TE Vwgh Erkenntnis 2000/1/27 97/21/0503

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Veröffentlicht am 27.01.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §69 Abs1 Z2;
B-VG Art7;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2;
FrG 1993 §18;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
FrG 1993 §26;
FrG 1993 §31 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des E, geboren am 13. November 1962, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Gudrunstraße 143, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 5. September 1996, Zl. Fr-5460/96, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens wegen Übertretung des Grenzkontrollgesetzes und eines Verfahrens bezüglich die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes sowie betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie gegen die Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gerichtet ist, abgewiesen.

Im Umfang der Abweisung des Antrages auf Aufhebung des besagten unbefristeten Aufenthaltsverbotes wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 18. Oktober 1989 war der Beschwerdeführer für schuldig erkannt worden, am 20. September 1989 in Salzburg-Hauptbahnhof 19 türkischen Staatsangehörigen vorsätzlich Beihilfe geleistet zu haben, zu versuchen, sich beim Grenzübertritt in die Bundesrepublik Deutschland durch Verstecken in einem Liegewagen der Grenzkontrolle zu entziehen. Dafür war er gemäß § 15 Abs. 1 lit. b des Grenzkontrollgesetzes, BGBl. Nr. 423/1969, iVm § 7 VStG wegen Übertretung des § 15 Abs. 3 des Grenzkontrollgesetzes mit einer Freiheitsstrafe von 14 Tagen bestraft und ihm S 70,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens sowie S 1.050,-- als Ersatz für Barauslagen für Vollzugskosten auferlegt worden.

Mit weiterem Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 18. Oktober 1989 war gegen den Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 5 unter Bedachtnahme auf § 3 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954, iVm § 4 leg. cit. ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Diese Entscheidung war im Wesentlichen damit begründet worden, dass der Beschwerdeführer am 20. September 1989 am Grenzübergang Salzburg-Hauptbahnhof in die Bundesrepublik Deutschland auszureisen versucht hätte, aber von deutschen Grenzorganen nach Österreich zurückgewiesen worden wäre, weil der Verdacht bestanden hätte, dass der von ihm verwendete israelische Fremdenpass durch Auswechslung des Lichtbildes verfälscht worden wäre. Überdies wäre er von einer Mehrzahl türkischer Staatsangehöriger, die sich in seiner Begleitung befunden hätten, beschuldigt worden, diese gegen Bezahlung höherer Geldbeträge über Vermittlung eines namentlich genannten türkischen Staatsangehörigen über die österreichisch-deutsche Grenze zu schleusen, indem er diese aufgefordert hätte, sich im Liegewagen des Zuges zu verstecken. Der Beschwerdeführer wäre wegen des Verdachtes der Verfälschung besonders geschützter Urkunden von der Staatsanwaltschaft Salzburg angezeigt und aufgrund eines Haftbefehles des Landesgerichtes Salzburg am 21. September 1989 in das landesgerichtliche Gefangenenhaus eingeliefert worden. Am 13. Oktober 1989 wäre die diesbezügliche Strafverhandlung vertagt worden und wäre der Beschwerdeführer auf freien Fuß gesetzt worden. Da der Beschwerdeführer durch die Aussagen zweier von ihm geschleuster türkischer Staatsangehöriger hinreichend der Grenzschleusertätigkeit überführt worden wäre, wäre er mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 18. Oktober 1989 gemäß § 15 Abs. 1 des Grenzkontrollgesetzes wegen Grenzschleusertätigkeit mit einer Freiheitsstrafe von 14 Tagen bestraft worden. Bezüglich des gegen ihn anhängigen Verfahrens wegen Verdachtes der Urkundenfälschung wäre noch keine Verurteilung erfolgt. Der Beschwerdeführer wäre offensichtlich nur zu dem Zweck in das Bundesgebiet eingereist, um hier gemeinsam mit dem genannten türkischen Staatsangehörigen gewerbsmäßig Grenzschleusertätigkeit auszuüben. Im Hinblick auf die hohen Kosten, die durch die Amtshandlung und Abschiebung solcher geschleuster Personen anfielen, laufe der Aufenthalt von Personen, die gewerbsmäßig solche Tätigkeiten ausübten, in höchstem Maß den öffentlichen Interessen zuwider. Auf § 3 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes brauche im Fall des Beschwerdeführers nicht Bedacht genommen zu werden, weil er keinerlei persönliche Bindungen im österreichischen Bundesgebiet besitze, was er durch seine versuchte Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland auch selbst dokumentiert habe. Daher würde durch das Aufenthaltsverbot in sein Privat- oder Familienleben nicht eingegriffen.

