TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/22 99/01/0153

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Veröffentlicht am 22.12.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §4 Abs2;
AsylG 1997 §4 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des IL in O, geboren am 2. November 1981, vertreten durch den Vater EL, dieser vertreten durch Dr. Harald Humer, Rechtsanwalt in 4070 Eferding, Stadtplatz 26, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. Oktober 1998, Zl. 205.567/0-III/09/98, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, stellte am 18. September 1998 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Aufgrund seiner Angabe anlässlich der vom Bundesasylamt durchgeführten Ersteinvernahme, er habe sich vor seiner Einreise nach Österreich in Ungarn aufgehalten, wurde ihm vorgehalten, Asylwerber seien während des Verfahrens in Ungarn zum Aufenthalt berechtigt, dies nach Art. 14 bis 16 des neuen Asylgesetzes Nr. CXXXIX/1997. Dieses Gesetz (insbesondere dessen Art. 61 Abs. 1 und Art. 6) sehe auch Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat vor, falls dort eine Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gegeben wäre.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29. September 1998 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 - AsylG, als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde u.a. ausgeführt, nach den Vorhalten, darunter auch zur Rechtslage in Ungarn, sei davon auszugehen, dass "Asylwerber während des Verfahrens in Ungarn zum Aufenthalt berechtigt" seien und ihnen Schutz vor Abschiebung im oben ausgeführten Umfang zukomme.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 21. Oktober 1998 gemäß § 4 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Der unabhängige Bundesasylsenat begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der über Ungarn in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer dort Schutz vor Verfolgung finden könne, wobei er auf die Ausführungen der Behörde erster Instanz verwies und sich diesen anschloss.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt § 4 Abs. 2 AsylG für die Zurückweisung eines Asylantrages wegen Drittstaatsicherheit voraus, dass die Asylbehörden im Einzelfall zunächst die Rechtslage im potentiellen Drittstaat ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284).

Weiters gilt für die Berufungsbehörde nach dem gemäß § 67 AVG auch von ihr anzuwendenden § 60 leg. cit., dass in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützt die Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung der Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargelegt werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 1044 wiedergegebene ständige hg. Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Berufungsbehörde die ungarische Rechtslage festzustellen und darzulegen gehabt hätte, auf Grund welcher Überlegungen sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die von ihr ermittelte ungarische Rechtslage derart beschaffen sei, dass rechtlich gemäß § 4 Abs. 2 AsylG zu folgern sei, Asylwerber seien während des Asylverfahrens (wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Verwaltungsgerichtshof darunter das gesamte Asylverfahren einschließlich des gerichtlichen Überprüfungsverfahrens versteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), was von der belangte Behörde aber offen gelassen wurde) in Ungarn "zum Aufenthalt berechtigt". Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid jedoch nicht gerecht. Die belangte Behörde begnügt sich im entscheidenden Punkt ihrer von der Behörde erster Instanz übernommenen Begründung, nach der Feststellung, seit dem 1. März 1998 stehe in Ungarn das Gesetz Nr. CXXXIX/1997 in Geltung, das die einschlägigen Fragen des Flüchtlingsrechts regle, mit den Sätzen:

"Des weiteren sind Asylwerber während des Verfahrens in Ungarn zum Aufenthalt berechtigt (vgl. Art. 14 bis 16 des obgenannten Gesetzes)"

sowie

"Schließlich sieht das Gesetz Nr. CXXXIX/1997 auch Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat vor, falls dort eine Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gegeben wäre (vgl. insbesondere Art. 61 Abs. 1 und Art. 61 Abs. 6 leg. cit.)".

Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus der weiteren Bescheidbegründung wird allerdings der genaue Inhalt der zitierten Gesetzesbestimmungen deutlich. Wie die belangte Behörde zu ihrer rechtlichen Beurteilung gelangte, die - von ihr im Einzelnen gar nicht dargestellte - ungarische Rechtslage sei so beschaffen, dass Asylwerber "während des Verfahrens" - wobei die belangte Behörde nicht eindeutig sagt, was sie darunter versteht - in Ungarn im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG "zum Aufenthalt berechtigt" und vor Abschiebung geschützt seien, entzieht sich daher einer Nachprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0313).

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht.

Wien, am 22. Dezember 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999010153.X00

Im RIS seit

27.02.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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