RS Vwgh 2018/5/29 Ra 2017/03/0083

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 29.05.2018
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Index

L00209 Auskunftspflicht Informationsweiterverwendung Wien
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/10 Auskunftspflicht
19/05 Menschenrechte

Norm

AuskunftspflichtG Wr 1988 §1 Abs1;
AuskunftspflichtG Wr 1988 §1 Abs3;
AuskunftspflichtGG 1987 §1;
AuskunftspflichtGG 1987 §2;
B-VG Art20 Abs4;
MRK Art10 Abs1;
MRK Art10;

Rechtssatz

Nach der Rechtsprechung des EGMR ist Art. 10 Abs. 1 MRK dahingehend auszulegen, dass dieser - unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - ein Recht auf Zugang zu Informationen mit einschließt (vgl. dazu und zum Folgenden EGMR (Große Kammer) 8.11.2016, Magyar Helsinki Bizottsag, 18030/11, insbesondere Z 131 und 156 ff). Ein solches durch Art. 10 MRK geschütztes Recht auf Zugang zu Informationen hat der EGMR unter anderem dann anerkannt, wenn der Betroffene nach nationalem Recht einen Anspruch auf Erhalt von Informationen hat (wie dies durch das in Art. 20 Abs. 4 B-VG grundgelegte, einfachgesetzlich einzuräumende Recht auf Auskunft in Österreich der Fall ist), insbesondere wenn dieser Anspruch gerichtlich bestätigt wurde. Ein Recht auf Zugang zu Informationen steht auch dann im Raum, wenn der Zugang zur Information für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, vor allem die Freiheit zum Empfang und zum Mitteilen von Nachrichten oder Ideen, instrumentell ist und die Verweigerung des Zugangs einen Eingriff in dieses Recht darstellt. Der EGMR nennt für diesen Fall im Wesentlichen folgende Kriterien, die für die Ermittlung der Reichweite eines Rechts auf Zugang zu Informationen nach Art. 10 MRK relevant sind: den Zweck und das Ziel des Informationsansuchens (ist das Sammeln von Informationen ein relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische oder andere Aktivitäten, mit denen ein Forum für eine öffentliche Debatte geschaffen werden soll oder die ein essentielles Element einer solchen darstellen?), die tatsächliche Notwendigkeit des Informationsbegehrens für die Ausübung der Meinungsfreiheit, den Charakter der begehrten Informationen (die Informationen, Daten oder Dokumente, hinsichtlich derer ein Zugang begehrt wird, müssen generell den Test, ob sie im öffentlichen Interesse liegen, bestehen; die Notwendigkeit einer Offenlegung kann dann bestehen, wenn die Offenlegung unter anderem für Transparenz über die Art und Weise der Führung von Amtsgeschäften und über Angelegenheiten sorgt, die für die Gesellschaft als Ganzes interessant sind), die Rolle des Zugangswerbers (als Journalist bzw. als "social watchdog" (gesellschaftlicher Wachhund) oder Nichtregierungsorganisation, deren Aktivitäten sich auf Angelegenheiten des öffentlichen Interesses bezogen), und schließlich die Existenz von bereiten und verfügbaren Informationen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017030083.L08

Im RIS seit

27.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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