Beide Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Mit Antrag vom 28. Februar 1995 begehrte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme der mit den Bescheiden vom 18. Oktober 1989 abgeschlossenen Verfahren und stellte überdies gemäß § 26 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, den Antrag, das gegen ihn mit dem zweitangeführten Bescheid verhängte Aufenthaltsverbot aufzuheben.

Diese Anträge begründete der Beschwerdeführer damit, dass klar zu ersehen sei, dass diese Bescheide einer rechtlichen Prüfung nicht standhielten. Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 5 des Fremdenpolizeigesetzes sei als "bestimmte Tatsache" im Sinn des Abs. 1 leg. cit. die Mitwirkung an der "rechtswidrigen Ein- oder Ausreise von Fremden gegen Entgelt" anzusehen. Es sei jedoch weder festgestellt worden, welche Fremden er über die österreichisch-deutsche Grenze geschleust hätte, noch gegen welches Entgelt, noch, dass dessen/deren Ausreise rechtswidrig gewesen wäre. Die von der Behörde gezogenen Schlüsse, der Beschwerdeführer sei offensichtlich nur zu dem Zweck in das Bundesgebiet eingereist, um hier gewerbsmäßige Grenzschleusertätigkeit auszuüben, entbehrten daher einer Grundlage.

Der Beschwerdeführer führte weiter aus, er sei seit 1988 mit einer österreichischen Staatsbürgerin bekannt, mit welcher er im Dezember 1989 eine Partnerschaft eingegangen sei, die nun am 13. Jänner 1993 zur Verehelichung geführt habe. Bei seinen Aufenthalten in Österreich habe er immer mit seiner nunmehrigen Ehegattin an einer näher genannten Adresse zusammengelebt. Seine nunmehrige Ehegattin habe am 26. Juli 1990 die Erklärung abgegeben, als Bürge und Zahler für seinen Lebensunterhalt und für seine Unterkunft aufzukommen. Sie habe am 30. Mai 1993 ein gemeinsames Kind zur Welt gebracht. Von Anfang April 1994 bis Mitte Dezember 1994 habe seine Ehegattin bei ihm in Israel gelebt. Durch die Geburt des gemeinsamen Kindes und die weitere Fortführung der ehelichen Gemeinschaft mit seiner Ehegattin hätten sich die Lebensverhältnisse des Beschwerdeführers während der verstrichenen Zeit seit April 1994 in der Art entscheidend verändert, dass die Gründe, die den Aufenthaltsverbots-Bescheid zu tragen imstande gewesen hätten sein können, jedenfalls weggefallen seien. Der Ehegattin des Beschwerdeführers sei es nicht möglich, ihren Lebensmittelpunkt dauerhaft außerhalb Österreichs zu führen, weshalb die Ermöglichung der gemeinsamen Lebensführung nur durch die Gestattung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu bewerkstelligen sei. Der Beschwerdeführer sei als Ehegatte der genannten österreichischen Staatsbürgerin und als Familienvater fest in Österreich integriert. Sein Unterhalt und seine Unterkunft seien gesichert. Die Annahme, dass er die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde, sei durch nichts gerechtfertigt und die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des Art. 8 EMRK nicht dringend geboten, wobei zu berücksichtigen sei, dass die Lebensabsicherung des Beschwerdeführers aus den zivilrechtlichen Unterhaltspflichten der Ehegatten zueinander erfließe.

Hinsichtlich des gegen den Beschwerdeführer ergangenen Strafbescheides vom 18. Oktober 1989 wegen Übertretung des Grenzkontrollgesetzes begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens damit, dass in § 15 Abs. 1 des Grenzkontrollgesetzes der ihm angelastete Sachverhalt nicht unter Strafe gestellt gewesen sei. Das gegen ihn angeführte Belastungselement des Verdachtes der Verfälschung seines Reisepasses habe sich als haltlos erwiesen, und es sei das diesbezüglich eingeleitete Verfahren mit Beschluss vom 29. Jänner 1990, seinem Vertreter am 7. Februar 1990 zugestellt, eingestellt worden.

Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Sichtvermerks vom 7. Juli 1990 sei stattgegeben worden. Spätestens mit der Verehelichung des Beschwerdeführers seien die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes weggefallen.

Die Anträge des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurden mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 9. Februar 1996 zurück- und der Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes abgewiesen.

Die Zurückweisung der Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens begründete die Bundespolizeidirektion Salzburg damit, dass der Beschwerdeführer auf einen bestimmten Wiederaufnahmegrund weder hingewiesen noch einen solchen explizit genannt habe. Das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers könne unter einen der in Z. 1 bis 3 aufgezählten Tatbestände des § 69 Abs. 1 AVG nicht subsumiert werden. Nur nova reperta machten eine Wiederaufnahme zulässig. Der Beschwerdeführer habe jedoch in seinem Antrag ausschließlich nova producta - also Tatsachen, die erst nach Abschluss des Verfahrens existent geworden seien - vorgebracht. Auch habe er keine wie immer geartete Ausführung betreffend den Zeitpunkt, in dem er von den Wiederaufnahmegründen nachweislich Kenntnis erlangt hätte, gemacht.

Die Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes begründete die Bundespolizeidirektion Salzburg im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Schleppertätigkeit rechtskräftig bestraft worden sei und sich des Weiteren trotz bestehenden Aufenthaltsverbotes wiederholt im Bundesgebiet aufgehalten habe. Daraus könne abgeleitet werden, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige. Durch die Tathandlungen sei eindeutig belegt, dass der Beschwerdeführer nicht Willens sei, sich der österreichischen Rechtsordnung unterzuordnen. Die von ihm behauptete Änderung seiner persönlichen Verhältnisse seit März 1994 sei insoweit zu relativieren, als der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin bzw. seine nunmehrige Frau zur Zeit der Eheschließung und auch zur Zeit der Geburt ihres Kindes von dem bestehenden Aufenthaltsverbot gewusst hätten. Es könne wohl keinesfalls dem Gesetzgeber unterstellt werden, dass nachträgliche Veränderungen der Privat- und Familienverhältnisse - die mit vollem Bewusstsein des gültigen Aufenthaltsverbots vorgenommen würden - die Aufhebung eines Aufenthaltsverbots erforderlich machen sollten.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 5. September 1996 abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der vom Beschwerdeführer behauptete Umstand, seine Lebensverhältnisse hätten sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes in entscheidender Weise verändert, nicht zu seinen Gunsten ins Treffen geführt werden könne. Ein Fremder, gegen den ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei, könne aus seinem Aufenthalt im Inland seit diesem Zeitpunkt und der aus diesem Aufenthalt resultierenden Verstärkung seiner Integration in einem Verfahren nach § 26 FrG keinen für ihn "günstigeren" Umstand ableiten, weil es sich hiebei um Tatsachen handle, die entgegen den den Aufenthalt im Bundesgebiet regelnden Vorschriften geschaffen worden seien. Entscheidend sei, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert hätten. Dass sich der Verdacht der Verfälschung des Reisepasses des Beschwerdeführers als haltlos erwiesen habe und das diesbezügliche Verfahren eingestellt worden sei, könne nicht als Änderung der maßgebenden Umstände zugunsten des Beschwerdeführers gewertet werden, weil das seinerzeitige Aufenthaltsverbot ausdrücklich auf seine Schleppertätigkeit gegründet gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem mit Beschluss vom 9. Juni 1997, Zl. 3547/96, nach Ablehnung von deren Behandlung an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Zur Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Aufenthaltsverbotsverfahrens:

§ 69 Abs. 1 und 2 AVG lautet:

"Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat."

Zwar hat die belangte Behörde die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Aufenthaltsverbotsverfahrens entgegen § 58 Abs. 2 und § 60 AVG nicht begründet, zumal im angefochtenen Bescheid - und dies übersieht die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift - ein Hinweis, dass die diesbezüglichen Ausführungen des erstinstanzlichen Bescheides auch für den Berufungsbescheid zu gelten hätten, fehlt. Im angefochtenen Bescheid sind aber immerhin die vom Beschwerdeführer in seinem Wiederaufnahmeantrag ins Treffen geführten Argumente angeführt, nämlich die Änderung seiner familiären Verhältnisse und die Einstellung des Strafverfahrens wegen Verfälschung seines Reisepasses. Im Hinblick darauf ist die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit hinsichtlich der Zurückweisung des in Rede stehenden Wiederaufnahmeantrages noch möglich (vgl. zur Problematik die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), S. 1067 f, dargestellte hg. Rechtsprechung). Daraus ist auch ersichtlich, dass der angefochtene Bescheid deswegen nicht mit Rechtswidrigkeit behaftet ist, weil neue Tatsachen und Beweismittel im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG nur solche sind, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde. Bei den vom Beschwerdeführer für die Wiederaufnahme ins Treffen geführten Umständen handelt es sich jedoch um solche, die erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstanden sind. Schon aus diesem Grund wurde der Beschwerdeführer dadurch, dass sein Antrag auf Wiederaufnahme des Aufenthaltsverbotsverfahrens zurückgewiesen wurde, nicht in Rechten verletzt.

II. Zur Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vom 18. Oktober 1989:

Gemäß § 26 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich die Behörde nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit §§ 18 bis 20 FrG gewinnt, mit der Frage auseinander zu setzen, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 18 Abs. 1 leg. cit. gegen den Fremden weiter getroffen werden kann und ob allenfalls ein relevanter Eingriff im Sinn des § 19 FrG vorliegt und

-

gegebenenfalls - die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist und - bejahendenfalls - ferner, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits gemäß § 20 FrG maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Nicht nur wesentliche Änderungen des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Sachverhaltes, sondern auch wesentliche Änderungen der insoweit maßgeblichen Rechtslage haben zur Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 26 FrG zu führen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 95/21/0374, mwN).

Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde nicht ausreichend mit der Frage der Fortdauer einer vom Beschwerdeführer

-

wegen seiner sieben Jahre vor Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgten Schleppertätigkeit - ausgehenden Gefährdung auseinandergesetzt und nicht begründet, weshalb vom Beschwerdeführer weiterhin eine Gefährdung ausgehe. Bei der Beurteilung dieser Gefährdung hätte die belangte Behörde angesichts des Gebotes der Gleichbehandlung von Fremden untereinander (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 12. April 1999, Zl. 96/21/0012, und das darin zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Juni 1997, Zl. B 592/96) beachten müssen, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer als Ehegatten einer österreichischen Staatsbürgerin nur im Grund des § 31 Abs. 1 FrG zulässig war; wobei freilich auch den Bestimmungen des § 18 Abs. 1 Z. 1 und des § 18 Abs. 2 FrG Relevanz zukam (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 94/18/0184 und zur Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997 das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 99/18/0155).

Die belangte Behörde hat auch verkannt, dass die nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes erfolgte Eheschließung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin und die Geburt eines gemeinsamen Kindes als Umstände zu werten waren, die eine Erhöhung des Gewichts seiner privaten und familiären Beziehungen bewirkt haben. Wenn sie überdies meint, ein "Fremder, gegen den ein Aufenthaltsverbot erlassen wurde, kann aus seinem Aufenthalt im Inland seit diesem Zeitpunkt und der aus diesem Aufenthalt resultierenden Verstärkung seiner Integration im Zuge eines Verfahrens nach § 26 Fremdengesetz keinen für ihn günstigeren Umstand ableiten", so ist ihr entgegenzuhalten, dass auch ein auf die besagte Weise zustande gekommenes erhöhtes Ausmaß an Integration nicht zur Gänze unberücksichtigt bleiben kann. III. Nach dem Gesagten war die Beschwerde im Umfang der Anfechtung der Zurückweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Aufenthaltsverbotsverfahrens gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Soweit mit dem angefochtenen Bescheid der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des über ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 18. Oktober 1989 verhängten Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde, war der angefochtene Bescheid hingegen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Frage, ob der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 18. Oktober 1989 abgeschlossenen Verfahrens zu Recht zurückgewiesen wurde, bleibt - wegen Zuständigkeit eines anderen Senates des Verwaltungsgerichtshofes - einer gesonderten Entscheidung vorbehalten.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff insb, § 50 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Jänner 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997210503.X00

Im RIS seit

20.12.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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