TE Vwgh Beschluss 2018/5/29 Ra 2017/15/0024

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.05.2018
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
UStG 1994 §2 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der Pfarrpfründe X in F, vertreten durch die K&E Wirtschaftreuhand GmbH in 8010 Graz, Hofgasse 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. Jänner 2017, Zl. RV/2100489/2016, betreffend Nichtfestsetzung von Umsatzsteuer 2007 bis 2010, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, die Pfarrpfründe X, hat nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts den Pfarrhof und das Pfarrheim, in dem sich Kindergarten, Pfarrsaal und pastorale Räume befinden, um insgesamt 585.839,64 EUR + 20% USt saniert. Diese Räumlichkeiten wurden ab 1. September 2007 an die Pfarrkirche X vermietet, wobei von September 2007 bis Februar 2009 ein Mietfreistellungszeitraum vereinbart wurde. Für die pastoralen Räume und den Pfarrsaal im Pfarrheim, Räumlichkeiten von rund 665 m2, wurde mit der Pfarrkirche X ein Nettomietzins iHv 325 EUR inklusive Betriebskosten vereinbart. Zur Nutzung als Kindergarten vermietete die Revisionswerberin der Pfarrkirche X Räumlichkeiten von 576 m2 sowie dazu gehörende sanitäre Anlagen von rund 55 m2. Als Nettomietzins wurden ursprünglich 308 EUR inklusive Betriebskosten vereinbart. Schließlich vermietete die Revisionswerberin der Pfarrkirche X den gesamten Pfarrhof mit einer Nutzfläche von 239 m2 um monatlich 84 EUR inklusive Betriebskosten. Hinsichtlich der Höhe des Mietzinses wurde in allen drei Fällen jeweils ausdrücklich keine Wertsicherung vereinbart, sondern festgelegt, dass der Mietzins jährlich neu anhand der Höhe der Betriebskosten zuzüglich eines Aufschlages von 1% berechnet wird.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht - im fortgesetzten Verfahren nach dem Erkenntnis des VwGH vom 10. März 2016, 2013/15/0224 - die (nunmehrige) Beschwerde der Revisionswerberin betreffend Nichtanerkennung der Nutzungsüberlassung der Räumlichkeiten an die Pfarrkirche X als unternehmerische Tätigkeit abgewiesen. Begründend führte es aus, der VwGH habe im Revisionsfall zu Recht erkannt, dass für die Vermietungstätigkeit einer Körperschaft öffentlichen Rechts eine Untergrenze für Mietentgelte im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 bestehe, deren Erreichen das Bundesfinanzgericht im fortgesetzten Verfahren zu prüfen habe. Dabei habe der VwGH unter Verweis auf seine Erkenntnisse vom 11. Dezember 1996, 94/13/0025, und vom 3. September 2008, 2003/13/0086, festgehalten, dass eine Überlassung gegen einen bloßen "Anerkennungszinssatz" oder gegen Ersatz der Betriebskosten nicht ausreiche, um einen zivilrechtlichen Bestandvertrag und damit eine umsatzsteuerliche Vermietung iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 zu begründen. Die näher angeführte Rechtsprechung zum Zivilrecht gehe davon aus, dass die Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts der Annahme eines Leihvertrages (Bittleihe) dann nicht entgegenstehe, wenn das geleistete Entgelt so niedrig gehalten sei, dass es gegenüber dem Wert der Benützung praktisch nicht mehr ins Gewicht falle. Der Charakter einer Bittleihe werde nach ständiger Rechtsprechung nämlich dadurch nicht geändert, dass für die überlassene Sache ein "Anerkennungszins" geleistet werde. Dabei werde im Sinn der zivilrechtlichen Rechtsprechung der Entgeltcharakter etwa ab einem Verhältnis 1:10 zu verneinen sein.

3 Im Revisionsfall sei vereinbart worden, dass als "Mietzins" die Betriebskosten zuzüglich eines Aufschlages von 1% angesetzt würden. Damit sei für die pastoralen Räume und den Pfarrsaal im Pfarrheim (rund 665 m2) eine Nettomiete (exklusive Betriebskosten) von 3,22 EUR (Miete inklusive Betriebskosten iHv 325 EUR entspricht 101% der Betriebskosten) vereinbart worden. Der Kindergarten (576 m2 + 55 m2 sanitäre Anlagen) sei demnach um 3,05 EUR/Monat exklusive Betriebskosten vermietet (Miete inklusive Betriebskosten 308 EUR) und der Pfarrhof (239 m2) um 83 Cent exklusive Betriebskosten (Miete inklusive Betriebskosten 84 EUR). Diese Mietentgelte seien schon nach dem allgemeinen Verständnis als "Anerkennungszins" zu verstehen. Der Zuschlag von 1% der Betriebskosten reiche nicht aus, um eine zivilrechtliche Vermietung anzunehmen. Eine entgeltliche Vermietung sei vom VwGH auch für den Fall verneint worden, in dem geringfügige Mehreinnahmen über den Betriebskosten erzielt worden seien (Hinweis auf VwGH 11.12.1996, 94/13/0025).

