TE Lvwg Erkenntnis 2018/6/4 LVwG-2018/40/1049-1

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Veröffentlicht am 04.06.2018
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Entscheidungsdatum

04.06.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §71 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde der AA GmbH & Co KG, vertreten durch RA BB, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 05.04.2018, Zl *****, betreffend die Abweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 16.10.2017, *****, wurde der Beschwerdeführerin die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes aufgrund von Mängeln bei diversen Stellplätzen auf dem AA bis 30.06.2018 aufgetragen.

Am 30.03.2018 stellte die Beschwerdeführerin, vertreten durch RA BB, Adresse 1, Z, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Gleichzeitig wurde die versäumte Handlung (Beschwerde) gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 16.10.2017, ***** eingebracht.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 05.04.2018, Zl ***** wurde die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung zusammenfassend damit, dass die Beschwerdeführerin nicht durch ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis verhindert gewesen wäre, die Rechtsmittelfrist einzuhalten. Weiters sei auch kein minderer Grad des Versehens für das Versäumnis ursächlich.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde bringt die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass zwar anlässlich des Lokalaugenscheines vom 21.09.2017 der Sachverhalt zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes aufgrund Mängel bei diversen Stellplätzen auf dem AA ausführlich erörtert wurde, jedoch diese keinen Bescheid ersetze.

Auch sei die nötige Sorgfalt durch den Geschäftsführer, CC, nicht verletzt worden, weil dieser im März 2018 seinen Rechtsvertreter kontaktiert habe, obwohl er in Unkenntnis des Bescheides vom 16.10.2017 gewesen sei. Dies zeuge von einem besonderen Verantwortungsbewusstsein des Geschäftsführers.

Weiters sei es zwischen dem Geschäftsführer und seiner Frau nicht nur Usus, sondern viel mehr abgesprochen, dass für die Beschwerdeführerin bestimmte Schriftstücke entweder Herrn CC persönlich ausgehändigt oder auf dessen Schreibtisch gelegt werden.

Es habe in den vergangenen Jahren nie einen Anlass für Herrn CC gegeben, daran zu zweifeln, dass ihm Poststücke, welche an die Beschwerdeführerin adressiert waren, tatsächlich ausgehändigt werden. Es seien ihm auch nie Postsendungen vorenthalten worden oder abhandengekommen. Weiters sei es auch tatsächlich nie zu Nachteilen für die Beschwerdeführerin aufgrund der so praktizierten Vorgehensweise betreffend die Entgegennahme von Poststücken gekommen.

Es sei daher davon auszugehen, dass den Vertreter der Beschwerdeführerin überhaupt kein Verschulden am Verstreichen der Beschwerdefrist treffe. Sollte das Verschulden des Vertreters der Beschwerdeführerin bejaht werden, so läge lediglich ein minderer Grad des Versehens vor, der die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht ausschließe. Gegenteiliges würde dazu führen, dass jeder Unternehmer Schriftstücke, welche an das Unternehmen gerichtet sind, stets persönlich übernehmen müsste, da er ansonsten dem ständigen Risiko ausgesetzt wäre, dass bei Fristversäumnissen in Folge eines Versehens eines Mitarbeiters ein nicht wieder gut zu machender Nachteil einträte.

Dass Frau DC den Bescheid nach Begleichung der Kosten versehentlich im Buchhaltungsordner abgeheftet habe, sei eine einmalige Fehlleistung, welche sich bisher nie ereignet habe und mit welcher Herr CC weder rechnen konnte noch musste.

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 16.10.2017, Zl *****, die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes aufgrund von Mängeln bei diversen Stellplätzen auf dem AA bis 30.06.2018 aufgetragen.

Gegen den Bescheid zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes wurde innerhalb der Rechtsmittelfrist keine Beschwerde an das Landesverwaltungsgereicht Tirol eingebracht, wodurch der Bescheid in Rechtskraft erwuchs.

CC ist alleiniger Gesellschafter der AA GmbH. Diese ist wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der AA GmbH & Co KG. Einziger Kommanditist ist CC.

Aus dem Rückschein der Österreichischen Post AG ist ersichtlich, dass der gegenständliche Bescheid am 17.10.2017 übernommen wurde.

Aus der Unterschrift bzw aus der eidesstättigen Erklärung von DC (Ehefrau des Geschäftsführers der AA GmbH & Co KG) vom 28.03.2018 geht hervor, dass diese den Bescheid unzweifelhaft entgegengenommen hat.

DC ist weder Gesellschafterin der beiden Gesellschaften noch gehört sie zu den vertretungsbefugten Organen. Sie erledigt ausschließlich die Buchhaltung.

Nach Empfangnahme des gegenständlichen Bescheides und Bezahlung der darin vorgeschriebenen Kommissionsgebühren, hat DC den Bescheid zu den Buchhaltungsunterlagen gegeben und im Buchhaltungsordner abgeheftet. Den Geschäftsführer hat sie über die Existenz des Bescheides bis 20.03.2018 nicht informiert.

CC, Geschäftsführer der AA GmbH & Co KG, erlangte erst durch seine rechtsfreundliche Vertretung am 20.03.2018, nach Akteneinsicht durch diese, Kenntnis vom gegenständlichen Bescheid.

III.     Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Akt „AA, *****“, der Bezirkshauptmannschaft Z, insbesondere aus den eidesstättigen Erklärungen von DC und CC.

Die vorliegende Entscheidung konnte im Sinn des § 24 VwGVG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Das Verwaltungsgericht kann nämlich nach Abs 4 leg cit von einer Verhandlung absehen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist und wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall wurde eine Verhandlung vom Landesverwaltungsgericht nicht für erforderlich erachtet, zumal für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde keine Sachverhalts- sondern lediglich Rechtsfragen zu klären waren.

Damit liegt aber ein besonderer Grund vor, der auch im Licht der Rechtsprechung des EGMR eine Einschränkung des Grundrechts auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zulässt. Im Fall Faugel (EGMR 20.11.2003, 58647/00 und 58649/00) wurde ein solch besonderer Grund, der von der Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung entbindet, etwa dann angenommen, wenn in einem Verfahren ausschließlich rechtliche oder höchst technische Fragen zur Diskussion stehen.

Insofern konnte im vorliegenden Fall nach § 24 Abs 4 VwGVG aufgrund des Vorliegens der darin genannten Voraussetzungen von der Durchführung einer Verhandlung, welche auch nicht beantragt wurde, abgesehen werden.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Verfahren sind insbesondere folgende Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) entscheidungsrelevant:

㤠71

(1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

(5) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages findet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt.

(6) Die Behörde kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(7) Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die die Behörde schon früher für unzureichend befunden hat, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.“

V.       Erwägungen:

Aus der Unterschrift am Rückschein der Österreichischen Post AG bzw aus der eidesstättigen Erklärung von DC (Ehefrau des Geschäftsführers der AA GmbH & Co KG) vom 28.03.2018 geht hervor, dass diese den Bescheid unzweifelhaft entgegengenommen hat und der Bescheid somit rechtswirksam zugestellt wurde.

Weiters steht außer Zweifel, dass innerhalb der Rechtsmittelfrist von vier Wochen ab Zustellung des Bescheides keine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhoben wurde.

Gemäß § 71 Abs 1 AVG ist einer Partei der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt hat und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Zuerst ist zu klären ob es sich bei der Ehegattin des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin um einen Boten oder Vertreter handelt. Dies deshalb, weil das Verschulden (Mitverschulden) von Personen, die nicht Vertreter der Partei sind (z. B. Bedienstete der Partei oder des Vertreters, Erfüllungsgehilfen, Boten), an der Fristversäumnis dann der Partei zuzurechnen ist, wenn es die Partei (der Vertreter) bei der Auswahl dieser Personen und/oder ihrer Überwachung an der zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Sorgfalt hat fehlen lassen (VwGH 11.05.1987, 87/10/0049). Ein Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des vertretenen Wiedereinsetzungswerbers gleichzusetzen (VwGH 24. 1. 1996, 95/21/1238).

Aus der eidesstättigen Erklärung der Frau des Geschäftsführers ergibt sich, dass diese weder Gesellschafterin der beiden Gesellschaften noch zu deren vertretungsbefugten Organen gehört. Sie ist auch nicht Angestellte dieser beiden Gesellschaften.

Tatsächlich erledigt sie die Buchhaltung für die AA GmbH & Co KG. Welche Gegenleistung sie dafür erhält, geht aus dem vorliegenden Akt nicht hervor. Aus den Handlungen der Ehefrau des Geschäftsführers ergibt sich, dass diese zumindest in Bezug auf die Buchhaltung für die AA GmbH & Co KG tätig wird. Auch gehört es zu ihren Aufgaben die entgegengenommen Postsendungen, bestimmt für die AA GmbH & Co KG, ihrem Ehemann persönlich auszuhändigen oder auf dem Schreibtisch zu hinterlegen.

Nach den eigenen Darstellungen hat die Frau des Geschäftsführers jedoch die gegenständliche Postsendung (Bescheid) geöffnet, gelesen und eigenmächtig, ohne Kenntnis des Ehemanns, die Kommissionsgebühr eingezahlt. Es erfolgte somit eine eigenständige, inhaltliche Wertung des eingelangten Schriftstückes ohne die Anweisungen des Geschäftsführers abzuwarten. Daraus lässt sich erschließen, dass sie ein mehr oder weniger großes Maß an Entscheidungsfreiheit betreffend die weitere Vorgehensweise bei eingelangten Schriftstücken besitzt. Auch ist sie in Kenntnis über den Inhalt des Bescheides, weil ja die Kommissionsgebühren (vgl Spruchpunkt II.) ohne jegliche Rückfragen von ihr überwiesen wurden. Spruchpunkt I. des in Rede stehenden Bescheides hätte der Gattin des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin zumindest im selben Ausmaß auffallen müssen, da dieser noch dazu in Fettdruck verfasst ist.

Zusammenfassend kann daher die Tätigkeit der Frau des Geschäftsführers als Vertreter der Beschwerdeführerin gewertet werden. Ein Verschulden des Vertreters ist dem Verschulden des vertretenen Wiedereinsetzungswerbers gleichzusetzen (VwGH 24. 1. 1996, 95/21/1238). Das Verschulden der Frau des Geschäftsführers, ist somit so zu behandeln, als wäre es der Beschwerdeführerin selbst unterlaufen (vgl VwGH 26. 1. 1995, 94/06/0090). Selbst wenn man davon ausginge, dass die Gattin des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin lediglich als Botin fungierte, so ist eine erforderliche Kontrolle durch den Geschäftsführer nicht im Ansatz erkennbar.

Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn es für diesen selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und ihn an der Versäumung kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft (Hengstschläger/Leeb, AVG § 71 RZ 43 mit Judikaturhinweisen).

Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte (vgl zB VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214). Die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit ist dann noch gewahrt, wenn die Partei an der Versäumung der Prozesshandlung kein Verschulden (nur ein minderer Grad des Versehens) trifft (vgl VwGH 11.06.2003, 2003/10/0114 ua).

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Frau des Geschäftsführers als Buchhalterin der AA GmbH & Co KG ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit und Verantwortung trägt. Es ist erforderlich, dass einem Schriftstück, das als Rsb Sendung übermittelt wird, besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Gerade weil sie ja die Überweisung der Kommissionsgebühr getätigt hat, erfolgte eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem gegenständlichen Bescheid. Ihr hätte somit auffallen müssen, dass es sich beim gegenständlichen Bescheid um ein wichtiges Schriftstück handelt, das dem Geschäftsführer dringend zu übermitteln ist.

Sowohl dem Geschäftsführer als auch die Frau des Geschäftsführers (sie ist Geschäftsführerin der EE GmbH & Co KG) ist eine gewisse Erfahrung im Umgang mit Behörden und behördlichen Schriftstücken zu unterstellen. Ihnen sind durch ihre berufliche Tätigkeit sowohl die Einhaltung von Terminen und Fristen bekannt als auch der Ablauf von behördlichen Verfahren. Somit ist bei beiden Personen in subjektiver Hinsicht ein strengerer Maßstab an der Fähigkeit der zumutbaren Sorgfalt anzulegen als bei Personen die noch nie an einem behördlichen Verfahren teilgenommen haben.

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, das heißt die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm auch nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (VwGH 28.02.1992, 91/10/0208, VwGH 2.10.1991, 91/03/0034).

Eine der Wiedereinsetzung entgegen stehende auffallende Sorglosigkeit nahm der VwGH beispielsweise an, wenn die Partei die Rechtsmittelfrist deshalb versäumt, weil sie irrtümlich den Bescheid in die ein anderes Verwaltungsverfahren betreffende Mappe eingelegt hat (VwGH 25. 10. 1979, 2293/79; 29. 1. 1992, 92/02/0070).

Durch die Ablage des Bescheides bei den Buchhaltungsunterlagen wurde der gegenständliche Bescheid auffallend sorglos behandelt. Auch die unterbliebene Verständigung des Geschäftsführers kann nicht unter dem minderen Grad des Versehens qualifiziert werden. Aufgrund ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin eines Hotelbetriebes und als Buchhalterin für die AA GmbH & Co KG musste ihr die Bedeutung und Wichtigkeit des Dokuments zweifellos erkennbar gewesen sein. Auch wenn der Bescheid irrtümlicherweise falsch abgelegt wurde, kann von einer Buchhalterin (und Geschäftsführerin eines Hotelbetriebes) erwartet werden, dass sie den Geschäftsführer über wichtige Angelegenheiten informiert.

Spätestes bei der Kontrolle der Buchungen hätte auch dem Geschäftsführer auffallen müssen, dass eine Kommissionsgebühr von € 210,- bezahlt wurde. Er hätte daher erkennen oder zumindest genauer Nachschau halten müssen, warum und zu welchem Zweck dieser Betrag bezahlt wurde.

In der Beschwerde wird ausführt, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin im besonderen Verantwortungsbewusstsein seinen Rechtsvertreter in Unkenntnis des Bescheides vom 16.10.2017 kontaktiert habe und dies, obwohl im März 20118 kein Handlungsbedarf bestanden habe.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin anlässlich des Lokalaugenscheines vom 21.09.2017 der Sachverhalt ausführlich erörtert wurde. Auch die Frist für die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes wurde mit 30.06.2018 in Aussicht gestellt. Einem Geschäftsführer eines Campingplatzes müsste somit klar und eindeutig sein, dass der entsprechende Bescheid in Kürze ergehen werde.

Ein sorgfältiger Geschäftsführer würde zunächst in den eigenen Unterlagen Nachschau halten oder seine Mitarbeiter kontaktieren ob ein entsprechender Bescheid ergangen ist. Weiters wäre es dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin möglich gewesen, die zuständige Bezirkshauptmannschaft zu kontaktieren und sich nach dem Verbleib des Bescheides zu erkundigen. Stattdessen wurde im März 2018 der Rechtsvertreter mit der Vertretung im gegenständlichen Verfahren beauftragt. Wofür die Beauftragung erfolgte, da ja der Geschäftsführer noch keine Kenntnis über den bereits rechtskräftigen Bescheid erlangt hatte, ist fraglich. Der normale Durchschnittsmensch wird in der Regel einen Rechtsvertreter erst dann beauftragen, wenn ein konkreter Anlass vorliegt.

Auch war die versäumte Frist nicht unabwendbar, weil diese bei sorgsamem Umgang mit dem gegenständlichen Schriftstück ohne weiteres hätte eingehalten werden konnte. Es lag somit ausschließlich in der Sphäre der Beschwerdeführerin die Fristversäumung zu verhindern. Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (vgl VwGH 31.03.2005, 2005/07/0020 ua).

Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin selbst bzw die der AA GmbH & Co KG zurechenbare Frau des Geschäftsführers und Buchhalterin haben die nach ihren persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen und haben es im zumutbarem Maß an Aufmerksamkeit und Mühe unterlassen, ein vorhersehbares Ereignis abzuwenden. Die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher zu Recht erfolgt, die dagegen eingebrachte Beschwerde war daher abzuweisen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Piccolroaz

(Richter)

Schlagworte

Wiedereinsetzung; Vertreter; zumutbare Sorgfalt; unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.40.1049.1

Zuletzt aktualisiert am

26.07.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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