Gbk 2018/5/8 GBK I/661/15

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Veröffentlicht am 08.05.2018
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Sexuelle Belästigung durch Dritten

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idF BGBl. I Nr. 107/2013)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 8. Mai 2018 über den am 1. Dezember 2015 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) für Frau A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idF BGBl. I Nr. 34/2015; alle weiteren, im Text verwendeten Gesetzeszitate beziehen sich auf diese Fassung) durch Herrn B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idF BGBl. II Nr. 275/2013), zu GZ GBK I/661/15, zu folgendem

Prüfungsergebnis:

Frau A ist nicht auf Grund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Herrn B gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

Prüfungsgrundlagen

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie deren mündliche Befragung vom 4. April 2018. Als weitere Auskunftspersonen wurden Herr GF C, Herr D, Frau E sowie Herr F am 4. April 2018 befragt. Die weitere Auskunftsperson, Frau G, ist trotz zweimaliger Ladung zur mündlichen Befragung entschuldigt nicht erschienen, auf eine weitere Ladung wurde verzichtet.

Vorbringen

Im Antrag wurde im Wesentlichen folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei vom 15. Juli 2013 bis zum 31. Dezember 2014 in einem Lehrverhältnis als Köchin bei der X GmbH gestanden. Die Funktion als Lehrausbildnerin habe die Geschäftsführerin, Frau F, ausgeübt. Den Großteil der Arbeitsanweisungen habe die Antragstellerin allerdings vom Küchenchef vor Ort erhalten. Im Zuge ihrer Lehrtätigkeit hätten sich insgesamt drei Küchenchefs vor Ort abgewechselt, Herr F, Herr H sowie Herr I. Im April 2014 habe der Antragsgegner als neuer Serviceleiter begonnen. Der Antragsgegner habe sich schon längere Zeit im Unternehmen befunden und habe an diesem Standort im April 2014 zu arbeiten begonnen. Kurz nach dem Eintritt des Antragsgegners habe sich die Antragstellerin von April bis Juli 2014 in der Berufsschule befunden und sei mit Anfang Juli wieder an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Da die Antragstellerin im Rahmen ihrer Tätigkeit auch das Salatbuffet bereut habe, sei es immer wieder zu Kontakt mit dem Antragsgegner gekommen. Im Zuge dieser Zusammenarbeit sei es im Juli und August immer wieder zu unangenehmen Situationen gekommen. Einmal sei sie am Faxgerät gestanden und habe den Antragsgegner um Hilfe gebeten. Bei dieser Gelegenheit habe der Antragsgegner völlig situationsinadäquat seine Hände auf ihre Hüfte gelegt. Für die Antragstellerin seien dies vollkommen unangebrachte Berührungen gewesen. Kurz darauf sei diese bei der Abwasch gestanden. Plötzlich habe sie feststellen müssen, dass ihr der Antragsgegner auf das Gesäß gegriffen habe. Bei diesem Vorfall sei ihre Kollegin, Frau G, anwesend gewesen. Die Antragstellerin sei von diesem Vorfall irritiert und betroffen gewesen.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK von der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragsgegners übermittelten Stellungnahme vom 2. Februar 2016, die auf eine vorhergehende Stellungnahme an die GAW vom 17. März 2015 verweist, wurden die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe bestritten und ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten:

Es würden dem Antragsgegner von der Antragstellerin vorgeworfen werden, dass er ihr zweimal an die Hüfte und einmal an das Gesäß gegriffen habe, wobei letzteres auch beobachtet worden sei. Dies werde allerdings vom Antragsgegner bestritten. Lediglich ein einziges Mal sei es dazu gekommen, dass er in einer Engstelle des Arbeitsbereiches mit der Antragstellerin beim Vorbeigehen praktisch zusammengestoßen sei. Hier könne es sein, dass er sie unabsichtlich im Bereich des Gesäßes berührt habe. Er habe sich allerdings sofort für sein versehentliches Anstoßen entschuldigt. Dies sei von der im Antrag genannten Mitarbeiterin, Frau G, beobachtet und beschrieben worden. Keineswegs sei es zu einer sexuellen Belästigung durch denn Antragsgegner gekommen. Es werde darauf hingewiesen, dass bestehender Gesetzeslage und Judikatur ein oberflächliches Berühren nicht den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfülle.

