TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/21 99/14/0255

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Veröffentlicht am 21.12.1999
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
21/03 GesmbH-Recht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

ABGB §1151;
EStG 1988 §22 Z2;
EStG 1988 §22;
EStG 1988 §23;
EStG 1988 §25 Abs1 Z1 litb;
EStG 1988 §25;
EStG 1988 §47;
FamLAG 1967 §41 Abs1;
FamLAG 1967 §41 Abs2 idF 1993/818;
FamLAG 1967 §41 Abs3 idF 1993/818;
GmbHG §15;
GmbHG §18;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der M. L GmbH in E, vertreten durch Dr. Peter Bründl, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Denisgasse 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 8. Juli 1999, GZ RV-115.96/1-8/1996, betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitraum 1. Jänner 1993 bis 31. Dezember 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH, die ein Reisebüro betreibt. ML, der einen Geschäftsanteil im Ausmaß von 95% ihres Stammkapitals hält, ist ihr einziger Geschäftsführer.

Nach einer Lohnsteuerprüfung setzte das Finanzamt für den Zeitraum 1. Jänner 1993 bis 31. Dezember 1995

u. a. Dienstgeberbeitrag von 90.958 S und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag von 11.507 S fest. Die Abgaben entfallen zu einem wesentlichen Teil auf die Bezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers in den Jahren 1994 und 1995.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Zur Begründung wird im Bescheid ausgeführt, ein Geschäftsführer einer GmbH sei ihr gegenüber allein schon auf Grund seiner Stellung zur Tätigkeit verpflichtet. ML sei für folgende Aufgabenbereiche verantwortlich:

-

Marketing des Reisebüros

-

Beschaffung neuer Absatzmärkte

-

Fachliche und organisatorische Abwicklung des Hotel- und Restaurantbetriebes der D-Hotelrestaurantbetriebs-GmbH

-

Personalpolitik des Unternehmensverbundes

-

Koordinierung der einzelnen Betriebszweige.

Somit stehe die persönliche Arbeitsleistung im Vordergrund, zumal auch eine eventuelle Möglichkeit der Vertretung die grundsätzliche Verpflichtung zur persönlichen Ausübung der Tätigkeit nicht ausschließe. Aus der Art der Beschäftigung ergäben sich Indizien für eine Eingliederung von ML in den geschäftlichen Organismus der Beschwerdeführerin. Die Erbringung der ihm aufgetragenen Tätigkeiten erfordere seine Eingliederung in den betrieblichen Ablauf, und zwar sowohl in zeitlicher wie auch in organisatorischer und örtlicher Hinsicht. Wesentlich sei, ob ML Unternehmerrisiko zu tragen habe. ML erhalte ein erfolgsunabhängiges monatliches Mindesthonorar, habe Anspruch auf Benutzung des Pkw der Beschwerdeführerin und erhalte die Spesen notwendiger Geschäftsreisen ersetzt. Somit liege kein Unternehmerwagnis vor, woran auch die Gewährung einer Tantieme am Schluss jedes Geschäftsjahres nichts ändere. Es seien daher iSd § 22 Z. 2 EStG 1988 - unter Außerachtlassung der Weisungsgebundenheit - die wesentlichen Merkmale eines Dienstverhältnisses gegeben.

Im Beschwerdeverfahren ist strittig, ob die Bezüge des Gesellschafter-Geschäftsführers der Beschwerdeführerin zu Einkünften iSd § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 zählten und sie daher für diese Bezüge Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag zu entrichten habe. Gegen die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Vorschreibung von Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag jeweils in einer Summe wendet sich die Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 41 Abs. 1 FLAG haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu entrichten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen.

Gemäß § 41 Abs. 2 FLAG in der ab 1994 geltenden Fassung BGBl. 818/1993 sind Dienstnehmer alle Personen, die in einem Dienstverhältnis iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen iSd § 22 Z. 2 EStG 1988.

Gemäß § 41 Abs. 3 FLAG idF BGBl. 818/1993 ist der Dienstgeberbeitrag von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen. Arbeitslöhne sind dabei Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z. 1 lit. a und b EStG 1988 sowie Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art iSd § 22 Z. 2 EStG 1988.

Gemäß § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 gehören zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisende Beschäftigung gewährt werden.

Die Regelung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag, der von der in § 41 FLAG festgelegten Bemessungsgrundlage zu erheben ist, findet sich in § 57 Abs. 4 und 5 HKG idF BGBl. 958/1993 bzw. § 57 Abs. 7 und 8 HKG idF BGBl. 661/1994.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 und aus dem Zusammenhang mit der Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z. 1 lit. b EStG 1988, dass der Formulierung "sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses" in § 22 Z. 2 das Verständnis beizulegen ist, dass es auf die Weisungsgebundenheit nicht ankommt, wenn diese wegen der Beteiligung an der Gesellschaft nicht gegeben ist, im Übrigen aber nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die Voraussetzungen eines Dienstverhältnisses gegeben sein müssen. Dabei ist die auf Grund des gesellschaftsrechtlichen Verhältnisses fehlende Weisungsgebundenheit hinzuzudenken und dann zu beurteilen, ob die Merkmale der Unselbständigkeit oder jene der Selbständigkeit im Vordergrund stehen. Dem Vorliegen bzw. dem Fehlen des Unternehmerwagnisses kommt in diesem Zusammenhang wesentliche Bedeutung zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, 99/15/0188).

Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ihres Vertragsverhältnisses zu ML ist schon deshalb verfehlt, weil die steuerliche Norm des § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 auch Einkünfte von Personen erfasst, die wegen ihrer Beteiligung an der Kapitalgesellschaft keinen Weisungen unterworfen sind.

Wenn die belangte Behörde aus dem kontinuierlich und über einen langen Zeitraum laufend zu erfüllenden umfangreichen Aufgabenkatalog des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin auf dessen Eingliederung in ihren betrieblichen Organismus geschlossen hat, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Daran ändert nichts, wenn der Inhalt der Tätigkeit von ML als "kontrollierende Management-Funktionen" zu bezeichnen sein sollte. Es ist evident, dass einem zu 95% an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter bei der Geschäftsführung "völlig freie Hand" gelassen wird, wie dies in der Beschwerde vorgebracht wird. Dies spricht aber nicht gegen die betriebliche Eingliederung des Geschäftsführers. Eine solche ist auch nicht zwingend davon abhängig, ob ML einen eigenen Arbeitsplatz im Büro der Beschwerdeführerin benutzt. Im Hinblick auf das im Verwaltungsverfahren dargestellte Tätigwerden von ML für seine eigenen Betriebe liegt es allerdings nahe, dass die Eingliederung nur ein geringes Maß an Intensität aufweist.

Die Beschwerdeführerin wendet sich weiters gegen die Feststellungen der belangten Behörde betreffend das Fehlen eines Unternehmerwagnisses. Sie zeigt damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Nach dem Beschwerdevorbringen erhalte ML ein Honorar von 85.000 S/Monat (1,020.000 S/Jahr), wenn es ihm gelinge, dass die Beschwerdeführerin einen Jahresgewinn vor Steuern von 1 Mio. S erziele. Werde dieses Ziel nicht erreicht, so erfahre sein Bezug eine Kürzung auf bis zu 35.000 S/Monat. Der Geschäftsführerbezug sei daher erfolgsabhängig, weil er bei Nichterreichen einer bestimmten Gewinnhöhe der Beschwerdeführerin eine Kürzung auf bis zu 40% der normalen Höhe erfahre. Eine Schwankungsbreite von 60%, zu der noch zusätzlich eine erfolgsabhängige Gewinntantieme komme, führe zu einem Unternehmerwagnis. Der Gewinn der Beschwerdeführerin habe im Jahr 1995 noch 2,855.000 S betragen und sei im Jahr 1996 auf 980.000 S gefallen und unterliege sohin deutlichen Schwankungen. Der Geschäftsführerbezug habe sich von 1995 auf 1996 um 30% verringert (1994: 1,100.000 S, 1995: 1,333.537 S, 1996: 934.716 S). In Anbetracht dieses Risikos auf der Einnahmenseite falle es nicht ins Gewicht, dass der Geschäftsführer die Fahrt- und Reisekosten nicht habe tragen müssen. Es würde auch keinem Fremdvergleich standhalten, wenn der Geschäftsführer solche Kosten tragen müsste. Schätze man die von der Beschwerdeführerin aus diesem Titel getragenen Kosten auf jährlich 100.000 S, so würde dieses Risiko nur ca. 10% des Honorars des Geschäftsführers ausmachen und im Verhältnis zu dessen Gesamtrisiko von 60% nicht mehr wesentlich sein. Im Übrigen habe ML die Kosten der Sozialversicherung selber tragen müssen.

Ein deutlich ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko des an der Kapitalgesellschaft Beteiligten steht Einkünften iSd § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 entgegen. Es kommt daher im Beschwerdefall - was auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid erkannt hat - darauf an, ob den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin ein solches Unternehmerrisiko getroffen hat.

Das Unternehmerrisiko liegt vor, wenn der Steuerpflichtige sowohl die Einnahmen als auch die Ausgabenseite maßgeblich beeinflussen und damit den materiellen Erfolg seiner Tätigkeit weitgehend selbst gestalten kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1990, 89/13/0131).

Die Entlohnungsregelung, auf welche sich das Beschwerdevorbringen bezieht, ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie eines schriftlichen Geschäftsführervertrages. Solcherart hätte sich die belangte Behörde für die Frage des Unternehmerwagnisses nicht auf die Ausführungen beschränken dürfen, dass dem Geschäftsführer ein erfolgsunabhängiges Mindesthonorar und der Ersatz der Fahrt- und Reisespesen gebühre. Sie hätte sich

-

wenn sie von der Gültigkeit der Vereinbarung ausgeht - damit

auseinander setzen müssen, ob den Geschäftsführer das in der Beschwerde dargestellte Wagnis der Einnahmenschwankungen (Reduzierung des Bezuges auf deutlich weniger als die Hälfte, zuzüglich Tantiemenrisiko) tatsächlich trifft, oder ob in Wahrheit

-

etwa im Hinblick auf die Gewinnentwicklung der Beschwerdeführerin - kein oder nur ein geringes Wagnis vorliegt. Gegebenenfalls hätte sie sich damit auseinander setzen müssen, ob im Verhältnis zum Mindestfixbezug und im Verhältnis zum Ausmaß der auf die Beschwerdeführerin überwälzbaren Fahrt- und Reisespesen ein solches Unternehmerrisiko vorliegt, welches bei der nach § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 gebotenen Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse den Ausschlag gegen ein Dienstverhältnis erbringt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 416/1994.

Wien, am 21. Dezember 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999140255.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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