ab dem Jahr 2000 erteilt wurde, ist befugt, auch für die Beschwerdeführerin negative Schlüsse zu ziehen (VwGH 24.10.1980, 1230/78; VwGH 16.10.2001, 99/09/0260; VwGH 26.2.2002, 2001/11/0220). Wenn es der Behörde rechtlich und faktisch nicht möglich ist, personenbezogene Daten eines anderen Staates (hier: Türkei) zu erhalten und das betreffende Staatsbürgerschaftsrecht einen Antrag verlangt, darf die Behörde davon ausgehen, dass dem Erwerb auch ein Antrag zugrunde gelegen hat, wenn die Beschwerdeführerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist (VwGH 15.3.2012, 2010/01/0022).

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, wonach die Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages frühestens am 07.09.1999 (Datum der Entlassung aus dem türkischen Staatsverband), spätestens jedenfalls am 18.05.2017 die türkische Staatsbürgerschaft wieder erworben hat, hat die Beschwerdeführerin die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG in dem angeführten Zeitraum ex lege verloren, weil sie die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht vorher beantragt hat und ihr auch keine solche Genehmigung erteilt wurde.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft, Türkisches Staatsangehörigkeitsgesetz, türkische Wählerevidenzliste, Kimlik-Nummer, Personenstandsnummer, Personenstandsregisterauszug, „Mavi-Kart“, „Blaue Karte“, Mavi-Kart-Registerauszug, Offizialmaxime, Mitwirkungspflicht, freie Beweiswürdigung

Anmerkung

VfGH v. 12.12.2018, E 3753/2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.152.071.1825.2018

Zuletzt aktualisiert am

02.01.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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