TE Vwgh Erkenntnis 2000/1/18 99/11/0165

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Veröffentlicht am 18.01.2000
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Index

L92709 Jugendwohlfahrt Kinderheim Wien;

Norm

JWG Wr 1990 §16 Abs2 Z6;
JWG Wr 1990 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des Vereines "D" in Wien, vertreten durch Prader & Plaz OEG, RechtsanwältInnen in Wien VII, Seidengasse 28, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 30. März 1999, Zl. MA 11 - 10/141/1997, betreffend Feststellung der Eignungsvoraussetzungen zur Erfüllung von nichthoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Vereins (im Folgenden: Beschwerdeführer) auf Feststellung der Eignung für die Durchführung eines sozialen Dienstes, nämlich der Hilfe für die Betreuung von Kindern durch die Vermittlung von Plätzen in Kindertagesheimen und bei Tagesmüttern/-vätern, gemäß § 8 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 2 Z. 6 des Wiener Jugendwohlfahrtsgesetzes 1990 - WrJWG 1990 ab.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer führe seine Vermittlungstätigkeit in einem Büro im 9. Wiener Gemeindebezirk durch. Die Beratung, Information und Vermittlung erfolge kostenlos durch drei Mitarbeiter. Im Rahmen des Beschwerdeführers seien ca. 80 private Kindertagesheime und Horte zusammengeschlossen.

In Wien würden Hilfen durch die Vermittlung von Plätzen in Kindertagesheimen und bei Tagesmüttern/-vätern von der MA 11 - Amt für Jugend und Familie und durch den Verein W. ausreichend angeboten. Dieser Verein, dessen Eignung bescheidmäßig festgestellt sei, werde auf Grund einer Vereinbarung seitens der Stadt Wien für diese Tätigkeiten herangezogen und erfülle daher die Aufgaben eines sozialen Dienstes im Sinne des § 12 WrJWG 1990. Hingegen könne der Beschwerdeführer "nicht sämtliche Angebote der Vermittlung von Tageskinderbetreuungen in Wien" anbieten, sondern nur private Tageskinderheime, die Mitglieder des Beschwerdeführers seien, und Plätze bei Tagesmüttern/-vätern. Damit würden jedoch nicht alle Kindertagesheime und Horte in die Vermittlung einbezogen. Die bescheidmäßige Eignungsfeststellung für die Einrichtung eines sozialen Dienstes gemäß § 16 Abs. 2 Z. 6 WrJWG 1990 setze voraus, dass eine umfassende Vermittlung erfolge. Da dies beim Beschwerdeführer nicht der Fall sei, sei sein Antrag abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die für den Beschwerdefall maßgebenden Vorschriften des WrJWG 1990 lauten wie folgt:

"Freie Jugendwohlfahrt

§ 8. (1) Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt können durch Vereinbarung zur Erfüllung von nichthoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Jugendwohlfahrt herangezogen werden, wenn sie nach Ziel und Ausstattung dazu geeignet sind, insbesondere müssen sie über Personal in der erforderlichen Anzahl und Qualifikation (§ 6) sowie über die erforderlichen Räumlichkeiten verfügen.

(2) Gewährleistet ein freier Jugendwohlfahrtsträger unter Berücksichtigung seiner Ausstattung und sonstigen Leistungen das Wohl eines Minderjährigen besser und wirtschaftlicher als der öffentliche Träger, so soll der freie Träger herangezogen werden.

(3) Über das Vorliegen der Eignungsvoraussetzungen entscheidet auf Antrag des Eignungswerbers die Landesregierung mit Bescheid. Die Einrichtung der freien Jugendwohlfahrt unterliegt sodann der Fachaufsicht der Landesregierung. Der freie Jugendwohlfahrtsträger hat der Landesregierung jederzeit die Überprüfung seiner Einrichtung zu ermöglichen und erforderliche Ermittlungen in jeder Weise zu unterstützen. Nimmt die Landesregierung Missstände wahr, so kann sie deren Behebung mit Bescheid auftragen. Werden die Missstände dennoch nicht behoben, oder handelt es sich um schwer wiegende Missstände, so ist die Eignungsfeststellung zu widerrufen.

