TE Vwgh Erkenntnis 2000/1/18 99/11/0345

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Veröffentlicht am 18.01.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
20/03 Sachwalterschaft;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §67a Abs1 Z2;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
UbG §10;
UbG §11;
UbG §18;
UbG §8;
UbG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard, Dr. Graf, Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des Ing. H in Linz, vertreten durch Mag. Dieter Seeber, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 44, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 14. Mai 1999, Zl. VwSen -420253/18/Gf/Km, betreffend Maßnahmen nach dem Unterbringungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die auf Art. 129 a Abs. 1 Z. 2 B-VG in Verbindung mit § 67 a Abs. 1 Z. 2 AVG gestützte Beschwerde des Beschwerdeführers gegen Maßnahmen nach dem Unterbringungsgesetz teilweise abgewiesen, teilweise zurückgewiesen.

Die belangte Behörde nahm dabei folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Beschwerdeführer wurde am 22. Jänner 1999 mit seiner Zustimmung von Gendarmeriebeamten auf den Posten Leonding verbracht. Anlass dafür war, dass er zuvor in einem Lokal in eine tätliche Auseinandersetzung mit dessen Besitzerin verwickelt gewesen war und eine Kellnerin bedroht hatte. Auf Grund seines auffälligen Verhaltens (ihm fielen mehrmals sein Kugelschreiber und das beschädigte Glas seiner Brille zu Boden, er äußerte Zweifel am Sinn seines Lebens) und weil sich herausgestellt hatte, dass im Zusammenhang mit unbefugtem Waffenbesitz ein ihn betreffendes Waffenverbot bestand, wurde mit dem diensthabenden Staatsanwalt zum Zweck der Erwirkung eines Haftbefehles, einer Verwahrungsanordnung und eines Hausdurchsuchungsbefehles Kontakt aufgenommen. Nachdem der diensthabende Staatsanwalt erklärte, dass die Voraussetzungen für die angesprochenen Maßnahmen nicht gegeben seien, aber den Rat gab, eine Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz zu veranlassen, wurde der Beschwerdeführer im Hinblick auf den Umstand, dass der zuständige Amtsarzt nicht greifbar war, direkt in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus in Linz verbracht. Zwei Anstaltsärzte kamen auf Grund von Gesprächen mit dem Beschwerdeführer und des Umstandes, dass sich der Beschwerdeführer schon in den Jahren 1986 und 1996 in stationärer psychiatrischer Behandlung befunden hatte, zur Auffassung, dass seine zwangsweise Verwahrung in der Krankenanstalt notwendig sei. Er wurde daher in eine geschlossene Abteilung aufgenommen und bis 26. Jänner 1999 dort verwahrt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In seiner Maßnahmenbeschwerde an die belangte Behörde vom 4. März 1999 hatte der Beschwerdeführer "den erfolgten Aufnahmevorgang durch die untersuchenden Ärzte", "die Unterbringung als solche" und die "freiheitsbeschränkenden Zwangsmaßnahmen gegen seine Person (Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, sowie die gegen seinen Willen vorgenommenen ärztlichen Behandlungen)" bekämpft.

Die belangte Behörde wies mit Spruchpunkt I die Beschwerde "insoweit, als mit dieser die Verbringung durch Gendarmeriebeamte vom Posten Leonding in die geschlossene Abteilung des Wagner-Jauregg-Krankenhauses Linz vom 22. Jänner 1999 als rechtswidrig angefochten wird", als unbegründet ab. Im Übrigen wurde die Beschwerde mit Spruchpunkt II "mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes" als unzulässig zurückgewiesen.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Unterbringungsgesetzes BGBl. Nr. 155/1990 (UbG) lauten:

"§ 3. In einer Anstalt darf nur untergebracht werden, wer

1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und

2. nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann.

§ 8. Eine Person darf gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet.

§ 9. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§ 8) zu bringen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine Anstalt zu bringen oder dies zu veranlassen. Wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden.

