RS Vfgh 2018/6/14 G57/2018 ua

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Veröffentlicht am 14.06.2018
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Index

L0015 LVerwaltungsgericht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art21, Art151 Abs51
StGG Art2
Wr Verwaltungsgericht-DienstrechtsG §22, §22a
Wr BesoldungsO 1994 §17

Leitsatz

Keine Gleichheitswidrigkeit der an Stichtage anknüpfenden Übergangsbestimmungen des Wiener Verwaltungsgericht-DienstrechtsG betreffend die Überleitung von Mitgliedern des UVS Wien zu Mitgliedern des Verwaltungsgerichts Wien; keine Bedenken gegen Einreihung Bediensteter der Gemeinde Wien in neue Dienstklassen mittels Beförderung

Rechtssatz

Abweisung der - zulässigen - Anträge des Bundesverwaltungsgerichtes auf Aufhebung des §22 Z4, Z5, Z6 und Z7 sowie des §22a Wiener Verwaltungsgericht-DienstrechtsG (im Folgenden: VGW-DRG), LGBl 84/2012 idF LGBl 14/2017.

Kein Verstoß des §22 Z4 bis Z7 VGW-DRG gegen das Gleichheitsrecht:

Die Art der Gestaltung des Gehaltsschemas der Beamten und des Entlohnungsschemas der Vertragsbediensteten liegt in der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, sofern er mit seiner Regelung nicht gegen das - sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ergebende - Sachlichkeitsgebot verstößt. Dem Gesetzgeber steht bei der Festsetzung von Stichtagsregelungen, die notwendig ein gewisses Maß an Beliebigkeit aufweisen und insoweit Härtefälle in Kauf nehmen müssen, unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten ebenfalls ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu.

§22 VGW-DRG leitet die ehemaligen Mitglieder des Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (im Folgenden: UVS Wien) aus dem früheren Besoldungsschema in das Besoldungsschema des Verwaltungsgerichts Wien (im Folgenden: VGW) über. Durch die Bestimmung sollen in Bezug auf die dienstrechtliche Stellung die bisher für Mitglieder des UVS Wien geltenden dienstrechtlichen Regelungen an die mit der Stellung als Richter einhergehenden Erfordernisse angepasst werden, wobei für ehemalige Mitglieder des UVS Wien eine Überleitung in das neue Gehaltsschema vorgesehen ist.

Im Lichte der bereits in Art151 Abs51 B-VG zugrunde gelegten Ermächtigung zur Erlassung von besonderen Regelungen betreffend die Überleitung von Mitgliedern des UVS Wien zu Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes Wien ist es jedenfalls nicht unsachlich, für ehemalige Mitglieder des UVS Wien auch in dienst- und besoldungsrechtlicher Sicht Übergangsbestimmungen zu erlassen, die an die Stichtage 31.10.2013 und 01.01.2014 anknüpfen und eine Überleitung in das System des Verwaltungsgerichtes Wien vorsehen.

Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass diese Bestimmung nicht für ehemalige Mitglieder der UVS anderer Länder gilt, weil auf Grund des bundesstaatlichen Prinzips und der unterschiedlichen Gesetzgeber das dienstrechtliche System in den Ländern unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Im Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung der besoldungsrechtlichen Stellung von Landesbediensteten ist es daher nicht geboten, für die ehemaligen Mitglieder der UVS jeweils eigene Überleitungsbestimmungen zu erlassen, weil dadurch erneut Ungleichbehandlungen geschaffen würden.

Kein Verstoß des §22a VGW-DRG gegen das Gleichheitsrecht:

Die Verwaltungsgerichte wurden mit 01.01.2014 neu eingerichtet; gleichzeitig war damit die Auflösung der Rechtsmittelbehörden der Gemeinde Wien verbunden. Mit der Einführung des §22a VGW-DRG sollte verhindert werden, dass Bedienstete, die am 31.12.2013 zumindest in die Gehaltsstufe 7 der Dienstklasse VII eingereiht waren, im Falle des Wechsels zum Verwaltungsgericht Wien finanzielle Verluste erleiden. Die insbesondere in diesen fachlich spezialisierten Rechtsmittelbehörden tätigen und qualifizierten Personen sollten als Mitglieder für das Verwaltungsgericht Wien gewonnen werden, um beim Verwaltungsgericht Wien von Anfang an eine auf hohem Niveau stehende Aufgabenerfüllung sicherzustellen. Der verstärkte Bedarf nach zusätzlichem Personal sowie der Einbringung des am aktuellen Stand befindlichen juristischen Fachwissens war gerade zum Zeitpunkt der Einrichtung des Verwaltungsgerichtes Wien notwendig, um einen möglichst nahtlosen Übergang von den Rechtsmittelbehörden zum Verwaltungsgericht Wien zu ermöglichen; nach der Einrichtung bestand kein verstärkter Bedarf mehr nach dieser Personengruppe.