Soziale Dienste

Begriff, Allgemeines

§ 12. (1) Soziale Dienste sind Hilfen zur Deckung mehrfach auftretender Bedürfnisse werdender Eltern, Minderjähriger und deren Erziehungsberechtigten. Sie dienen der Entwicklung des Minderjährigen und der Förderung der Familie.

Arten der sozialen Dienste

§ 13. (1) Folgende soziale Dienste sind zum Schutze Minderjähriger bereitzustellen, wobei besonders auf die Förderung der gewaltfreien Erziehung Bedacht zu nehmen ist

1.

Dienste für Eltern, Säuglinge und Kleinkinder,

2.

Dienste für Familien,

3.

Dienste für Kinder und Jugendliche.

Dienste für Kinder und Jugendliche

§ 16. (1) Dienste für Kinder und Jugendliche haben diese bei der Bewältigung ihrer Probleme zu unterstützen.

(2) Dienste für Kinder und Jugendliche sind insbesondere

1.

Beratungshilfen und muttersprachliche Beratungsdienste,

2.

vorbeugende und therapeutische Hilfen,

3.

Hilfen im Bereich der Freizeitgestaltung,

4.

Kindertelefon und Kinderschutzzentren,

5.

Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Familien, Heimen und sonstigen Einrichtungen, Kinderdörfern und sozialpädagogischen Wohngemeinschaften

              6.              Hilfen für die Betreuung von Kindern durch die Vermittlung von Plätzen in Kindertagesheimen und bei Tagesmüttern/-vätern."

Vorweg ist festzuhalten, dass die Beschwerdeausführungen, die belangte Behörde habe ohne gesetzliche Grundlage eine Bedarfsprüfung vorgenommen, ins Leere gehen. Die belangte Behörde hat zwar während des Verwaltungsverfahrens, insbesondere in ihrem Vorhalt vom 7. Dezember 1998, die Auffassung vertreten, es bestehe keine Notwendigkeit für den vom Beschwerdeführer angebotenen sozialen Dienst, weil die Vermittlungstätigkeit ohnedies ausreichend durch die MA 11 - Amt für Jugend und Familie und den Verein W. angeboten werde. Diese Auffassung hat aber in die Begründung des angefochtenen Bescheides letztlich keinen Eingang gefunden, sodass es sich erübrigt zu prüfen, ob diese Auffassung sich auf eine gesetzliche Grundlage hätte stützen können.

Die der Bescheidbegründung zu Grunde liegende Rechtsansicht, die Feststellung der Eignung für die Durchführung eines sozialen Dienstes gemäß § 16 Abs. 2 Z. 6 WrJWG 1990 erfordere, dass die betreffende Einrichtung im Sinne einer "umfassenden Vermittlung" Plätze in sämtlichen Kindertagesheimen und Horten vermittle, findet im Gesetz keine Deckung. Entscheidend ist im gegebenen Zusammenhang allein, ob die die Feststellung der Eignung anstrebende Einrichtung der freien Jugendwohlfahrt die Leistung im Rahmen des sozialen Dienstes, für den sie die Eignungsfeststellung anstrebt, erbringen kann. Dies wird im Falle eines sozialen Dienstes gemäß § 16 Abs. 2 Z. 6 WrJWG 1990 unter dem Gesichtspunkt der Zahl der vermittelbaren Plätze dann zu bejahen sein, wenn sich die Vermittlungstätigkeit nicht bloß auf ein unbedeutendes Segment der insgesamt vermittelbaren Plätze beschränkt. Davon kann aber im Fall des Beschwerdeführers keine Rede sein, weil nach den im Vorhalt der belangten Behörde vom 7. Dezember 1998 zusammengefassten Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde die im Rahmen des Beschwerdeführers zusammengeschlossenen 80 privaten Kindertagesheime und Horte insgesamt über ca. 7.500 Plätze verfügen.

Da die belangte Behörde ihrem Bescheid eine unrichtige Rechtsansicht zu Grunde gelegt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Jänner 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999110165.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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