(2) Bei Gefahr im Verzug können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person auch ohne Untersuchung und Bescheinigung in eine Anstalt bringen.

(3) Der Arzt und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben unter möglichster Schonung der betroffenen Person vorzugehen und die notwendigen Vorkehrungen zur Abwehr von Gefahren zu treffen. Sie haben, soweit das möglich ist, mit psychiatrischen Einrichtungen außerhalb einer Anstalt zusammenzuarbeiten und erforderlichenfalls den örtlichen Rettungsdienst beizuziehen.

§ 10. (1) Der Abteilungsleiter und ein weiterer Facharzt haben die betroffene Person unverzüglich zu untersuchen. Sie darf nur aufgenommen werden, wenn nach übereinstimmenden, unabhängig voneinander erstellten ärztlichen Zeugnissen die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen.

(2) Das Ergebnis der Untersuchung ist in der Krankengeschichte zu beurkunden; die ärztlichen Zeugnisse sind dieser als Bestandteil anzuschließen.

(3) Der Abteilungsleiter hat den aufgenommenen Kranken ehestens über die Gründe der Unterbringung zu unterrichten. Er hat ferner unverzüglich den Patientenanwalt (§ 13) und, wenn der Kranke nicht widerspricht, einen Angehörigen sowie auf Verlangen des Kranken auch dessen Rechtsbeistand von der Unterbringung zu verständigen.

§ 18. Über die Zulässigkeit der Unterbringung des Kranken in den Fällen der §§ 10 und 11 hat das Gericht nach Prüfung der Voraussetzungen der Unterbringung zu entscheiden."

Stellt man die oben wiedergegebene Erklärung des Beschwerdeführers in seiner Maßnahmenbeschwerde vom 4. März 1999 dem Spruch des angefochtenen Bescheides gegenüber, so ergibt sich, dass Spruchpunkt I über diese Erklärung insofern hinausgeht, als das Einschreiten der Gendarmeriebeamten, nämlich das Verbringen des Beschwerdeführers in das Krankenhaus, nicht Gegenstand der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde war. Die belangte Behörde hat damit einen Abspruch getätigt, zu dem sie nicht zuständig war. Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.

Was die Aufnahme des Beschwerdeführers in stationäre Behandlung und die daran anschließende "Verwahrung" bis zu seiner Entlassung einschließlich der dabei erfolgten Behandlungen anlangt, erweist sich die mit Spruchpunkt II erfolgte Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde im Ergebnis als zutreffend. Die belangte Behörde bezieht sich in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 1994, Zlen. 93/11/0035, 0036 ( = Slg. Nr. 13 994). Darin wurde hervorgehoben, dass die Überprüfung der Zulässigkeit der Anhaltung in einer Anstalt nach Prüfung der Voraussetzungen der Unterbringung gemäß § 18 UbG dem Gericht obliegt. Daraus folgt, dass eine Überprüfung der Aufnahme, die die Erstellung der beiden ärztlichen Stellungnahmen gemäß § 10 Abs. 1 UbG miteinschließt, nicht unter die den unabhängigen Verwaltungssenaten übertragene Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu subsumieren ist. Daraus folgt auch, dass die Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung einschließlich der dabei vom Anstaltspersonal gesetzten Maßnahmen nicht von den unabhängigen Verwaltungssenaten zu beurteilen ist. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die vom Beschwerdeführer zitierte, in der Literatur (insbesondere bei Hopf/Aigner, Unterbringungsgesetz) vertretene Auffassung nicht, dass die Gerichte nur über die weitere Zulässigkeit einer Unterbringung zu entscheiden hätten. Der Oberste Gerichtshof hat sich im Übrigen der Meinung des Verwaltungsgerichtshofes angeschlossen (Beschluss vom 13. Februar 1997,Zl. 2 Ob 25/97h).

Soweit sich die Beschwerde daher gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides richtet, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 18. Jänner 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999110345.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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