TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/22 97/08/0126

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Veröffentlicht am 22.12.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AVG §52;
AVG §59 Abs1;
HVG §23 Abs3;
HVG §23 Abs5;
HVG §24 Abs8;
HVG §24 Abs9;
HVG §25 Abs1;
ImpfSchG §2 Abs1 litc Z1;
KOVG 1957 §12 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der I in A, vertreten durch Dr. Franz Kriftner, Dr. Christian Sparlinek, Mag. Alexander Piermayr, Mag. Doris Prossliner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Stelzhamerstraße 12, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 29. August 1996, Zl. 745.016/5-8/96, betreffend Beschädigtenrente nach dem Impfschadengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die am 19. Juli 1957 geborene Beschwerdeführerin erlitt am 8. Mai 1958 einen mit Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 28. Februar 1974 ab 1. August 1973, dem Tag des Inkrafttretens des Impfschadengesetzes, BGBl. Nr. 371/1973, anerkannten, eine 100%ige Minderung der Erwerbsfähigkeit bedingenden Impfschaden. Deshalb erhielt sie ab 1. August 1973 unter anderem nach § 2 Abs. 1 lit. c Z. 1 Impfschadengesetz in Verbindung insbesondere mit § 23 Abs. 3 und 5 des Heeresversorgungsgesetzes eine Beschädigtenrente und nach § 2 Abs. 1 lit. d Impfschadengesetz i.V.m. § 27 Heeresversorgungsgesetz eine Pflegezulage der Stufe I. Beschädigtenrente und Pflegezulage wurden jährlich entsprechend den anwendbaren Bestimmungen des Heeresversorgungsgesetzes und des Kriegsopferversorgungsgesetzes erhöht.

Die Beschwerdeführerin wohnt in Asten. Sie geht an vier Tagen pro Woche im Caritasheim St. Elisabeth in Linz einer Beschäftigung nach. Ihr Nettoeinkommen betrug ab Jänner 1992 monatlich S 4.514,84, ab 1. Jänner 1993 monatlich S 4.890,26, ab 1. Juli 1993 monatlich S 4.866,57, ab 1. Jänner 1994 monatlich S 5.084, ab 1. Jänner 1995 monatlich S 5.254,-- und ab 1. Jänner 1996 monatlich S 5.409,--.

Mit Bescheid vom 9. Juni 1992 sprach die erstinstanzliche Behörde u.a. aus, dass gemäß den §§ 2 Abs. 1 lit. c, 3 Abs. 2 und 3 Impfschadengesetz i.V.m. § 56 Abs. 3 Z. 4 Heeresversorgungsgesetz ab 1. Jänner 1992 die Beschädigtenrente (gemäß § 23 Abs. 3 Heeresversorgungsgesetz) mit einem Betrag von S 5.059,-- monatlich und der Erhöhungsbetrag gemäß § 23 Abs. 5 Heeresversorgungsgesetz mit einem Betrag von S 2.340,-- monatlich neu bemessen werde. Dazu wurde in der Begründung ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe im Jahr 1991 eine Beschädigtenrente von S 11.072,-- bezogen, weil ihr neben der einkommensunabhängigen Beschädigtenrente gemäß § 23 Abs. 3 Heeresversorgungsgesetz die höchstmögliche einkommensabhängige Beschädigtenrente gemäß § 23 Abs. 5 leg. cit. gewährt worden sei. Dies sei jedoch unzutreffend. Der monatliche Verdienst der Beschwerdeführerin sei nach den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen als anrechenbares Einkommen zu werten. Demnach stehe ihr ein Erhöhungsbetrag nach § 23 Abs. 5 Heeresversorgungsgesetz lediglich in einer geringeren Höhe zu.

Der infolge Berufung der Beschwerdeführerin diesen Bescheid bestätigende Bescheid der belangten Behörde vom 13. Mai 1993 wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, Zl. 94/08/0015, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Mit Schreiben vom 29. September 1992 ihres im Verfahren bevollmächtigten Vaters begehrte die Beschwerdeführerin die Umwandlung der bisherigen Beschädigtenrente nach dem Impfschadensgesetz in eine Vollrente nach den Bestimmungen des § 24 Abs. 8 Heeresversorgungsgesetz. Die Rentenhöhe sei nach dem zu dieser Zeit vorliegenden Einkommen ihres Bruders zu bemessen. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom 9. Juni 1993 gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Z. 1 Impfschadengesetz i.V.m.

§ 24 Abs. 8 Heeresversorgungsgesetz abgewiesen. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, der Beschwerdeführerin sei mit Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 28. Februar 1974 eine Beschädigtenrente ausgehend von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 v.H. zugesprochen worden. Diese Beschädigtenrente sei nach der Mindestbemessungsgrundlage berechnet worden, weil die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Eintrittes des schädigenden Ereignisses noch kein Einkommen erzielt habe und auch nicht in Schul- oder Berufsausbildung gestanden sei. Befinde sich die Beschädigte zur Zeit des Eintrittes des schädigenden Ereignisses noch in einer Berufs- oder Schulausbildung, so werde gemäß § 24 Abs. 8 Heeresversorgungsgesetz von dem Zeitpunkt ab, in dem die begonnene Ausbildung voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre, die Bemessungsgrundlage jeweils nach dem Einkommen errechnet, das für Personen mit gleicher Ausbildung durch Kollektivvertrag festgesetzt sei oder sonst von ihnen im Durchschnitt erreicht werde. Diese Bestimmung sei entsprechend für Beschädigte anzuwenden, die zur Zeit des Eintrittes des schädigenden Ereignisses noch nicht 30 Jahre alt gewesen seien, sofern die Errechnung der Bemessungsgrundlage auf diese Art für den Beschädigten günstiger sei. Daraus ergebe sich, dass eine Neubemessung der Beschädigtenrente aufgrund der Berufslaufbahn nur während der Schul- oder Berufslaufbahn sowie nach der Ausbildung bis zum 30. Lebensjahr möglich sei. Da bei der Beschwerdeführerin das schädigende Ereignis vor der Schulausbildung eingetreten sei, sei die Beschädigtenrente richtigerweise unter Zugrundelegung der Mindestbemessungsgrundlage berechnet worden.

In der Berufung vom 20. Juni 1993 führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen dazu aus, es wäre auf keinen Fall bei Bemessung der Beschädigtenrente die Mindestbeitragsgrundlage anzuwenden gewesen, sondern unter allen Umständen der § 24 Abs. 8 Heeresversorgungsgesetz. Die Beschwerdeführerin habe sich nämlich zum Zeitpunkt der bescheidmäßigen Anerkennung des Impfschadens bereits in einem "bescheidenen" Anlernverhältnis befunden. Dazu komme, dass § 24 Abs. 8 Heeresversorgungsgesetz ausdrücklich anordne, dass bei Berechnung der Bemessungsgrundlage der günstigeren Auffassung Raum zu geben sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 29. August 1996 wurden - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der ersten Instanz vom 9. Juni 1993 über die Neubemessung der Beschädigtenrente keine Folge gegeben, der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 9. Juni 1992 Folge gegeben und die Beschädigtenrente für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1993 und die Erhöhungsbeträge ab 1. Jänner 1992 neu bemessen sowie Berufungen der Beschwerdeführerin gegen Bescheide der erstinstanzlichen Behörde, mit denen die Beschädigtenrente und der Erhöhungsbetrag zum 1. Jänner 1994, 1995, 1. Februar 1995 und 1. Jänner 1996 mit dem jeweiligen Anpassungsfaktor valorisiert wurden, teilweise Folge gegeben.

In der Begründung dieses Bescheides stellte die belangte Behörde zunächst das Verwaltungsgeschehen ausführlich dar. Anschließend traf sie folgende, den eingangs dargestellten Sachverhalt ergänzende Feststellungen:

Bei der Beschwerdeführerin liege als kausale Gesundheitsschädigung eine Intelligenzminderung mäßigen Grades, gelegen im Übergangsbereich Debilität-Imbezillität, vor. Sie sei zeitlich und örtlich orientiert, die Gehfähigkeit sei nicht wesentlich eingeschränkt. Cerebrale Krampfanfälle im Sinne generalisierter Anfälle mit Bewusstseinsverlust und Sturz würden durchschnittlich etwa dreimal jährlich auftreten. Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten seien als ausgeschöpft anzusehen. Durch äußere Umstände werde das Anfallsgeschehen nur wenig beeinflusst, die Anfallsgefahr sei bei Beförderung im Privat-PKW und bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel etwa gleich hoch. Eine fixe tageszeitliche Bindung der generalisierten Anfälle bestehe nicht, es würden auch keine typischen "Aura-Symptome" (die einen Anfall vorankündigen würden) vorliegen. Generalisierte Krampfanfälle wären mit Bewusstseinsverlust, Sturz und Krämpfen verbunden. Bei Auftreten eines Anfalles könne durch richtige körperliche Hilfestellung durch eine Begleitperson die Verletzungsgefahr "geändert" bzw. verhindert werden. Aus medizinischer Sicht sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel mit Begleitperson zumutbar.

