TE Vfgh Erkenntnis 2007/10/3 B1265/07

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Veröffentlicht am 03.10.2007
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
StGG Art5
StVO 1960 §100 Abs5b

Leitsatz

Aufhebung des Bescheides betreffend Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen einer mittels Section Control festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung im Anlassfall; Verletzung im Eigentumsrecht wegen fehlender Rechtsgrundlage mangels ordnungsgemäßer Festlegung der Messstrecke durch Verordnung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. November 2006 wurde über den Beschwerdeführer gemäß §99 Abs3 lita iVm §52 lita Z10a Straßenverkehrsordnung (im Folgenden: StVO 1960) eine Verwaltungsstrafe iHv € 56,- verhängt, weil er auf der Donauuferautobahn (A 22) im Kaisermühlentunnel (km 3,7 bis km 1,4) in Richtung A 23 mit einem Kraftfahrzeug die durch Verbotszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h überschritten habe. Seine durchschnittliche Geschwindigkeit habe auf der gemessenen Wegstrecke 77 km/h betragen, wobei die Überschreitung mit dem automatischen Geschwindigkeitsmesssystem (Section Control) festgestellt worden sei.

1.2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 12. Juni 2007 keine Folge gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete jedoch keine Gegenschrift.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

Die Beschwerde ist begründet.

1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

2. Mit Erkenntnis vom 15. Juni 2007, G147,148/06 ua., hob der Verfassungsgerichtshof §100 Abs5b StVO 1960 nicht als verfassungswidrig auf und stellte im Übrigen das von Amts wegen eingeleitete Verfahren ein. Im Hinblick auf die in §100 Abs5b StVO 1960 enthaltene Formulierung "bestimmte Wegstrecke" hat der Gerichtshof festgehalten, dass die Festlegung und Anordnung der Wegstrecke den datenschutzrechtlichen Anforderungen an das automatische Geschwindigkeitsmesssystem entsprechend durch Verordnung erfolgen muss.

Da die im vorliegenden Verfahren maßgebliche Wegstrecke auf der A 22 im Bereich Kaisermühlentunnel (km 3,7 bis km 1,4) auf der die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit des Beschwerdeführers mittels eines automatischen Geschwindigkeitsmesssystems festgestellt wurde, nicht durch Verordnung iSd Erkenntnisses vom 15. Juni 2007, G147,148/06 ua., näher angeordnet war, entbehrt der angefochtene Bescheid insoweit der Rechtsgrundlage, als die Messstrecke nicht ordnungsgemäß iSd §100 Abs5b StVO 1960 festgelegt war.

Der Beschwerdeführer wurde somit durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

3. Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-

enthalten.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, Straßenpolizei, Geschwindigkeitsbeschränkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B1265.2007

Dokumentnummer

JFT_09928997_07B01265_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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