TE OGH 1984/6/7 8Ob18/84

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.06.1984
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Willibald Rath, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, wegen 54.194,63 S sA und Feststellung (25.000 S) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Dezember 1983, GZ 1 R 187/83-13, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 25. April 1983, GZ 24 Cg 98/83-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Am 27. 2. 1979 ereignete sich auf der Bundesstraße 67 im Gemeindegebiet V*****, Bezirk *****, ein Verkehrsunfall, an dem Radovan L***** mit seinem bei der Klägerin haftpflichtversicherten PKW Peugeot 504 und Jozo C***** mit seinem bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW VW Käfer beteiligt waren. Radovan L***** wurde wegen dieses Unfalls strafgerichtlich rechtskräftig verurteilt, während Jozo C***** im Strafverfahren freigesprochen wurde.

Die Klägerin hat an Marco A*****, der beim Unfall Insasse des von Jozo C***** gelenkten PKWs war, Schadenersatzleistungen von 108.389,27 S erbracht. In dem diesbezüglich Zivilverfahren AZ 16 Cg 101/80 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Klägerin dem Marco A***** für alle künftigen Schäden zu 2/3 bis zur Höhe der Haftpflichtversicherungssumme des bezüglichen Haftpflichtversicherungsvertrags haftet.

Im Verfahren AZ 5 C 527/81 des Bezirksgerichts Leibnitz hat Jozo C***** seine Schadenersatzansprüche aus dem Unfall gegenüber Radovan L***** und seinem Haftpflichtversicherer, der Klägerin, geltend gemacht, wobei das Alleinverschulden des Radovan L***** am Verkehrsunfall behauptet wurde. In diesem Verfahren drang Jozo C***** mit seinen Ansprüchen voll durch. Die Beklagten haben im genannten Vorprozess ein 50%iges Mitverschulden des Jozo C***** am Unfall eingewendet. Der Unfallsschaden des Radovan L***** wurde auch aufrechnungsweise gegenüber der Klageforderung im Vorprozess geltend gemacht. Entsprechend dem angeführten Verfahrensergebnis wurde die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt. Die Entscheidung des angeführten Verfahrens erwuchs in Rechtskraft.

In der vorliegenden Klage behauptete die Klägerin neuerlich ein 50%iges Mitverschulden des Jozo C***** und begehrte von der Beklagten die Hälfte des an den Drittgeschädigten Marco A***** ausbezahlten Schadensbetrags von 108.389,27 S, somit 54.194,63 S sA. Weiters beantragt sie unter Hinweis auf das zugunsten des Marco A***** ergangene Feststellungsurteil auch die Feststellung, dass die Beklagte der Klägerin zu 50 % hinsichtlich aller Schadenszahlungen, die die Klägerin künftig noch aus Anlass des Unfalls an Marco A***** zu leisten hat, beschränkt auf die sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Haftungshöchstbeträge, ersatzpflichtig ist.

Die Beklagte bestritt ein Mitverschulden ihres Versicherungsnehmers Jozo C*****. Sie wies auf den Vorprozess AZ 5 C 527/81 des Bezirksgerichts Leibnitz hin, in dem das Alleinverschulden des Radovan L***** am Unfall festgestellt wurde. Der von der Klägerin geltend gemachte Regressanspruch werde daher bestritten und die Abweisung des Klagebegehrens beantragt.

Das Erstgericht wies ohne Aufnahme der von den Parteien zur Verschuldensfrage angebotenen Beweise das Klagebegehren ab. Es nahm unter Berufung auf die rechtskräftige Entscheidung im Vorprozess AZ 5 C 527/81 des Bezirksgerichts Leibnitz res judicata an, weil es im Vorprozess um „die gleiche Forderung aus dem gleichen Rechtsgrund“ gegangen sei.

Das Berufungsgericht gab der Beufung der Klägerin Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf, sprach aus, dass der von der Aufhebung betroffene Wert des Streitgegenstands 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und fügte seiner Entscheidung einen Rechtskraftvorbehalt bei. Das Gericht zweiter Instanz verwies darauf, dass auch einer Entscheidung über den Nichtbestand einer Gegenforderung Rechtskraftwirkung zukomme und deshalb die Entscheidung im Vorprozess AZ 5 C 527/81 des Bezirksgerichts Leibnitz insofern von Bedeutung sei, als es Radovan L***** zufolge der Bestimmung des § 63 Abs 3 KFG verwehrt wäre, seinen im genannten Vorprozess als Gegenforderung geltend gemachten Anspruch neuerlich gegen dem Haftpflichtversicherer des Jozo C*****, also gegen die Beklagte, geltend zu machen. Zufolge der Sonderbestimmung des § 63 Abs 3 KFG wäre in diesem Falle die Parteienidentität nicht zu fordern. Vorliegendenfalls werde aber ein völlig anderes Begehren als im genannten Vorprozess gestellt. Es resultiere aus einem behaupteten Regressanspruch gemäß § 11 Abs 1 EKG, weshalb schon aus diesem Grunde res judicata nicht anzunehmen sei. Für diese negative Prozessvoraussetzung werde neben der Identität der Parteien (außer im Falle gesetzlicher Ausnahmen) Identität des Begehrens und Identität des Rechtsgrundes (Klagegrundes) gefordert. Beide seien hier nicht gegeben. Im Vorprozess handle es sich um einen Ausgleichsanspruch zwischen den Unfallsbeteiligten, hier um einen Regressanspruch zwischen den Schädigern aus Anlass von Schadenersatzleistungen einen Drittgeschädigten.

Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich der auf die Rechtsansicht des Erstgerichts gestützte Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne der Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts abzuändern.

Die Klägerin beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Vorweg wird bemerkt, dass das Erstgericht – von seiner Rechtsansicht ausgehend – mit Beschluss und demgemäß das Gericht zweiter Insanz als Rekursgericht hätten entscheiden müssen; dies ändert jedoch an der Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittels nichts.

Wie das Berufungsgericht sinngemäß richtig erkannte, sind im vorliegenden Fall die aus § 63 Abs 3 KFG abgeleitete Erstreckungswirkung eines die Schadenersatzklage rechtskräftig aberkennenden Urteils und die aus § 411 ZPO resultierende Rechtskraftwirkung auseinanderzuhalten:

Im ersteren Belang ist davon auszugehen, dass die Erstreckungswirkung nur für den Fall eintritt, dass der geschädigte Dritte gegen Versicherer und Versichertem als Streitgenossen denselben Haftungsgrund geltend macht (JBl 1974, 375; 8 Ob 100/72; 8 Ob 214/74 ua). Es wird also die Identität des Haftungsgrundes gefordert (EvBl 1973/6; 8 Ob 164/80 ua), was zur logischen Folge hat, dass § 63 Abs 3 KFG im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden kann, weil das Verfahren vor dem Bezirksgericht Leibnitz AZ 5 C 527/81 Ausgleichsansprüche zwischen den Unfallsbeteiligten zum Gegenstand hatte, während diesem Rechtsstreit Regressansprüche der Klägerin aus dem Prozess AZ 16 Cg 101/80 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz eines Fahrzeuginsassen gegen sie beinhaltet.

Ein allenfalls aus § 411 ZPO abgeleitetes Prozesshindernis der rechtkräftig entschiedenen Streitsache liegt aus dem gleichen Grund nicht vor, weil zwischen dem Begehren im bezogenen Vorprozess AZ 5 C 527/81 des Bezirksgerichts Leibnitz und dem hier erhobenen Anspruch keine Identität besteht (SZ 48/142; 2 Ob 228/77 ua). Es trifft aber auch nicht zu, dass zwischen den beiden Begehren ein solcher inhaltlicher Zusammenhang besteht, dass auch hier – wie im Vorprozess AZ 5 C 527/81 des Bezirksgerichts Leibnitz – von dem Alleinverschulden des Versicherungsnehmers der Klägerin Radovan L***** ausgegangen werden müsste. So wurde in dem früheren Zivilprozess AZ 16 Cg 101/80 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz festgestellt, dass die Klägerin als Haftpflichtversicherer des genannten Radovan L***** dem geschädigten Fahrzeuginsassen nur zu 2/3 haftbar ist. Richtig ist allerdings, dass sich die Maßgeblichkeit der Rechtskraft eines früher ergangenen Urteils in einer inhaltlichen Bindung an die Vorentscheidung auswirken kann. Eine solche Bindungswirkung wird aber nur dann anzunehmen sein, wenn die Entscheidung über den neuen Anspruch vom Inhalt der rechtskräftig entschiedenen Streitsache abhängig ist (Präjudizialität der rechtskräftigen Entscheidung) oder wenn das Begehren das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs darstellt (vgl 2 Ob 228/77 ua). Davon kann hier nicht die Rede sein: So wie die Rechtskraft eines früheren Urteils der selbständigen Prüfung eines aus demselben Tatbestand erhobenen neuen Anspruchs nicht entgegensteht (SZ 22/190 und 41/103), so hindert sie auch nicht die neuerliche Aufrollung der Verschuldensfrage bei Erhebung eines weiteren bzw eines gegenüber früher anderen Anspruchs, der seine Grundlage in Ersatzleistungen an einen Drittgeschädigten des Unfalls hat und nicht in Ausgleichsansprüchen zwischen den unfallsbeteiligten Fahrzeuglenkern wurzelt (vgl EvBl 1958/121; 2 Ob 228/77 ua).

Zutreffend ging das Berufungsgericht daher davon aus, dass eine rechtskräftig entschiedene Streitsache hier nicht vorliegt und in diesem Verfahren – erstmals – zu prüfen sein wird, inwieweit auch Jozo C***** ein Verschulden am Unfall des Marco A***** trifft. Dem Rekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

Textnummer

E122456

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00018.840.0607.000

Im RIS seit

20.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.08.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten