TE Vwgh Erkenntnis 2000/1/18 98/18/0307

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Veröffentlicht am 18.01.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §35 Abs4;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §38 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des D M, (geb. 16.3.1974), vertreten durch Dr. Christine Kolbitsch, Dr. Heinrich Vana, Dr. Gabriele Vana-Kowarzik, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. August 1998, Zl. SD 585/98, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Mit Bescheid vom 9. Mai 1995 sei dem Beschwerdeführer der ihm erteilte Sichtvermerk der Bundespolizeidirektion Wien vom 28. Juli 1988 auf Grund schwer wiegender Verwaltungsübertretungen (§ 5 StVO 1960, § 64 Abs. 1 KFG 1967) sowie gerichtlicher Verurteilungen (Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt) aberkannt worden. Dessen ungeachtet habe der Beschwerdeführer das Bundesgebiet nicht verlassen, sondern unmittelbar darauf einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Auch nach der Abweisung dieses Antrages habe der Beschwerdeführer seinen unrechtmäßigen Aufenthalt fortgesetzt. Da dem Beschwerdeführer seit Rechtskraft dieses Bescheides kein weiterer Aufenthaltstitel erteilt worden sei, sei sein Aufenthalt seit diesem Zeitpunkt im Bundesgebiet unrechtmäßig. Dieses Fehlverhalten beeinträchtige die öffentliche Ordnung in hohem Maß, sodass sich die Ausweisung des Beschwerdeführers - vorbehaltlich der Bestimmung des § 37 Abs. 1 FrG - im Grunde des § 33 Abs. 1 FrG als gerechtfertigt erweise.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 37 Abs. 1 leg. cit. betreffe, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in Österreich geboren und bis zu seinem sechsten Lebensjahr in Österreich aufhältig gewesen sei. Im siebzehnten Lebensjahr sei der Beschwerdeführer nach Österreich zurückgekehrt. Der Beschwerdeführer sei ledig und für niemanden sorgepflichtig. Seine Eltern lebten ebenfalls hier. Behauptetermaßen führe der Beschwerdeführer eine Lebensgemeinschaft. Zweifellos sei daher von einem mit der Ausweisung des Beschwerdeführers verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme jedoch gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien vom Beschwerdeführer in gravierender Weise missachtet worden. Zu seinen Ungunsten falle - abgesehen von der langen Dauer seines unrechtmäßigen Aufenthaltes - weiters ins Gewicht, dass er diesen unrechtmäßigen Aufenthalt trotz rechtskräftiger Abweisung seines Antrags nach dem AufG und ungeachtet einer erfolgten rechtskräftigen Bestrafung fortgesetzt habe. Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten gewesen seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Verstärkt werde dieses Abwägungsergebnis durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer rechtens nicht in der Lage sei, seinen Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren. Es würde dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen grob zuwiderlaufen, wenn ein Fremder, der in der Vergangenheit gegen wesentliche verkehrsrechtliche Vorschriften und strafrechtliche Normen verstoßen und danach sehr augenfällig dokumentiert habe, dass er keinerlei Bedenken habe, sich über die für ihn maßgebenden fremdenrechtlichen Bestimmungen in geradezu beharrlicher Weise hinwegzusetzen, auf diese Weise den Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte. Entgegen der Berufung sei auf § 37 Abs. 2 FrG bei Erlassung einer Ausweisung nicht Bedacht zu nehmen. Ohne rechtliche Relevanz sei auch der vom Beschwerdeführer relevierte Umstand, sein Heimatstaat verwehrte ihm die Einreise. Mit der Ausweisung werde nicht darüber abgesprochen, in welches Land der Beschwerdeführer auszureisen habe. Auf Grund des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers und bei Abwägung des Gewichtes des Dringend-geboten-seins der Ausweisung gegenüber der Eingriffsintensität könne eine Abstandnahme von dieser Maßnahme auch im Rahmen des Ermessens nicht in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Feststellung der Behörde, dass dem Beschwerdeführer nach der Ungültigkeitserklärung des ihm im Jahr 1988 erteilten Sichtvermerks im Jahr 1995 kein weiterer Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Von daher ist die Auffassung der Behörde, dass vorliegend die Voraussetzung des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, unbedenklich.

2.1. Mit Blick auf die von der Behörde vorgenommene Beurteilung nach § 37 Abs. 1 FrG wendet der Beschwerdeführer ein, er sei nicht erst im Jahr 1990, sondern bereits 1988, als ihm der besagte, unbefristete Sichtvermerk erteilt worden sei, somit schon im Alter von vierzehn Jahren und vier Monaten nach Österreich zurückgekehrt. Die belangte Behörde hätte den "entscheidungswesentlichen Umstand", seit wann und wie lange sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhalte, von sich aus zu ermitteln gehabt. Dies vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer in Österreich geboren und mehr als die Hälfte seines Lebens in Österreich aufhältig gewesen sei, weswegen für seinen Fall auch § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG (richtig: § 35 Abs. 4 leg. cit.) zum Tragen komme.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Im Verwaltungsverfahren hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er sich "seit 30.8.1990 durchgehend in Österreich" aufhalte (vgl. seine Stellungnahme vom 12. März 1997, AB 90 verso, sowie in diesem Sinn auch die Berufung gegen den Erstbescheid, wonach sich der Beschwerdeführer seit seinem 17. Lebensjahr (wieder) in Österreich aufhalte, AB 113), weshalb es sich bei seinem Vorbringen in der Beschwerde, er halte sich bereits seit 1988 durchgehend in Österreich auf, um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt (vgl. § 41 VwGG), und der Verwaltungsgerichtshof somit von der Feststellung der Behörde auszugehen hat, dass sich der Beschwerdeführer seit seinem 17. Lebensjahr - somit seit 1990 - durchgehend in Österreich aufhalte.

Die belangte Behörde hat weiters im Hinblick auf den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und die von ihm geltend gemachten familiären Bindungen einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Wenn sie

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unter gebührender Beachtung dieser persönlichen Interessen - das hier maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten für so gewichtig erachtet hat, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers dringend geboten sei, kann dies nicht als rechtswidrig erblickt werden, kommt doch dem besagten öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 6. Oktober 1998, Zlen. 98/18/0248, 0249, mwH). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in der Dauer von etwa drei Jahren und drei Monaten gravierend beeinträchtigt, zumal er

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unbestritten - seinen unrechtmäßigen Aufenthalt trotz rechtskräftiger Abweisung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und ungeachtet einer rechtskräftigen Bestrafung wegen unbefugten Aufenhalts (AB 78) fortgesetzt hat. Demgegenüber treten die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers in den Hintergrund, werden diese doch in ihrem Gewicht dadurch maßgeblich gemindert, dass sie auf einen zu einem beträchtlichen Teil - nämlich zu mehr als einem Drittel - unrechtmäßigen Aufenthalt zurückzuführen sind. An dieser Beurteilung vermag der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer schon früher einmal - nämlich von seiner Geburt bis zu seinem 6. Lebensjahr - in Österreich aufgehalten hat, nichts zu ändern.

Schließlich versagt auch der Hinweis der Beschwerde auf § 35 Abs. 4 FrG. Nach dieser Bestimmung dürfen Fremde, die von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen sind, nicht ausgewiesen werden; Fremde sind jedenfalls langjährig im Bundesgebiet niedergelassen, wenn sie die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet verbracht haben und zuletzt seit mindestens drei Jahren hier niedergelassen sind. In den Gesetzesmaterialien zum wortgleichen - die Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbots betreffenden - § 38 Abs. 1 Z. 4 iVm Abs. 2 FrG (auf den die Materialien zu § 35 Abs. 4 leg.cit. verweisen, vgl AB 755 BlgNR 20. GP, 5) wird ausgeführt, dass Fremde, die in Österreich von klein auf langjährig rechtmäßig niedergelassen sind, dann nicht mit einem Aufenthaltsverbot belegt werden dürfen, wenn sie mindestens die Hälfte ihres Lebens im Bundesgebiet verbracht haben, und vor Begehung der Tat, die die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würde, mindestens drei Jahre im Bundesgebiet niedergelassen waren (vgl RV 685 BlgNR 20. GP, 76 f). Vor diesem für das Verständnis des § 35 Abs. 4 zweiter Satz FrG (insbesondere des Wortes "zuletzt") maßgeblichen Hintergrund kommt es im Fall der Ungültigerklärung des Sichtvermerkes eines Fremden darauf an, ob ein von klein auf im Inland aufgewachsener Fremder, der die Hälfte seines Lebens in Österreich verbrachte, hier seit mindestens drei Jahren vor dem Zeitpunkt der Ungültigerklärung niedergelassen war. Zwar hat der Beschwerdeführer im Hinblick auf seinen von der Behörde festgestellten inländischen Aufenthalt bis zu seinem 6. Lebensjahr und ab seinem 17. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides mehr als die Hälfte seines Lebens im Bundesgebiet verbracht (wobei der inländische Aufenthalt ab seinem 17. Lebensjahr etwa acht Jahre beträgt), und war hier angesichts seiner festgestellten Einreise im Jahr 1990 auch schon mehr als drei Jahre vor der Ungültigkeiterklärung seines Sichtvermerks im Jahr 1995 rechtmäßig niedergelassen. Auf dem Boden der hg. Rechtsprechung erfüllt er aber nicht die von § 35 Abs. 4 FrG geforderte weitere Voraussetzung, von klein auf im Inland aufgewachsen zu sein. Der Beschwerdeführer war nämlich

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unbestritten - ab seinem 6. bis zu seinem 17. Lebensjahr, also etwa elf Jahre, nicht in Österreich. Während dieses Zeitraums hielt sich der Beschwerdeführer nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren in seinem Heimatland auf (vgl. seine schon angesprochene Stellungnahme vom 12. März 1997, AB 90 verso). Dieser Zeitraum umfasst die ganze Pflichtschulzeit und fällt somit in eine für das Vertrautwerden mit der Sprache, Kultur und den sonstigen Verhältnissen seiner Heimat besonders wichtige Lebensphase, weswegen - mangels anderer Anhaltspunkte - anzunehmen ist, dass der Beschwerdeführer die Sprache seiner Heimat in Wort und Schrift beherrscht und mit den Gegebenheiten in diesem Land ähnlich wie ein ständig dort Lebender vertraut ist. Der Beschwerdeführer ist daher nicht im Sinn des § 35 Abs. 4 FrG von klein auf im Inland aufgewachsen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1999, Zl. 99/18/0112, mit seinen Erwägungen zu § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG).

3. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr.416/1994.

Wien, am 18. Jänner 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998180307.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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