Für die Zurücklegung der Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsplatz stünden öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung und zwar der Bundesbus vom Wohnort bis Linz-Hauptbahnhof und in Linz ein innerstädtischer Bus. Die Fahrtkosten der Beschwerdeführerin würden ab 1. Jänner 1992 monatlich S 462,50, ab 1. Jänner 1993 monatlich S 492,50, ab 1. Februar 1994 monatlich S 507,50 und ab 1. Februar 1996 monatlich S 420,-- betragen. Die Fahrtkosten einer Begleitperson seien mit den Kosten einer übertragbaren Tagesfahrkarte bzw. mit den Kosten von Einzelfahrkarten zu bemessen, und zwar unter Berücksichtigung, dass die Beschwerdeführerin an vier Tagen der Woche, sohin an ca. 18 Tagen monatlich beschäftigt sei. Die Fahrtkosten der Begleitperson würden ab 1. Jänner 1992 monatlich S 936,--, ab 1. Jänner 1993 monatlich S 1.044,--, ab 1. Februar 1994 monatlich S 1.080,-- und ab 1. Februar 1996 monatlich S 1.116,-- betragen.

Die Beschwerdeführerin werde im PKW ihres Vaters zur Arbeitsstätte gebracht. Je nach Gesundheitszustand und daraus resultierender Anfallsbereitschaft erfolge auch die Rückfahrt von der Arbeitsstätte etwa fünf bis sieben mal pro Monat mit dem PKW. An den übrigen Tagen benütze die Beschwerdeführerin für die Rückfahrt öffentliche Verkehrsmittel ohne Begleitperson. Sie werde aber "oft" von ihrer Mutter im Bereich des Hauptbahnhofes Linz abgeholt und nach Hause begleitet.

Die belangte Behörde nahm folgende rechtliche Würdigung dieses Sachverhaltes vor:

Die erstinstanzliche Behörde habe den Antrag der Beschwerdeführerin auf Bemessung der Beschädigtenrente gemäß § 24 Abs. 8 HVG zutreffend abgelehnt. Die Schädigung der Beschwerdeführerin sei im Vorschulalter eingetreten, die Bestimmung des § 24 Abs. 8 leg. cit. sei daher unanwendbar. Bei Berechnung der Beschädigtenrente sei vielmehr die Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 24 Abs. 9 leg. cit. zugrunde zu legen gewesen, weil diese Bestimmung auch dann anzuwenden sei, wenn im Jahr vor der Schädigung überhaupt kein Einkommen bezogen worden sei. Für die von der Beschwerdeführerin geforderte Bemessung der Beschädigtenrente auf Basis des Einkommens ihres Bruders biete das Gesetz keine Handhabe.

Gemäß § 3 Abs. 3 Impfschadengesetz sei der für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes festgesetzte Anpassungsfaktor auch für den Bereich des Impfschadengesetzes verbindlich. Die von der Behörde erster Instanz vorgenommene Anpassung der Beschädigtenrente gemäß § 23 Abs. 3 Heeresversorgungsgesetz mit dem jeweiligen Anpassungsfaktor zum 1. Jänner 1994, 1. Jänner 1995 und 1. Jänner 1996 entspreche den gesetzlichen Regelungen. Den Berufungen der Beschwerdeführerin sei diesbezüglich keine Folge zu geben gewesen.

Nach dem im ersten Verfahrensgang ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1995, 94/08/0015, seien die einem Impfgeschädigten mit 100 %iger Minderung der Erwerbsfähigkeit bei Ausübung einer zu seiner seelischen und geistigen Rehabilitation erforderlichen Beschäftigung erwachsenen Fahrtkosten, die das aus dieser Beschäftigung erzielte Einkommen schmälerten, zur Gänze in Abzug zu bringen. Eine Abgeltung des Verdienstentganges der Begleitperson sei nach diesem Erkenntnis nicht in Erwägung zu ziehen. Nach den Feststellungen würden die kausalen Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel mit Begleitperson nicht entgegenstehen. Die geltend gemachten Fahrtkosten für die Beförderung mit dem PKW des Vaters der Beschwerdeführerin könnten daher nicht berücksichtigt werden. Die Beförderung mit dem PKW erfolge nicht aus medizinischer Notwendigkeit oder wegen nicht verfügbarer öffentlicher Verkehrsmittel. Diese Beförderung resultiere aus der überfürsorglichen und überängstlichen Einstellung der Eltern der Beschwerdeführerin. Ausgehend vom unstrittig feststehenden Einkommen der Beschwerdeführerin seien ihre Fahrtkosten und die einer Begleitperson in Abzug zu bringen, sodass sich folgendes anrechenbare Einkommen bei Berechnung der Zusatzrente gemäß § 12 Abs. 3 KOVG ergebe: ab 1. Dezember 1991 monatlich S 172,70, ab 1. Jänner 1992 monatlich S 3.116,34, ab 1. Jänner 1993 monatlich S 3.353,76, ab 1. Juli 1993 monatlich S 3.330,07, ab 1. Jänner 1994 monatlich S 3.547,50, ab 1. Februar 1994 monatlich S 3.496,50, ab 1. Jänner 1995 monatlich S 3.666,50, ab 1. Jänner 1996 monatlich S 3.821,50 und ab 1. Februar 1996 monatlich S 3.873,--. Der Erhöhungsbetrag nach § 23 Abs. 5 Heeresversorgungsgesetz betrage demnach ab 1. Jänner 1992 S 6.457,-- ab 1. Februar 1992 monatlich S 3.514,--, ab 1. Jänner 1993 monatlich S 3.938,--, ab 1. Februar 1993 monatlich S 3.700,--, ab 1. August 1993 monatlich S 3.724,--, ab 1. Jänner 1994 monatlich S 4.114,--, ab 1. Februar 1994 monatlich S 3.897,--, ab 1. März 1994 monatlich S 3.948,--, ab 1. Jänner 1995 monatlich S 4.157,-- ab 1. Februar 1995 monatlich S 3.987,--, ab 1. Jänner 1996 monatlich S 4.161,--, ab 1. Februar 1996 monatlich S 4.006,-- und ab 1. März 1996 monatlich S 3.954,--.

Der Hinweis der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 21. August 1996, wonach die Beförderung in der fraglichen Zeit ausschließlich mit dem PKW erfolgt sei, finde einerseits in den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens keine Deckung. Diese Stellungnahme würde den bisherigen Stellungnahmen des bevollmächtigten Vaters widersprechen. Unter Bedachtnahme auf den festgestellten Sachverhalt könne andererseits aus dem Umstand, dass die Beförderung auch mit einem PKW erfolge, nicht geschlossen werden, dass diese Art der Beförderung medizinisch indiziert und somit unvermeidlich sei.

Die Beschwerdeführerin erhob zunächst gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 24. Februar 1997, B 3337/96, deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Ablehnung der Neubemessung der Beschädigtenrente sowie gegen die Berechnung des Erhöhungsbetrages und hier insbesondere gegen die Nichtberücksichtigung der Fahrtkosten für die Verwendung eines PKW's.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zum Antrag auf Neubemessung der Beschädigtenrente vom 29. September 1992 gemäß § 24 Abs. 8 Heeresversorgungsgesetz:

Die belangte Behörde ging davon aus, dass § 24 Abs. 8 HVG nicht anwendbar sei, weil die Schädigung der Beschwerdeführerin im Vorschulalter eingetreten sei. Der Berechnung ihrer Beschädigtenrente sei daher die Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 24 Abs. 9 HVG zugrunde zu legen.

Dem kann nicht gefolgt werden:

Der erste Satz des § 24 Abs. 8 Heeresversorgungsgesetz, der im Beschwerdefall unstrittig nicht anzuwenden ist, enthält eine Berechnungsregel für die Bemessungsgrundlage nach dem fiktiven Ende der Ausbildung. Eine Berechnungsregel für die "erste" Bemessungsgrundlage vom Zeitpunkt der Beschädigung bis zu diesem Zeitpunkt (Ende der Ausbildung) wird nicht aufgestellt. Das heißt, die erste Bemessungsgrundlage ist nach den §§ 24 Abs. 1 bis 7 sowie 9 und 10 sowie § 24a und § 24b Heeresversorgungsgesetz zu ermitteln; mangels eines Tatbestandes nach § 24 Abs. 1 bis 7 beträgt sie an sich 0, ist aber zufolge § 24 Abs. 9 leg. cit. auf die Mindestbemessungsgrundlage anzuheben. Der (im Beschwerdefall allein interessierende) zweite Satz, wonach "diese Bestimmung ... entsprechend für Beschädigte anzuwenden (ist), die zur Zeit des Eintrittes des schädigenden Ereignisses noch nicht 30 Jahre alt waren, sofern die Errechnung der Bemessungsgrundlage auf diese Art für den Beschädigten günstiger ist", normiert die Anwendung der Berechnungsregel des ersten Satzes (d.h. jener ab dem fiktiven Ende der Ausbildung) auf Beschädigte, die einen Schaden zwar vor dem 30. Lebensjahr erlitten haben, damals aber nicht in einer Berufs- oder Schulausbildung gestanden sind, "sofern die Errechnung der Bemessungsgrundlage auf diese Art für den Beschädigten günstiger ist". Die genannte Wendung im Nebensatz ist so zu verstehen, dass sich die "Errechnung ... auf diese Art" auf jene nach dem ersten Satz bezieht, die "günstiger" ist als eine sonstige Festsetzung der Bemessungsgrundlage. Daher fallen darunter alle Beschädigten, hinsichtlich derer zwar die obigen Kriterien zutreffen (Schädigung vor dem 30. Lebensjahr und keine Ausbildung im Zeitpunkt der Schädigung), für die aber nach den Absätzen 1 bis 7 mangels Tatbestandsmäßigkeit die Bemessungsgrundlage an sich mit 0, über § 24 Abs. 9 leg. cit. aber mit der Mindestbemessungsgrundlage festzusetzen ist: also z.B. Kinder vor der Schulausbildung, aber auch Personen, die noch nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind. Für diese Auslegung spricht auch die Regierungsvorlage zum Impfschadengesetz (733 BlgNR XIII GP, 4), in der es zu § 2 heißt:

"§ 2 bestimmt, dass Impfgeschädigte neben Anspruch auf Übernahme der Kosten der Behandlung und der Rehabilitation auch auf die entsprechenden Leistungen wie für eine Dienstbeschädigung nach dem HVG haben. Die vom HVG abweichenden Regelungen dienen der Anpassung an den in Betracht kommenden Personenkreis, da die Impfschäden überwiegend bei Personen im Kindesalter auftreten." Das Impfschadengesetz enthält zwar keine vom § 24 Abs. 8 HVG "abweichende Regel", aber das Ziel der "Anpassung" wird durch diese Auslegung erreicht.

Die belangte Behörde hätte daher bei Behandlung der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz vom 9. Juni 1993 zu prüfen gehabt, ob die Berechnung der Beschädigtenrente bei entsprechender Anwendung des ersten Satzes des § 24 Abs. 8 Heeresversorgungsgesetz günstiger ist als die Mindestbemessungsgrundlage nach § 24 Abs. 9 leg. cit. Da die belangte Behörde eine diesbezügliche Prüfung nicht vornahm, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

2. Zur Bemessung des Erhöhungsbetrages:

Hiezu ist zunächst auf die Erwägungen im Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, 94/08/0015, mit dem der im ersten Rechtsgang erflossene Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG zu verweisen. Soweit für die vorliegende Beschwerde von Bedeutung hat der Verwaltungsgerichtshof dort ausgesprochen, dass der behauptete Verdienstentgang des Vaters der Beschwerdeführerin schon deshalb nicht abzugsfähig sei, weil er nicht behauptet habe und auch nicht erkennbar sei, wodurch ihm als pensioniertem Gendarmeriebeamten durch den Zeitverlust tatsächlich ein Verdienst entgangen sei.

Die belangte Behörde zog daraus den Schluss (Seite 7 des angefochtenen Bescheides), eine Abgeltung des Verdienstentganges der Begleitperson sei nicht in Erwägung zu ziehen.

Im fortgesetzten Verfahren brachte die Beschwerdeführerin im Schreiben vom 21. August 1996 dazu ausdrücklich vor: "Der Kostenersatz bzw. eine Aufwandsentschädigung für etwa zwei Stunden pro Tag, die von der Begleitperson aufgewendet werden müssen, ist in den oben angeführten Beträgen (Berechnung der Fahrtkosten) nicht enthalten. Ich ersuche das do. Bundesministerium diese Leistung zu bewerten."

In der Beschwerde wird hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt, dass die belangte Behörde eine Bewertung der bekannt gegebenen Aufwandsentschädigung nicht vorgenommen habe. Es gehe um eine Abgeltung bzw. eine Aufwandsentschädigung für den Zeitaufwand. Dieser Zeitaufwand äußere sich insbesondere in einer "beeinträchtigenden" Lebensführung. Durch die morgendliche und mittägliche Begleitung mit dem PKW sei die Freizeit stark eingeschränkt. Wenn man den Aufwandersatz für Zeitaufwand bzw. verringerte Lebensqualität mit nur S 100,-- pro Stunde ansetze, überstiegen die Ausgaben die Einnahmen, die durch die Beschäftigungstherapie erzielt würden, bei weitem.

Mit diesem Vorbringen kann die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in dem mehrfach zitierten Erkenntnis vom 12. Dezember 1995 ausgeführt, dass unter dem nach § 12 Abs. 3 KOVG bzw. § 25 Abs. 1 Heeresversorgungsgesetz beachtlichen Einkommen die Wertsumme zu verstehen ist, die einer Person aus dauernden Ertragsquellen in Geld- oder Güterform zufließt und die sie verbrauchen kann, ohne dass ihr Vermögen geschmälert wird. Zur Auslegung dieses Einkommensbegriffes sind nach der ständigen Rechtsprechung die Grundsätze des Einkommensteuerrechtes heranzuziehen, jedoch sind verschiedene, sich aus dem Zweck des Kriegsopferversorgungsgesetzes ergebende Besonderheiten zu beachten. Da das Kriegsopferversorgungsgesetz den Versorgungszweck in den Vordergrund stellt, muss auf die Bestimmung dieses Gesetzes besonderes Gewicht gelegt werden, dass nur das als Einkommen gelten kann, was zum Verbrauch übrig bleibt. Dieses Einkommen ist durch Abzug der Ausgaben von den Einnahmen zu ermitteln, wobei als einkommensmehrend oder einkommensmindernd nur solche Beträge gelten, die tatsächlich eingenommen oder ausgegeben wurden.

Die Beschwerdeführerin hat, wie ihr Vorbringen zeigt, keine tatsächlichen Ausgaben für die Bezahlung einer Begleitperson behauptet. Da aber tatsächliche Ausgaben nicht behauptet wurden, ist nicht zu prüfen, ob irgendwelche, ziffernmäßig nicht bekannt gegebene Ansprüche zu Recht bestanden hätten. Eine weitere Aufforderung der Beschwerdeführerin durch die belangte Behörde erübrigte sich, weil der Beschwerdeführerin diese Erfordernisse durch das erwähnte Erkenntnis vom 12. Dezember 1995 bekannt gemacht wurden.

Schließlich wendet sich die Beschwerde gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei in der Lage, mit einer Begleitperson die öffentlichen Verkehrsmittel zur Zurücklegung der Wegstrecke zwischen Wohnort und Arbeitsort und zurück zu benützen. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sie habe aktenwidrigerweise angenommen, die Beförderung mit dem PKW würde nicht auf medizinischer Notwendigkeit beruhen.

Auch diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Diese Frage ist eine medizinische Sachfrage, welche die belangte Behörde unter Beiziehung eines Sachverständigen zu lösen hatte. Die belangte Behörde konnte aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften die Feststellung treffen, dass die kausalen Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel mit Begleitperson nicht entgegenstehen: Eine Grundlage für diese Feststellung findet sich nämlich im Gutachten zu Punkt 7. Hier führt der Gutachter aus, aus medizinischer Sicht wäre im Prinzip die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel mit Begleitperson zumutbar, wenn man allgemeinen Regeln folge. Die folgenden Ausführungen unter diesem Punkt betreffen aber nicht die Beschwerdeführerin selbst, sondern die Verhaltensweise ihrer Eltern. Diese ist jedoch für die Frage der medizinischen Zumutbarkeit einer Verhaltensweise der Beschwerdeführerin nicht ausschlaggebend. Das im Gutachten von der Beschwerdeführerin gezeichnete körperliche und geistige Zustandsbild lässt die auf das genannte Gutachten gestützte Einschätzung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Beisein einer Begleitperson in der Lage ist, als nicht unschlüssig erscheinen.

Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Ansprüche sind wegen der Abhängigkeit des Erhöhungsbetrages nach § 23 Abs. 5 HVG von der Höhe der Beschädigtenrente nach § 23 Abs. 3 HVG untrennbar im Sinne des § 59 AVG, sodass der angefochtene Bescheid zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Bei dem Schriftsatzaufwand handelt es sich um einen Pauschbetrag, neben dem Umsatzsteuer nicht zugesprochen werden kann.

Wien, am 22. Dezember 1999

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997080126.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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