Im Hinblick auf den bei Stichtagsregelungen bestehenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist es nicht unsachlich, für die in §22a VGW-DRG genannten Landesbediensteten besondere Bestimmungen zu erlassen, um nach der Auflösung der Rechtsmittelbehörden qualifizierte Personen als Mitglieder zu gewinnen. Es bestehen ebenfalls keine Bedenken, auf Grund der Einrichtung der Verwaltungsgerichte an die Stichtage 31.12.2013 und 01.01.2014 anzuknüpfen und somit die Überleitung nach §22a VGW-DRG nicht auch für später ernannte Mitglieder vorzusehen, weil der verstärkte Bedarf nach dieser Personengruppe nur zum Zeitpunkt der Einrichtung bestand. Der Gesetzgeber kann daher für bestimmte Landesbedienstete als Anreiz für einen Wechsel zum Verwaltungsgericht Wien eine an diese Stichtage anknüpfende Überleitung in das Besoldungsschema VGW vorsehen und mit dem Wechsel verbundene finanzielle Verluste ausgleichen.

Kein Verstoß des §22a VGW-DRG gegen Art21 Abs4 B-VG:

Gemäß Art21 Abs1 B-VG obliegt den Ländern die Gesetzgebung und Vollziehung in den Angelegenheiten des Dienstrechtes einschließlich des Dienstvertragsrechtes und des Personalvertretungsrechtes der Bediensteten der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände, soweit für alle diese Angelegenheiten nicht anderes bestimmt ist.

Mit dem Entfall des "dienstrechtliche[n] Homogenitätsgebot[es]" in Art21 Abs1 B-VG mit der B-VG-Novelle BGBl I 8/1999 sollte ua die zuvor bestehende "allgemeine Pflicht zur gegenseitigen Anrechnung von Vordienstzeiten" abgeschafft werden. Zudem wurde bewusst in Art21 Abs4 B-VG die Anordnung, dass der Dienstwechsel "im Einvernehmen der zur Ausübung der Diensthoheit berufenen Stellen vollzogen" wird, gestrichen und an deren Stelle die mobilitätsfördernde Regelung in Art21 Abs4 zweiter Satz B-VG in seiner geltenden Fassung aufgenommen. Sofern der Gesetzgeber eine Anrechnung von Vordienstzeiten vorsieht, sind solche im selben Ausmaß anzurechnen. So wäre es beispielsweise unzulässig, wenn ein Bundesgesetz zwar die Anrechnung von beim Bund zurückgelegten Dienstzeiten in einem bestimmten Ausmaß vorsieht, die Anrechnung von bei einem Land (einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband) zurückgelegten Zeiten dagegen nur in einem geringeren Ausmaß ermöglicht oder gänzlich ausschließt.

Unter den Tatbestand der "Anrechnung von Dienstzeiten" iSd Art21 Abs4 zweiter Satz B-VG sind all jene Ansprüche zu subsumieren, die vom Ablauf einer bestimmten Zeitspanne abhängen. Entgegen der Ansicht des antragstellenden Gerichtes handelt es sich bei der Einreihung Bediensteter der Gemeinde Wien zumindest in die Dienstklasse VII, Gehaltsstufe 7, und dem daraus resultierenden Anspruch auf Überleitung in das Besoldungsschema VGW gerade nicht um ein zeitabhängiges Recht, weil das Erreichen der Dienstklassen VII bis IX nicht durch Zeitablauf bzw ein bestimmtes Dienstalter möglich ist.

§17 Abs1 Wr BesoldungsO 1994 (im Folgenden: Wr BO 1994) bestimmt, dass die Ernennung des Beamten des Schemas II zum Beamten der nächsthöheren Dienstklasse durch Beförderung erfolgt. Bei der Beförderung handelt es sich wie bei der Aufnahme ins öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis oder bei der Überstellung um eine Ernennung, die rechtsbegründend erfolgt. Nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts besteht in der Regel weder ein Anspruch auf Ernennung zur Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses noch auf Ernennung im Dienstverhältnis, wie auf Überstellung oder Beförderung.

Kein Verstoß gegen den im konkreten Fall nicht anwendbaren Art21 Abs4 B-VG, da es sich nicht um ein zeitabhängiges Recht handelt.

Entscheidungstexte

  • G57/2018 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 14.06.2018 G57/2018 ua

Schlagworte

Dienstrecht, Bezüge, Vertragsbedienstete, Unabhängiger Verwaltungssenat, Verwaltungsgericht, Übergangsbestimmung, Stichtag, Rechtspolitik, Bundesstaatsprinzip, Homogenitätsprinzip, Beförderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:G57.2018

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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