4 Auch erreichten die Mietentgelte der Höhe nach bei Weitem nicht die 10% des angemessenen Mietzinses, bei deren Erreichung der OGH von einem Mietverhältnis ausgehe. Da eine genaue Vergleichsmiete naturgemäß nicht einfach zu ermitteln sei, könne näherungsweise der Mietpreisspiegel des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der WKÖ herangezogen werden. Für das Jahr 2007 liege dabei die Büroraummiete in der Region mit einem einfachen Nutzwert bei 4,5 EUR pro m2. Tatsächlich handle es sich bei den vermieteten Räumlichkeiten um neu renovierte Gebäude, die wahrscheinlich einen guten (6,1 EUR) bzw. sehr guten (7,7 EUR) Nutzwert hätten. Die Räumlichkeiten würden allerdings für Veranstaltungszwecke bzw. als Kindergarten genutzt, was wiederum einen Abschlag rechtfertige. Aus diesem Grund könne für die hier angestrebten Vergleichswerte der einfache Nutzwert herangezogen werden.

5 Für 665 m2 pastorale Räume wären damit laut Mietpreisspiegel bei einfachem Nutzwert mindestens 2.992,50 EUR zu zahlen. Die 3,22 EUR, die tatsächlich vereinbart worden seien, machten rechnerisch etwas mehr als 0,1% der "angemessenen Miete" aus und seien damit so weit von den vom OGH angesetzten 10% entfernt, dass sich weitere Überlegungen über die angemessene ortsübliche Miete erübrigten. Dasselbe gelte für die 631 m2 Kindergarten, für die 2.839,50 EUR zu bezahlen wären, während die Nettomiete nur 3,05 EUR ausmache und für die 239 m2 Pfarrhof für die 1.051,60 EUR statt der vereinbarten 83 Cent zu entrichten wären.

6 Die Revisionswerberin übe durch die Nutzungsüberlassung der Räumlichkeiten an die Pfarrkirche X daher keine unternehmerische Tätigkeit iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 aus.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des VwGH ab, weil das Entgelt des Mietvertrages mit der Stadtpfarre X kein "Anerkennungszins" sei, sondern die höchstgerichtlich definierte Untergrenze für eine Anerkennung als umsatzsteuerliche Vermietung iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 sehr wohl überschreite.

8 Die Revision erweist sich als unzulässig.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 10. März 2016, 2013/15/0222 und 2013/15/0224, - unter Verweis auf frühere Rechtsprechung - ausgesprochen hat, reicht eine Überlassung gegen einen bloßen Anerkennungszins oder gegen Ersatz der Betriebskosten nicht aus, um einen zivilrechtlichen Bestandvertrag und damit eine umsatzsteuerliche Vermietung im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1994 zu begründen. Wird eine für die Anerkennung eines Mietvertrages zivilrechtlich erforderliche Mindestmiete nicht erreicht, kann nicht von einem entgeltlichen Mietverhältnis ausgegangen werden und ist die Gebrauchsüberlassung dem Hoheitsbereich der Körperschaft öffentlichen Rechts zuzuordnen.

13 Mit dem vorliegenden Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht die im ersten Rechtsgang teilweise fehlenden Feststellungen zu den revisionsgegenständlichen Überlassungen für die Streitjahre getroffen und sich im Lichte der obigen Rechtsprechung mit dem Vorliegen eines entgeltlichen Mietverhältnisses näher auseinandergesetzt.

14 Dabei hat das Bundesfinanzgericht bei der streitgegenständlichen Überlassung einer Nutzfläche von rund 665 m2 für pastorale Räume und einen Pfarrsaal einen monatlichen Nettozins (exklusive Betriebskosten) von 3,22 EUR und bei der Überlassung einer Nutzfläche von 576 m2 für den Kindergarten zuzüglich 55 m2 für sanitäre Anlagen einen monatlichen Nettozins von 3,05 EUR festgestellt, wobei der jeweilige Bruttozins inklusive Betriebskosten 101% der Betriebskosten entsprochen habe. Soweit das Bundesfinanzgericht darin einen bloßen Anerkennungszins erblickt hat, ist es nicht von der Rechtsprechung des VwGH abgewichen (vgl. VwGH vom 10.3.2016, 2013/15/0222, sowie 3.9.2008, 2003/13/0086).

15 Soweit die Revision ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung zu einem unzulässigen Austausch von Wiederaufnahmegründen geltend macht, ist sie lediglich darauf zu verweisen, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis nicht über die Wiederaufnahme der Verfahren abgesprochen wurde.

16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Mai 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150024.L00

Im RIS seit

27.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

23.08.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten