TE Vwgh Beschluss 2018/6/20 Ra 2018/08/0027

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Veröffentlicht am 20.06.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §111 Abs2 ;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §35 Abs3;
ASVG §4 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Ing. D K in Wien, vertreten durch die Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20/1/3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 22. Juni 2017, Zl. VGW- 041/037/5074/2014-18, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien Magistratisches Bezirksamt für den 19. Bezirk), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den Revisionswerber für schuldig erkannt, er habe es als Bevollmächtigter gemäß § 35 Abs. 3 ASVG der M. KG zu verantworten, dass es diese Gesellschaft als Dienstgeberin in der Zeit vom 1. Jänner bis 10. Mai 2012 unterlassen habe, den von ihr als Zeitungszusteller beschäftigten, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherten Marcel-Pavel A. vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Er habe § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 2 erster Strafsatz ASVG iVm § 35 Abs. 3 ASVG verletzt, werde mit einer Geldstrafe von EUR 910,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen und 11 Stunden) belegt und habe die Kosten in Höhe von EUR 91,-- zu ersetzen. Die M. KG hafte für die verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hob mit Erkenntnis vom 24. November 2017, E 2736/2017-10, das Erkenntnis im Strafausspruch und im Kostenausspruch auf, weil es den Revisionswerber in seinem durch Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Recht auf eine Entscheidung innerhalb angemessener Frist verletzt habe. Im Übrigen lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie insoweit dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Der Revisionswerber brachte daraufhin die vorliegende Revision ein. Er erblickt entgegen dem Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass über die Beschwerde eine Einzelrichterin entschieden habe, die nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichts nicht zuständig gewesen sei. Indem das Verwaltungsgericht diese Unzuständigkeit nicht wahrgenommen habe, weiche es von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

7 Die gegenständliche Beschwerde wurde am 26. April 2013 bei der belangten Behörde als Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (UVS Wien) eingebracht. Nach der Geschäftsverteilung des UVS Wien in der mit Wirksamkeit ab 1. April 2013 beschlossenen Fassung richtete sich die Zuständigkeit der Einzelmitglieder danach, in welche "Protokollgruppe" eine Rechtssache fiel. Verfahren betreffend das Ausländerbeschäftigungsrecht und Verwaltungsstrafverfahren nach dem ASVG fielen in die Protokollgruppe 07/A. Gemäß Punkt IV Abs. 10 der genannten Geschäftsverteilung wurden die unter der Protokollgruppe 07/A geordneten Sachen den Mitgliedern des UVS Wien in einer dort festgelegten Reihenfolge blockweise zu je vier Sachen fortlaufend zugewiesen. Zu den betreffenden Mitgliedern dieser Protokollgruppe gehörten Mag. B. (Senatsabteilung 8) und Dr. R. (Senatsabteilung 37). Die vorliegende Rechtssache wurde unter Einhaltung dieser Regeln dem Mitglied Dr. R zugewiesen, das das in Revision gezogene Erkenntnis auch erlassen hat.

8 Dem Mitglied Mag. B war eine am 28. Februar 2013 eingebrachte Berufung gegen ein Straferkenntnis der belangten Behörde zugewiesen worden, das die Bestrafung des Christian B. als Bevollmächtigten nach § 35 Abs. 3 ASVG wegen unterlassener Anmeldung des Marcel-Pavel A. nach § 33 ASVG betroffen hatte. Dieses Verfahren war zu dem Zeitpunkt, zu dem die hier gegenständliche Strafsache beim UVS Wien anhängig wurde, noch nicht abgeschlossen.

9 In der genannten Geschäftsverteilung finden sich besondere Zuweisungsregeln bzw. Zuständigkeitsregeln, insbesondere solche zur Verfahrenskonzentration. Punkt D 3. Abs. a der Geschäftsverteilung lautet:

"Fallen beim UVS Wien als Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen derselben Protokollgruppen Berufungen gegen Straferkenntnisse an, die sich auf denselben Sachverhalt gründen (z.B. Verfahren gegen mehrere zur Vertretung nach außen befugte Personen oder Angehörige eines Unternehmens oder Miteigentümer, Verfahren wegen zumindest eines identen Beschäftigten mit überschneidendem Tatzeitraum; als sich auf denselben Sachverhalt gründend gelten auch Verfahren der Protokollgruppe 07/L, die die selbe Kontrolle betreffen), so sind alle diese Verfahren jenem Mitglied zuzuweisen, bei dem die erste Sache anhängig geworden und noch nicht abgeschlossen ist."

10 Zwar hat die Meldepflichtverletzung denselben Beschäftigten Marcel-Pavel A. betroffen, dessen Vertragsverhältnis mit der M. KG vom 1. September 2011 bis zum 10. Mai 2012 dauerte. Allerdings war der Berufungswerber (Beschwerdeführer) Christian B. bis zum 31. Dezember 2011, der Revisionswerber hingegen ab dem 1. Jänner 2012 Bevollmächtigter iSd § 35 Abs. 3 ASVG der M. KG.

11 Der Revisionswerber legt seinem Zulässigkeitsvorbringen die vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilte Auffassung zu Grunde, dass sich die vorliegende Strafsache - im Sinn der genannten Geschäftsverteilung - auf denselben Sachverhalt gründe wie das bereits bei Mag. B. anhängige Verfahren, weshalb die Zuständigkeit des Mitglieds Dr. R zu verneinen sei.

12 Ob in einer Konstellation wie der vorliegenden die in Pkt. D 3. Abs. a der Geschäftsverteilung des UVS Wien in der mit Wirksamkeit ab 1. April 2013 beschlossenen Fassung genannten Voraussetzungen gegeben sind, wurde in der Rechtsprechung des VwGH zwar noch nicht geklärt. Diese Frage stellt aber insofern eine Einzelfallbeurteilung dar, als sie eine bereits außer Kraft getretene Geschäftsverteilung betrifft. Sie wurde, wie in Rz 10 gezeigt, vom Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend gelöst. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG wird damit nicht aufgeworfen.

13 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird auch nicht durch pauschale Behauptungen über unterlaufene Verfahrensmängel (Aktenwidrigkeit, Stoffsammlungsmängel zur Frage der sozialversicherungsrechtlichen Klassifikation der Tätigkeit des Marcel-Pavel A.) aufgezeigt, da deren Relevanz nicht dargelegt wurde (VwGH 14.09.2017, 2016/17/0295, mwN). Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts über die Tätigkeit eines Zeitungszustellers, der in den Betrieb der M. KG eingebunden war, tragen die rechtliche Beurteilung als abhängige Beschäftigung iSd § 4 Abs. 2 ASVG (VwGH 9.8.2017, 2016/08/0149).

14 Die Revision war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 20. Juni 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018080027.L00

Im RIS seit

13.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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