Rechtliche Überlegungen

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn eine Person durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird.

Gemäß § 6 Abs. 2 Z 1 GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.

Als Dritte im Sinne des § 6 GlBG kommen Personen in Betracht, die vom/von der ArbeitgeberIn und der belästigten Person verschieden sind, so z.B. ArbeitskollegInnen, Vorgesetzte, GeschäftspartnerInnen oder KundInnen des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin.2

Unter einem der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise auch anzügliche, sei es auch in „Komplimente“ verpackte, Bemerkungen über Figur oder das Erzählen freizügiger Witze. 3

Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.4

Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen, wenn er entsprechend schwerwiegend ist.

Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Wie aber bereits erwähnt, kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.5

Insoweit sich die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG beruft, hat er/sie diesen gemäß § 12 Abs. 12 GlBG glaubhaft zu machen. Bei Berufung auf §§ 6 oder 7 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung der Vorwürfe der Antragstellerin, der Antragsgegner sei ihr durch Berührungen an der Hüfte körperlich für sie unangenehm nahe gerückt; ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch.

Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass die Berührungen durch den Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin stattgefunden haben. Sowohl der Antragsgegner als auch die Auskunftsperson, Herr F, der als Koch vor Ort gearbeitet hat, bestätigten dies. Herrn F wurden die Berührungen an der Hüfte von der Antragstellerin berichtet, und er hat daneben selbst Berührungen am Rücken der Antragstellerin durch den Antragsgegner wahrgenommen.

Der Antragsgegner bestritt in seinem schriftlichen sowie mündlichen Vorbringen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe der sexuellen Belästigung insofern, als es zu diesen Berührungen nie „absichtlich“ gekommen sei. Der Grund für die Berührungen liege an den räumlichen Gegebenheiten und dem daraus resultierenden Platzmangel. Der Gang sei nur 1,20 m lang und 50 cm breit. Wenn man einen Schritt zurückgehe, komme man schon an einer anderen Person an. Man mache dann eine Abwehrhaltung, wenn man jemanden zu nahe komme. Man mache Berührungen nicht bewusst. Es werde durch diese Abwehrhaltung versucht, Kontakt zu vermeiden. Die Auskunftsperson, Herr F, bestätigte die Angaben zum sehr engen Durchgang. Es könne schon vorkommen, dass man öfter am Tag an einen anderen angestreift sei. Im Arbeitsstress könne das schon mal passieren. Für diese Berührungen habe sich der Antragsgegner entschuldigt. Auch diese Entschuldigung wurde von der Antragstellerin, Herrn D, als auch von Herrn F bestätigt. Laut Herrn D sei die ganze Angelegenheit für die Antragstellerin durch die erfolgte Aussprache und Entschuldigung bereinigt gewesen und nicht weiter „wichtig“ gewesen, da es zu keinen weiteren Berührungen gekommen sei. Auch dies bestätigte die Antragstellerin in ihrer Befragung.

Es stellte sich daher für den Senat I der GBK die rechtliche Frage, ob das Verhalten des Antragsgegners eine sexuelle Belästigung darstelle.

Ein die Würde verletzendes Verhalten setzt ein gewisses Mindestmaß an Intensität voraus, wobei allerdings ein gröberer Übergriff oder fortgesetztes Verhalten selbst bei kleineren Übergriffen dieses erreichen kann. Alle befragten Auskunftspersonen, einschließlich die Antragstellerin und dem Antragsgegner, brachten vor, dass es zu Berührungen auf Grund des engen Arbeitsbereiches beim nahen Vorbeigehen gekommen sei. Zu weiteren Berührungen sei es nicht gekommen. Für „unabsichtliche“ Berührungen habe sich der Antragsgegner entschuldigt bei der Antragstellerin, für diese sei die Angelegenheit auch erledigt gewesen.

Nach Auffassung des Senates I der GBK stellen derartige oberflächliche Berührungen keine Verhaltensweisen iSd § 6 GlBG dar. Es mangelt an der für den Tatbestand der sexuellen Belästigung geforderten Intensität der Berührungen.

Es liegt somit keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.

Wien, 8. Mai 2018

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 9.

3  Vgl. Posch in Rebhahn/GlBG, §§ 6-7 Rz 76f; OGH 5.6.2008, 9 ObA 18/08z.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 12.

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz 28.

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2018
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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